Leitsatz (amtlich)
a) Ein richterlicher Hinweis, der seinem fallbezogenen Inhalt nach weder dem in Bezug genommenen Protokoll noch dem Urteil zu entnehmen ist, gilt als nicht erteilt.
b) Eine Klage gem. § 283 BGB a.F. i.V.m. § 259 ZPO ist zulässig, wenn der Beklagte seine Pflicht zur Herausgabe ernsthaft bestreitet (Bestätigung von BGH, Urt. v. 14.12.1998 - II ZR 330/97, MDR 1999, 434 = WM 1999, 610 ff.).
Normenkette
BGB § 283 a.F.; ZPO § 139 Abs. 4, § 259
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 16.10.2003; Aktenzeichen 11 U 34/02) |
LG Karlsruhe |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des OLG Karlsruhe v. 16.10.2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des Klageantrags zu Ziff. 3 zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien haben in den Vorinstanzen über die von der Klägerin begehrte Herausgabe eines Lkw und damit in Zusammenhang stehende Ersatzansprüche gestritten. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Verpflichtung der Beklagten, an die Klägerin Schadensersatz i.H.v. 46.016,27 EUR nebst Zinsen zu zahlen im Falle des fruchtlosen Ablaufs der der Beklagten - inzwischen rechtskräftig - gesetzten Frist zur Herausgabe des Lkw (§ 283 BGB a.F.). LG und OLG haben die Klage insoweit abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Umfang ihrer Zulassung begründet und führt unter Teilaufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Abweisung der Klage auf Schadensersatz im Falle des fruchtlosen Fristablaufs ausgeführt, diese sei bereits unzulässig, da die Klägerin die Voraussetzungen einer Klage auf künftige Leistung (§ 259 ZPO) trotz entsprechenden Hinweises seitens des Gerichts nicht dargetan habe.
II. Die Begründung des Berufungsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Abweisung des Klageantrags zu Ziff. 3 stellt - wie die Revision zu Recht rügt - eine Überraschungsentscheidung dar (unten 1). Sie ist aber auch im Übrigen rechtsfehlerhaft (unten 2).
1. Das Berufungsgericht war gem. § 139 Abs. 2 ZPO verpflichtet, die Klägerin auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage aus § 283 BGB a.F. i.V.m. § 259 ZPO hinzuweisen (Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 139 Rz. 19, m.w.N.). Diese Verpflichtung bestand nicht zuletzt deshalb, weil das landgerichtliche Urteil zu den Gründen der Abweisung dieses Teils der Klage keine Begründung enthält. Zwar stützt das Berufungsgericht die Klageabweisung auf die Nichtbefolgung eines der Klägerin im Termin v. 3.6.2003 erteilten Hinweises. Inhalt und Umfang dieses Hinweises sind jedoch weder dem Protokoll der Sitzung v. 3.6.2003 noch dem sonstigen Akteninhalt zu entnehmen. Der Hinweis ist seinem auf den konkreten Fall bezogenen Inhalt nach auch in dem angefochtenen Urteil nicht hinreichend dokumentiert, womit das Berufungsgericht den Anforderungen des § 139 Abs. 4 ZPO entsprochen hätte (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 139 Rz. 13a; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 139 Rz. 27). Angesichts dessen muss der Senat davon ausgehen, dass kein sachbezogener Hinweis erteilt wurde (§ 139 Abs. 4 ZPO; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., Rz. 28; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 139 Rz. 13a, 20) und das Berufungsgericht eine Überraschungsentscheidung zu Lasten der Klägerin getroffen hat.
2. Die Klageabweisung ist darüber hinaus auch inhaltlich rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage gem. § 259 ZPO verkannt.
Gemäß § 259 ZPO ist eine Klage auf zukünftige Leistung zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Schuldner den Anspruch ernsthaft bestreitet (BGH, Urt. v. 14.12.1998 - II ZR 330/97, MDR 1999, 434 = NJW 1999, 610 [612], m.w.N.). Hier hatte die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Herausgabe des Lkw und damit zugleich ihre Verpflichtung zur Schadensersatzleistung gem. § 283 BGB a.F. in erster und zweiter Instanz bestritten. Sie hat dann zwar im Berufungsverfahren die Berufung gegen ihre Verurteilung zur Herausgabe des Lkw zurückgenommen. Da sie im Anschluss hieran ihrer nunmehr rechtskräftigen Herausgabeverpflichtung aber nicht nachgekommen ist, bestand die Besorgnis i.S.d. § 259 ZPO fort (BGH, Urt. v. 14.12.1998 - II ZR 330/97, MDR 1999, 434 = NJW 1999, 610 [612]). Auch die Tatsache, dass der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zustand und sie daher zur Herausgabe nur Zug um Zug gegen Zahlung verurteilt worden ist, steht der Zulässigkeit einer Klage gem. § 259 ZPO nicht entgegen (BGHZ 43, 28 [31]; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 259 Rz. 1, m.w.N.).
III. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da noch die Feststellung erforderlich ist, ob die Klägerin den Schaden der Höhe nach richtig ermittelt hat. Darüber muss das Berufungsgericht nach weiterer Klärung des Sachverhalts entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 1392712 |
BB 2005, 1818 |
BGHR 2005, 1272 |
NJW-RR 2005, 1518 |
IBR 2005, 648 |
JurBüro 2005, 613 |
ZAP 2005, 1226 |
MDR 2005, 1364 |