Leitsatz (amtlich)
›Beim Weiterverkauf eines Grundstücks unter Gewährleistungsausschluß, dessen Belastung mit einem Ölschaden vom Erstverkäufer arglistig verschwiegen wurde, kann nach den konkreten Umständen des einzelnen Falles Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend sein, daß die Parteien des Zweitvertrages die Abtretung etwaiger Gewährleistungsansprüche des Verkäufers gegen den Erstverkäufer vereinbart hätten.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beklagte hatte 1980 für 2.300.000 DM unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung ein gewerblich genutztes Grundstück erworben. 1987 veräußerte sie dieses Grundstück ebenfalls unter Gewährleistungsausschluß an die Klägerin zum Preis von 5.300.000 DM. Diese stellte später fest, daß der Boden mit Ölrückständen verunreinigt ist, die auf das Auslaufen von etwa 8.000 bis 10.000 Litern Heizöl im Jahr 1970 zurückzuführen sind und deren Beseitigung einen Aufwand von etwa 355.000 DM erfordert. Die Erstverkäuferin wußte von diesem Heizölschaden, offenbarte ihn der Beklagten beim Verkauf des Grundstücks aber nicht; diese hatte auch beim Weiterverkauf an die Klägerin keine Kenntnis von diesem Ölschaden.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Abtretung ihrer Gewährleistungsansprüche aus dem Vertrag mit der Erstverkäuferin. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, eine Pflicht der Beklagten zur Abtretung von Gewährleistungsansprüchen könne hier nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung angenommen werden, denn der Vertrag enthalte insoweit keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aber aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Dem zwischen den Parteien vereinbarten Gewährleistungsausschluß könne nur Wirkung beigemessen werden, wenn damit gleichzeitig die Verpflichtung der Beklagten verbunden werde, die ihr gegen die Erstverkäuferin zustehenden Gewährleistungsansprüche an die Klägerin abzutreten. Dies stelle einen Ausgleich dafür dar, daß die Beklagte durch den Ausschluß der Gewährleistung die Klägerin auf den unsicheren Weg der deliktsrechtlichen Schadloshaltung gegenüber der Erstverkäuferin beschränkt habe. Durch die Abtretung entstünden der Beklagten weder wirtschaftliche noch rechtliche Nachteile.
II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.
Zu Recht rügt die Revision, daß der Ansatz des Berufungsgerichts, der vereinbarte Gewährleistungsausschluß sei nur wirksam, wenn er gleichzeitig die Verpflichtung der Beklagten umfasse, ihre Ansprüche gegen die Erstverkäuferin an die Klägerin abzutreten, verfehlt sei. Ein Gewährleistungsausschluß ist nach § 476 BGB nichtig, wenn der Verkäufer einen Sachmangel arglistig verschweigt; eine Unwirksamkeit kommt auch in Betracht, wenn eine solche Freizeichnung unangemessen wäre und zu einem mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mehr in Einklang stehenden Ergebnis führen würde. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Haben die Kaufvertragsparteien die gesetzlichen Gewährleistungsregeln aber wirksam abbedungen, ist der Verkäufer grundsätzlich nicht verpflichtet, etwaige Gewährleistungsansprüche, die ihm gegen Dritte zustehen, an den Käufer abzutreten. Das Berufungsgericht verkennt bei seinem Ansatz Wirksamkeit und Tragweite des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses. Ein Anspruch der Klägerin auf Abtretung von Gewährleistungsansprüchen kann deshalb hier nicht mit der Begründung bejaht werden, daß der vereinbarte Gewährleistungsausschluß ohne einen solchen Abtretungsanspruch unwirksam wäre.
Das angefochtene Urteil kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
III. Gleichwohl bleibt die Revision ohne Erfolg.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Auffassung gefolgt werden kann, bei einer wie hier gegebenen Fallgestaltung sei z. B. durch Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 281 BGB oder in entsprechender Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation von einer Verpflichtung des Erstverkäufers zur Abtretung etwaiger Gewährleistungsansprüche auszugehen (vgl. z. B. Palandt/Putzo, Vorbemerkung vor § 459 Rdn. 30 m. Hinw. auf Wolter, NJW 1975, 622, 623; MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, § 462 Rdn. 15 a. E.; Erman/Weitnauer, BGB 9. Aufl. vor § 459 Rdn. 51b, jeweils m. w. N.; a. A. z. B. Staudinger/Honsell § 463 Rdn. 73, Soergel/Huber § 463 Rdn. 58, jew. m. w. N.).
2. Das angefochtene Urteil ist aus einem anderen Grunde im Ergebnis richtig.
a) Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine ergänzende Auslegung der vertraglichen Vereinbarung der Parteien abgelehnt. Die ergänzende Auslegung setzt eine Regelungslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit in den Bestimmungen des Rechtsgeschäfts voraus (vgl. BGHZ 90, 69, 73 ff). Das hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Seine Begründung, es fehle an einer solchen ausführungsbedürftigen Lücke, ist jedoch nicht zutreffend, weil sie allein darauf abstellt, es handle sich hier um einen "normalen Grundstückskaufvertrag, der insoweit weder sachlich noch persönlich Besonderheiten aufweise" und eine "Gefährdung des gesamten Vertragszweckes oder eine nicht gewollte Benachteiligung der Klägerin durch die Nichtaufnahme einer Abtretungsverpflichtung nicht gegeben sei". Dabei wird nicht berücksichtigt, daß die Parteien bei der Vereinbarung des Gewährleistungsausschlusses nur von dem allgemeinen Mängelrisiko bei einem bebauten Grundstück ausgingen, das die Klägerin übernehmen sollte; den hier maßgeblichen Gesichtspunkt des zusätzlichen Risikos einer Bodenbelastung durch Schadstoffe zu bedenken und gegebenenfalls zu regeln, hatten sie keinen Anlaß. Die auf dem Gelände stehenden Gebäude wurden nach dem Erwerb des Grundstücks von der damaligen Nutzerin umgebaut, die Beheizung auf Gas umgestellt und die Gebäude als Verwaltungssitz genutzt. Es bestand für beide Parteien kein Anlaß, das Risiko einer Bodenverunreinigung durch die Nutzung des Erstverkäufers zu bedenken und entsprechend zu regeln. Insbesondere den Umstand, daß die Erstverkäuferin der Beklagten insoweit einen offenbarungspflichtigen Mangel verschwiegen haben könnte und der Beklagten deshalb noch Gewährleistungsansprüche zustehen könnten, haben die Parteien nicht bedacht.
b) Die vom Berufungsgericht unterlassene Auslegung kann das Revisionsgericht nach dem festgestellten Sachverhalt des angefochtenen Urteils selbst nachholen, weil insofern weitere tatrichterliche Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen (st. Rspr., vgl. z. B. BGHZ 65, 107, 112; Urteil vom 12. Februar 1988, V ZR 8/87, WM 1988, 767, 769). Die ausfüllungsbedürftige Lücke in den Vereinbarungen der Parteien ist durch ergänzende Vertragsauslegung (§ 157 BGB, § 133 BGB) in der Weise zu schließen, wie die Parteien den Fall im Hinblick auf den mit dem Vertrag verfolgten Zweck bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte geregelt hätten (BGHZ 90, 69, 75).
c) Diese nach beiden Seiten hin interessengerecht ausgerichtete Auslegung (vgl. zu diesem Grundsatz BGH, Urteil vom 7. Juni 1991, V ZR 175/90, NJW 1991, 2488, 2489) führt zu dem Ergebnis, daß die Parteien das Risiko einer Ölbelastung des Grundstücks durch den Erstverkäufer jedenfalls mit der Abtretung etwaiger Gewährleistungsansprüche geregelt hätten. Für die Beklagte lag das Interesse an dem vereinbarten umfassenden Gewährleistungsausschluß in erster Linie darin, das Grundstück veräußert zu haben und keine Auseinandersetzungen über etwaige Mängel befürchten zu müssen sowie insbesondere den Kaufpreis in voller Höhe zu behalten und weiter verwenden zu können. Etwaige Gewährleistungsansprüche gegen die Erstverkäuferin zu erhalten, konnte bereits im Hinblick auf ihre fehlende Kenntnis davon nicht ihren Interessen bei Vertragsschluß mit der Klägerin entsprechen. Andererseits hätte die Klägerin trotz des Gewährleistungsausschlusses die Kaufsache bei Entdeckung des Mangels vor Gefahrübergang zurückweisen (BGH, Urteil vom 10. März 1995, V ZR 7/94, NJW 1995, 1737) oder das Grundstück übernehmen und mit der Beklagten die Abtretung von Gewährleistungsansprüchen gegen die Erstverkäuferin vereinbaren können. Dem hätte jedenfalls dann kein erkennbares Interesse der Beklagten entgegengestanden. Diese Interessenlage der Parteien bei Vertragsschluß wird durch den Umstand, daß der bereits vorhandene Ölschaden erst durch die von der Klägerin nach Gefahrübergang veranlaßten Feststellungen offengelegt wurde, nicht in Frage gestellt.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2993449 |
BB 1997, 439 |
DB 1997, 718 |
NJW 1997, 652 |
NWB 1997, 772 |
DRsp I(130)427c |
WM 1997, 481 |
ZIP 1997, 242 |
DNotZ 1998, 40 |
MDR 1997, 328 |