Entscheidungsstichwort (Thema)
gefährliche Körperverletzung
Tenor
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 17. Dezember 1998 werden verworfen.
Die Landeskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dadurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Der Nebenkläger hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat – soweit hier von Bedeutung – die vier Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Aussetzung zu Freiheitsstrafen bzw. zu Jugendstrafen verurteilt. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger machen mit ihren Revisionen – jeweils auf die Sachrüge gestützt – geltend, das Landgericht habe rechtsfehlerhafterweise sich nicht vom Tötungsvorsatz der vier Angeklagten überzeugt und dementsprechend eine jeweilige Verurteilung wegen versuchten Mordes verabsäumt. Die Rechtsmittel bleiben – dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend – ohne Erfolg.
In der Silvesternacht 1997 kam es bei einer Feier zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger. Die Angeklagten mißhandelten den Nebenkläger erheblich. Anschließend verbrachten sie den verletzten und bewußtlosen Nebenkläger auf ein freies Feld, wo sie ihn zurückließen. Als der Nebenkläger erwachte, konnte er in ein Krankenhaus gebracht werden, wo sein Leben durch eine sofortige Operation gerettet wurde.
I.
Soweit das Landgericht sich nicht vom Tötungsvorsatz der Angeklagten hat überzeugen können, liegt dem kein sachlichrechtlicher Fehler zugrunde.
Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen – mithin auch von der subjektiven Tatseite – zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen oder sie etwa nur deshalb zu beanstanden, weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise näher gelegen hätte. Kann der Tatrichter vorhandene, wenn auch nur geringe Zweifel nicht überwinden, so kann das Revisionsgericht eine solche Entscheidung nur im Hinblick auf Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft, Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze aufweist oder ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewißheit gestellt hat (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1983, 277, 278; BGH NStZ 1984, 180). Ein solcher Fehler ist hier nicht gegeben.
1. Mit der bloßen Beanstandung, das Landgericht habe „weder die Aussage des Geschädigten noch die Bekundungen der Zeugen St, K, G und R noch den Ortstermin vom 28. Oktober 1998 gewürdigt”, kann die Staatsanwaltschaft keinen Erfolg haben. Die damit angesprochenen Beweiserhebungen sind sämtlich urteilsfremd. Diesbezügliche Verfahrensrügen sind nicht erhoben.
2. Im übrigen kommt allein der – im Ergebnis jedoch nicht durchgreifende – Gesichtspunkt etwaiger Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung in Betracht, weil das Urteil – wie den Beschwerdeführern zuzugeben ist – insofern knapp ist. Dies gilt insbesondere deshalb, weil es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen besonders nahe liegt, daß der Täter auch mit der Möglichkeit, daß das Opfer zu Tode kommen könne, rechnet und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 3, 37 m.N.). Andererseits ist angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung immer die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten (BGH NStZ 1983, 407 m.N.; BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 5).
Diesen Gesichtspunkten hat das Landgericht jedoch mit folgenden Erwägungen noch hinreichend Rechnung getragen: „Zwar bestand bei einer damals herrschenden Außentemperatur von 6 °C eine Gefahr der Unterkühlung des Geschädigten, die die Angeklagten als eine von ihnen verursachte Lebens- oder Leibesgefahr des Geschädigten zumindest als möglich voraussahen und billigten. Darin liegt aber noch nicht das Einverständnis damit, daß diese Gefahr in einen wirklichen Schaden an Leben oder Leib umschlage. So war es auch hier. Die Angeklagten spürten nach ihrem eigenen Empfinden zumindest keine extreme Kälte. Auch über das Ausmaß der Verletzungen des Geschädigten, die, wie später festgestellt, zum Teil lebensbedrohlich waren, waren sich die Angeklagten nicht im Klaren” (UA S. 54).
Schließlich mußten auch die zuvor von den Angeklagten geführten Reden, den Nebenkläger vom Balkon zu werfen, ihn „einzubuddeln” oder in einen Fluß zu werfen, nicht weiter als im Urteil geschehen erörtert werden. Erkennbar hat das Landgericht diese „Spekulationen”, die es als „ziellos” und „halbherzig” bezeichnet, als durch das weitere Tatgeschehen überholt erachtet.
II.
Schließlich deckt die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils im Umfang der Anfechtung weder einen sonstigen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten noch einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
Unterschriften
Tepperwien, Häger, Basdorf, Gerhardt, Raum
Fundstellen