Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung
Tenor
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 8. Dezember 1999 werden auf Kosten der Staatskasse, die auch die notwendigen Auslagen der Angeklagten zu tragen hat, verworfen.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten M. vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in 81 Fällen, die Angeklagten P. und C. jeweils vom Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung – P. in 27 Fällen, C. in 18 Fällen – aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen führte der Angeklagte M. im Zeitraum vom 8. Januar 1993 bis 25. Januar 1994 Transporte für eine international agierende Bande aus, die sich mit Zigarettenschmuggel im großen Stil befaßte. Dies geschah in der Weise, daß Zigaretten, die angeblich nur zur Durchfuhr durch das Gebiet der Europäischen Union bestimmt waren, zunächst von anderen Spediteuren aus der Schweiz in niederländische Zollager gebracht und dort auf Lastkraftwagen des Speditionsunternehmens M. umgeladen wurden. Sodann wurde die Ware auf Veranlassung des Angeklagten M. zur Ausfuhr aus der Europäischen Gemeinschaft im externen Versandverfahren angemeldet. Die Ausfuhr sollte danach in Spanien entweder über Algeciras oder über Bilbao erfolgen. Tatsächlich wurden die Zigaretten jedoch, wie der Angeklagte M. wußte, an unbekannten Orten innerhalb der Europäischen Union, mutmaßlich in Italien oder Spanien, entladen, um dort unverzollt in den freien Verkehr zu gelangen. Um dies zu vertuschen, wurden die zollamtlichen Papiere (Versandscheine T 1) – möglicherweise unter Mithilfe eines bestochenen spanischen Zöllners – mit falschen oder unbefugt verwendeten Stempeln versehen und auf dem Dienstweg an die niederländischen Abgangszollämter zurückgeleitet. Diese erledigten die Versandverfahren als ordnungsgemäß mit der Folge, daß keine Eingangsabgaben erhoben wurden. In drei Fällen wurden Zigaretten mit Lastkraftwagen der Firma M. direkt aus der Schweiz abgeholt, beim Hauptzollamt in Lindau zur Durchfuhr durch die Europäische Union im Carnet-TIR-Verfahren angemeldet und ohne Umweg über die Niederlande, im übrigen aber unter Anwendung der oben geschilderten Verschleierungsmethoden, innerhalb der Europäischen Union in den freien Verkehr gebracht. Im ersten Fall führte der Angeklagte den Transport von den Niederlanden nach Spanien eigenhändig durch, in den übrigen Fällen beauftragte er Fahrer, u. a. die Mitangeklagten P. und C. Nicht ausschließbar veranlaßte der Angeklagte M. die Schmuggeltransporte als Vertrauensmann der niederländischen Zollfahndung FIOD in deren Auftrag und in der Erwartung, daß diese die zuständigen Zollbehörden in der gebotenen Weise informieren würde.
Durch die geschilderte Verfahrensweise wurden Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt 160 Millionen DM hinterzogen.
II.
1. Mit Recht beanstandet die Beschwerdeführerin, daß das Landgericht im Hinblick auf die mögliche Einbindung der niederländischen Zollfahndung bereits den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1, 6 AO verneint hat.
a) Die Zigarettentransporte wurden im externen Versandverfahren (vgl. Art. 91 des Zollkodex [ZK]; für 1993: Art. 1 ff. VersandVO) durchgeführt, dabei in drei Fällen im Carnet-TIR-Verfahren (Art. 91 Abs. 2 lit. b ZK; für 1993: Art. 5 VersandVO), in den übrigen Fällen im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren (Art. 91 Abs. 2 lit. a ZK; für 1993: Art. 3 Abs. 2 VersandVO). Am Bestimmungsort mußten die in diesen Verfahren befindlichen Waren der zuständigen Zollstelle gestellt werden, wobei der Versandschein vorzulegen war (vgl. Art. 92 Abs. 1 ZK, Art. 348, Art. 356 Abs. 1 ZK-DVO; für 1993: Art. 22, 23 VersandVO). Das externe gemeinschaftliche Versandverfahren hätte dabei auch bei einer anderen als der im Versandschein T 1 angegebenen Zollstelle beendet werden können. Diese Zollstelle wäre damit Bestimmungszollstelle geworden (vgl. Art. 356 Abs. 3 ZK-DVO; für 1993: Art. 22 Abs. 3 VersandVO). Der Angeklagte M. bzw. die von ihm entsprechend angewiesenen Fahrer kamen der Gestellungspflicht jedoch nicht nach. Sie machten vielmehr bereits gegenüber den Abgangszollämtern unrichtige Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, indem sie diese bei Abgabe der Abfertigungsanmeldungen über die Absicht täuschten, die Zigaretten nicht auszuführen, sondern innerhalb der Europäischen Union in den freien Verkehr zu bringen. Den Zollämtern, bei denen die Gestellung der Zigaretten nach der Entziehung aus dem externen Versandverfahren hätte erfolgen müssen, wurden auch nicht die Versandscheine vorgelegt; statt dessen wurden diese jeweils mit gefälschten oder unbefugt verwendeten Zollstempeln an die Abgangszollämter zurückgesandt.
Mit der Entziehung der einfuhrabgabepflichtigen Zigaretten aus der zollamtlichen Überwachung entstand die Einfuhrzollschuld (vgl. Art. 203 Abs. 1, Abs. 2 ZK; für 1993: Art. 2, 3 ZollschuldVO), die mangels Gestellung der Zigaretten nicht festgesetzt werden konnte. Damit wurden die entsprechenden Eingangsabgaben verkürzt.
b) Einer Aburteilung dieser Taten in Deutschland steht nach § 370 Abs. 7 AO nicht entgegen, daß die Zigaretten nicht in Deutschland, sondern in den Niederlanden auf der Grundlage unzutreffender Angaben abgefertigt und sodann an unbekannten Orten innerhalb der Europäischen Union der zollamtlichen Überwachung entzogen worden sind. Gemäß § 370 Abs. 6 Satz 1 AO gelten die Absätze 1 bis 5 des § 370 AO nämlich auch dann, wenn sich die jeweilige Tat auf Eingangsabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden (vgl. BGH wistra 2001, 62). Entgegen der Ansicht der Verteidigung ist es daher ohne Bedeutung, daß für das Zollverfahren in derartigen Fällen nach Art. 378 Abs. 1 ZK bzw. Art. 454 Abs. 3 ZK (für 1993: Art. 34 VersandVO) die Tat als in dem Mitgliedstaat begangen gilt, zu dem die Abgangsstelle gehört (T 1-Versandverfahren) bzw. in dem die Zuwiderhandlung festgestellt worden ist (Carnet-TIR-Verfahren). Für das Strafverfahren richtet sich der Ort der Tat zudem nach § 9 StGB, dessen Feststellung der freien Beweiswürdigung des Tatrichters unterliegt, und nicht nach den gesetzlichen Fiktionen des Zollrechts, die vorrangig die Erhebung der Abgaben in der Europäischen Union sichern sollen.
Soweit § 370 Abs. 7 AO in der zur Tatzeit geltenden Fassung dabei nur auf die Absätze 1 bis 5 verwies und Absatz 6 nicht ausdrücklich erwähnte, handelte es sich um ein offenkundiges redaktionelles Versehen des Gesetzgebers bei Erlaß des Umsatzsteuerbinnenmarktgesetzes vom 25. August 1992 (BGBl. I 1992, 1548), das die schon nach bisheriger Rechtslage bestehende Strafbarkeit von Auslandstaten nach § 370 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 AO unberührt ließ (so auch Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze 113. ErgLfg § 370 Rdn. 60; Scheurmann-Kettner in Koch/Scholtz, Abgabenordnung 5. Aufl. § 370 Rdn. 70). Mit dem bloßen „Verschieben” der Vorschrift von Abs. 6 Satz 2 in Abs. 7 des § 370 AO war eine Rechtsänderung nicht verbunden; eine sich aus dem Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG ergebende Strafbarkeitslücke besteht daher nicht (a.A. Kohlmann, Steuerstrafrecht 7. Aufl. Rdn. 102.5 zu § 370 AO; Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 4. Aufl. § 370 Rdn. 33; jeweils m.w.N.). Der Gesetzgeber hat das Redaktionsversehen durch Aufnahme eines ausdrücklichen Verweises des § 370 Abs. 7 AO auf Abs. 6 dieser Vorschrift durch das EG-Finanzschutzgesetz vom 10. September 1998 (BGBl. II. 1998, 2322) korrigiert.
c) Entgegen der Ansicht des Landgerichts läßt auch die Kenntnis der niederländischen Zollfahndungsbehörden – mit deren Zustimmung der Angeklagte M. die Schmuggelfahrten als V-Mann durchführte – den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung unberührt.
Falls es überhaupt auf die Kenntnis der Finanzbehörden ankommen sollte, müßte diese bei dem für die Steuer- bzw. Zollfestsetzung zuständigen Beamten vorliegen; dabei müßte dieser positive Kenntnis von allen Tatsachen haben, die für eine zutreffende Abgabenfestsetzung erforderlich sind (vgl. BGHSt 34, 272, 293; BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 – Vollendung 1). Die Kenntnis einer nationalen Zollfahndungsbehörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union reicht jedenfalls nicht aus. Eine Weitergabe ihrer Informationen an die Bestimmungszollstellen des Versandverfahrens in Spanien oder die für die Entladeorte zuständigen Zollämter in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erfolgte nach den Feststellungen des Landgerichts nicht.
2. Dagegen weist das Urteil keinen Rechtsfehler auf, soweit das Landgericht die subjektiven Voraussetzungen der dem Angeklagten M. zur Last gelegten Taten als nicht mit der für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit erwiesen erachtet hat.
Der Angeklagte M. hat sich dahin eingelassen, er sei seit Anfang der 70iger Jahre als Vertrauensperson (V-Mann) für die deutsche und niederländische Zollfahndung tätig gewesen und habe diesen Behörden insbesondere bei der Aufklärung von Rauschgiftdelikten zu spektakulären Fahndungserfolgen verholfen. Im Rahmen dieser Tätigkeit sei er im Herbst 1992 in der Schweiz in Kontakt zu dem als Schmuggler bekannten L gekommen, der ihn auf den Transport von unverzollten Zigaretten angesprochen habe. Hiervon habe er seinem deutschen V-Mannführer B. und seinem niederländischen V-Mannführer J. berichtet, die ihn zunächst darin bestärkt hätten, an der Sache „dran zu bleiben”. Ende 1992, Anfang 1993 habe J. ihm die Erlaubnis erteilt, Zigarettentransporte für L. durchzuführen. Über sämtliche nachfolgenden Fahrten habe er seinen V-Mannführern berichtet. Dabei sei er davon ausgegangen, daß diese ihre Erkenntnisse an die betroffenen ausländischen Behörden in der Europäischen Union weiterleiteten und mit diesen im Einverständnis handelten.
Aufgrund einer eingehenden Beweiswürdigung ist das Landgericht zu der Überzeugung gelangt, daß diese Einlassung, die durch die Aussagen mehrerer, vom Landgericht für glaubwürdig erachteter Zeugen gestützt wird, dem Angeklagten nicht widerlegt werden kann. Diese Wertung hat der Senat hinzunehmen, da sie keine Rechtsfehler, insbesondere keine Lücken oder Widersprüche enthält und da auch nicht zu besorgen ist, das Landgericht habe an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit übertriebene Anforderungen gestellt (vgl. BGHR StPO § 261 – Beweiswürdigung 2 m.w.N.).
Die Feststellung, der Angeklagte M. habe seinen V-Mannführer J., der dem Landgericht aufgrund dauerhafter Vernehmungsunfähigkeit als Zeuge nicht zur Verfügung stand, nicht ausschließbar von Anfang an über sämtliche Schmuggelfahrten umfassend informiert, hat das Landgericht auf eine Vielzahl von Indizien gestützt, die – zumindest in ihrer Gesamtheit – einen solchen Schluß zulassen.
Auch die Feststellung, es gäbe keine Hinweise für ein kollusives Zusammenwirken des J. mit dem Angeklagten M. und der Schmugglerbande oder für eine dem Angeklagten M. erkennbare Bestechung des J. durch die Schmugglerbande, ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu beanstanden. Sowohl der Angeklagte M. als auch J. haben im Lauf des Jahres 1993 einem größeren Personenkreis von den Machenschaften des L. berichtet. So hat nach der Aussage der jeweiligen Zeugen der Angeklagte M. die Fahrten gegenüber seinem früheren V-Mannführer O. und dem zur Tatzeit für ihn zuständigen V-Mannführer B erwähnt. Bei seinem weiteren früheren V-Mannführer Br hat er sich Mitte 1993 darüber beschwert, daß L. anläßlich eines observierten Treffens mit ihm, M., nicht festgenommen worden sei. Auch mit dem Sachgebietsleiter für Zölle und Verbrauchsteuern E. hat der Angeklagte anläßlich eines konspirativen Einsatzes in anderer Sache über die Schmuggelfahrten gesprochen. J. hat nach den glaubhaften Angaben des Zeugen W., Mitarbeiter des FIOD, in einem Gespräch mit ihm, W., und dem direkten Vorgesetzten des J., T., Angaben u. a. zur Telefonnummer des L., zu Lagerhallen, Auftragsabwicklung, Transportrouten und Informationswegen der Bande, Erledigung der Zollpapiere bis hin zu Typ und Farbe der Begleitfahrzeuge der Schmuggeltransporte in Spanien gemacht und diese Informationen in einem schriftlichen Vermerk niedergelegt. Im Beisein des Zeugen La, Leiter eines Unterabschnitts des niederländischen Kriminalnachrichtendienstes CID, und des Zeugen V., Teilbereichsleiter des CID, haben sich M. und J. über die Schmuggelfahrten unterhalten. Zudem haben sowohl der Angeklagte M. als auch J. verfälschte Zollpapiere als Beweismittel zu den Akten gereicht. Zwar hat zumindest J. die genannten Informationen erst nach Beginn der Schmuggelfahrten und wohl auch nicht mit der gebotenen Vollständigkeit weitergegeben. Auch mag er eigenmächtig unter Überschreiten seiner Kompetenzen gehandelt haben, als er dem Angeklagten M. den Auftrag erteilte, Schmuggelfahrten für L. durchzuführen. Das Vorgehen des V-Mannes M. und seines V-Mannführers J. läßt es aber – wie das Landgericht mit Recht ausführt – als fernliegend erscheinen, daß beide nicht im Aufklärungsinteresse handelten, sondern ausschließlich, um sich finanzielle Vorteile seitens der Schmuggler zu verschaffen, J., wie die Beschwerdeführerin vermutet, in Form von Bestechungsgeldern. Im Fall einer Komplizenschaft mit den Schmugglern hätte es sich für den Angeklagten M. wie für J. aufgedrängt, Mitwisser in den Zollfahndungsbehörden, die auf eine Zerschlagung der Schmugglerbande hätten hinwirken können, tunlichst zu vermeiden. Eine Festnahme der Bandenmitglieder, insbesondere des L., wäre zwangsläufig mit der Gefahr einer Offenlegung der eigenen Verstrickung verbunden gewesen.
Anhaltspunkte für eine Bestechlichkeit des J. ergeben sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht daraus, daß nach Aussage des Zeugen Cr, der in den Niederlanden eine umfangreiche Untersuchung über die während des Tatzeitraums praktizierten Ermittlungsmethoden des FIOD und CID geleitet hat, in diesen Behörden „kaum zu glaubende Mißstände” herrschten. Daß diese Mißstände, wie von der Beschwerdeführerin als „naheliegend” bezeichnet, auf Korruption zurückzuführen seien, hat der Zeuge ausweislich der Urteilsgründe nicht ausgesagt, sondern er hat einen unzureichenden Informationsfluß, eigenmächtiges Handeln ohne Einschaltung der vorgesehen Kontrollinstanzen und allgemeine Desorganisation beschrieben. Mit Recht hat es das Landgericht gerade als den Angeklagten M. entlastend gewertet, daß aufgrund des Berichts der „hochkarätig besetzten” Untersuchungskommission, die der Zeuge Cr leitete, die niederländischen Zollbehörden einen gegen die Firma M. ergangenen Steuerbescheid in Millionenhöhe zurücknahmen, obwohl der niederländische Staat 16 bis 17 Millionen Gulden – den Zollanteil für die geschmuggelten Zigaretten – an die Kasse der Europäischen Union in Brüssel überweisen mußte.
Soweit die Beschwerdeführerin eine Auseinandersetzung des Landgerichts damit vermißt, daß dem Angeklagten M. für den Zigarettenschmuggel seitens der staatlichen Behörden keine Belohnung zugesagt war, J. ihm keine dem Ermittlungsziel förderlichen Weisungen und Auflagen erteilt hat, trotz des zeitlichen Umfangs der Zusammenarbeit mit den Schmugglern keine neuen Erkenntnisse gewonnen wurden und dem Angeklagten M. angeblich klar sein mußte, daß Eingangsabgaben für die durchgeführten Transporte mangels genauer Angaben über Ort, Zeit und Warenwert für die zuständigen Finanzbehörden verloren waren, enthält das angefochtene Urteil keine Darlegungsmängel. Vor dem Hintergrund der langjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit des Angeklagten M. mit den niederländischen Zollbehörden, insbesondere seinem V-Mannführer J., liegt auf der Hand, daß der Angeklagte sich auf die Fachkompetenz der Behörde bei der praktischen Handhabung ihrer Ermittlungstätigkeit verließ. Hinzu kommt, daß er nach seiner unwiderlegten Einlassung auf Nachfragen bei J., wann mit einem Zugriff auf die Schmugglerbande zu rechnen sei, den Bescheid erhielt, er möge sich aus diesen Fragen heraushalten, komplizierte Einsätze, zumal unter Beteiligung ausländischer Behörden, brauchten ihre Zeit. Daß eine staatliche Belohnung nicht vereinbart war, erklärt sich zwanglos daraus, daß der Angeklagte im selben Zeitraum, in dem die Zigarettentransporte stattfanden, im Auftrag der niederländischen Zollbehörden nahezu wöchentlich an Rauschgifttransporten beteiligt war und hierfür Belohnungen von etwa 25.000 Gulden pro Fahrt erhielt. Die Zigarettentransporte, an denen die Firma M. ohnehin in Form eines überdurchschnittlichen Frachtlohnes verdiente, konnten damit sowohl aus der Sicht der niederländischen Behörden als auch aus der Sicht des Angeklagten als mitabgegolten angesehen werden.
Die Überzeugung des Landgerichts, der Angeklagte M. sei möglicherweise davon ausgegangen, die ihm von J. genehmigten Zigarettentransporte seien ebenso wie die offenbar zur vollen Zufriedenheit der niederländischen Behörden abgewickelten und entsprechend großzügig belohnten Rauschgifttransporte ordnungsgemäß von J. bearbeitet und die zuständigen Stellen der Zollverwaltung in den Empfängerländern der Europäischen Union entsprechend informiert worden, ist danach möglich; zwingend muß sie nicht sein (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 26, 56, 63).
Da das Landgericht auf die Sicht des Angeklagten von einer „korrekten Abwicklung des Fahndungsunternehmens” abgestellt hat, hat es die Einlassung des Angeklagten M. ersichtlich dahin verstanden, er habe nicht nur an eine umfassende Information der Zollbehörden in den Empfängerländern Spanien und Italien geglaubt, sondern auch an eine Billigung seiner Schmuggelfahrten durch die hierfür zuständigen staatlichen Behörden. Ob eine solche behördliche Erlaubnis, wenn sie denn vorgelegen hätte, angesichts der konkreten Umstände des hier zu beurteilenden Sachverhalts geeignet gewesen wäre, das Verhalten des Angeklagten M. zu rechtfertigen, erscheint zweifelhaft, kann aber offenbleiben. Bezog sich die falsche Vorstellung des Angeklagten M. nicht nur auf die tatsächlichen, sondern auch auf die rechtlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes, so war dieser als Verbotsirrtum zu wertende letztgenannte Irrtum für den Angeklagten jedenfalls unvermeidbar. Die Einholung von Rechtsrat jenseits von Erkundigungen beim V-Mannführer war mit dem konspirativen Vorgehen unvereinbar, das M. von der niederländischen Zollfahndung vorgegeben wurde. Ein schuldhaftes Handeln des Angeklagten M. scheidet damit in jedem Fall aus.
3. Der Freispruch der Angeklagten P. und C. läßt im Ergebnis ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
Zwar folgt dies nicht schon, wie vom Landgericht angenommen, daraus, daß es jeweils an einer vorsätzlichen Haupttat des Angeklagten M. fehlt, denn P. und C. haben – für sie erkennbar – zugleich die Taten der übrigen an den Steuerhinterziehungen beteiligten Personen gefördert.
Auch die Angeklagten P. und C. hätten jedoch nicht schuldhaft gehandelt, wenn sie geglaubt hätten, die zuständigen Behörden seien über ihr Vorgehen umfassend informiert und billigten es. Hierauf haben sie sich zwar nicht berufen, weil sie in Übereinstimmung mit der insoweit in sich unschlüssigen Einlassung des Angeklagten M. behauptet haben, die Zigarettentransporte seien korrekt abgewickelt worden. Bei dem Angeklagten M. hat das Landgericht aus dieser nachweislich falschen Schutzbehauptung keinen nachteiligen Schluß auf den Wahrheitsgehalt seiner Angaben im übrigen, insbesondere seiner Angaben zur Einbindung der niederländischen Behörden gezogen. Eine denkbare Erklärung für seine insoweit falsche Aussage hat das Landgericht darin gesehen, daß der Angeklagte M. erkannt habe, daß seine Angaben zur Beteiligung der Zollfahndung von den Ermittlungsbehörden massiv angezweifelt wurden und er deshalb nach möglichst vielen Verteidigungsmöglichkeiten gesucht habe. Für die Mitangeklagten P. und C. kann nichts anderes gelten. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Angeklagte M. sie über seine Rolle als V-Mann unterrichtet hat, hat das Landgericht nicht aufzuklären vermocht. Daß dies in einer erneuten Hauptverhandlung geschehen könnte, schließt der Senat aus.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Tepperwien, Gerhardt, Brause
Fundstellen
Haufe-Index 557872 |
DStZ 2001, 684 |
NStZ 2001, 379 |
wistra 2001, 263 |
StV 2002, 201 |