Verfahrensgang
LG Stendal (Urteil vom 12.12.2012) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stendal vom 12. Dezember 2012 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung sowie wegen versuchter schwerer Brandstiftung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seinen Pkw Audi A 4 gemäß § 74 StGB eingezogen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
I.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Angeklagte von einer nicht identifizierten Person aus dem Umfeld der Familie B. mit der Ausführung von Brandanschlägen gegen die Familien D. und Br. beauftragt. Zu diesem Zweck deponierte er einen mit Benzin gefüllten, in Bettwäsche gehüllten Kanister im Kofferraum seines Pkw und fertigte Brandsätze an. Die Adressen der Objekte, deren Inbrandsetzen er beabsichtigte, gab er in ein mobiles Navigationsgerät ein und fuhr mit seinem Pkw zu den jeweiligen Tatorten.
Rz. 3
Der Angeklagte, dem die Geschädigten unbekannt waren, handelte um finanzieller oder sonstiger persönlicher Vorteile willen. Seiner Beauftragung durch unbekannte Dritte lag ein „Rachefeldzug” gegenüber D. und Br. zu Grunde, die sich in einem Konkurrenzkampf um die Übernahme der insolventen … Systemtechnik GmbH im Dezember 2010 gegenüber R., T. und Bo. B. durchgesetzt hatten.
Rz. 4
Im Einzelnen hat die Strafkammer folgende Taten festgestellt:
Rz. 5
a) In der Nacht vom 22. auf den 23. August 2011 begab sich der Angeklagte zu dem Anwesen des D. in S./B. und entzündete zwei mit Benzin gefüllte Einmachgläser („Molotowcocktails”) unmittelbar an dem auf dem Grundstück befindlichen Wohn- und Stallgebäude. Das beabsichtigte Inbrandsetzen des Gebäudes gelang nicht. Es kam im Wesentlichen nur zu Rußanhaftungen und Abbranderscheinungen an einem Holztor. Ein dritter Brandsatz brannte mehrere Meter vom Gebäude entfernt auf dem Rasen ab (Fall II. 2.1 der Urteilsgründe).
Rz. 6
b) Am 1. November 2011 fuhr der Angeklagte gemeinsam mit einem unbekannt gebliebenen Dritten zum Wohnhaus des D. in F.. Etwa gegen 21.00 Uhr setzte er einen von D. vor dem Anwesen geparkten Firmenwagen der … Badsysteme GmbH in Brand, indem er einen auf den vorderen rechten Reifen aufgebrachten Grillanzünder als Brandbeschleuniger benutzte. Der Motorraum brannte nahezu vollständig aus und es entstand ein Sachschaden in Höhe von 30.000 EUR (Fall II. 2.2 der Urteilsgründe).
Rz. 7
c) Am 2. Dezember 2011 warf der Angeklagte gegen 01.00 Uhr einen von ihm angefertigten Brandsatz (Mineralwasserflasche mit Brandbeschleuniger) in Richtung des Wohnhauses der 87-jährigen Schwiegermutter von Br. in Su./R.. Dabei traf er das mit Isolierglas versehene Wohnzimmerfenster, dessen äußere Scheibe durch den Aufprall zerstört wurde. Der Brandsatz fiel zu Boden und brannte aus, ohne das Gebäude in Mitleidenschaft zu ziehen. Ein zweiter vom Angeklagten geworfener Brandsatz blieb auf dem Rasen zurück (Fall II. 2.3 der Urteilsgründe).
Rz. 8
d) In der Nacht zum 19. Dezember 2011 suchte der Angeklagte erneut das Anwesen der Eheleute Br. in Su./R. auf und warf einen Brandsatz (Limonadenflasche mit brennbarer Flüssigkeit) gegen die Hauswand des hinteren Gebäudeteils, den die Eheleute als Zweitwohnung nutzten. Das Feuer erlosch selbständig, ohne das Gebäude zu erfassen. Vier an die Hauswand gelehnte Walkingstöcke, ein Kokosfaserabtreter und eine Holzbank nebst Dekoration wurden beschädigt (Fall II. 2.4 der Urteilsgründe).
Rz. 9
e) In derselben Nacht warf der Angeklagte gegen 01.22 Uhr einen Brandsatz (Glasflasche mit Benzin) in die Toilette des Stall- und Wohngebäudes auf dem Grundstück des D. in S./B.. Da der Toilettenraum gefliest und die Tür zum angrenzenden Wohn- und Stallbereich geschlossen war, konnte sich das Feuer nicht ausbreiten und ging von selbst aus (Fall II. 2.5 der Urteilsgründe).
Rz. 10
2. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten, der sich in der Hauptverhandlung zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen nicht eingelassen hat, im Wesentlichen auf folgende Indizien gestützt:
Rz. 11
a) Die Auswertung des in dem Pkw Audi A 4 des Angeklagten befindlichen Navigationsgerätes hat ergeben, dass die Adressen sämtlicher Tatorte – obwohl der Angeklagte die Geschädigten nicht gekannt hat – zunächst gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt wieder gelöscht worden sind.
Rz. 12
b) Am 21. Dezember 2011 ist im Kofferraum des mit einem Dieselmotor ausgestatteten Audi A 4 ein Benzinkanister, teilgefüllt mit Ottokraftstoff und eingewickelt in ein Bettlaken, sichergestellt worden.
Rz. 13
c) Kurze Zeit vor der Tat vom 1. November 2011 hat sich der Angeklagte zusammen mit einem unbekannten Begleiter in unmittelbarer Tatortnähe aufgehalten und ist von einem Zeugen in seinem Pkw Audi A 4 angesprochen worden. Die Personenbeschreibung einer weiteren Zeugin, die ebenfalls in Tatortnähe zwei männliche, sich auffällig verhaltende Personen beobachtet hat, passt auf den Angeklagten.
Rz. 14
d) Auf dem Mobiltelefon des Angeklagten ist unter dem 23. September 2011 ein Foto gespeichert, das ein „großes Bündel Banknoten” zeigt. Am selben Tag hat der Angeklagte den Audi A 4 zu einem Kaufpreis von 11.690 EUR erworben und bar bezahlt, obwohl er aus eigenen Mitteln einen so hohen Geldbetrag nicht hat aufbringen können.
Rz. 15
e) Der Angeklagte hat Bo. B., über dessen Kontaktdaten er verfügt hat, im Sommer 2011 persönlich aufgesucht. Zu den Familien D. und Br. hat er in keiner persönlichen oder wirtschaftlichen Beziehung gestanden.
Rz. 16
f) Sämtliche Brandanschläge sind nach einem ähnlichen Begehungsmuster erfolgt und haben sich ausschließlich gegen die Familien D. und Br. gerichtet, die sich im Dezember 2010 in dem wirtschaftlichen Konkurrenzkampf um die Übernahme der … Systemtechnik GmbH gegenüber den ehemals firmenangehörigen Mitgliedern der Familie B. durchgesetzt hatten.
Rz. 17
g) Nach der Inhaftierung des Angeklagten haben keine weiteren Brandanschläge mehr stattgefunden.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 18
Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand. Sie trägt in allen Fällen die Verurteilung des Angeklagten als Täter der Brandanschläge.
Rz. 19
1. Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt. Sind derartige Rechtsfehler nicht feststellbar, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 26. April 2012 – 4 StR 599/11, Rn. 9; vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180).
Rz. 20
Gleichermaßen Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteile vom 9. Juni 2005 – 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326; vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13, Rn. 5).
Rz. 21
2. Daran gemessen weist das Urteil keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
Rz. 22
a) Nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht aus der Gesamtheit der festgestellten Beweisanzeichen den Schluss auf die Täterschaft des Angeklagten in sämtlichen Fällen gezogen hat. Die ausführlichen Urteilsgründe lassen nicht besorgen, dass das Gericht die erforderliche Gesamtwürdigung der Indiztatsachen nur unzureichend vorgenommen hat. Das Landgericht konnte aus der Bedeutung und dem Gewicht der festgestellten Indizien in zulässiger Weise den Schluss ziehen, dass der Angeklagte sämtliche Brandanschläge eigenhändig verübt und dabei alle Tatbestandsmerkmale in eigener Person verwirklicht hat, so dass er unabhängig von der etwaigen Beteiligung Dritter in jedem Fall unmittelbarer Täter ist (§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB). Das Gericht hat nicht nur einzelne Indiztatsachen aufgezählt, sondern in hinreichender Weise das Beweisergebnis in seiner Gesamtheit gewürdigt und näher dargestellt, warum es von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt ist und eine bloße Gehilfenstellung verneint hat (UA S. 15 – 23). Insbesondere die Einspeicherung sämtlicher Tatorte in das Navigationsgerät des Angeklagten, das Auffinden des teilgefüllten, mit einem Bettlaken umwickelten Benzinkanisters im Kofferraum seines Dieselfahrzeugs und seine Identifizierung in Tatortnähe (Fall II. 2.2 der Urteilsgründe) stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage seiner Täterschaft. Dass die Strafkammer gegen eine Täterschaft des Angeklagten sprechende Indizien übersehen oder nicht in die Gesamtabwägung einbezogen hat, ist nicht ersichtlich. Die Beweiswürdigung beruht nach alledem auf einer hinreichend fundierten und konkretisierten Tatsachengrundlage.
Rz. 23
b) Soweit die Revision eine relevante Lücke der Beweiswürdigung vor allem darin sieht, dass aus den festgestellten Indiztatsachen gleichermaßen der Schluss hätte gezogen werden können, der Angeklagte habe lediglich den wahren Täter zum Tatort gefahren oder die Tatorte nur ausgespäht, beruht dies zum einen auf einer eigenen Gewichtung der Beweisbedeutung der einzelnen Indizien und zum anderen auf urteilsfremden Erwägungen. Dieser Versuch, die fehlerfreie Beweiswürdigung des Tatrichters durch eine eigene zu ersetzen, ist revisionsrechtlich unerheblich. Da das Gericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass der Angeklagte die Taten eigenhändig begangen hat, bedurfte es keiner „argumentativen Abgrenzung” zwischen Täterschaft und Beihilfe nach den hierfür entwickelten allgemeinen Kriterien (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 1988 – 3 StR 109/88, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 4).
Rz. 24
c) Dass dem Beschwerdeführer die Schlussfolgerungen der Kammer zur Frage der Motivation des Angeklagten und der Beauftragung durch unbekannte Hintermänner „höchst spekulativ” erscheinen, ist im Revisionsverfahren ebenfalls bedeutungslos. Das Urteil hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit der finanziellen Situation des Angeklagten sowie seinen Beziehungen zu den Geschädigten und der Familie B. auseinandergesetzt und dabei in zulässiger Weise den auf konkrete Tatsachen gestützten Schluss gezogen, dass der Angeklagte zur Erlangung finanzieller oder sonstiger persönlicher Vorteile gehandelt hat. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
Unterschriften
Mutzbauer, Roggenbuck, Franke, Quentin, Reiter
Fundstellen