Entscheidungsstichwort (Thema)
Abtretung eines Darlehensrückzahlungsanspruches. Auslegung der Abtretungsvereinbarung. Sicherungsabtretung. Verjährungsunterberechung durch Schuldanerkenntnis. Abtretung an Erfüllungs statt
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung eines verjährungsunterbrechenden Anerkenntnisses des Schuldners.
Normenkette
BGB § 208 a.F.
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 01.08.2000) |
LG München I (Urteil vom 03.02.2000) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. August 2000 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 3. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin hat den Beklagten über längere Zeit anwaltlich beraten und vertreten. Nachdem eine Vielzahl an Gebührenforderungen aufgelaufen war, vereinbarten die Parteien am 1./20. April 1996 folgendes:
„1. …
2. Frau Rechtsanwältin … (Klägerin) und … (Beklagter) … vereinbaren, daß … (die Klägerin) für die unter Ziffer 1 genannten Rechnungen und betreuten Mandate einschließlich der weiteren Beratungstätigkeit bis Ende Mai 1996 ein Gesamthonorar in Höhe von brutto DM 200.000,00 … erhalten wird. Das Honorar ist zum 31.05.1996 fällig …
3. …
4. Zur Sicherung des offenen Honoraranspruchs tritt … (Beklagter) einen Darlehensrückzahlungsanspruch, den er gegen Herrn Thomas K. … hat, an Frau Rechtsanwältin … (Klägerin) ab. Frau … (Klägerin) nimmt die Abtretung an.”
Auf die Abtretung erhielt die Klägerin keine Zahlungen. Zum 25. April 1997 teilte sie dem Beklagten die neue Forderungshöhe mit 315.577,42 DM mit. Darauf antwortete der Beklagte unter dem 28. April 1997 wie folgt:
„Sie haben mir einen Betrag von 260.000,00 DM genannt, welche wie folgt beglichen wird.
- Abtretung meiner Ansprüche gegen Herrn K. …, welche Sie schriftlich angenommen haben. Dabei handelt es sich um eine Summe von 200.000,00 DM.
- Den Restbetrag von 60.000,00 DM werde ich schnellstmöglich realisieren.”
Wegen des unter Ziffer 1 genannten Betrages von 200.000 DM hat die Klägerin am 30. Dezember 1998 einen Urkunden-Mahnbescheid beantragt. Das Amtsgericht hat diesen sowie später einen Urkunden-Vollstreckungsbescheid erlassen. Gegen den letzteren hat der Beklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt. Das Landgericht hat den Vollstreckungsbescheid aufrecht erhalten. Das Oberlandesgericht hat ihn aufgehoben und die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Forderung der Klägerin sei verjährt. Die Verjährung habe am 31. Dezember 1996 um 24.00 Uhr begonnen und am 31. Dezember 1998 um 24.00 Uhr geendet. Der Antrag auf Erlaß des Urkunden-Mahnbescheids habe keine Unterbrechung der Verjährung bewirken können, weil der Mahnbescheid nicht wirksam zugestellt worden sei. Dem Schreiben des Beklagten vom 28. April 1997 könne kein verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB entnommen werden. Im Hinblick auf den Wortlaut dieses Schreibens könne weder der Umstand, daß am 1./20. April 1996 nur eine Sicherungsabtretung vereinbart worden sei, noch die dem Schreiben vom 28. April 1997 vorausgegangene Korrespondenz Bedeutung gewinnen. Denn das Schreiben vom 28. April 1997 sei „nicht unzweideutig” formuliert. Es sei zumindest unklar, ob sich der Beklagte am 28. April 1997 des bloßen Sicherungscharakters der Abtretung nicht mehr bewußt gewesen sei und er gemeint habe, den Betrag von 200.000 DM nicht mehr zu schulden. Offensichtlich sei auch die Klägerin nicht von einem Schuldanerkenntnis ausgegangen, weil sie später der Ansicht gewesen sei, ihre Forderung verjähre Ende 1998.
II.
Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Ob der Ansicht des Berufungsgerichts gefolgt werden kann, daß der Urkunden-Mahnbescheid nicht rechtswirksam zugestellt worden ist, kann offenbleiben. Denn das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines verjährungsunterbrechenden Anerkenntnisses im Sinne von § 208 BGB a.F. zu Unrecht verneint.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt für eine Verjährungsunterbrechung durch Anerkenntnis jedes – auch rein tatsächliche – Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewußtsein vom Bestehen des Anspruchs – wenigstens dem Grunde nach – unzweideutig ergibt und das deswegen das Vertrauen des Gläubigers begründet, daß sich der Schuldner nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen wird (BGH, Urt. v. 21. November 1996 – IX ZR 159/95, NJW 1997, 516, 517 m.w.N.; v. 27. Januar 1999 – XII ZR 113/97, NJW 1999, 1101, 1103).
2. Ob eine bestimmte Erklärung die Voraussetzungen eines verjährungsunterbrechenden Anerkenntnisses im Sinne des § 208 BGB a.F. erfüllt, ist eine Frage der tatrichterlichen Auslegung, die revisionsrechtlich nur beschränkt auf die Verletzung von Auslegungsregeln, Denkgesetzen, Erfahrungssätzen und Verfahrensvorschriften überprüfbar ist (vgl. BGHZ 131, 136, 138; BGH, Urt. v. 14. Juni 2000 – VIII ZR 73/99, NJW 2000, 3130, 3131 f.).
3. Die Auslegung des Schreibens des Beklagten vom 28. April 1997 leidet – wie die Revision mit Recht rügt – unter solchen Fehlern.
a) Das Berufungsgericht hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend darauf abgestellt, wie sich der Inhalt des Schreibens nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte für den Empfänger, also die Klägerin, darstellte (vgl. BGH, Urt. v. 27. Januar 1999 – XII ZR 113/97, aaO). Nicht zu beanstanden ist auch, daß das Berufungsgericht beim Wortlaut angesetzt hat. Insofern hat es rechtsfehlerfrei von einer „nicht unzweideutigen Formulierung” gesprochen, die „zumindest eine Unklarheit” hinterlasse. Bezüglich der streitbefangenen Teilforderung in Höhe von 200.000 DM kann der Hinweis auf die „Abtretung …, welche Sie schriftlich angenommen haben” (Unterstreichung nicht im Original) für die Auslegung sprechen, daß der Beklagte diesen Teil für erledigt angesehen hat. Gegebenenfalls hatte er keinen Anlaß mehr, insoweit ein Schuldanerkenntnis abzugeben. Umgekehrt spricht aber der vorhergehende Satzteil „…. welche wie folgt beglichen wird” (Unterstreichung nicht im Original) dafür, daß der Beklagte von einer gegenwärtig bestehenden Schuld ausgegangen ist.
b) Da der Wortlaut nicht eindeutig ist, mußten jedoch – auch im Urkundenprozeß – außerhalb des Erklärungsakts liegende, dem Empfänger erkennbare Begleitumstände, soweit sie einen Schluß auf den Sinngehalt der Erklärung zuließen, in die Auslegung einbezogen werden (BGH, Urt. v. 19. Januar 2000 – VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002, 1003). Insofern hat das Berufungsgericht – im Gegensatz zum Landgericht – unter Verstoß gegen § 286 ZPO wesentlichen Auslegungsstoff außer acht gelassen.
aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Sicherungscharakter der Abtretung, auf welche der Beklagte in seinem Schreiben hinwies, für die Auslegung erheblich. Eine Forderung, für welche der Schuldner eine Sicherheit gestellt, etwa eine andere Forderung abgetreten hat, ist dadurch noch nicht „erledigt”. Aus der Sicht des Schuldners ist das nur dann anders, wenn er den Sicherungscharakter der Abtretung aus dem Blick verloren hat und der Meinung ist, die Forderung sei an Erfüllungs Statt abgetreten worden. An diese Möglichkeit hat das Berufungsgericht offensichtlich gedacht. Dabei hat es aber den unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin nicht berücksichtigt, wonach der Beklagte „zwar immer wieder gegenüber der Klägerin dahingehend argumentiert” habe, sie „müsse sich wegen des anerkannten Teilhonoraranspruchs in Höhe von DM 200.000,00 an Herrn … (den Drittschuldner) halten, die Klägerin … dem aber ebenso regelmäßig widersprochen” habe.
bb) Die Vorkorrespondenz durfte das Berufungsgericht ebenfalls nicht unberücksichtigt lassen (vgl. BGH, Urt. v. 14. Januar 1993 – IX ZR 76/92, NJW 1993, 1325, 1326). Die Klägerin hatte dort klar zum Ausdruck gebracht, daß sie – ungeachtet der vorgenommenen Sicherungsabtretung, welche die gesicherte Forderung nicht zum Erlöschen gebracht habe – in erster Linie eine Bezahlung der offenen Honorarforderungen verlangte. Deshalb mußte sie bei der Antwort des Beklagten mit einem Mißverständnis von seiner Seite nicht rechnen. Insbesondere aus dem Schreiben der Klägerin vom 25. April 1997, auf das der Beklagte mit dem in Rede stehenden Schreiben vom 28. April 1997 unmittelbar geantwortet hat, ergibt sich ihr Standpunkt mit aller Deutlichkeit. In ihrem Schreiben erinnerte die Klägerin daran, daß im April 1996 „u.a. ein Honorar in Höhe von ca. DM 200.000,00 sowie dessen Verzinsung anerkannt” wurde (S. 3 Abs. 1). Sie erwähnte dann eine im Dezember 1996 getroffene Absprache, diese Forderung durch eine weitere Abtretung abzusichern (S. 5 vorletzter Absatz); diese Möglichkeit habe sich zwischenzeitlich zerschlagen (S. 7 Abs. 2). Schließlich kam sie auf die erste Sicherungsabtretung vom April 1996 zu sprechen, auf welche der Beklagte sie „bei einem … (ihrer) letzten Gespräche” verwiesen habe (S. 6 Abs. 3). Die Klägerin bemerkte dazu: „Es bedarf … eines Anerkenntnisses der Gesamtforderung” (S. 6 Abs. 5) und „In Anbetracht der Tatsache, daß meine Honorare zum großen Teil seit mehr als zwei Jahren zur Zahlung offen sind und die Forderungen sich einschließlich der für Sie verauslagten Gelder und der angelaufenen Zinsen inzwischen auf mehr als DM 315.000,00 beläuft, können Sie nicht erwarten, daß ich weiter zuwarte” (S. 6 letzter Absatz, Fettdruck im Original). Das Schreiben schließt wie folgt: „Ich biete Ihnen unter der Voraussetzung, daß die Zahlung eines Gesamtbetrages von DM 290.000,00 bis spätestens 31.05.1997 erfolgt, an, auf einen Betrag in Höhe von DM 25.577,42 sowie auf weitere Verzugszinsen ab dem 20.04.1997 zu verzichten. … Sollte es bis zum 31.05.1997 zur Eintragung einer Eigentümergrundschuld durch Herrn K. (Drittschuldner) kommen und ich den Grundschuldbrief erhalten, reduziert sich die für eine Forderungsreduzierung zu zahlende Summe auf DM 90.000,00” (S. 8 Abs. 1).
cc) Aufschlüsse über die Bedeutung des Schreibens des Beklagten vom 28. April 1997 verspricht auch die damalige Interessenlage (zu deren Erheblichkeit vgl. BGHZ 137, 69, 72; BGH, Urt. v. 3. April 2000 – II ZR 194/98, NJW 2000, 2099). Die Klägerin hatte auf die Abtretung mehr als ein Jahr lang keinerlei Zahlungen erhalten. Angesichts des Interesses des Beklagten, die Klägerin wegen des Betrages von 200.000 DM auf die sicherungshalber abgetretene Forderung zu verweisen, liegt die Auslegung nahe, daß der Beklagte mit seinem Schreiben vom 28. April 1997 der Klägerin (erneut) das Angebot unterbreiten wollte, sie möge fortan die Abtretung nicht mehr als Sicherungsabtretung, sondern als Abtretung an Erfüllungs Statt akzeptieren. Gegebenenfalls war ihm damals aber bewußt, daß die durch die Abtretung gesicherte Honorarforderung noch besteht.
4. Der erkennende Senat kann die Erklärung des Beklagten laut Schreiben vom 28. April 1997 selbst auslegen, weil keine weiteren Tatsachenfeststellungen zu treffen sind.
Daß die Klägerin Ende 1998 gegenüber dem Beklagten erklärt hat, ihr Anspruch verjähre am 31. Dezember dieses Jahres, steht der Auslegung der vorgenannten Erklärung im Sinne eines Anerkenntnisses nicht entgegen. Denn die Klägerin verfolgte mit dieser Äußerung nur das Ziel, den Beklagten alsbald zur Abgabe eines notariellen Schuldanerkenntnisses zu veranlassen.
III.
Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend (§ 563 ZPO a.F.).
Es ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und das landgerichtliche Urteil ist wiederherzustellen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.).
Unterschriften
Kirchhof, Fischer, Ganter, Raebel, Kayser
Fundstellen
Haufe-Index 776389 |
NJW 2002, 2872 |
BGHR 2002, 894 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 930 |
MDR 2002, 1240 |
VersR 2003, 251 |