Leitsatz (amtlich)
Die von einem Gläubiger betriebene Zwangsvollstreckung wird nicht dadurch beendet, daß vor Erhebung einer Drittwiderspruchsklage der von ihm gepfändete angebliche Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner auf Herausgabe beweglicher Sachen untergeht, weil der Drittschuldner sie mit Zustimmung des Gläubigers einem zweiten Vollstreckungsgläubiger zur Verwahrung auch für den – ersten – Gläubiger überläßt. Die Drittwiderspruchsklage ist mithin zulässig.
Normenkette
ZPO §§ 771, 847
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 6. Juli 1977 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 9. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
In einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hof gegen den Kaufmann Viktor E… und seine Tochter Evelyn S… wegen Konkursvergehen wurde im Februar 1972 bei einem Rechtsanwalt in V… deponierter Schmuck beschlagnahmt und von der Polizeidirektion Worms in Gewahrsam genommen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten erwirkte im März 1972 beim Amtsgericht Worms aufgrund eines gleichzeitig angeordneten dinglichen Arrests gegen Viktor E… und die Firma L… GmbH sowie E… & Co. KG, deren Geschäftsführer bzw. Komplementär er war, außerdem gegen seinen Sohn Gerold E…, den damaligen Generalbevollmächtigten beider Firmen (und jetzigen Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin) die Pfändung des angeblichen Anspruchs der Schuldner gegen den Freistaat Bayern auf Herausgabe des beschlagnahmten Schmuckes. Am 3. Januar 1973 pfändete das Finanzamt Worms ebenfalls die angebliche Forderung des Viktor E… und ließ sich, da seine Ehefrau Martha E… und seine Tochter Evelyn S… behaupteten, Eigentümer der Schmuckstücke zu sein, am 22. Januar 1973 auch deren Herausgabeansprüche zur Sicherung von Steuerrückständen abtreten.
Im Mai 1973 gab die Staatsanwaltschaft Hof die beschlagnahmten Schmuckstücke frei. Nachdem das Finanzamt Worms und die Beklagte übereingekommen waren, daß das Finanzamt den Schmuck in Besitz nehmen, bei einem Wormser Bankinstitut hinterlegen und „zugleich treuhänderisch bis zur endgültigen Klärung” für die Beklagte verwahren sollte, verfügte die Staatsanwaltschaft am 7. Mai 1973 die Herausgabe an das Finanzamt Worms mit dem Hinweis, daß dadurch vorrangige Rechte der Beklagten nicht berührt würden. Im Mai 1975 erklärte das Finanzamt Worms seine Pfändungsverfügung für erledigt, verwahrte den Schmuck aber weiter in einem Banktresor.
Die Klägerin hat mit der im Juni 1975 erhobenen Klage geltend gemacht, sie sei aufgrund von Vereinbarungen vom 3. Oktober 1974 und vom 15. April 1975 mit Martha E…, Evelyn S… und deren Bruder Karl-Heinz E… – ihnen und zu keiner Zeit den Arrestschuldnern soll nach der Behauptung der Klägerin der Schmuck gehört haben Eigentümerin geworden.
Im Hinblick darauf, daß das Finanzamt Worms die Herausgabe ohne Zustimmung der Beklagten verweigert, hat die Klägerin beantragt,
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage unter Abweisung im übrigen hinsichtlich eines Teils der Schmuckstücke stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage auf die Berufung der Beklagten in vollem Umfang abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hält eine Drittwiderspruchsklage der Klägerin (§ 771 ZPO) für unzulässig, weil die von der Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung bereits vor Klageerhebung beendet gewesen sei. Denn mit der Herausgabe der Schmuckstücke durch die Staatsanwaltschaft Hof an das Finanzamt Worms sei der gepfändete Herausgabeanspruch ersatzlos entfallen.
II. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Sie hat allerdings nicht recht, soweit sie meint, die Schmuckstücke seien schon deshalb nach wie vor Gegenstand der Zwangsvollstreckung, weil mit ihrer Inbesitznahme durch das Finanzamt – zugleich treuhänderisch für die Beklagte – ein Pfändungspfandrecht der Beklagten an den Sachen selbst begründet worden sei. Zutreffend hat das Berufungsgericht im Gegensatz zum Landgericht eine dahingehende dingliche Surrogation abgelehnt.
Bei der Pfändung eines Anspruchs, der die Herausgabe oder Leistung beweglicher Sachen betrifft, verwandelt sich mit der Herausgabe an einen vom Gläubiger beauftragten Gerichtsvollzieher (§ 847 Abs. 1 ZPO) das durch die Anspruchspfändung begründete Pfandrecht ohne weiteres in ein solches an der geleisteten Sache (RGZ 13, 343, 344; RGZ 25, 182, 187, 188; RG JW 93, 1235; Senatsurteile vom 24. Juni 1958 – VIII ZR 204/57 = NJW 1958, 1723 [nur Leitsatz] und BGHZ 67, 378, 383). Die Anerkennung dieser Rechtsfolge trägt dem Umstand Rechnung, daß die Pfändung beweglicher Sachen allgemein dadurch bewirkt wird, daß der Gerichtsvollzieher sie – beim Schuldner, beim Gläubiger oder bei einem zur Herausgabe bereiten Dritten – in Besitz nimmt (§§ 808, 809 ZPO). Ob der Gerichtsvollzieher den Besitz aufgrund eines Pfändungsakts nach §§ 808 ff. ZPO ergreift, oder weil er zur Übernahme nach § 847 ZPO beauftragt ist, kann deshalb hinsichtlich des Erwerbs eines Pfändungspfandrechts des Gläubigers an der Sache, keinen Unterschied machen; es ist nur die Frage, inwieweit es sich für den Rang dieses Pfandrechts auswirkt, daß der Gläubiger zuvor den Herausgabeanspruch gepfändet hatte (zu diesem Fragenkreis Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 19. Aufl. § 847 V 2.). Da aber die Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher für den Pfandrechtserwerb an der Sache konstitutive Wirkung hat (Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. § 847 II 4. und V 1.), findet er nicht statt, wenn der Drittschuldner, eines von mehreren Gläubigern gepfändeten Herausgabeanspruchs die Sache – ohne jede Mitwirkung eines Gerichtsvollziehers – hinterlegt. Nichts anderes kann gelten, wenn hier die „Hinterlegung” in der Form erfolgt ist, daß das Finanzamt Worms den Schmuck zugleich treuhänderisch für die Beklagte in Besitz nahm.
2. Die Beantwortung der Frage, ob – als Voraussetzung für das Rechtsschutzbedürfnis an einer Drittwiderspruchsklage der Klägerin – die Zwangsvollstreckung unbeschadet der „Hinterlegung” des Schmucks fortdauert, steht und fällt aber keineswegs mit der Bejahung oder Verneinung eines Pfändungspfandrechts der Beklagten an den „hinterlegten” Sachen, wie das Berufungsgericht meint; sie muß unabhängig davon bejaht werden.
a) Für die Pfändung einer Geldforderung hat das Reichsgericht wiederholt ausgesprochen (RGZ 67, 310, 311; WarnRspr 1913 Nr. 421), nicht schon durch die Hinterlegung des Betrages durch den Drittschuldner, sondern erst durch die Befriedigung des Gläubigers aus dem hinterlegten Betrag werde die Zwangsvollstreckung zu ihrem Ende geführt. Gleichermaßen hat es die Zwangsvollstreckung in einem Fall nicht als beendet angesehen, in dem der Pfändungsgläubiger sich im Prozeß auf eine Drittwiderspruchsklage mit der Aufhebung der Pfändung einer beweglichen Sache gegen Hinterlegung eines entsprechenden Betrages durch den Widerspruchskläger einverstanden erklärt hatte (RG WarnRspr 1919 Nr. 125). Der Senat tritt dieser Rechtsprechung (zustimmend Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 20. Aufl., Rdnr. 116, 118 vor § 704; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. § 771 C II c 1) wonach auch beim Fehlen oder dem Wegfall des Pfändungspfandrechts die Zwangsvollstreckung fortdauert, für die hier vorliegende Fallgestaltung bei.
b) aa) Es ist anerkannt – und davon geht ersichtlich auch das Berufungsgericht aus – daß ein Dritter, der das Eigentum an einer Sache in Anspruch nimmt, die Widerspruchsklage nach § 771 ZPO bereits bei der Pfändung eines angeblichen Herausgabeanspruchs des Schuldners gegen den Besitzer erheben kann (RGZ 48, 293, 295; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 19. Aufl. § 771 I 2 b). Der Grund liegt im wesentlichen in der bereits erwähnten Möglichkeit, daß die Herausgabe durch den Schuldner an den Gerichtsvollzieher des Gläubigers ohne weiteres zu einem Pfandrecht des Gläubigers an der Sache führen kann, aber auch in dem Umstand, daß der Eigentümer wegen des an den Drittschuldner gerichteten Verbots, die Sache herauszugeben, schon von da ab in seiner Verfügungsbefugnis über die Sache beeinträchtigt sein kann (vgl. Senatsurteil BGHZ 67, 378, 383).
bb) Diese Wirkungen, wegen deren auch gesagt wird, bei der Pfändung des Anspruchs auf Herausgabe beweglicher Sachen werde nicht nur dieser, sondern auch die Sache selbst zum Gegenstand der Vollstreckung (Stein/Jonas/Münzberg a.a.O.), sind aber im Streitfall mit der Herausgabe des Schmucks durch die Staatsanwaltschaft Hof und seiner „Hinterlegung” beim Finanzamt Worms nicht ohne weiteres zugleich mit dem Herausgabeanspruch selbst entfallen. Zunächst ist kein Grund dafür ersichtlich, daß diese „Hinterlegung” ein für allemal den nachträglichen Erwerb eines Pfändungspfandrechts der Beklagten an dem Schmuck im Wege einer Vollstreckung vereitelt: Gäbe das Finanzamt Worms den Schmuck an einen von der Beklagten beauftragten Gerichtsvollzieher heraus, so könnte allenfalls strittig sein, ob das Pfändungspfandrecht automatisch nach § 847 BGB entsteht, obwohl der Herausgabeanspruch untergegangen ist oder ob die Beklagte eine Pfändung gemäß §§ 930, 803, 804 ZPO durch den Gerichtsvollzieher ausbringen lassen muß.
Darüber hinaus sperrt der von der Beklagten vorgenommene Vollstreckungsakt nach wie vor jede Verfügung des Eigentümers über die Schmuckstücke, denn das Finanzamt Worms ist unter Berufung auf die Pfändung des Herausgabeanspruchs durch die Beklagte und die anschließende „Hinterlegung” (auch) zugunsten der Beklagten zu einer Herausgabe nur mit Zustimmung der Beklagten bereit. Umgekehrt beansprucht die Beklagte den Schmuck ausschließlich wegen des zu ihren Gunsten ergangenen Pfändungsbeschlusses. Es besteht also eine Interessenlage, wie sie der Drittwiderspruchsklage typischerweise zugrunde liegt. Dann kann aber das Rechtsschutzbedürfnis an einer solchen Klage nicht mit der Begründung verneint werden, die Zwangsvollstreckung sei beendet.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ginge auch ein Urteilsausspruch, der die Zwangsvollstreckung der Beklagten in die Schmuckstücke für unzulässig erklärte, nicht „ins Leere”. Durch einen solchen Ausspruch wäre vielmehr klargestellt, daß der zugunsten der Beklagten erlassene Pfändungsbeschluß dieser kein Zugriffsrecht auf den Schmuck gäbe. Das käme hier in seinen Wirkungen einer Freigabeerklärung der Beklagten gegenüber dem Finanzamt zugunsten der Klägerin gleich.
III. Da das Berufungsgericht nach allem die Klage nicht als unzulässig abweisen durfte, muß das Berufungsurteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Ein Eingehen auf den Hilfsantrag der Klägerin, der im übrigen in anderem Gewande auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichtet ist (vgl. Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. § 771 III 2 und VII 1 m.w.Nachw.), erübrigt sich demnach.
Was das Berufungsgericht hinsichtlich des Erfolges der Klage, wenn sie zulässig wäre, ausgeführt hat, ist im Revisionsrechtszug als nicht geschrieben zu behandeln (BGHZ 11, 222, 224).
Der Senat hat von der Möglichkeit des § 565 Abs. Satz 2 ZPO Gebrauch gewacht.
IV. Da der endgültige Erfolg der Revision vom Ergebnis der erneuten Verhandlung und Entscheidung des Berufungsgerichts abhängt, bleibt diesem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 609687 |
BGHZ, 334 |