Leitsatz (amtlich)
Eine rechtsunwirksame Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird nicht allein dadurch zu einer rechtlich wirksam ausgehandelten individuellen Vereinbarung, daß in dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenden Formularvertrag der allgemeine Hinweis enthalten ist, die betreffende Bestimmung sei mit dem Auftraggeber besprochen und ausdrücklich anerkannt worden.
Normenkette
BGB § 652; Allg. Geschäftsbedingungen
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 04.07.1975) |
LG Trier (Urteil vom 20.09.1974) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 4. Juli 1975 aufgehoben und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 20. September 1974 unter Aufhebung der in ihm enthaltenen Kostenentscheidung dahin abgeändert, daß die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Der Beklagte erteilte dem Kläger (Immobilienmakler) durch schriftlichen Vertrag vom 20. Oktober 1972 einen Makler-Alleinauftrag zum Verkauf eines ihm gehörenden Grundstücks auf einer Verhandlungsbasis von 270.000,– DM.
In dem von dem Beklagten unterzeichneten Auftragsformular heißt es u.a.:
„Die umseitig abgedruckten Geschäftsbedingungen gelten als rechtsverbindlich vereinbarter Vertragsinhalt. Der Auftraggeber bestätigt, daß er eine Ausfertigung dieses Vertrages erhalten hat.”
Beim Alleinauftrag verpflichtet sich der Auftraggeber, alle – auch eigene – Interessenten an den beauftragten Makler zu verweisen.
Die Ziffern 9 und 12 wurden mit dem Auftraggeber besprochen und ausdrücklich anerkannt.
Vereinbarte Maklergebühr im Erfolgsfall: 6 %, davon Auftraggeber 3 %, Vertragspartner 3 %.
Auf der Rückseite des Formulars sind die Geschäftsbedingungen abgedruckt, die ebenfalls von dem Beklagten unterschrieben wurden. Nr. 9 dieser Geschäftsbedingungen lautet:
„Bei Erteilung eines Alleinauftrages ist der Auftraggeber verpflichtet, jeden – auch eigene – Interessenten an den alleinbeauftragten Makler zu verweisen. Schließt der Auftraggeber trotzdem selbst oder durch Vermittlung eines Dritten einen Vertrag ohne Hinzuziehung des alleinbeauftragten Maklers ab, dann verpflichtet er sich zur Zahlung eines Reuegeldes in Höhe der Gesamtprovision (z.B. Verkäufer- und Käuferprovision). …”
Die Geschäftsbedingungen enden mit dem Satz:
„Die Ziffern 9 und 12 der Geschäftsbedingungen wurden mit dem Auftraggeber besprochen und ausdrücklich anerkannt.”
Da der Beklagte wegen anderweitiger Verpflichtungen den Kaufpreis für das Grundstück benötigte, der Kläger jedoch nicht alsbald einen Käufer vermitteln konnte, trafen die Parteien eine Vereinbarung über die Abänderung der Regelung in Nr. 9 der Geschäftsbedingungen. Der Inhalt dieser Vereinbarung ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger behauptet, es sei lediglich eine Herabsetzung der Gesamtprovision von 6 auf 3 % des Verkaufspreises vereinbart worden. Demgegenüber behauptet der Beklagte, die Vereinbarung sei dahin gegangen, daß bei einem Verkauf des Grundstücks ohne Hinzuziehung des Klägers diesem nur 3.000,– DM zustehen sollten. Diesen Betrag hat er an den Kläger gezahlt, nachdem er Anfang 1973 das Grundstück ohne Hinzuziehung des Klägers für 200.000,– DM verkauft, den Kläger hiervon unterrichtet und dieser seinen Provisionsanspruch wie folgt berechnet hatte:
3 % Maklergebühr aus dem Verkaufspreis von 200.000,– DM |
6.000,– DM |
11 % Mehrwertsteuer |
660,– DM |
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6.660,– DM |
In erster Instanz hat der Kläger von dem Beklagten Zahlung von 3.660,– DM (6.660,– DM abzüglich bereits gezahlter 3.000,– DM) nebst Zinsen gefordert. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 3.000,– DM nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Klage (Zahlung der Mehrwertsteuer) abgewiesen. Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Der Kläger bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die von dem Oberlandesgericht zugelassene Revision des Beklagten ist begründet, da dem Kläger weder ein Provisionsanspruch noch ein Anspruch auf Zahlung eines Reuegeldes zusteht.
Da der Kläger keinen Käufer für das Grundstück vermittelt hat, steht ihm ein gesetzlicher Provisionsanspruch nach § 652 BGB nicht zu.
Der von ihm geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus Nr. 9 der Geschäftsbedingungen des Klägers. Nach der genannten Bestimmung soll zwar in dem hier vorliegenden Fall eines Vertragsabschlusses ohne Einschaltung des alleinbeauftragten Maklers ein Reuegeld in Höhe der Gesamtprovision geschuldet sein. Sie ist jedoch unwirksam, weil der alleinbeauftragte Makler nicht durch eine Verweisungs- oder Hinzuziehungs-Klausel in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen erreichen kann, daß ihm der Auftraggeber die volle Provision auch dann schuldet, wenn der Auftraggeber während der Bindung an den Alleinauftrag das gewünschte Geschäft ohne Hinzuziehung des Maklers abschließt (BGHZ 60, 377 ff).
Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung des erkennenden Senats berücksichtigt. Es meint jedoch, sie könne hier keine Anwendung finden, weil eine nach dem im Schuldrecht geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit zulässige und wirksame Individualvereinbarung vorliege. Hierzu hat es ausgeführt:
Auf das Vorliegen einer Individualvereinbarung deute schon hin, daß es auf der Vorderseite des Vertragsformulars heißt, die Ziffern 9 und 12 der Geschäftsbedingungen seien mit dem Auftraggeber besprochen und ausdrücklich anerkannt. Hinzu komme noch, daß dieser Teil des Vertragstextes auf der Rückseite des Formulars, auf der die Geschäftsbedingungen abgedruckt seien, am Schluß noch einmal fett gedruckt wiederholt sei und sich unmittelbar darunter nochmals die Unterschrift des Beklagten befinde. Schon dadurch sei der Vorwurf entkräftet, der Kläger habe sich durch überraschende Klauseln einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen wollen. Daß dem Beklagten die Bedeutung der Ziffer 9 der Geschäftsbedingungen bekannt gewesen sei, ergebe sich auch daraus, daß er nach Vertragsabschluß mit dem Kläger über eine Abänderung dieser Bestimmung verhandelt habe, ohne von der Möglichkeit der Kündigung des Maklervertrages Gebrauch zu machen. Aus diesen Umständen ergebe sich, daß die Parteien im Rahmen des Makleralleinauftrages eine besondere Vereinbarung mit dem Inhalt der Nr. 9 der Geschäftsbedingungen des Klägers geschlossen hätten.
Diese Rechtsauffassung des Berufungsgerichts wird von der Revision mit Erfolg angegriffen.
Dem Berufungsgericht kann nicht darin zugestimmt werden, daß hier eine Individualvereinbarung vorliege, weil der Beklagte in Kenntnis der Bedeutung der in Nr. 9 der Geschäftsbedingungen des Klägers enthaltenen Regelung diese Geschäftsbedingungen unterschrieben habe. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte bei Unterzeichnung des Antragsformulars und der Geschäftsbedingungen des Klägers Kenntnis von der in Nr. 9 dieser Bestimmungen enthaltenen Regelung und ihrer Bedeutung hatte. Denn Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden nicht schon dadurch zum Inhalt eines Individualvertrages, daß sie in Kenntnis von ihrem Inhalt und ihrer Bedeutung von dem Vertragspartner desjenigen unterzeichnet werden, der sie aufgestellt hat. Sie können nur dann als Inhalt eines Individualvertrages angesehen werden, wenn sie das Ergebnis eines freien gegenseitigen Aushandelns des Vertragsinhalts durch die Vertragspartner sind (vgl. BGHZ 62, 251, 253 = NJW 1974, 1135, 1136; BGH LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 62 m.w.Nachw.). Das war hier nicht der Fall, weil der Vertragsinhalt durch die Geschäftsbedingungen des Klägers festgelegt war und vor der Unterzeichnung des Auftragsformulars durch den Beklagten Verhandlungen über den Vertragsinhalt nicht stattgefunden hatten. Der Kläger beruft sich zwar darauf, daß
- seine von dem Beklagten unterzeichneten Geschäftsbedingungen den abschließenden Satz enthalten, „Die Ziff. 9 (hier allein in Frage kommend) und Ziff. 12 der Geschäftsbedingungen wurden mit dem Auftraggeber besprochen und ausdrücklich anerkannt”,
- der Vertrag, den die Parteien unterzeichnet haben, eine inhaltlich gleichlautende Bestimmung enthält und
- der Beklagte ausreichend Gelegenheit gehabt habe, den vorformulierten Vertrag und die Geschäftsbedingungen aufmerksam zu lesen.
Bei den angeführten Stellen handelt es sich einmal um einen Passus in den Geschäftsbedingungen, zum anderen um eine wörtlich gleichlautende Formulierung in den vom Kläger benutzten und dem Beklagten übersandten Formularvertrag. Dadurch, daß der Beklagte nur die Geschäftsbedingungen und den Formularvertrag mit diesem Hinweis unterzeichnete, konnte die Bestimmung nicht den Charakter einer individuell ausgehandelten vertraglichen Vereinbarung erhalten. Sie blieb einseitig von dem Kläger vorformuliert. Der Beklagte hat sich ihr, ohne auf ihren Inhalt Einfluß nehmen zu können, allein dadurch unterworfen, daß er die AGB und den Formularvertrag unterzeichnete. Würde man anerkennen, daß auf diese Weise eine Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Charakter einer inhaltlich ausgehandelten individuellen Vereinbarung erlangen könnte, wäre der Schutz, der dem Kontrahenten des Maklers durch das in BGHZ 60, 377 ff veröffentlichte Urteil gewährt werden soll, hinfällig, da er durch die Gestaltung des Formularvertrages unterlaufen werden könnte.
Es kann auf sich beruhen, ob eine Individualvereinbarung dann vorliegen würde, wenn der Inhalt der in Nr. 9 der Geschäftsbedingungen des Klägers enthaltenen Bestimmung über die Zahlung eines Reuegeldes zwischen den Parteien besprochen und ausdrücklich anerkannt worden wäre (vgl. hierzu OLG Celle WM 1976, 653 f). Sowohl in den Geschäftsbedingungen des Klägers als auch in dem Formularvertrag ist zwar ausgeführt, daß dies geschehen sei. Der Kläger behauptet jedoch selbst nicht, daß dies mit dem tatsächlichen Geschehensablauf in Übereinstimmung stehe. Er beruft sich lediglich darauf, daß der Beklagte die Geschäftsbedingungen und den Formularvertrag unterzeichnet hat und meint, es sei daher davon auszugehen, daß der Beklagte von dem Inhalt der Nr. 9 der Geschäftsbedingungen Kenntnis gehabt habe. Bei dieser Sachlage reicht allein die Tatsache, daß der Beklagte die Geschäftsbedingungen und den Formularvertrag unterzeichnet hat, nicht für die Annahme aus, es liege ein Individualvertrag vor.
Von dem Vorliegen einer Individualvereinbarung über die Zahlung eines Reuegeldes kann auch nicht deshalb ausgegangen werden, weil die Parteien nach Abschluß des Alleinauftrages über die Herabsetzung des in Nr. 9 der Geschäftsbedingungen des Klägers vorgesehenen Reuegeldes verhandelt und dabei eine Herabsetzung des Reuegeldes vereinbart haben, deren Umfang zwischen den Parteien streitig ist. Die in Nr. 9 der Geschäftsbedingungen des Klägers enthaltene Bestimmung über die Zahlung eines Reuegeldes in Höhe der vollen Provision bei Verkauf ohne Einschaltung des Maklers war unwirksam, weil sie eine einseitige, übersteigerte Verfolgung der Interessen des Klägers auf Kosten des Auftraggebers darstellt, die als Mißbrauch der Möglichkeit angesehen werden muß, die Folgen einer Vertragsstörung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen generell zu regeln (BGHZ 60, 377, 384). Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine für den Auftraggeber überraschende Klausel handelte, da ihr schon deshalb die Wirksamkeit zu versagen ist, weil sie den im dispositiven Recht enthaltenen ausgewogenen Ausgleich widerstreitender Interessen der Vertragspartner verdrängen soll, ohne dem Auftraggeber in anderer Weise einen angemessenen Schutz zu sichern (BGHZ 60, 377, 380). Die in Nr. 9 der Geschäftsbedingungen des Klägers enthaltene Regelung über die Zahlung eines Reuegeldes war daher nach den Grundsätzen der richterlichen Inhaltsprüfung Allgemeiner Geschäftsbedingungen als nicht geschrieben anzusehen (BGHZ 60, 377, 384). Diese Rechtslage war dem Beklagten unbekannt, als er mit dem Kläger über die Herabsetzung des in der genannten Klausel festgelegten Reuegeldes verhandelte. Er ging davon aus, daß diese Klausel gültig sei, und wollte eine Herabsetzung des seiner Meinung nach auf Grund des abgeschlossenen Alleinauftrages bei einem Verkauf ohne Einschaltung des Maklers geschuldeten Reuegeldes erreichen, nicht aber eine nicht bestehende vertragliche Verpflichtung eingehen oder etwa eine gesetzlich bestehende Pflicht heraufsetzen oder pauschalieren. Auch der Kläger ging davon aus, daß die sich aus Ziff. 9 der Geschäftsbedingungen ergebende Pflicht des Beklagten gemildert werden sollte. Beiden Parteien war unbekannt, daß eine solche Pflicht nicht bestand. Bei dieser Sachlage muß davon ausgegangen werden, daß ein Wille des Beklagten, sich zu Leistungen zu verpflichten, zu denen er kraft Gesetzes nicht verpflichtet war, nicht vorlag und auch der Kläger nicht davon ausging, durch die Vereinbarung über die Herabsetzung des Reuegeldes solle eine bis dahin nicht bestehende Verpflichtung des Beklagten begründet werden. Daher kann auch in der ihrem Inhalt nach zwischen den Parteien umstrittene Vereinbarung über die Herabsetzung des Reuegeldes keine Individualvereinbarung über die Zahlung eines Reuegeldes erblickt werden. Sie ging ins Leere, weil die nach Vorstellung beider Parteien bestehende Verpflichtung zur Zahlung eines Reuegeldes, die der Höhe nach herabgesetzt werden sollte, in Wirklichkeit nicht bestand.
Der Kläger kann daher seinen Provisionsanspruch weder auf § 652 BGB noch auf Nr. 9 seiner Geschäftsbedingungen, noch auf die nach Vertragsabschluß getroffene Vereinbarung über die Herabsetzung des Reuegeldes stützen. Da auch keine vertragliche Regelung über die Pflicht zur Auslagenerstattung bei Vertragsbruch des Kunden oder den Ersatz des nutzlosen Arbeitsaufwandes (vgl. hierzu Hauß in der Anm. zu LM § 652 BGB Nr. 44) zwischen den Parteien vorliegt, hätte die Klage nur dann Erfolg haben können, wenn dem Kläger durch den Vertragsbruch des Beklagten ein Schaden entstanden wäre, der über den von dem Beklagten gezahlten Betrag von 3.000,– DM hinausgeht und ihm nach den Grundsätzen über den Schadensersatz bei positiver Vertragsverletzung zu ersetzen wäre. Der Kläger hat jedoch nicht dargetan, daß ihm durch den Vertragsbruch des Beklagten ein Schaden in dieser Höhe entstanden sei.
Die Klage war daher auch hinsichtlich des von den Vorinstanzen dem Kläger zuerkannten Betrages abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.
Unterschriften
Johannsen, Dr. Bukow, Dr. Buchholz, Rottmüller, Dr. Hoegen
Fundstellen
Haufe-Index 1745816 |
NJW 1977, 432 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1977, 176 |