Leitsatz (amtlich)
1. Ansprüche nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B in Verbindung mit § 1 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 VOB/B sind solche auf Zahlung einer "auch in Zusatzaufträgen vereinbarten Vergütung" im Sinne von § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. Dies gilt auch, wenn die in diesen Bestimmungen vorgesehene Vereinbarung über den neuen Preis beziehungsweise über die besondere Vergütung nicht zustande kommt.
2. Das Gericht muss für den Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gemäß § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. feststellen, ob der Rechtsgrund für einen zusätzlichen Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B gegeben ist, ob also insbesondere wirksame Anordnungen des Auftraggebers im Sinne von § 1 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 VOB/B vorliegen. Dagegen reicht hinsichtlich der Höhe des Vergütungsanspruchs ein schlüssiger Vortrag des Auftragnehmers aus (Fortführung von BGH, Urteil vom 6. März 2014 - VII ZR 349/12, BGHZ 200, 274).
Normenkette
BGB § 648a Abs. 1 S. 1 aF; VOB B § 1 Abs. 3, 4 S. 1, § 2 Abs. 5-6
Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 09.02.2021; Aktenzeichen 9 U 1546/20 Bau) |
LG München I (Entscheidung vom 21.02.2020; Aktenzeichen 24 O 13558/18) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 9. Februar 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin begehrt die Stellung einer Sicherheit für erbrachte Bauleistungen bei der Erweiterung eines Hotels in U..
Rz. 2
Der Beklagte zu 1 beauftragte am 13. Juli 2017 die Klägerin mit der Erbringung von Trockenbauarbeiten bei dem Bauvorhaben. Die VOB/B wurde vereinbart. Grundlage des Vertrags war ein Verhandlungsprotokoll samt Anlagen. Der Beklagte zu 1 sollte sämtliches Material für die Arbeiten vor Ort stellen und die Planungen übernehmen. Die Klägerin sollte nur für die konkrete Ausführung der Arbeiten, berechnet nach Mengen und Massen (Einheitspreise), bezahlt werden. Der vereinbarte Werklohn belief sich auf 376.410,25 €. Die Parteien einigten sich außerdem auf einen Stundenlohn von 30 € für eine Facharbeiterstunde und 22 € für eine Helferstunde.
Rz. 3
Der Beklagte zu 1 kündigte den Vertrag am 23. Januar 2018. Am 26. Januar 2018 kündigte die Klägerin den Vertrag ihrerseits wegen behaupteter unwirksamer Kündigung der Gegenseite. Mit Schreiben vom 5. Februar 2018 forderte die Klägerin eine Bauhandwerkersicherheit in Höhe von 114.850 €. Der Beklagte zu 1 verweigerte die Abnahme. Die Leistungen der Klägerin wurden durch Weiterbau genutzt. Die Klägerin legte am 19. Juni 2018 - verteilt auf mehrere Einzelrechnungen - Schlussrechnung auf der Grundlage der erbrachten Leistungen bis zur Kündigung des Beklagten zu 1 und forderte zugleich erneut Sicherheit für die Schlussrechnungssumme.
Rz. 4
Mit einer Rechnung Nr. 18184 verlangt die Klägerin einen Betrag von 61.767 € für Nachtragsleistungen. Sie behauptet, die Nachträge seien technisch notwendig gewesen und der Beklagte zu 1 habe sie durch Einzelanweisung auf der Baustelle verlangt. Mit einer Rechnung Nr. 18182 berechnet die Klägerin für Stundenlohnarbeiten 33.327,47 €. Mit einer Rechnung Nr. 18183 begehrt die Klägerin Bezahlung für Leistungen betreffend die Logistik und Transport in Höhe von 15.937,05 €. Insgesamt ergibt sich hieraus ein Betrag von 111.031,52 €, für den die Klägerin zuzüglich eines Aufschlags in Höhe von 10 % (11.000 €) für Nebenforderungen mit der vorliegenden Klage Sicherheit verlangt.
Rz. 5
Die Firma des Beklagten zu 1, eines eingetragenen Kaufmanns, wurde gemäß Ausgliederungsvertrag vom 6. Juni 2018 von der Beklagten zu 2, einer GmbH & Co. KG, übernommen.
Rz. 6
Das Landgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil antragsgemäß stattgegeben. Den hiergegen gerichteten Einspruch der Beklagten hat es als unzulässig verworfen und zusätzlich ausgeführt, dass die Klage auch begründet sei. Die Berufung der Beklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Beklagten weiterhin Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht. Es ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Termin nicht vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, juris Rn. 10 ff.; Versäumnisurteil vom 21. April 2022 - VII ZR 783/21 Rn. 7, NJW-RR 2022, 1104).
Rz. 8
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für bis zum 31. Dezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB.
I.
Rz. 9
Das Berufungsgericht hat - abweichend vom Landgericht - den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil für zulässig erachtet. Jedoch sei die Klage in vollem Umfang begründet.
Rz. 10
Die Klägerin habe sowohl den Abschluss des Bauvertrags mit dem Beklagten zu 1 am 13. Juli 2017 wie auch die als notwendig bezeichneten Nachträge substantiiert dargelegt. Das Landgericht habe zutreffend ausgeführt, dass die zu stellende Sicherheit Vergütungsansprüche im Sinne von § 648a BGB a.F. umfasse, worunter alle vertraglich vereinbarten Ansprüche sowie Ergänzungs- und Zusatzleistungen, insbesondere berechtigte Nachträge wie auch Nebenforderungen fielen.
Rz. 11
Neben der vertraglich vereinbarten Vergütung schulde der Besteller auch Sicherheit für Mehrleistungen, wenn diese für den werkvertraglichen Erfolg, beispielsweise zur Erlangung der Funktionstauglichkeit des Werks oder aufgrund technischer Regeln erforderlich seien, selbst wenn diese nicht im Leistungsverzeichnis enthalten seien. Die Klagepartei habe daher auch einen Anspruch auf Sicherung der als notwendig bezeichneten Nachträge. Dabei könne offenbleiben, inwiefern diese auf der Baustelle durch den Beklagten zu 1 persönlich beauftragt worden seien. Im Rahmen des Sicherungsverlangens reiche es, wenn der Anspruchsteller seinen Werklohnanspruch schlüssig darlege. Eine Beweisaufnahme sei nicht vorgesehen. Die Klagepartei habe die Leistungen im Einzelnen schlüssig aufgelistet und eine plausible Begründung für die Erforderlichkeit dieser Zusatzleistungen erbracht. Der Vortrag werde dadurch gestützt, dass das streitgegenständliche Leistungsverzeichnis lückenhaft gewesen sei mit der Folge, dass im Nachgang Leistungen zum Zwecke der Fertigstellung erbracht worden seien. Diese Praxis sei gängig und dem Gericht aus ähnlich gelagerten Bauverfahren bekannt mit der Folge, dass eine mündliche Beauftragung von Nachträgen gewissermaßen auf Zuruf durch die Bauleitung vor Ort nicht unüblich sei. Derartige Nachträge seien jedoch aufgrund der Schutzfunktion der begehrten Sicherheit von dem Sicherungsverlangen miterfasst. Aus diesem Grunde habe das Gericht die Nachtragsleistungen im Umfang ihrer schlüssigen Darstellung in der Klageschrift bei der Höhe der Sicherheitsleistung ebenfalls berücksichtigt.
Rz. 12
In der Rechnung 18183 rechne die Klägerin außerdem Leistungen für Logistik und Transport ab. Hier habe die Klagepartei vorgetragen, dass der Beklagte zu 1 die Stellung und den Transport des Materials schuldete, was bestritten geblieben sei, ebenso wie die Tatsache, dass er der Klägerin die Stoffe an der Stelle habe zur Verfügung stellen müssen, an der die Verarbeitung stattfinden sollte. Diese Leistungen seien unterblieben. Die Klägerin habe daher einen Anspruch auf Erstattung von Kosten betreffend Transport und Logistik dieser Materialien, welche in der Rechnung im Rahmen der vorliegend gebotenen summarischen Prüfung nachvollziehbar und plausibel abgerechnet worden seien. Die Klagepartei habe insbesondere klargestellt, dass es sich nicht um Nachtragsleistungen zum Hauptvertrag handele, sondern um solche Leistungen, die von dem Beklagten zu 1 geschuldet und nicht etwa gemäß Anlage 1 zum Verhandlungsprotokoll von der Klägerin selber als logistische Transportleistungen zu erbringen gewesen wären.
Rz. 13
Soweit die Rechnung Nr. 18182 betroffen sei, gehe aus ihr nebst Stundenzetteln und der Übersicht der Stundenlohnarbeiten hervor, welche Tätigkeiten mit den Regiearbeiten geleistet worden seien. Auch hier reiche es im Rahmen der Prüfung des § 648a BGB a.F. aus, wenn der Werkunternehmer Sicherheit bis zur Höhe des voraussichtlichen Vergütungsanspruchs verlange, so dass es auf eine exakte Beweisaufnahme hinsichtlich der tatsächlichen Ausführung der einzelnen Regiestunden nicht ankomme. Hierzu reiche die Vorlage von schlüssigen Regiearbeitsberichten aus.
Rz. 14
Da eine Sicherheitsleistung grundsätzlich zügig und ohne Beweisaufnahme zugesprochen werden sollte, wenn nicht der gesetzliche Anspruch entwertet werden solle, genüge eine vom Auftragnehmer schlüssig dargelegte Höhe. Ob der zu sichernde Vergütungsanspruch in der geltend gemachten Höhe tatsächlich bestehe, weil z. B., wie hier, Nachträge streitig seien, werde nur durch eine Beweiserhebung zu klären sein, die allerdings dem Hauptverfahren vorbehalten bleibe. Aufgrund der Ausgliederung hafte die Beklagte zu 2 neben dem Beklagten zu 1 als Gesamtschuldnerin.
II.
Rz. 15
Das hält der rechtlichen Nachprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
Rz. 16
Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des Anspruchs auf Sicherheitsleistung nach § 648a BGB a.F., der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, rechtsfehlerhaft bejaht.
Rz. 17
1. Voraussetzung für diesen Anspruch ist zunächst, dass die Klägerin "Unternehmerin eines Bauwerks, einer Außenlage oder eines Teils davon" ist. Das ist der Fall, wenn sie sich in einem Werkvertrag gemäß § 631 BGB gegenüber dem Beklagten zu 1 zur Herstellung etwa eines Teils eines Bauwerks verpflichtet hatte. Sollten die Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach die Klägerin den Abschluss des Bauvertrags mit dem Beklagten zu 1 am 13. Juli 2017 substantiiert dargelegt habe, dahin zu verstehen sein, dass zur Feststellung des Vorliegens dieses Tatbestandsmerkmals die substantiierte Darlegung des Abschlusses des Bauvertrags ausreicht, wäre dies rechtsfehlerhaft, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen unter II. 2. ergibt. Ein solcher Fehler hätte sich allerdings nicht entscheidungserheblich ausgewirkt, da nach dem maßgeblichen und das Revisionsgericht bindenden Tatbestand des angefochtenen Urteils der Abschluss des Vertrags vom 13. Juli 2017, der die Verpflichtung der Klägerin zur Herstellung eines Teils eines Bauwerks enthielt, unstreitig ist.
Rz. 18
2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen weiteren Begründung kann kein Anspruch auf Sicherheit für die in der Rechnung Nr. 18184 verlangte Vergütung in Höhe von 61.767 € für Nachtragsleistungen bejaht werden.
Rz. 19
Nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. kann Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung verlangt werden. Bei den dieser Rechnung zugrundeliegenden Leistungen handelt es sich nach dem Vortrag der Klägerin um Leistungen, die in dem Vertrag vom 13. Juli 2017 nicht aufgeführt sind und für die kein (Einheits-)Preis ausgewiesen ist. Die Klägerin hat hierzu vielmehr behauptet, sie habe die technisch notwendigen Leistungen auf Verlangen des Beklagten zu 1 ausgeführt. Sie hat nicht behauptet, dass für diese Leistungen zwischen den Vertragsparteien eine Vergütung gesondert vereinbart worden sei. Gleichwohl kommt in Betracht, dass der Klägerin auch für diese Leistungen ein Anspruch auf Zahlung einer Vergütung zusteht, die eine "auch in Zusatzaufträgen vereinbarte Vergütung" im Sinne von § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. darstellt und für die deshalb ein Anspruch auf Sicherheit bestehen kann.
Rz. 20
a) Einem Auftragnehmer können - bei Vereinbarung der VOB/B - nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B in Verbindung mit § 1 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 VOB/B zusätzliche Vergütungsansprüche auch dann zustehen, wenn die in diesen Bestimmungen vorgesehene Vereinbarung über den neuen Preis beziehungsweise über die besondere Vergütung nicht zustande kommt. Der Auftragnehmer kann dann unmittelbar den Vergütungsanspruch einklagen; er ist unter Berücksichtigung der Vorgaben der VOB/B zu ermitteln. Der Anspruch entsteht mit der Ausübung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 VOB/B durch den Auftraggeber (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom18. Dezember 2008 - VII ZR 201/06 Rn. 8, BGHZ 179, 213; Beschluss vom 24. Mai 2012 - VII ZR 34/11 Rn. 6, BauR 2012, 1395 = NZBau 2012, 493; jeweils m.w.N.).
Rz. 21
b) Derartige Ansprüche sind solche auf Zahlung einer "auch in Zusatzaufträgen vereinbarten Vergütung" im Sinne von § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. (BeckOK Bauvertragsrecht/Scharfenberg, Stand: 31. Juli 2022, § 650f BGB Rn. 23; BeckOGK/Mundt, BGB, Stand: 1. Juli 2022, § 650f Rn. 53; Fuchs, BauR 2012, 326, 337; Beck'scher VOB/B-Kommentar/Funke, 3. Aufl., Vorbemerkung § 2 Rn. 336; Hilgers, BauR 2016, 315, 318; Kimmich/Friedrich, BauR 2015, 565, 567; Koeble in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 9. Teil Rn. 128; Mayr/von Berg, BauR 2019, 1027;Messerschmidt/Voit/Cramer, Privates Baurecht, 4. Aufl., BGB § 650f Rn. 64 f.; Pause in Festschrift für Leupertz, 2021, S. 467, 474; Retzlaff, BauR 2013, 1184, 1186, 1190; Rodemann/Bschorr, BauR 2013, 845, 846 ff.; a.A. Ingenstau/Korbion/Leupertz/von Wietersheim/Joussen, VOB Teile A und B, 21. Aufl., Anhang 1 Rn. 166; Leinemann/Kues/Koppmann, BGB-Bauvertragsrecht, § 650f BGB Rn. 34). Dem steht weder entgegen, dass die zugrundeliegenden Leistungen auf Anordnung des Auftraggebers erbracht worden sind, noch, dass keine Einigung auf eine bestimmte Höhe der Vergütung existiert.
Rz. 22
aa) Solche Vergütungsansprüche sind von dem Wortlaut von § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. umfasst (a. A. Ingenstau/Korbion/Leupertz/von Wietersheim/Joussen, VOB Teile A und B, 21. Aufl., Anhang 1 Rn. 166).
Rz. 23
Zwar handelt es sich bei den diesen Vergütungsansprüchen zugrundeliegenden Leistungen um solche, die im ursprünglichen Vertrag zunächst nicht aufgeführt waren. Sie beruhen jedoch ebenfalls auf der Einigung der Vertragsparteien, weil diese sich im Vertrag durch Vereinbarung der VOB/B auf ein - von bestimmten Voraussetzungen abhängiges - einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers und damit auf die Verpflichtung zur Ausführung der Leistungen für den Fall der Ausübung des Rechts geeinigt haben. Nichts anderes gilt im Übrigen, wenn ergänzend geltendes dispositives Recht - wie seit dem 1. Januar 2018 § 650b Abs. 2 BGB - ein Recht zur Anordnung von Leistungsänderungen gewährt.
Rz. 24
Die Vergütung für diese Leistungen ist ebenfalls bereits im Vertrag - für den Fall ihrer Anordnung - vereinbart. Hierfür reicht es aus, dass sie bestimmbar ist. Das ist, ebenso wie etwa in den Fällen des § 632 Abs. 2 BGB oder bei Vereinbarung von Einheitspreisen, Stundenlöhnen oder Selbstkostenerstattung (vgl. § 2 Abs. 2 VOB/B) für die im Vertrag aufgeführten Leistungen, der Fall.
Rz. 25
bb) Nach dem Sinn und Zweck von § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. gibt es keine Veranlassung, zwischen der für die im Vertrag aufgeführten Leistungen vereinbarten Vergütung und der nur unter der Bedingung der Anordnung anderer oder weiterer Leistungen entstehenden Vergütung zu unterscheiden. Das Sicherungsinteresse des Auftragnehmers besteht in allen Fällen in gleicher Weise. Im Hinblick darauf wäre es ein Wertungswiderspruch, wenn zwar einerseits dem Auftragnehmer bei einer Vereinbarung über den Preis beziehungsweise über die besondere Vergütung von geänderten oder zusätzlichen Leistungen ein Anspruch auf Sicherheit zusteht, dieser Anspruch aber nicht bestünde, wenn die nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B in erster Linie vorgesehene Vereinbarung nicht zustande kommt.
Rz. 26
cc) Schließlich ergeben auch die Materialien zur Neufassung des § 648a BGB zum 1. Januar 2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Formulierung "vereinbarte Vergütung" eine Begrenzung der Vergütungsansprüche beabsichtigt gewesen wäre. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es ausdrücklich, dass § 648a Abs. 1 BGB-E funktionell dem bisherigen Abs. 1 entspreche (BT-Drucks. 16/511 S. 17). Dieser lautete, Sicherheit könne bis zur Höhe des voraussichtlichen Vergütungsanspruchs, wie er sich aus dem Vertrag oder einem nachträglichen Zusatzauftrag ergibt, verlangt werden. Hierunter lässt sich ohne Weiteres auch ein zusätzlicher Werklohn aufgrund eines wirksamen Leistungsverlangens des Auftraggebers nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 VOB/B verstehen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2009 - XI ZR 107/08 Rn. 30 m.w.N., BGHZ 183, 341).
Rz. 27
c) In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, welche Feststellungen zum Bestehen derartiger Vergütungsansprüche notwendig sind, damit der Anspruch auf Sicherheit begründet ist. Teilweise wird vertreten, ein Bestreiten eines Vergütungsanspruchs (für "Nachträge") dem Grunde nach schließe einen Anspruch auf Sicherheit hierfür von vornherein aus, da in dem Verfahren auf Stellung einer Sicherheit hierüber keine Beweisaufnahme stattzufinden habe (Schwarz, BauR 2017, 1, 4 f.; wohl auch Koeble in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 9. Teil Rn. 128 mit Fn. 226; Messerschmidt/Voit/Cramer, Privates Baurecht, 4. Aufl., § 650f BGB Rn. 66). Andere halten es umgekehrt - wie auch das Berufungsgericht - für ausreichend, dass der Auftragnehmer die Voraussetzungen solcher Ansprüche dem Grunde (und auch der Höhe) nach schlüssig vorträgt (Hilgers, BauR 2016, 315, 319; Kimmich/Friedrich, BauR 2015, 565, 567 f.; Mayr/von Berg, BauR 2019, 1027, 1029 f.; OLG Hamm, Urteil vom 3. Juni 2016 - 12 U 99/15, juris Rn. 72 ff., 82 ff.).
Rz. 28
Nach richtiger Auffassung muss das Gericht feststellen, ob der Rechtsgrund für einen zusätzlichen Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B gegeben ist, ob also insbesondere wirksame Anordnungen des Auftraggebers im Sinne von § 1 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 VOB/B vorliegen (vgl. BeckOK Bauvertragsrecht/Scharfenberg, Stand: 31. Juli 2022, § 650f BGB Rn. 23b, 47c; BeckOGK/Mundt, BGB, Stand: 1. Juli 2022, § 650f Rn. 194; Leinemann/ Kues/Koppmann, BGB-Bauvertragsrecht, § 650f BGB Rn. 99; Pause in Festschrift für Leupertz, 2021, S. 467, 475; Schmitz, NZBau 2014, 484, 485; Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, Bauvertragsrecht, 4. Aufl., § 650f BGB Rn. 76; OLG Stuttgart, Urteil vom 26. Juni 2017 - 10 U 122/16, BauR 2018, 109 = NZBau 2018, 101, juris Rn. 52 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. Juni 2018 - 8 U 102/16, BauR 2019, 674 = NZBau 2019, 56, juris Rn. 20; wohl auch OLG Bamberg, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 3 U 22/19, juris Rn. 31; vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 16. Januar 2017 - 17 U 111/16, BauR 2017, 1376, juris Rn. 65 ff.; OLG Köln, Urteil vom 18. Dezember 2019 - 16 U 114/19, juris Rn. 35). Genauso wie der Unternehmer bei seinem Sicherungsverlangen darlegen und - im Falle wirksamen Bestreitens - beweisen muss, dass er "Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon" im Sinne von § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. ist, um eine Sicherheit für die voraussichtliche Vergütung hieraus zu erlangen, muss er dies in Bezug auf die Leistungsänderung oder -erweiterung durch Anordnung tun, die die notwendige Rechtsgrundlage für eine zusätzliche Vergütung ist.
Rz. 29
Zwar hat der Senat entschieden, dass dem Regelungskonzept des § 648a BGB a.F. der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen ist, das Verlangen nach Sicherheit nicht mit einem Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen von Einwendungen gegen den Vergütungsanspruch zu belasten, wenn dieser die Durchsetzung des Sicherungsverlangens verzögern würde. In entsprechender Weise darf deshalb ein Streit über die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des Vergütungsanspruchs nach einer Kündigung die Durchsetzung des Anspruchs auf Stellung einer Sicherheit nicht behindern. Sind die tatsächlichen Voraussetzungen der schlüssig dargelegten Vergütung streitig und führt dies zu einer Verzögerung bei der Durchsetzung des Sicherungsanspruchs, so ist dem Sicherungsverlangen des Unternehmers deshalb stattzugeben, wenn nicht der Streit bereits anderweitig rechtskräftig geklärt ist. Damit kann etwa, sofern dies den Rechtsstreit verzögert, der Besteller nicht mit der Behauptung gehört werden, es lägen die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund vor, wenn die dieser Behauptung zugrundeliegenden Tatsachen bestritten sind und der Unternehmer deshalb die Auffassung vertritt, es läge eine freie Kündigung vor und eine Sicherung seines Anspruchs nach § 649 Satz 2 BGB a.F. verfolgt. Auch kann der Besteller nicht mit der bestrittenen Behauptung gehört werden, die tatsächlichen Voraussetzungen für die vereinbarte Vergütung, sei es für die erbrachten oder nicht erbrachten Leistungen, lägen nicht vor, etwa weil die berechneten Mengen nicht geleistet seien oder der Unternehmer einen anderweitigen Erwerb gehabt habe (BGH, Urteil vom 6. März 2014 - VII ZR 349/12 Rn. 29, BGHZ 200, 274). Diese Erwägungen setzen aber einen Rechtsgrund für einen Vergütungsanspruch voraus, der lediglich in der geltend gemachten Höhe möglicherweise nicht besteht.
Rz. 30
Steht danach fest, dass eine Vergütung für Nachträge geschuldet ist, folgt hieraus allerdings, dass hinsichtlich ihrer Höhe ein schlüssiger Vortrag des Auftragnehmers ausreicht, um hierfür einen Anspruch auf Sicherheit zu begründen (ebenso BeckOK Bauvertragsrecht/Scharfenberg, Stand: 31. Juli 2022, § 650f BGB Rn. 47c; Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, Bauvertragsrecht, 4. Aufl. § 650f BGB Rn. 77; OLG Stuttgart, Urteil vom 26. Juni 2017 - 10 U 122/16, BauR 2018, 109 = NZBau 2018, 101, juris Rn. 61 f.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. Juni 2018 - 8 U 102/16, BauR 2019, 674 = NZBau 2019, 56, juris Rn. 20; OLG Bamberg, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 3 U 22/19, juris Rn. 59; vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 16. Januar 2017 - 17 U 111/16, BauR 2017, 1376, juris Rn. 68; OLG Köln, Urteil vom 18. Dezember 2019 - 16 U 114/19, juris Rn. 34; a.A. Pause in Festschrift für Leupertz, 2021, S. 467, 476 ff.).
Rz. 31
d) Nach diesen Maßstäben ist die Begründung des Berufungsgerichts nicht ausreichend, mit der es für die aus der Rechnung Nr. 18184 verlangte Vergütung in Höhe von 61.767 € eine Sicherheit zugesprochen hat. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob ein Rechtsgrund für einen Vergütungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der dort geltend gemachten Nachtragsleistungen besteht. Es hat darüber hinaus nicht einmal begründet, warum es den Vortrag der Klägerin hierzu für schlüssig erachtet hat. Ein Vortrag ist nicht allein deshalb schlüssig, weil er substantiiert ist oder plausibel erscheint. Schlüssig ist ein Vortrag, wenn er geeignet ist, die begehrte Rechtsfolge zu rechtfertigen. Das bedeutet hier, dass der Klägerin nach ihrem Vortrag ein Vergütungsanspruch für bestimmte Nachtragsleistungen in Höhe von 61.767 € zustehen müsste. Dazu muss es eine Anspruchsgrundlage geben, deren Voraussetzungen auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin gegeben sind. Ob das der Fall ist, lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht erkennen.
Rz. 32
3. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich ebenfalls kein Anspruch auf Sicherheit für den Betrag aus der Rechnung Nr. 18182 bejahen. Ob für einen entsprechenden Vergütungsanspruch ein Rechtsgrund feststeht und der Anspruch der Höhe nach schlüssig vorgetragen ist, lässt sich nicht nachvollziehen. Die Revision rügt zu Recht, dass sich das Berufungsgericht nicht mit den Einwänden der Beklagten zu den vertraglichen Voraussetzungen der Vergütung von Stundenlohnarbeiten und dem hierzu - angeblich - nicht hinreichenden Vortrag der Klägerin befasst hat.
Rz. 33
4. Die Begründung des Berufungsgerichts trägt schließlich auch nicht die Verurteilung zur Stellung einer Sicherheit für einen Anspruch gemäß der Rechnung Nr. 18183 (Leistungen betreffend die Logistik und Transport) in Höhe von 15.937,05 €. Auch hier ist schon nicht erkennbar, ob und warum das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin für schlüssig in Bezug auf welche Anspruchsgrundlage hält. Deshalb lässt sich erst recht nicht beurteilen, ob es sich um einen Vergütungsanspruch im Sinne von § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. oder einen Anspruch im Sinne von § 648a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., der an die Stelle der Vergütung getreten ist, handelt. Beides ist zur Zeit nicht erkennbar.
III.
Rz. 34
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Rechtsbehelfsbelehrung
Rz. 35
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Pamp |
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Halfmeier |
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Graßnack |
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Sacher |
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Brenneisen |
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Fundstellen
BGHZ 2023, 371 |
NJW 2022, 8 |
NJW 2023, 522 |
BauR 2023, 466 |
IBR 2023, 16 |
IBR 2023, 17 |
WM 2023, 1034 |
ZAP 2023, 124 |
ZIP 2022, 2618 |
ZfIR 2023, 48 |
NJW-Spezial 2023, 45 |
NZBau 2023, 162 |
NZBau 2023, 5 |
Bauen+ 2023, 40 |