Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen, unter denen sich aus den Ermittlungspflichten des Arztes des Gesundheitsamts, gegenüber dem der Verdacht auf eine Impfschädigung geäußert wird, eine Pflicht zur Belehrung ergeben kann, daß es zur Anerkennung eines Impfschadens einer hierauf gerichteten Antragstellung bedarf.
Normenkette
BGB § 839
Verfahrensgang
LG Trier (Aktenzeichen 11 O 474/94) |
OLG Koblenz (Aktenzeichen 1 U 555/97) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 20. Januar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die im Mai 1950 geborene Klägerin wurde am 4. Juni 1951 aufgrund einer gesetzlichen Anordnung zum Schutz vor der Pockenerkrankung geimpft. Bald darauf stellte sich bei ihr eine postvakzinale Enzephalopathie ein, die sich zu einer Teillähmung der Extremitäten entwickelte. Die Klägerin führt diese Entwicklung und weitere Verschlechterungen ihrer gesundheitlichen Situation – auch im psychischen Bereich – auf die genannte Impfung zurück. Von der Verpflichtung zur Pockenschutz-Wiederimpfung wurde die Klägerin gemäß einer vom Amtsarzt Dr. W. unterzeichneten Bescheinigung des Gesundheitsamts B. vom 15. Juni 1962 unter Hinweis auf einen Impfschaden bei der Erstimpfung freigestellt. Die Eltern der Klägerin stellten am 4. Dezember 1967 beim Landratsamt, Abteilung Sozialwesen, einen Antrag auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe als Eingliederungshilfe, den sie mit Behinderungen ihrer Tochter infolge eines Impfschadens begründeten. Wegen der Kostenträgerschaft fragte das Landratsamt unter Bezugnahme auf die von den Eltern vorgelegte Bescheinigung vom 15. Juni 1962 beim Gesundheitsamt an, ob ein Impfschaden festgestellt sei. Nach Ermittlungen des Gesundheitsamts, das die für die Anerkennung eines Impfschadens zuständige Bezirksregierung einschaltete, teilte diese dem Gesundheitsamt mit Verfügung vom 25. Juli 1968 mit, ein behördlich anerkannter Impfschaden liege nicht vor, weshalb vom Land diesbezüglich keine Leistungen erbracht werden könnten. Hiervon unterrichtete das Gesundheitsamt das Landratsamt, das dann die beantragte Hilfe gewährte. Auf einen im Februar 1988 gestellten Antrag auf Feststellung einer Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz fragte das Versorgungsamt an, ob die Klägerin wegen des von ihr in dem Antrag als Ursache geltend gemachten Impfschadens einen Antrag nach dem Bundes-Seuchengesetz stellen wolle oder ob nur eine Anerkennung im Rahmen des Schwerbehindertengesetzes gewünscht werde. Der sodann im März 1988 an das Versorgungsamt M. gerichtete Antrag führte am 29. Oktober 1991 zur Anerkennung des Impfschadens im Sinne des § 51 BSeuchenG und zu einer seit dem 1. März 1988 gewährten Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.
Die Klägerin ist der Auffassung, die zuständigen Bediensteten des beklagten Landes, die bereits in der Vergangenheit mit den Auswirkungen ihres Leidens befaßt gewesen seien, hätten es pflichtwidrig unterlassen, sie auf die Möglichkeit hinzuweisen, eine Entschädigung nach Aufopferungsgesichtspunkten oder nach dem Bundes-Seuchengesetz zu erhalten. Sie verfolgt mit ihrer Klage daher im Hauptantrag die Feststellung, daß das beklagte Land (im folgenden: Beklagter) verpflichtet sei, ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden sei bzw. noch entstehe, daß ihr für die Zeit bis März 1988 keine Entschädigungsleistungen nach dem Bundes-Seuchengesetz und nach dem allgemeinen Aufopferungsanspruch für den am 4. Juni 1951 eingetretenen Pockenimpfschaden gewährt worden seien. Die Klage hatte in den Vorinstanzen – ebenso wie eine im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erhobene Klage vor dem Sozialgericht und Landessozialgericht – keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht verneint die Verletzung einer Amtspflicht, die zu einem Entschädigungsverlust für die Zeit vor März 1988 geführt hätte. Als der Amtsarzt Dr. W. in seiner Bescheinigung vom 15. Juni 1962 von einem Impfschaden ausgegangen sei und die Klägerin von der Pockenschutz-Wiederimpfung freigestellt habe, sei nicht der zwingende medizinische Nachweis erbracht gewesen, daß die gesundheitlichen Störungen der Klägerin auf die Impfung zurückzuführen seien. Selbst wenn das Gesundheitsamt damals zur näheren Klärung ein ärztliches Gutachten eingeholt hätte, hätte dieses kein anderes Ergebnis haben können als im Jahr 1987 erstattete Gutachten, nach denen das Krankheitsbild der Klägerin nicht vollständig habe geklärt werden können. Die Klägerin wäre daher nicht in der Lage gewesen, den bis zum Inkrafttreten des Zweiten Änderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz im Jahr 1971 notwendigen Nachweis eines Impfschadens zu führen. Nach Inkrafttreten des genannten Gesetzes, das nur noch die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Gesundheitsschaden und Impfung verlange, seien die Beamten des Versorgungsamts nicht verpflichtet gewesen, ein früheres Verfahren wieder aufzugreifen oder die Klägerin auf die geänderte Gesetzeslage hinzuweisen. Selbst wenn man dies aber anders sehen wollte, hätten die beteiligten Beamten nicht schuldhaft gehandelt. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundes-Seuchengesetzes vom 1. Januar 1962 sei ein betreuendes Eingreifen und Tätigwerden von Amts wegen für einen möglichen Anspruchsteller nicht üblich gewesen und auch im Bereich des Versorgungsamts nicht erwartet worden. Die Klägerin habe nichts Stichhaltiges dafür vorgetragen, daß Beamte des beklagten Landes, an die weder ein entsprechender Sachverhalt noch ein Antrag oder ein Auskunftsersuchen herangetragen worden sei, schuldhaft eine Belehrungspflicht verletzt hätten.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in maßgebenden Punkten nicht stand.
1. Wie die Revision mit Recht rügt, kann die Verletzung einer Amtspflicht nach dem bisherigen Stand des Verfahrens nicht verneint werden. An dieser Beurteilung ist der Senat nicht durch das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juni 2000 gehindert, das den von der Klägerin geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verneint und hierbei das Handeln der Bediensteten des Gesundheitsamts, der Bezirksregierung und des Versorgungsamts als rechtmäßig bewertet hat. Auch wenn jenes zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits ergangene Urteil rechtskräftig würde – gegenwärtig läuft noch die Frist zur Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision –, wäre es nur insoweit der Rechtskraft fähig, als es über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entschieden hat. Ob sich die Bediensteten der genannten Behörden pflichtgemäß oder pflichtwidrig verhalten haben, war in dem Verfahren vor dem Landessozialgericht lediglich eine Vorfrage, auf die sich die Rechtskraftwirkung des Urteils nicht erstrecken würde (vgl. Senatsurteile BGHZ 103, 242, 245 m.w.N.; vom 6. Februar 1997 – III ZR 241/95 – VersR 1997, 745, 746).
a) Im Zusammenhang mit dem von den Eltern der Klägerin am 4. Dezember 1967 an das Landratsamt, Abteilung Sozialwesen, gerichteten Antrag auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe als Eingliederungshilfe, den sie mit Behinderungen ihrer Tochter infolge eines Impfschadens begründet hatten, wurden die für die Anerkennung eines Impfschadens seinerzeit zuständigen Behörden des Beklagten mit einer Anfrage des Landratsamts befaßt, ob ein Impfschaden festgestellt sei, weil dies Auswirkungen auf die Frage gehabt hätte, wer zur Übernahme der Ausbildungskosten verpflichtet war. Der Anfrage war die von den Eltern vorgelegte Bescheinigung des Amtsarztes Dr. W. vom 15. Juni 1962 über die Freistellung von der Pockenschutz-Wiederimpfung beigefügt, aus der sich ergab, daß die Klägerin „infolge eines Impfschadens bei der Erstimpfung nicht noch einmal gegen Pocken geimpft werden” dürfe.
aa) Wie sich aus der vorgerichtlichen Stellungnahme der Bezirksregierung T. vom 23. März 1992 ergibt, hatte das Gesundheitsamt auf die damalige Anfrage, die jedenfalls den geäußerten Verdacht auf einen Impfschaden enthielt, den mit „Verhalten der Gesundheitsämter bei Impfschäden, insbesondere nach Pockenschutzimpfung” überschriebenen Runderlaß des Ministers des Innern in der Fassung vom 31. Dezember 1967 – 771-01/1 (BerMinBl. 1968, Bd. 1 Spalte 1459) zu beachten, der in Ziffer I bestimmte:
„Erhält das Gesundheitsamt Kenntnis von einem ungewöhnlichen Verlauf der Impfreaktion, unklaren Krankheitserscheinungen des Impflings oder eines Familienangehörigen, die mit der Impfung in Zusammenhang gebracht werden, so hat der Amtsarzt unverzüglich alle zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen in die Wege zu leiten und die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Über das Ergebnis hat er alsbald seiner Bezirksregierung … zu berichten.”
In Ziffer II ist vorgesehen, daß der Amtsarzt auf eine baldmöglichste Einweisung in eine Kinderkrankenanstalt, zumindest in eine Krankenanstalt hinzuwirken hat, wenn im Anschluß an eine Schutzimpfung Erscheinungen am Nervensystem auftreten. Der Sache nach handelte es sich um Amtspflichten, die den Gesundheitsämtern schon seit langem oblagen. Bereits § 42 der Dritten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 30. März 1935 (RMBl S. 327) bestimmte, daß der Amtsarzt alsbald alle zur Aufklärung des Sachverhalts gebotenen oder zweckdienlich erscheinenden Maßnahmen in die Wege zu leiten und geeignetenfalls durch persönliche Ermittlungen zu unterstützen hatte, wenn Mitteilungen über Impfschädigungen zur Kenntnis des Gesundheitsamts gelangten. Ein weiterer, mit „Verwaltungsvorschriften und Richtlinien für die Pockenschutzimpfung” überschriebener Runderlaß des Ministers des Innern in der Fassung vom 31. Dezember 1967 – 771-01/0 (BerMinBl. 1968, Bd. 1 Spalte 1417 ff) nahm auf diese Bestimmung aus dem Jahr 1935 Bezug und ordnete an, daß der Impfarzt über das Ergebnis seiner Aufsichtsbehörde und der zuständigen Impfanstalt zu berichten habe.
bb) Ob der mit dem Anliegen der Klägerin befaßte Arzt des Gesundheitsamts und der inzwischen in den Diensten der Bezirksregierung stehende Medizinaldirektor Dr. W., an den die Anfrage weitergeleitet wurde, die sich aus diesen Runderlassen ergebenden Pflichten erfüllt haben, hat das Berufungsgericht nicht geprüft, obwohl sich die Klägerin – wie die Revision mit Recht rügt – sowohl auf diesen Vorgang als auch auf den erstgenannten Runderlaß bezogen hatte.
Ausweislich der bereits vom Berufungsgericht beigezogenen Versorgungsakte spricht viel dafür, daß der Amtsarzt nicht alle zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen in die Wege geleitet und die erforderlichen Ermittlungen durchgeführt hat. Zwar ist dem Schreiben des Amtsarztes vom 29. Mai 1968 zu entnehmen, die Mutter der Klägerin habe in eingehender Befragung angegeben, ihre Tochter habe bereits vor der Impfung laufen können, aber nach der längeren Erkrankung im Anschluß an die Impfung wieder mit dem Laufenlernen beginnen müssen; dabei habe die rechte Fußspitze nach der Impfung über den Boden geschleift, weshalb später eine Spitzfußschiene verordnet worden sei. Darüber hinaus hat der Amtsarzt der Mutter der Klägerin weitere schriftliche Fragen zur ärztlichen Behandlung gestellt, deren schriftliche Beantwortung er mit Schreiben vom 12. Juni 1968 an Dr. W. weiterleitete. Der an das Gesundheitsamt gerichteten Verfügung der Bezirksregierung vom 25. Juli 1968 ist jedoch zu entnehmen, daß die zur Aufklärung eingeleiteten Maßnahmen noch nicht ausreichten, um den Vorgang – wie geschehen – abzuschließen. In der Verfügung wird nämlich zum einen hervorgehoben, die Informationen der Mutter ließen einen „gewissen Verdacht” auf einen Impfschaden aufkommen. Zum anderen wird die Feststellung getroffen, keiner der von den Eltern konsultierten Ärzte habe von einem Impfschaden gesprochen, was erfahrungsgemäß aus einem Kausalitätsbedürfnis heraus sehr gerne geschehe. Eine wiedergegebene Äußerung des Kinderarztes Dr. Sch. könne nicht im Sinne eines Impfschadens gewertet werden, weil man annehmen müsse, daß er anderenfalls durch eine Meldung an das Gesundheitsamt die Aufklärung des Sachverhalts in Gang gesetzt hätte. Wie dem aber auch sei, es stehe fest, daß die Eltern nie einen Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens gestellt hätten und daß hier nie ein solches Verfahren durchgeführt worden sei. Was die vom Unterzeichner der Verfügung ausgestellte Bescheinigung vom 15. Juni 1962 betreffe, gehe diese wohl auf Aussagen des Impflings oder seiner Begleitpersonen zurück, woraus geschlossen worden sei, eine Anerkennung als Impfschaden liege bereits vor. Da dies jedoch – wie sich jetzt herausgestellt habe – nicht stimme, habe die Bescheinigung nur die Bedeutung einer Begründung für das Unterbleiben der gesetzlich vorgeschriebenen Wiederimpfung. Als solche sei sie auch heute noch gültig, ausgehend von dem Standpunkt, daß man ausnahmsweise mal vergrämten Eltern, die an einen Impfschaden bei ihrem Kind glaubten, weitere Sorgen, wie sie durch eine Wiederimpfung auftreten könnten, ersparen helfe. Die Verfügung, die zwar dem Landratsamt, nicht aber der Klägerin bekannt gegeben worden ist, schließt mit der Feststellung, mangels eines behördlich anerkannten Impfschadens könnten vom Land keine Leistungen erbracht werden. Damit sind in der Verfügung letztlich nur unzureichende Angaben der Mutter und eine – in Wirklichkeit offenbar nicht vorhandene – Aktenlage verwertet worden. Dem Anliegen des Erlasses, alle zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen in die Wege zu leiten und die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, war damit ersichtlich nicht Genüge getan, denn angesichts der in der Verfügung nicht geleugneten Bedeutung der zeitlichen Zusammenhänge zwischen der Impfung und den aufgetretenen gesundheitlichen Störungen und des ausdrücklich bejahten „gewissen Verdachts” lag es nahe, damals möglicherweise noch erreichbare ärztliche Unterlagen beizuziehen oder Stellungnahmen der behandelnden Ärzte einzuholen.
Der Senat verkennt nicht, daß das Gesundheitsamt und die Bezirksregierung grundsätzlich nur nach Stellung eines Antrages auf Anerkennung bestimmter gesundheitlicher Einschränkungen als Impfschaden Anlaß hatten, von Amts wegen alle Ermittlungen anzustellen, um in diesem Sinne eine abschließende Klärung herbeizuführen. Eine so weitgehende Verpflichtung begründete der Runderlaß fraglos nicht. Trotzdem legte er dem Gesundheitsamt Aufklärungspflichten auf, die von einer solchen Antragstellung unabhängig waren. Wenn diese Pflichten auch in erster Linie auf Fälle zugeschnitten sein mögen, in denen dem Gesundheitsamt alsbald nach der Impfung ein unregelmäßiger Verlauf zur Kenntnis gelangt – das ergibt sich insbesondere aus der Pflicht, auch der Impfanstalt zu berichten sowie unter bestimmten Voraussetzungen Blut und Liquor zu entnehmen und der Impfanstalt zu übersenden –, sind sie auf solche Fälle jedoch nicht beschränkt. Sie dienen auch nicht allein dem Interesse der Allgemeinheit, um etwa der Verwendung ungeeigneter Impfstoffe zu begegnen, sondern auch dem Interesse des von einem unregelmäßigen Impfverlauf betroffenen Einzelnen, dessen Gesundheit möglicherweise erheblich beeinträchtigt war oder der mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen zu rechnen hatte. Es kommt hinzu, daß der mit „Verwaltungsvorschriften und Richtlinien für die Pockenschutzimpfung” überschriebene Runderlaß des Ministers des Innern vom 31. Dezember 1967 (BerMinBl. 1968, Bd. 1 Spalte 1417, 1418) als Anlage 10 einen vom Amtsarzt an die Aufsichtsbehörde zu erstattenden Bericht in einer Impfschadenssache vorsah, wenn von dem Erziehungsberechtigten ein Impfschaden behauptet oder der Verdacht einer Impfschädigung geäußert wurde. Den beigezogenen Vorsorgungsakten ist nicht zu entnehmen, daß der Amtsarzt einen solchen Bericht erstattet und sich die zur Beantwortung der zahlreichen Fragen in dem entsprechenden Formblatt notwendigen Informationen bei den Eltern der damals noch minderjährigen Klägerin beschafft hätte.
cc) Bei ausreichender Wahrnehmung der in den Runderlassen vom 31. Dezember 1967 auferlegten Pflichten hätte die Bediensteten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung auch die Verpflichtung getroffen, die Klägerin auf die Notwendigkeit einer Antragstellung zur Feststellung eines Impfschadens hinzuweisen.
Nach § 16 Abs. 3 SGB I sind die Leistungsträger von Sozialleistungen verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden. Diese Vorschrift ist zwar erst zum 1. Januar 1976 in Kraft getreten, Betreuungspflichten entsprechender Art wurden aber schon vorher in der Rechtsprechung insbesondere des Bundessozialgerichts anerkannt. Das Bundessozialgericht hat bereits im Urteil vom 17. November 1970, das sich auf Vorgänge im Jahr 1952 bezog, ausgesprochen, aufgrund der Fürsorge- und Betreuungspflicht habe der Beamte dem Staatsbürger, soweit er mit dessen Angelegenheiten befaßt sei, zu helfen, um das zu erreichen, was ihm zustehe oder was er im Rahmen des Möglichen und Zulässigen zu erreichen wünsche (vgl. BSGE 32, 60, 65). 1975 urteilte es über einen Vorgang aus dem Jahr 1965, der Versicherungsträger verletze eine ihm aus dem Versicherungsverhältnis nach dem Grundsatz von Treu und Glauben obliegende Dienstleistungspflicht, wenn er den Versicherten nicht auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinweise, die klar zutage lägen und deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig erscheine, daß sie jeder verständige Versicherte mutmaßlich nutzen werde (BSGE 41, 126). Zu den Nebenpflichten aus einem Sozialrechtsverhältnis gehören als spezielle Dienstleistung Auskunft und Belehrung sowie „verständnisvolle Förderung” (BSGE 46, 124, 126). Auch der Senat hat bereits vor Inkrafttreten des Ersten Buches Sozialgesetzbuch entschieden, es gehöre im sozialen Rechtsstaat zu den Amtspflichten der mit der Betreuung der sozial schwachen Volkskreise betrauten Beamten, diesen zur Erlangung und Wahrung der ihnen vom Gesetz zugedachten Rechte und Vorteile nach Kräften beizustehen (Urteil vom 26. September 1957 – III ZR 65/56 – NJW 1957, 1873 f). Im Senatsurteil vom 6. April 1960 hat er ausgeführt, es dürfe der heute gefestigte Grundsatz nicht außer acht bleiben, daß der Beamte „Helfer des Staatsbürgers” zu sein habe, woraus im Einzelfall seine Pflicht folgen könne, den von ihm zu betreuenden Personenkreis gegebenenfalls ausreichend zu belehren und aufzuklären, damit insbesondere ein Gesuchsteller im Rahmen des jeweils Möglichen und Zulässigen das erreichen könne, was er zu erreichen wünsche, und damit vermeidbarer Schaden von ihm ferngehalten werde (III ZR 38/59 – NJW 1960, 1244). Auch in der eine Betreuungspflicht annehmenden Entscheidung des Senats vom 6. Februar 1997 (III ZR 241/95 – VersR 1997, 745 f) ging es um ein Verhalten in den frühen siebziger Jahren, also vor dem Inkrafttreten des Ersten Buches Sozialgesetzbuch.
Dem Senat ist bewußt, daß im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres eine Belehrungspflicht wegen einer klar zutage tretenden Gestaltungsmöglichkeit angenommen werden kann. Denn nach der Aktenlage konnten die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin auch auf anderen Ursachen beruhen. Bei einer nach den Runderlassen gebotenen weiteren Aufklärung, zu der die Bezirksregierung das Gesundheitsamt hätte auffordern müssen und die mindestens in der Beiziehung ärztlicher Unterlagen und in einer dokumentierten Befragung der Eltern hätte bestehen müssen, hätte aber nach den Umständen des Falles eine Belehrung vorgenommen werden müssen. Wegen der gebotenen Aufklärung war ohnehin eine Kontaktaufnahme mit einem gesetzlichen Vertreter der Klägerin erforderlich. Er hätte auch um eine entsprechende Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht ersucht werden müssen. Darüber hinaus drängte sich dem Gesundheitsamt aufgrund der Anfrage des Sozialamts auf, daß die Klägerin in wirtschaftlichen Verhältnissen lebte, die eine Hilfegewährung erforderlich machten. Das Gesundheitsamt führte ferner, wie den Versorgungsakten zu entnehmen ist, seit 1959 über die Klägerin eine Körperbehindertenakte. Schließlich ergab der Vorgang, in den das Gesundheitsamt durch die Anfrage des Sozialamts eingeschaltet war, daß den Erziehungsberechtigten der Klägerin offenbar nicht bekannt war, daß sie Entschädigungsleistungen verlangen könnten, wenn ein Impfschaden in dem dafür vorgesehenen Verfahren festgestellt wäre. Vor diesem Hintergrund war es amtspflichtwidrig, sich der weiteren Aufklärung zu enthalten und die Klägerin nicht mindestens auf die Möglichkeit hinzuweisen, ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Impfschaden anerkennen zu lassen. Da die Klägerin die beantragte Hilfe schließlich vom Sozialamt erhielt und ihr die Verfügung der Bezirksregierung nicht übermittelt wurde, blieb ihr die aus ihrer Sicht gebotene Gestaltungsmöglichkeit gerade verborgen.
Dagegen läßt sich nicht einwenden, der Anwendungsbereich der Runderlasse beschränke sich auf die Gesundheitsfürsorge als solche; er sei – in Bezug auf den einzelnen Betroffenen – überschritten, wenn die gesundheitliche Beeinträchtigung irreversibel sei. Eine solche Feststellung setzt die von den Runderlassen bei Verdacht eines Impfschadens vorgeschriebene Aufklärung voraus, die ihrerseits zwischen Gesundheitsbehörden und Betroffenen die Rechtsbeziehung begründet, aus der die genannten Belehrungspflichten herzuleiten sind. Deren pflichtgemäße Wahrnehmung oblag den zuständigen Amtsträgern auch im Blick auf das Interesse der von einem Impfschaden Betroffenen, in Gestalt einer Aufopferungsentschädigung ein Äquivalent für die im Interesse der Allgemeinheit erlittenen gesundheitlichen Nachteile zu erlangen.
b) Unbegründet ist die Rüge der Revision, nach Inkrafttreten des Zweiten Änderungsgesetzes zum Bundesseuchengesetz sei das Versorgungsamt im Zusammenhang mit dem Übergang der Zuständigkeit für die Behandlung von Impfschadensfällen verpflichtet gewesen, den von der Bezirksregierung übermittelten Vorgang aus dem Jahr 1968 zu überprüfen und der Klägerin eine Antragstellung nahezulegen. Auch wenn die der Versorgungsakte vorgeheftete Karteikarte, worauf die Revision hinweist, ergibt, daß die zehn Blätter umfassende Akte der Bezirksregierung am 6. Oktober 1971 übersandt und erst ein Jahr später archiviert worden ist, begründete dies keine Pflicht, ohne einen besonderen Anlaß die Akte auf mögliche Ansprüche durchzuprüfen und der Klägerin im Hinblick auf den erleichterten Nachweis der Kausalität (§ 52 Abs. 2 BSeuchenG) eine Antragstellung nahezulegen. Da ein Impfschaden nicht bereits anerkannt war, war nicht zu prüfen, ob sich leistungsrechtlich Veränderungen ergeben konnten, die mit der 1971 eingeführten entsprechenden Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes zusammenhingen. Im übrigen setzte Art. 2 Abs. 3 2. ÄndGBSeuchenG einen Antrag voraus, wenn erneut geprüft werden sollte, ob der Impfschaden im Hinblick auf das gelockerte Kausalitätserfordernis anzuerkennen sei.
2. Wie die Revision mit Recht rügt, kann auch ein Verschulden der mit der Anfrage des Sozialamts befaßten Beamten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung nicht ausgeschlossen werden. Es geht hier – jedenfalls im Kern – nicht, wie das Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Erörterungen stellt, um das Maß der in den sechziger Jahren anerkannten und zu erwartenden allgemeinen Betreuungs-, Beratungs- und Fürsorgepflicht, sondern zunächst und zuvörderst um die Beachtung von Pflichten, die Gegenstand der ministeriellen Runderlasse waren und daher zum alltäglichen „Handwerkszeug” der Beamten gehörten, denen gegenüber der Verdacht auf einen Impfschaden geäußert war. Es trifft auch nicht zu, wenn das Berufungsgericht ausführt, an die Beamten sei ein entsprechender Sachverhalt nicht herangetragen worden. Es war vielmehr ein Antrag der Klägerin in der Welt, der Anlaß zu der Frage bot, ob das Land aus dem Gesichtspunkt des Impfschadens für die Kosten von Eingliederungsmaßnahmen aufkommen müsse. So ist dies auch, wie die Behandlung der Angelegenheit zeigt, vom Gesundheitsamt und der Bezirksregierung angesehen worden. Soweit das Berufungsgericht meint, die befaßten Beamten hätten die Voraussetzungen für einen erfolgversprechenden Antrag der Klägerin nicht vorwerfbar als nicht gegeben angesehen, übersieht es den maßgeblichen Gesichtspunkt, daß die mit dem Fall befaßten Beamten die Sache auf einer – gemessen an der durch die Erlasse begründeten Pflichtenlage – erkennbar unvollständigen Grundlage, die es nicht erlaubte, die Erfolgsaussicht eines auf Anerkennung eines Impfschadens gerichteten Antrags zu beurteilen oder gar zu verneinen, abgeschlossen haben. War es aber ohnehin geboten, sich mit einem gesetzlichen Vertreter der Klägerin wegen der Aufklärung des nicht von vornherein auszuräumenden Verdachts eines Impfschadens ins Benehmen zu setzen, konnten die mit der Sache befaßten Beamten schwerlich ohne Verschulden davon ausgehen, sie müßten sich über den Grund oder das mögliche Ziel ihrer Untersuchungen nicht näher erklären.
Ein Verschulden der zuständigen Bediensteten ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil ihnen mehrere Kollegialgerichte rechtmäßiges Verhalten bescheinigt haben. Auf die allgemeine Richtlinie, daß einen Amtsträger in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 97, 97, 107), kann sich der Beklagte hier nicht berufen. Bei dieser Regel handelt es sich nur um eine allgemeine Richtlinie für die Beurteilung des im Einzelfall gegebenen Sachverhalts. Sie greift unter anderem nicht ein, wenn die Annahme des Kollegialgerichts, die Amtshandlung sei rechtmäßig gewesen, auf einer unzureichenden tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilungsgrundlage beruht, etwa deshalb, weil das Gericht sich bereits in seinem Ausgangspunkt von einer sachlich verfehlten Betrachtungsweise nicht hat freimachen können oder weil es infolge unzureichender Tatsachenfeststellung von einem anderen Sachverhalt als dem, vor den der Beamte gestellt war, ausgegangen ist oder den festgestellten Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt hat (Senatsurteil vom 2. April 1998 – III ZR 111/97 – NVwZ 1998, 878 m.w.Nachw.). So liegt es hier. Denn soweit die Vorinstanzen und das Landessozialgericht überhaupt auf den Vorgang von 1968 eingegangen sind, haben sie ihn nur unter dem Gesichtspunkt erörtert, mangels einer auf die Anerkennung eines Impfschadens gerichteten Antragstellung habe für die Bediensteten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung nach allgemeinen Grundsätzen kein Anlaß und keine Pflicht bestanden, Ermittlungen vorzunehmen und der Klägerin Hinweise zu erteilen. Sie haben damit den für die Beurteilung wesentlichen Gesichtspunkt unberücksichtigt gelassen, daß sich aus den ministeriellen Runderlassen die oben dargestellten Verpflichtungen ergeben konnten.
3. Die angefochtene Entscheidung kann nicht mit der Erwägung aufrechterhalten bleiben, auch bei Erteilung eines Hinweises wäre es der Klägerin vor dem Inkrafttreten des Zweiten Änderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz zum 1. September 1971 nicht möglich gewesen, die Ursächlichkeit der Impfung für die eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu beweisen. Die Revision macht insoweit zu Recht geltend, die Klägerin habe in das Wissen eines Sachverständigen gestellt, daß ein medizinisches Gutachten bereits in den sechziger Jahren zu demselben Ergebnis gekommen wäre wie das neurologische Gutachten von Prof. Dr. H. vom 30. Juli 1991, auf dessen Grundlage das Versorgungsamt einen Impfschaden der Klägerin anerkannt hat. Soweit das Berufungsgericht seine gegenteilige Auffassung auf die ärztlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. F. vom 1. Juni 1987 und Dr. B. vom 1. November 1987 stützt, übersieht es – wie die Revision mit Recht rügt –, daß diesen Stellungnahmen nicht die Fragestellung zugrunde lag, ob die untersuchten gesundheitlichen Beeinträchtigungen – eine im wesentlichen an den Armen der Klägerin aufgetretene Muskelatrophie – auf die Impfung zurückzuführen seien. Schon gar nicht hatten sie zum Gegenstand, ob dies für die im unmittelbaren Anschluß an die Impfung aufgetretenen Beschwerden der Klägerin in ihren Beinen anzunehmen sei. Die Revision hebt weiter zutreffend hervor, der Sachverständige Prof. Dr. H. habe sich in seinem Gutachten auf eine im Jahr 1961 veröffentlichte wissenschaftliche Untersuchung bezogen, so daß die Beurteilung des Berufungsgerichts, die in diesem Gutachten enthaltenen Feststellungen über die Ursächlichkeit des Krankheitsbildes der Klägerin seien in den vorangegangenen Jahrzehnten nicht bekannt gewesen, keine hinreichende Grundlage hat. Da der Sachverständige Prof. Dr. H. es im Hinblick auf den neurologischen Befund für „sehr wahrscheinlich” gehalten hat, daß die rechts- und beinbetonte Tetraspastik Folge der im unmittelbaren Anschluß an die Impfung durchgemachten postvakzinalen Enzephalopathie sei, läßt sich nach dem von der Klägerin unter Beweis gestellten Vorbringen nicht ausschließen, daß ihr auch bereits in den sechziger Jahren ein für die Anerkennung eines Impfschadens hinreichender Nachweis gelungen wäre.
4. Geht man von einer Amtspflichtverletzung in den sechziger Jahren aus, müßte die Klägerin im Wege des Schadensersatzes so gestellt werden, als hätte sie damals bereits einen Antrag auf Anerkennung ihres Impfschadens gestellt. Für einen solchen Antrag wäre nicht das Bundes-Seuchengesetz in seiner ursprünglichen Fassung vom 18. Juli 1961 (BGBl. I, S. 1012) maßgebend gewesen. Wie der Senat mehrfach entschieden hat, war das Bundes-Seuchengesetz vom 18. Juli 1961, das nach seinem § 85 erst am 1. Januar 1962 in Kraft getreten ist, auf frühere Schadensfälle nicht anwendbar (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 12. Oktober 1964 – III ZR 30/64 – NJW 1965, 347; BGHZ 45, 290, 291). Die Klägerin hätte daher zum damaligen Zeitpunkt Anspruch darauf gehabt, Entschädigungsleistungen aufgrund des allgemeinen Aufopferungsanspruchs des § 75 EinlALR zu erhalten, ohne daß sie dabei eine Anmeldefrist hätte einhalten müssen. Zur damaligen Zeit war der Aufopferungsanspruch, der erst durch das Senatsurteil vom 19. Februar 1953 (BGHZ 9, 83) für Impfschäden anerkannt wurde, nicht verjährt. Aus diesem Grund spielen § 56 BSeuchenG in der Fassung vom 18. Juli 1961, wonach der Geschädigte seinen Anspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Erlangung der Kenntnis von dem Impfschaden geltend zu machen hatte und bei später eingehenden Anträgen die Entschädigungsleistungen frühestens vom Tag der Antragstellung an zu gewähren waren, sowie der in dieser Vorschrift geregelte grundsätzliche Anspruchsausschluß für den Fall, daß nach Ablauf eines Jahres seit Kenntnis von dem Impfschaden noch kein Anspruch geltend gemacht war, keine Rolle. Durch das Zweite Änderungsgesetz zum Bundes-Seuchengesetz, das die Impfschadensregelung in der Weise vereinheitlichte, daß es die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes für entsprechend anwendbar erklärte, wurden allerdings auch Altfälle in die gesetzliche Regelung einbezogen. Dies hat das Bundessozialgericht der – als unvollständig angesehenen – Übergangsregelung in Art. 2 des Zweiten Änderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz entnommen (vgl. BSGE 42, 28 ff), was der Gesetzgeber des Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes vom 18. Dezember 1979 (BGBl. I S. 2248) durch eine Änderung der Fassung in § 51 Abs. 1 und 2 bestätigt hat, indem er das Wort „erleidet” durch die Worte „erlitten hat” ersetzt hat (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 402/78 S. 31). Diese Regelung wirkt sich zwar auf den Entschädigungsumfang und damit mittelbar auch auf den hier in Rede stehenden Schadensersatzanspruch aus, bedeutet jedoch nicht, daß die § 56 BSeuchenG a.F. ablösende Regelung über den Beginn der Versorgung in § 60 BVG auf den Beginn des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs anzuwenden wäre.
5. Ein Amtshaftungsanspruch scheitert nicht daran, daß die Klägerin mit ihrem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch möglicherweise noch Erfolg hätte. Dies ergibt sich bereits aus der Regelung des § 54 Abs. 4 BSeuchenG, wonach ein Schadensersatzanspruch aufgrund fahrlässiger Amtspflichtverletzung nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß die Voraussetzungen des § 51 BSeuchenG vorliegen, also ein Versorgungsanspruch zu gewähren ist, wie es Ziel des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist. Der Senat kann auch weiterhin offenlassen, ob die Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als ein Rechtsmittel im Sinn des § 839 Abs. 3 BGB anzusehen ist (vgl. Senatsurteil vom 16. November 1989 – III ZR 146/88 – NJW-RR 1990, 408, 409 m.w.Nachw.). Denn nachdem das Landessozialgericht insoweit die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen hat, ohne die Revision an das Bundessozialgericht zuzulassen, ist es der Klägerin nicht zuzumuten, das Verfahren durch Einlegung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision fortzuführen.
6. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß der Amtshaftungsanspruch der Klägerin nicht wegen Verjährung abzuweisen ist. Wie der Senat entschieden hat, wird die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs in analoger Anwendung des § 209 BGB durch den Widerspruch und die anschließende Klage gegen die Versagung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs unterbrochen, soweit der Amtshaftungsanspruch auf dasselbe Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers gestützt wird (BGHZ 103, 242, 248 f). Damit halten sich die hier zu beurteilenden Vorgänge innerhalb der 30jährigen Frist des § 852 Abs. 1 BGB; darüber hinaus hat die Klägerin ihre Ansprüche innerhalb der dreijährigen Frist seit ihrer Kenntnis davon erhoben, daß ihr Impfschaden anerkannt ist und ihr für die Vergangenheit keine Versorgung zu gewähren sei. Der Unterbrechungswirkung steht nicht entgegen, daß die Klägerin nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei einem Antrag, der – wie hier – auf Geldleistungen gerichtet ist, die materiellrechtlich von der Antragstellung abhängen, die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X auch im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs analog heranzuziehen ist (vgl. BSGE 60, 245, 247), so daß die Klägerin bei einem Erfolg im sozialgerichtlichen Verfahren Leistungen erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 1984 erlangen könnte, während es hier im anhängigen Verfahren um eine weiterreichende Rückwirkung geht. Aus den im Senatsurteil BGHZ 103, 242, 248 angeführten Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit ist für die Unterbrechungswirkung vielmehr entscheidend, daß die Klägerin ihren sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf dieselben Gesichtspunkte gestützt hat, aus denen sie auch eine Amtspflichtverletzung herleitet.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf folgendes hin:
1. Bei der abschließenden Prüfung, ob den Bediensteten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung eine Amtspflichtverletzung unterlaufen ist, hat die Klägerin Gelegenheit, ihren Vortrag, dem Amtsarzt sei im Zusammenhang mit der Ausstellung der Bescheinigung vom 15. Juni 1962 eine Amtspflichtverletzung unterlaufen, zu präzisieren. Der Verfügung der Bezirksregierung vom 25. Juli 1968 könnte insoweit entnommen werden, der Amtsarzt habe seinerzeit nicht näher geprüft, was es mit dem von der Klägerin bzw. ihrer Begleitperson behaupteten Impfschaden auf sich habe. Ob die gesamten Umstände jedoch eine solche Prüfung erforderten, für die die Runderlasse vom 17. April 1959 (MinBl. 1959, Spalte 777) und vom 4. Februar 1960 (MinBl. 1960, Spalte 279) im wesentlichen dasselbe wie die Runderlasse vom 31. Dezember 1967 verlangten, läßt sich dem bisherigen Vorbringen der Klägerin nicht deutlich entnehmen. Die Klägerin hat ferner Gelegenheit, auf ihren unter Beweis gestellten Vortrag zurückzukommen, ihre Eltern hätten Ende 1963/Anfang 1964 beim Gesundheitsamt die Übernahme der Kosten für den Schulbesuch aus dem Gesichtspunkt einer Entschädigung für den erlittenen Impfschaden beantragt; das Gesundheitsamt habe von Ostern 1965 bis Juni 1970 die Fahrtkosten für den Besuch des Aufbaugymnasiums und Kosten für Schulbedarf und Schulbücher übernommen. Darüber hinaus hätten während ihrer Schulzeit regelmäßig Untersuchungen im Gesundheitsamt durch den Landesarzt für Körperbehinderte stattgefunden. Es ist nicht auszuschließen, daß auch diese Kontakte Anlaß boten, die Klägerin über ihre Rechte zu belehren.
2. Sollte die Klägerin im weiteren Verfahren nicht in der Lage sein, den Zusammenhang ihrer gesundheitlichen Einschränkungen mit dem Impfschaden aufgrund einer Antragstellung in den sechziger Jahren nachzuweisen, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob sich aus der Dauer eines entsprechenden Verfahrens die Anwendung des erleichterten Kausalitätsnachweises des Zweiten Änderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz ergeben konnte, oder ob nicht anzunehmen ist, daß die Klägerin nach einem erfolglosen Verfahren der Impfschadensfeststellung die Möglichkeit wahrgenommen hätte, einen Antrag nach Art. 2 Abs. 3 2. ÄndGBSeuchenG zu stellen.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.07.2000 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538805 |
BGHR |
NVwZ-RR 2000, 746 |
Nachschlagewerk BGH |
ZBR 2001, 145 |
ArztR 2001, 220 |
MedR 2001, 254 |
VersR 2001, 1108 |
DVBl. 2001, 143 |