Entscheidungsstichwort (Thema)
Kenntnisnahme von Abtretung eines Bürgschaftsanspruchs keine Bürgschaftserteilung gegenüber Zessionar
Leitsatz (amtlich)
Eine Erklärung der Bank, die dem Wortlaut nach lediglich besagt, sie nehme die Abtretung des gegen sie gerichteten Bürgschaftsanspruchs an einen Dritten zur Kenntnis, kann grundsätzlich nicht als Erteilung einer Bürgschaft gegenüber dem Zessionar gedeutet werden.
Normenkette
BGB §§ 765, 133, 157, 398, 407
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 15.02.2000) |
LG Berlin |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 15. Februar 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Generalunternehmer-Vertrag vom 28. Januar 1997 (nachfolgend: GUV) beauftragte die IFG (nachfolgend: IFG) die R. GmbH (fortan: M. GmbH) mit der schlüsselfertigen Erstellung eines umfangreichen Bauprojekts in Berlin. Am 30. April/5. Mai 1997 übertrug diese der Klägerin einen Teil der Rohbauarbeiten.
Die M. GmbH war nicht in der Lage, die Bankbürgschaft über 500.000 DM beizubringen, die sie der Klägerin aufgrund des Vertrages zu stellen hatte. In einer auch namens der IFG unterzeichneten „Abtretungserklärung” vom 27. Juni 1997 erklärte die M. GmbH, daß die Forderungen der Klägerin direkt von der IFG zu zahlen seien. Hinsichtlich dieser Leistungen habe eine Teilabnahme zu erfolgen. Die Zahlungen seien auf erste Anforderung innerhalb von sieben Tagen an die Klägerin zu überweisen. Weiter heißt es in der Urkunde:
„Eventuelle sonstige Gegenforderungen, Einwendungen, Mängelrügen und ähnliches der Firma IFG gegenüber der Firma M. können nicht in Anwendung gebracht werden.
Mit ihrer Unterschrift bestätigt die Firma IFG, Nürnberg das oben Angeführte als rechtskräftig und für die Firma annehmbar.
Es wird vereinbart, daß die finanzierende B. Bank, Berlin, die Zahlungen in Höhe der angelieferten Leistungen an die F. GmbH, durch Erklärungen bzw. Bürgschaften, kurzfristig bis spätestens 2.7.1997 absichert.”
Am 2. Juli 1997 übernahm die Beklagte im Auftrag der IFG gegenüber der M. GmbH eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 500.000 DM, wie sie im GUV vom 28. Januar 1997 vorgesehen war. Am 2./7./8. Juli 1997 kam es zu einer weiteren „Abtretungserklärung”, die von den Partnern des GUV sowie von den Parteien dieses Rechtsstreits unterzeichnet wurde. Sie lautet auszugsweise:
„Die Firma M. GmbH … erklärt hiermit, daß sie alle Rechte und Ansprüche aus der Bürgschaft vom 2.7.1997 … über einen Höchstbetrag von DM 500.000,00 an die … (Klägerin) … abtritt. Die Abtretung ersetzt die Rechte und Ansprüche der … (Klägerin) aus der im Vertrag für das Bauvorhaben … vom 30.4.1997 geforderten Erfüllungsbürgschaft.
Mit ihrer Unterschrift bestätigt die Firma IFG, Nürnberg, daß sie das oben Angeführte zur Kenntnis genommen hat.
Die Bürgschaft gegenüber der Firma M. GmbH bezieht sich ausschließlich auf die Leistungen der … (Klägerin) und ist aus dem Generalunternehmerlohn anteilig herausgenommen. Sie kann somit nicht für andere Forderungen von der Firma M. GmbH in Anspruch genommen werden.
Die … (Beklagte) … nimmt mit Datum und ihrer Unterschrift die Vereinbarung zur Kenntnis und versichert, daß, bei Inanspruchnahme dieser Bürgschaft, von … (der Klägerin) … nach diesem Datum die Zahlung alleinig an die … (Klägerin) erfolgen wird.
Die … (Klägerin) erklärt mit ihrer Unterschrift ihr Einverständnis mit dieser Abtretung.”
Die Klägerin, die gegen die insolvente M. GmbH ein rechtskräftiges Versäumnisurteil in Höhe von über 800.000 DM zuzüglich Zinsen erwirkt hat, nimmt die Beklagte als Bürgin in Höhe von 500.000 DM in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Bürgschaftsanspruch der Klägerin bejaht und zur Begründung ausgeführt:
Zwar habe sich die Beklagte zunächst für Ansprüche der M. GmbH gegen die IFG verbürgt. Durch die Vereinbarung vom 2./7./8. Juli 1997 sei die gesicherte Forderung jedoch ausgetauscht worden. Gedeckt sei nunmehr eine Werklohnforderung der Klägerin gegen die IFG aus dem Subunternehmervertrag mit der M. GmbH. Ein solcher Anspruch sei durch die Vereinbarung zwischen der M. GmbH und der IFG vom 27. Juni 1997 im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter begründet worden.
In der Urkunde vom 2./7./8. Juli 1997 trete die M. GmbH nur die Ansprüche aus der Bürgschaft, nicht dagegen die Hauptforderung an die Klägerin ab. Im Hinblick auf die geschäftlichen Erfahrungen der beteiligten Personen sei davon auszugehen, daß sie dies bewußt getan hätten. Zwar sei die isolierte Abtretung der Rechte aus der Bürgschaft unwirksam. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ergebe sich jedoch, daß die Beteiligten das gewünschte Ergebnis durch Auswechslung der gesicherten Hauptforderung erzielt hätten. Da die Beklagte versichert habe, bei Inanspruchnahme durch die Klägerin Zahlung an diese zu leisten, und die Abtretung nach dem Wortlaut der Urkunde die Rechte und Ansprüche der Klägerin aus der ihr nach dem Vertrag mit der M. GmbH zustehenden Erfüllungsbürgschaft ersetze, sei auch für die Bank die Auswechslung der gesicherten Forderung erkennbar gewesen.
Die Klägerin habe die Höhe einer Forderung von mindestens 500.000 DM gegen die IFG dargelegt; die Beklagte sei dem nicht hinreichend entgegengetreten.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand; die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Auslegung der Urkunde vom 2./7./8. Juli 1997.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darf die Auslegung des Tatrichters revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie gesetzliche und allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder auf Verfahrensverstößen beruht (vgl. zuletzt Senatsurt. v. 13. Dezember 2001 – IX ZR 306/00, WM 2002, 377, 378). Die Auslegung des Berufungsgerichts ist in diesem Sinne fehlerhaft.
1. Die Beklagte hat sich am 2. Juli 1997 allein der M. GmbH gegenüber bis zum Betrag von 500.000 DM bürgschaftsrechtlich verpflichtet. Ein Anspruch, wie ihn das Berufungsgericht zuerkannt hat, konnte daher nur dadurch entstehen, daß der Vertrag vom 2. Juli 1997 zugunsten der Klägerin geändert oder ein neuer Bürgschaftsvertrag begründet wurde.
2. Das Berufungsgericht entnimmt die Erfüllung dieser Voraussetzungen der von den Parteien sowie der M. GmbH und der IFG unterzeichneten Urkunde vom 2./7./8. Juli 1997. Das rügt die Revision mit Erfolg.
a) Die mit „Abtretungserklärung” überschriebene Urkunde enthält ihrem Wortlaut nach an keiner Stelle eine Erklärung der Beklagten, die den Willen zu einer bürgschaftsrechtlichen Verpflichtung gegenüber der Klägerin zum Ausdruck bringt. Die Beklagte versichert dort lediglich, sie habe die Abtretung der Rechte aus der Bürgschaft vom 2. Juli 1997 von der M. GmbH an die Klägerin zur Kenntnis genommen und werde deshalb bei Eintritt des Bürgschaftsfalls an die Klägerin leisten. Eine solche Erklärung ist typisch für einen Schuldner, dem die Zession der gegen ihn gerichteten Forderung mitgeteilt wird. Er bestätigt auf diese Weise, von dem Rechtsübergang erfahren zu haben und deshalb bei Eintritt der Fälligkeit – unbeschadet eventueller Einwendungen aus §§ 404 ff BGB – an den neuen Gläubiger zu zahlen; denn er kann sich nunmehr durch Leistung an den Zedenten nicht mehr von seiner Schuld befreien (vgl. § 407 Abs. 1 BGB). Eine solche Erklärung, die dem Wortlaut nach nicht einmal ansatzweise die Übernahme einer eigenständigen Haftung zum Ausdruck bringt, kann grundsätzlich nicht als Erteilung einer Bürgschaft gegenüber dem Zessionar gedeutet werden.
b) Das Berufungsgericht versteht die Erklärung der Beklagten als Begründung einer neuen eigenständigen Verpflichtung im Hinblick auf das Sicherungsinteresse der Klägerin, das insbesondere in der zwischen der M. GmbH und der IFG am 27. Juni 1997 getroffenen Vereinbarung niedergelegt sei. Selbst wenn der Klägerin als Subunternehmerin dort ein eigener Anspruch gegen die IFG als Auftraggeberin eingeräumt wurde (vgl. zu solchen Vereinbarungen BGH, Urt. v. 19. Mai 1994 – VII ZR 124/93, WM 1994, 1723, 1724), zeigt das Berufungsurteil keine Umstände auf, die geeignet sein können, der Erklärung vom 2./7./8. Juli 1997 bei vernünftiger Betrachtungsweise aus Empfängersicht die Bedeutung einer eigenständigen Haftungsverpflichtung gegenüber der Zessionarin zu geben. Das Berufungsgericht geht davon aus, der Beklagten sei die am 27. Juni 1997 getroffene Abrede damals nicht bekannt gewesen. In diesem Falle ist nicht ersichtlich, woraus sich für sie hätte erschließen können, daß die übrigen Beteiligten ihr Verhalten als Erteilung einer Bürgschaft gegenüber der Klägerin verstehen. Damit fehlte auch aus Empfängersicht die Grundlage für eine Auslegung der Erklärung vom 2./7./8. Juli 1997, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat.
c) Es trifft auch nicht zu, daß die Vereinbarung vom 2./7./8. Juli 1997 keinen vernünftigen Sinn ergibt, wenn man sie nicht so wie das Berufungsgericht versteht.
Zwar können die Rechte aus der Bürgschaft isoliert nicht wirksam übertragen werden (BGHZ 115, 177, 180). Indes hat die Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen, bei Unterzeichnung der Urkunde vom 2./7./8. Juli 1997 seien sich alle Beteiligten darüber einig gewesen, daß die M. GmbH, weil sie eine Bürgschaft nicht habe beibringen können, ihre durch die Beklagte gesicherten Ansprüche gegen die IFG an die Klägerin abtrete. Niemand habe eine neue Sicherheit begründen wollen. Das Berufungsgericht meint, diese Behauptung sei zu unbestimmt und daher einer Beweiserhebung durch die benannten Zeugen nicht zugänglich. Das beanstandet die Revision zu Recht. Das Vorbringen der Beklagten enthält schon im Hinblick auf die Überschrift der Urkunde vom 2./7./8. Juli 1997 eine hinreichend konkrete Darstellung. Das Berufungsgericht hätte daher nicht zu dem von ihm vertretenen Auslegungsergebnis kommen dürfen, ohne zuvor die für den Inhalt der Abtretungserklärung sowie den tatsächlichen Willen der Beteiligten benannten Zeugen zu vernehmen.
Trifft die Darstellung der Beklagten zu, so erklärte die Klägerin mit dieser Vereinbarung gegenüber der M. GmbH, daß sie die Abtretung der durch die Bürgschaft der Beklagten vom 2. Juli 1997 gesicherten Werklohnansprüche als Erfüllung der im Vertrag vom 30. April/5. Mai 1997 eingegangenen Verpflichtung, eine Bankbürgschaft beizubringen, annehme (§ 364 Abs. 1 BGB). Auf einen entsprechenden übereinstimmenden Willen der Beteiligten deutet die in der Urkunde enthaltene Erläuterung hin, die Abtretung ersetze die Rechte und Ansprüche der Klägerin aus der im Vertrag mit der M. GmbH geforderten Erfüllungsbürgschaft. Falls eine solche Abtretung vorgenommen wurde, sicherte die Bürgschaft nunmehr allein den Teil des Generalunternehmerlohnes, der die an die Klägerin übertragenen Leistungen betraf (§ 401 BGB). Der bei der M. GmbH verbleibende Restanspruch war fortan ungesichert.
d) Enthält die Urkunde, wie das Berufungsgericht meint, die Vereinbarung einer Bürgschaft zugunsten der Klägerin, so hat die Beklagte sich damit wesentlicher Verteidigungsmöglichkeiten gegen eine Inanspruchnahme durch die Klägerin begeben, die ihr im Falle einer Abtretung des Bürgschaftsanspruchs gemäß § 768 BGB zur Verfügung stehen. Gegenüber dem abgetretenen Anspruch können Einwendungen erhoben werden, die sich auf alle Leistungen des Generalunternehmers beziehen. Wurde dagegen der von der Klägerin geltend gemachte eigenständige Bürgschaftsanspruch begründet, beschränken sich die dem Bürgen möglichen Einwendungen auf den ihr zustehenden Werklohnanspruch. Darüber hinaus enthält die am 27. Juni 1997 zugunsten der Klägerin von der IFG mit der M. GmbH getroffene Vereinbarung einen weitgehenden Einwendungsausschluß. Der Bürge müßte dies hinnehmen, wenn darin eine anfängliche inhaltliche Bestimmung der Hauptschuld zu sehen wäre (§ 767 Abs. 1 BGB) oder sich aus den Umständen ergäbe, daß die Vorschrift des § 768 Abs. 2 BGB, wonach der Bürge eine Einrede nicht dadurch verliert, daß der Hauptschuldner auf sie verzichtet, abbedungen wurde. Das Berufungsgericht zeigt keine Umstände auf, die es aus Sicht der Beklagten damals vernünftig erscheinen ließen, in eine derartige Verschlechterung ihrer Rechtsstellung einzuwilligen. Das angefochtene Urteil verletzt daher auch das Gebot der interessengerechten Auslegung.
III.
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Dieses wird die Urkunde vom 2./7./8. Juli 1997 erneut unter Würdigung aller Umstände nach Erhebung der dazu von den Parteien angetretenen Beweise zu würdigen und dabei zu beachten haben, daß die Klägerin uneingeschränkt die Beweislast für die Begründung des von ihr erhobenen Anspruchs trifft. Da die maßgebliche Urkunde ihrem Wortlaut nach keine Bürgschaft der Beklagten zugunsten der Klägerin enthält, gehen etwa verbleibende Zweifel zu deren Lasten.
2. Sollte das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis gelangen, der Klägerin stehe aus eigenem Recht ein Anspruch gegen die Beklagte zu, wird es das Bestreiten des gesicherten Anspruchs nicht als rechtlich unerheblich behandeln dürfen, weil es sich um Tatsachen außerhalb des Wahrnehmungsbereichs der Beklagten handelt (vgl. § 138 Abs. 4 ZPO).
Unterschriften
Stodolkowitz, Richter am Bundesgerichtshof Kirchhof kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben. Stodolkowitz, Fischer, Ganter, Kayser
Fundstellen
Haufe-Index 737955 |
BB 2002, 1067 |
DB 2002, 2645 |
NJW 2002, 1946 |
BGHR 2002, 785 |
EWiR 2002, 609 |
KTS 2002, 558 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1002 |
WuB 2002, 925 |
ZAP 2002, 806 |
ZIP 2002, 886 |
ZfIR 2002, 360 |
MDR 2002, 896 |
ZfBR 2002, 560 |
BKR 2002, 492 |
ZBB 2002, 222 |