Leitsatz (amtlich)
Zur zeitlichen Begrenzung der Beschaffungspflicht des Verkäufers eines Verbrauchsguts bezüglich eines Nachfolgemodells (im Anschluss an Senatsurteil vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 54).
Normenkette
BGB § 439 Abs. 1 Alt. 2
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 01.06.2021; Aktenzeichen I-23 U 54/20) |
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.02.2020; Aktenzeichen 5 O 398/17) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. Juni 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Februar 2020 dahingehend teilweise abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger erwarb als Verbraucher mit Kaufvertrag vom 25. Februar 2014 von der Beklagten, einer nicht markengebundenen Kraftfahrzeughändlerin, ein von der Volkswagen AG hergestelltes Neufahrzeug VW Tiguan Sport & Style 4Motion BM Techn. 2,0 l TDI zum Preis von 37.250 € für private Zwecke.
Rz. 2
Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 (Abgasnorm Euro 5) ausgestattet. Der Motor ist mit einer Software versehen, die erkennt, wenn das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand hinsichtlich der dabei entstehenden Schadstoffemissionen getestet wird. In diesem Fall aktiviert die Software den "Modus 1", der eine höhere Abgasrückführung und damit verbunden einen geringeren Ausstoß an Stickoxiden bewirkt. Im normalen Fahrbetrieb schaltet sich dagegen der "Modus 0" ein, der zu einem höheren Stickoxidaustritt führt.
Rz. 3
Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt die Software als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet hatte, entwickelte die Volkswagen AG für den Motor ein Software-Update, das hinsichtlich des Stickoxid-Ausstoßes einen vorschriftsgemäßen Zustand herstellen sollte.
Rz. 4
Mit anwaltlichem Schreiben vom 21. August 2017 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zur Lieferung eines vertragsgemäßen, mangelfreien Neufahrzeugs, Zug um Zug gegen Rückgabe des von ihm erworbenen Fahrzeugs, auf. Die Beklagte lehnte eine Nachlieferung ab und verzichtete bis zum 31. Dezember 2017 auf die Einrede der Verjährung.
Rz. 5
Das von dem Kläger erworbene Fahrzeugmodell wird seit Mai 2015 nicht mehr hergestellt. Die aktuelle Modellreihe weist zu dem Vorgängermodell deutliche Unterschiede im Design, der Fahrzeugtechnik, -leistung und -ausstattung auf.
Rz. 6
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Beklagte auf Nachlieferung eines mangelfreien, fabrikneuen Fahrzeugs VW Tiguan aus der aktuellen Produktion, Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs, in Anspruch genommen. Ferner hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt.
Rz. 7
Im Mai 2019 hat der Kläger das von dem Kraftfahrt-Bundesamt freigegebene Software-Update installieren lassen. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der von dem Kläger geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben.
Rz. 8
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat beide Berufungen zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die Revision hat Erfolg.
I.
Rz. 10
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 11
Der Kläger habe gegen die Beklagte aus § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung), § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB einen Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs VW Tiguan aus der aktuellen Produktion mit den im Tenor des Berufungsurteils aufgeführten technischen Merkmalen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des durch ihn erworbenen Fahrzeugs.
Rz. 12
Das erworbene Fahrzeug habe bei Übergabe einen Sachmangel aufgewiesen, weil es mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen gewesen sei und ihm damit die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aF gefehlt habe.
Rz. 13
Der Kläger könne gemäß § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Sein Anspruch auf Nacherfüllung in dieser Form sei nicht dadurch erloschen, dass der Mangel bereits gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB beseitigt worden sei. Zwar habe der Kläger das am 8. Mai 2019 vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebene Software-Update aufspielen lassen. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass das Aufspielen des Updates zu einem vertragsgemäßen Zustand geführt habe.
Rz. 14
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang nachteilige technische Auswirkungen des Updates und einen verbleibenden merkantilen Minderwert des Fahrzeugs anführe, sei sein Vorbringen zwar nicht hinreichend substantiiert. Dass durch das Aufspielen des Updates ein vertragsgemäßer Zustand erreicht worden sei, könne aber deshalb nicht festgestellt werden, weil nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Klägers eine neue Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters installiert worden sei.
Rz. 15
An die einmal ausgeübte Wahl einer Nacherfüllung in Form der Mangelbeseitigung, wie sie im Aufspielen des Updates zu sehen sei, sei der Kläger nicht gebunden, sondern könne nach der fehlgeschlagenen Mängelbeseitigung zur anderen Art der Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache wechseln.
Rz. 16
Im Hinblick auf das Fehlschlagen der Mängelbeseitigung durch das Aufspielen des Updates könne die Beklagte die Ersatzlieferung nicht gemäß § 439 Abs. 3 BGB in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung verweigern. Die Lieferung einer mangelfreien Sache sei nicht unmöglich im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB, weil Fahrzeuge der von dem Kläger erworbenen Modellreihe nicht mehr hergestellt würden. Nach dem Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 8. Januar 2019 (VIII ZR 225/17) komme es für die Beurteilung auf Inhalt und Reichweite der vom Verkäufer vertraglich übernommenen Beschaffungspflicht an, wie sie sich bei einer interessengerechten Auslegung des Vertrags darstelle.
Rz. 17
Entgegen der Ansicht der Beklagten lasse sich danach nicht feststellen, dass das von dem Kläger begehrte Nachfolgemodell des streitgegenständlichen Fahrzeugs ein "Aliud" sei. Das Nachfolgemodell möge gegenüber dem von dem Kläger erworbenen Fahrzeug technische Neuerungen aufweisen. Die Modelle gehörten aber derselben Fahrzeugklasse (SUV) an. Es werde auch kein vollständiger Modellwechsel angestrebt, sondern ein Übergang vom Vorgänger- zum Nachfolgemodell. Die Veränderungen seien letztendlich dem technischen Fortschritt geschuldet. Hätte sich die Technik zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses bereits auf dem heutigen Stand befunden, hätte die Beklagte dem Kläger nur ein solches Fahrzeug angeboten und der Kläger nur dieses erwerben können.
II.
Rz. 18
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann der Kläger vorliegend im Wege der Nacherfüllung nicht die Lieferung eines mangelfreien Nachfolgemodells des von ihm ursprünglich erworbenen Neufahrzeugs gemäß § 434 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung (vgl. Art. 229 § 58 EGBGB; im Folgenden: aF), § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB verlangen. Damit entfällt zugleich die Grundlage für das Begehren des Klägers auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs (§ 293 BGB). Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten gemäß § 257, § 439 Abs. 2 BGB ist mangels Bestehens eines Nachlieferungsanspruchs ebenfalls nicht gegeben.
Rz. 19
1. Allerdings hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei - und insoweit von der Revision nicht angegriffen - angenommen, dass das von dem Kläger erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe aufgrund einer eingebauten unzulässigen Abschalteinrichtung (Prüfstanderkennungssoftware) im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. Nr. L 171, S. 1; im Folgenden: VO 715/2007/EG) und der damit verbundenen latenten Gefahr einer Betriebsuntersagung (§ 5 Abs. 1 FZV) einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aF aufwies (vgl. hierzu nur Senatsurteile vom 21. Juli 2020 - VIII ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 24 ff.; vom 29. September 2021 - VIII ZR 111/20, BGHZ 231, 149 Rn. 20; vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, NJW 2022, 1238 Rn. 37 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ 232, 94 vorgesehen), der im Zeitpunkt des Zugangs des Nacherfüllungsverlangens noch nicht beseitigt war.
Rz. 20
2. Die aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung bestehende Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs führt im Streitfall aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht dazu, dass der Kläger die Nachlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs beanspruchen kann.
Rz. 21
a) Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht unter Zugrundelegung der einschlägigen Rechtsprechung des Senats noch zutreffend angenommen, dass allein aufgrund eines nach Vertragsschluss beziehungsweise nach Übergabe des Kaufgegenstands erfolgten Modellwechsels ein Anspruch des Käufers eines mangelbehafteten Neufahrzeugs gegen den Verkäufer auf Lieferung eines mangelfreien, fabrikneuen und typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers nicht generell gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist.
Rz. 22
aa) Der Anspruch auf Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) ist nicht auf die Ersatzbeschaffung einer mangelfreien, im Übrigen aber identischen Sache beschränkt, sondern bestimmt sich vielmehr nach der vom Verkäufer im jeweiligen Einzelfall übernommenen Beschaffungspflicht. Diese kann über die ursprüngliche Leistungsverpflichtung des Verkäufers hinausgehen und sich auf eine vom Kaufgegenstand abweichende Sache - etwa ein zwischenzeitlich auf den Markt getretenes Nachfolgemodell des Kaufgegenstands - erstrecken, die nach dem Parteiwillen als gleichwertig und gleichartig anzusehen ist (vgl. Senatsurteile vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 40; vom 4. Mai 2022 - VIII ZR 50/20, juris Rn. 51; Senatsbeschluss vom 8. Januar 2019 - VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 31 ff.). Welche Ersatzsache in diesem Sinne als austauschbar, also als mit dem Kaufgegenstand gleichwertig und gleichartig zu bewerten ist, bestimmt sich maßgeblich nach dem durch interessengerechte Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien (§§ 133, 157 BGB) bei Vertragsschluss (vgl. Senatsurteile vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 254/20, aaO Rn. 42 mwN; vom 4. Mai 2022 - VIII ZR 50/20, aaO; Senatsbeschluss vom 8. Januar 2019 - VIII ZR 225/17, aaO). Inhalt und Reichweite der vom Verkäufer für den Fall der Mangelhaftigkeit der Kaufsache übernommenen Beschaffungspflicht können deshalb - je nach Parteiwillen - durchaus Abweichungen gegenüber dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufweisen und sich auf ein zwischenzeitlich auf den Markt getretenes und das Vorgängermodell ersetzendes Nachfolgemodell des Kaufgegenstands erstrecken (vgl. Senatsurteile vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 254/20, aaO Rn. 40, 44, 50, 53; vom 4. Mai 2022 - VIII ZR 50/20, aaO Rn. 52).
Rz. 23
bb) Bei der die beiderseitigen Interessen der Parteien in den Blick nehmenden Auslegung ihrer Willenserklärungen ist jedoch davon auszugehen, dass die den Verkäufer treffende Beschaffungspflicht jedenfalls solange nicht ein Nachfolgemodell erfasst, wie ein dem ursprünglich gelieferten Fahrzeug und der Vereinbarung im Kaufvertrag vollständig entsprechendes (mangelfreies) Neufahrzeug von dem Verkäufer noch nachgeliefert werden kann (vgl. Senatsurteil vom 4. Mai 2022 - VIII ZR 50/20, aaO Rn. 53). So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Denn das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass eine Ersatzlieferung in Form des von dem Kläger erworbenen Fahrzeugmodells nicht in Betracht kommt, weil dieses unstreitig seit dem Jahr 2015 nicht mehr hergestellt wird und von der Beklagten auch nicht mehr beschafft werden kann (§ 275 Abs. 1 BGB).
Rz. 24
b) Gleichwohl kann der Kläger, der sein Nacherfüllungsbegehren erstmals mehr als drei Jahre nach Kaufvertragsschluss geltend gemacht hat, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht Nacherfüllung durch Lieferung eines Fahrzeugmodells aus der aktuellen Produktion verlangen. Die von dem Berufungsgericht insofern vorgenommene Auslegung der Vertragserklärungen der Parteien hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 25
aa) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, führt eine nach beiden Seiten hin interessengerechte Auslegung des Parteiwillens bei einem Verbrauchsgüterkauf dazu, dass die Beschaffungspflicht des Verkäufers im mangelbedingten Nacherfüllungsfall das Nachfolgemodell nicht zeitlich uneingeschränkt, sondern lediglich dann umfasst, wenn ein Nachlieferungsanspruch innerhalb eines als sachgerecht und angemessen zu bewertenden Zeitraums von zwei Jahren ab Vertragsschluss geltend gemacht wird (vgl. Senatsurteile vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 66 f.; vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, NJW 2022, 1238 Rn. 46, zur Veröffentlichung in BGHZ 232, 94 vorgesehen; vom 4. Mai 2022 - VIII ZR 50/20, juris Rn. 54). Denn der Käufer eines Verbrauchsguts hat für die gelieferte mangelhafte Sache, die durch Nutzung fortlaufend an Wert verliert, eine Nutzungsentschädigung nicht zu zahlen (§ 474 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung; nunmehr § 474 Abs. 1 Satz 1, § 475 Abs. 3 Satz 1 BGB). Bereits aus diesem Grund ist bei einer beiderseits interessengerechten Auslegung der Willenserklärungen der Parteien eines Verbrauchsgüterkaufvertrags - vor allem beim Kauf von Neufahrzeugen, die bereits nach kurzer Zeit einen deutlichen Wertverlust erleiden - eine Austauschbarkeit von Kaufgegenstand und Ersatzsache grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn der Verbraucher die Nachlieferung innerhalb eines an die Länge der regelmäßigen kaufrechtlichen Verjährungsfrist (zwei Jahre, § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB) angelehnten Zeitraums - beginnend ab dem für die Willensbildung maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses - verlangt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 254/20, aaO Rn. 54, 65 ff.; vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, aaO).
Rz. 26
bb) Ausgehend von diesen Maßstäben können die Vertragserklärungen der Parteien im vorliegenden Fall nicht dahingehend ausgelegt werden, dass dem Kläger als Verbraucher (noch) ein Anspruch auf Nachlieferung des Nachfolgemodells zustehen sollte. Das Berufungsgericht hat insofern nicht in den Blick genommen, dass zum Zeitpunkt des (erstmaligen) Nachlieferungsverlangens des Klägers mit Schreiben vom 21. August 2017 der auf Erwerb eines Neufahrzeugs gerichtete Kaufvertragsschluss bereits mehr als drei Jahre zurücklag. Die Beklagte war deshalb nicht mehr verpflichtet, dem Kläger das Nachfolgemodell zu beschaffen.
Rz. 27
cc) Anders als die Revisionserwiderung meint, steht dem auch nicht entgegen, dass sich die Beklagte nicht auf die Verjährung der Gewährleistungsrechte nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB berufen hat.
Rz. 28
Die Revisionserwiderung übersieht hierbei, dass die zeitliche Beschränkung der auf die Lieferung des Nachfolgemodells gerichteten Beschaffungspflicht nicht auf der Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte nach Entstehung des Nachlieferungsanspruchs beruht, sondern es um die vorgelagerte Bestimmung des Umfangs der Ersatzlieferungspflicht im Rahmen einer sowohl die Interessen des Käufers als auch des Verkäufers in den Blick nehmenden Auslegung der Willenserklärungen der Parteien bei Vertragsschluss geht.
Rz. 29
Der Verzicht der Beklagten auf die Einrede der Verjährung ändert nichts an dem Inhalt der abgegebenen Vertragserklärungen. Da die Reichweite der den Verkäufer im Nachlieferungsfall treffenden Beschaffungspflicht durch interessengerechte Auslegung der zum Abschluss des Kaufvertrags führenden Parteierklärungen zu ermitteln ist, kommt es auf erst nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses eintretende und nicht vorhersehbare Umstände - wie den vorliegend erklärten Verjährungsverzicht - für die Bestimmung der den Verkäufer im Falle eines Nachlieferungsbegehrens treffenden Beschaffungspflicht nicht an (Senatsurteil vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 76).
III.
Rz. 30
Nach alledem ist das angefochtene Urteil auf die Revision der Beklagten in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt auf die Berufung der Beklagten zur teilweisen Abänderung des landgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage insgesamt.
Dr. Fetzer |
|
Kosziol |
|
Dr. Schmidt |
|
Dr. Matussek |
|
Dr. Reichelt |
|
Fundstellen
Haufe-Index 15290140 |
WM 2023, 686 |
ZIP 2022, 1709 |
ZIP 2022, 4 |
JZ 2022, 528 |
JuS 2022, 1169 |
VersR 2022, 1381 |