Entscheidungsstichwort (Thema)
Untreue
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 18. Februar 1999 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision und die dem Angeklagten durch das Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 252 Fällen, davon in 232 Fällen in Tateinheit mit Betrug, und wegen Mißbrauchs von Titeln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel ist unbegründet.
I.
Das Beschwerdevorbringen deckt im Schuldspruch keinen Rechtsfehler auf:
1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet ohne Erfolg, die Strafkammer habe den Angeklagten in den Fällen VI 1 bis 6 der Urteilsgründe zu Unrecht vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Die Urteilsfeststellungen enthalten keine Anhaltspunkte, daß der Angeklagte über die für kulturelle Zwecke in Ungarn und Rußland vorgesehenen Mittel abweichend vom beantragten Verwendungszweck verfügt hat. Die Beschwerdeführerin hat insoweit auch keine Aufklärungsrüge erhoben.
2. Weiter rügt die Revision, das Landgericht habe den durch die private Nutzung des Dienstwagens dem Landkreis entstandenen Vermögensnachteil nicht zureichend festgestellt. Es habe sich auf die Schätzung der Benzinkosten beschränkt, aber zu Unrecht nicht „die sonstigen Verbrauchskosten wie Reifen, Schmiermittel, Kundendienst” ermittelt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob es einen Rechtsfehler darstellt, daß die Strafkammer zwar die Benzinkosten an Hand der Kilometerleistungen pro Fahrt und eines Durchschnittspreises im Tatzeitraum als Mindestschaden ermittelt hat, jedoch gemeint hat, sie habe die Verbrauchskosten mangels konkreter Anknüpfungstatsachen nachträglich nicht mehr schätzen können. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, daß eine weitere Sachaufklärung zu einem wesentlich höheren Nachteil für den Landkreis geführt hätte. Denn nach den Urteilsgründen waren die Kosten für die Benutzung des Dienstwagens jeweils Bestandteil der Kosten pro Reise. Für den Schuldspruch waren die übrigen Verbrauchskosten deshalb ohne Bedeutung. Der für die Bemessung der Einzelstrafen maßgebliche Schuldumfang ist im wesentlichen durch die festgestellten Flug-, Hotel- und Verpflegungskosten bestimmt.
Schließlich rügt die Beschwerdeführerin ohne Erfolg, die Strafkammer habe nicht den Schaden ermittelt, der durch „die ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Dienste und der Arbeitsleistung des Dienstfahrers” entstanden sei. Der Fahrer war als Beschäftigter des Landratsamts dem Angeklagten ausschließlich zugewiesen. Etwaige Überstunden wurden pauschal abgerechnet. Dem Landkreis ist für die private Inanspruchnahme kein zusätzlicher Nachteil entstanden.
II.
Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf:
1. Die Beschwerdeführerin beanstandet allgemein, das Landgericht habe die besondere Pflichtenstellung des Angeklagten und das Maß seiner Pflichtwidrigkeit nicht ausreichend beachtet. Ein Landrat könne und dürfe als Spitzenbeamter der kommunalen Selbstverwaltung, der sich weit über die Stellung anderer staatlicher Spitzenbeamter heraushebe, nur eingeschränkt kontrolliert werden. Insbesondere rügt die Staatsanwaltschaft, die Strafkammer habe zu Unrecht die fehlende Kontrolle zugunsten des Angeklagten gewertet. Beides trifft in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht zu.
a) Das Landgericht hat sowohl bei der Prüfung, ob die Einzeltaten des Angeklagten jeweils besonders schwere Fälle der Untreue oder des Betrugs sind, als auch bei der Bemessung der Einzelstrafen auf den außerordentlichen Pflichtenverstoß als tragenden Gesichtspunkt zuungunsten des Angeklagten abgestellt.
Besonders schwere Fälle hat es abgelehnt, weil diese „schon” aufgrund der Schadenshöhe in den jeweiligen Einzelfällen nicht gegeben waren. Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat die Strafkammer berücksichtigt, der Angeklagte habe durch seine Taten dem Amt des Landrats schweren Schaden zugefügt, indem er das Vertrauen der Bevölkerung in die Ehrlichkeit und Redlichkeit seiner Repräsentanten erheblich erschüttert habe. Anstatt Vorbild zu sein, habe er sich – besonders in Zeiten knapper Kassen – in gravierender Weise an öffentlichen Geldern vergangen. Er habe die Gelder zur Befriedigung seiner privaten Vergnügungen ausgegeben.
Eine Kontrolle des Angeklagten war – entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft – rechtlich möglich und fand auch statt. Dabei hätten nicht nur die Höhe der Kosten, sondern auch die häufige Abwesenheit des Landrats mindestens Anlaß für Beanstandungen geben müssen. Daß die Strafkammer daraus den Schluß zieht, auch gegenüber einem Landrat seien Kontrollen durch den Kreistag, das Regierungspräsidium oder durch die Gemeindeprüfungsanstalt möglich gewesen, die vorliegend nicht ausreichend funktioniert hätten und es dem Angeklagten nicht schwer gemacht hätten, die Taten zu begehen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
2. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht dem Angeklagten eine Anzahl als erheblich bewerteter Milderungsgründe zugute gehalten. Was die Staatsanwaltschaft dagegen vorbringt, läuft im wesentlichen darauf hinaus, diese Umstände abweichend zu werten. Dies ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Rechtsfehler, die ein Eingreifen des Revisionsgerichts rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Eine darüber hinausgehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (BGHSt - GS - 34, 345, 349).
III.
1. Gegen die Anordnung der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 2 StGB wendet die Beschwerdeführerin ein, die Strafkammer habe zu Unrecht das Vorliegen besonderer Umstände bejaht. Die privaten und beruflichen Konsequenzen für den Angeklagten seien überbewertet. Die Entfernung aus dem öffentlichen Dienst und der damit verbundene Verlust der Pensionsansprüche seien notwendige Folge des Fehlverhaltens.
Mit diesem Vorbringen setzt die Beschwerdeführerin wiederum ihre eigene Wertung an die Stelle der Auffassung des Landgerichts. Auch stehen die Darlegungen der Strafkammer im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Nebenfolge der Beendigung des Beamtenverhältnisses und des Verlustes der Pensionsansprüche sowohl bei der Festsetzung der schuldangemessenen Strafe (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 2 m. w. Nachw.) als auch bei der Beantwortung der Frage, ob besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorliegen (BGHR StGB § 56 Abs. 2 Umstände, besondere 2).
2. Schließlich halten auch die Darlegungen der Strafkammer, mit denen sie verneint, daß die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe gebietet, rechtlicher Prüfung stand. Eine Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müßte und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (vgl. BGHSt 24, 40, 46; BGH NStZ 1987, 21).
Die Strafkammer hat bei der Prüfung dieser Frage nochmals die gesamten Tatumstände und die Persönlichkeit des Angeklagten gewürdigt. Mit Rücksicht auf die vom Landgericht angeführten Milderungsgründe, insbesondere bei Beachtung der persönlichen Folgen der Verurteilung für den Angeklagten und von ihm bereits erbrachter Wiedergutmachungsleistungen, ist auszuschließen, daß die Rechtstreue der Bevölkerung ernsthaft beeinträchtigt und es von der Allgemeinheit bei Kenntnis der Sachlage als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen wird, daß die Vollstreckung der Strafe im vorliegenden Fall zur Bewährung ausgesetzt wurde (vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9).
Unterschriften
Schäfer, Maul, Granderath, Brüning, Boetticher
Fundstellen
Haufe-Index 540067 |
wistra 2000, 96 |
BewHi 2000, 454 |