Leitsatz (amtlich)
a) Zur Haftung des Vorstandsmitglieds einer Genossenschaftsbank für die Folgen einer Kreditgewährung ohne bankübliche Sicherheiten.
b) Die Entlastung des Vorstandes einer Genossenschaft (§ 48 Abs. 1 S. 2 GenG) enthält keinen Verzicht auf Schadensersatzansprüche, welche die Generalversammlung auf Grund der ihr erteilten Informationen nicht zu überblicken vermag.
Normenkette
GenG § 34 Abs. 1, 2, § 48 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Urteil vom 09.01.2003; Aktenzeichen 2 U 168/01) |
LG Halle (Saale) |
Tenor
Die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Naumburg v. 9.1.2003 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Beklagte 5/7 und die Klägerin 2/7. Etwaige Kosten der Nebenintervention tragen die Streithelfer zu 5/7 und die Klägerin zu 2/7.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin u.a. der V.bank He. e.G. (im Folgenden: Klägerin), deren Vorstand der Beklagte von November 1991 bis zum 30.9.1998 angehörte. Weitere Vorstandsmitglieder waren die beiden Streithelfer. Der Beklagte war für die Vergabe von Firmenkrediten zuständig und hatte über Kredite mit einem Volumen von mehr als 10.000 DM gemeinsam mit einem weiteren Vorstandsmitglied zu entscheiden. Er war von Februar 1994 bis Ende Juni 1996 außerdem Vorstandsmitglied und Schatzmeister des D.-Kreisverbandes Ma. e.V. (nachfolgend: Kreisverband), der einen Kontokorrentkredit bei der Klägerin unterhielt. Dieser wurde im November 1995 durch den Beklagten und den Streithelfer zu 2 mit Genehmigung des Aufsichtsrats der Beklagten von 400.000 DM auf 485.000 DM erhöht. Als Sicherheit dafür erweiterte der Kreisverband eine bereits im März 1994 vereinbarte Globalzession seiner Forderungen - hauptsächlich aus Rettungsdienstleistungen - gegen Schuldner mit den Anfangsbuchstaben A bis W auf die Anfangsbuchstaben bis Z. Durch weitere Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse v. 19.12.1995 bewilligte die Klägerin unter Mitwirkung des Beklagten dem Kreisverband eine Erhöhung des Kontokorrentkredits auf 500.000 DM sowie zwei zusätzliche Darlehen i.H.v. 250.000 DM und 500.000 DM zum Zwecke der Errichtung eines Altenpflegeheims auf einem Grundstück, an dem der Kreisverband ein Erbbaurecht innehatte. Gemäß dem Kreditprotokoll der Klägerin sollten als Sicherheiten des Kreisverbandes die bereits zuvor erfolgte, mit 350.000 DM bewertete Globalzession sowie eine Grundschuld über nominal 2 Mio. DM an dem Erbbaurecht dienen, dessen Beleihungswertgrenze im Kreditprotokoll auf ca. 195.500 DM eingeschätzt wurde. Insgesamt wies das Kreditprotokoll des Vorstands der Klägerin einen (ungesicherten) Blankokreditanteil von 739.500 DM aus. Zuvor hatte die M. H.bank auf Anfrage der Klägerin ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Finanzierung des Bauvorhabens signalisiert, dies jedoch von der Einräumung einer erstrangigen Grundschuld auf dem Anwesen sowie von einer Bürgschaft des Bundesverbandes des D. abhängig gemacht. Zu dieser Finanzierung kam es nicht. Das Eigenkapital der Klägerin belief sich per 31.12.1995 auf 5,3 Mio. DM. Nach den späteren Prüfberichten des für die Klägerin zuständigen Genossenschaftsverbandes (§§ 53, 55 GenG) hatte der kreditnehmende Kreisverband in den Jahren 1993 bis 1995 erhebliche Verluste zu verzeichnen. Im August 1995 erhielt er von anderen Kreisverbänden des D. Liquiditätshilfen von insgesamt 266.000 DM.
Mit Bescheid v. 16.7.1996 bewilligte das Land S. dem Kreisverband einen Zuschuss zu dem Pflegeheimneubau von knapp 8 Mio. DM, die 90 % der Gesamtkosten abdecken sollten. Der Bescheid sah eine Zweckbindung der Pflegeeinrichtung auf 30 Jahre sowie eine Verpflichtung zur Rückzahlung des Zuschusses bei Nichterfüllung der im Bescheid enthaltenen Auflagen vor. Zur Sicherung dieser Verpflichtungen hatte der Kreisverband eine erstrangige Grundschuld in Höhe des Zuschusses an dem Erbbaurecht zu bestellen. Am 19.8.1996 bewilligte der Beklagte zusammen mit einem weiteren Vertreter der Klägerin einen Rangrücktritt der ihr von dem Kreisverband eingeräumten Grundschuld zu Gunsten des Landes S..
Die Generalversammlung der Klägerin erteilte dem Vorstand (unter Einschluss des Beklagten) für die Jahre 1995 und 1996 Entlastung, und zwar jeweils nach Verlesung der Schlussbemerkungen der Prüfberichte des Genossenschaftsverbandes, welche das Kreditengagement der Klägerin ggü. dem Kreisverband als "nicht ganz bedenkenfrei" (Risikogruppe 2) einstuften. Mit Schreiben v. 16.7.1998 verhängte das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen gegen die Klägerin nach vorheriger Androhung wegen etlicher risikobehafteter Kredite ein Kreditverbot und leitete in der Folgezeit ein förmliches Abberufungsverfahren gegen den Beklagten ein, der zum 30.9.1998 sein Vorstandsamt niederlegte. Zuvor war der Klägerin der Jahresabschluss des Kreisverbandes für 1997 bekannt gemacht worden, in dem ausgeführt wird, dass der Landesverband des D. dem Kreisverband wegen der diesem drohenden Insolvenz einen Betrag von 1 Mio. DM, davon 690.000 DM als Darlehen, gegen Übertragung des Erbbaurechts zur Verfügung gestellt und die Verwaltung des - inzwischen errichteten - Altenpflegeheims mit sämtlichen Erträgen und Ausgaben bereits übernommen habe. Die Klägerin kündigte daraufhin am 15.9.1998 ihre Geschäftsverbindung mit dem Kreisverband, stellte ihre Forderungen gegen ihn fällig und legte sodann dessen Globalzession offen, aus der sie ggü. Schuldnern mit den Anfangsbuchstaben A bis W insgesamt zumindest 76.976,21 DM erlöste und auf das Kontokorrentkreditkonto (Nr. 7) des Kreisverbandes verbuchte. Am 1.2.1999 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen des Kreisverbandes eröffnet. Die Klägerin meldete Forderungen von insgesamt 998.146,32 DM zur Tabelle an, die vom Gesamtvollstreckungsverwalter anerkannt wurden. Er veräußerte durch notariellen Vertrag v. 11.8.1999 das Erbbaurecht des Kreisverbandes an die "Se. GmbH", welche das Pflegeheim entsprechend den grundpfandrechtlich abgesicherten Bedingungen im Zuschussbescheid des Landes S. weiterbetreiben, nicht aber die Belastung mit der zweitrangigen Grundschuld zu Gunsten der Klägerin übernehmen wollte. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von 500.000 DM vereinbart, der sich im Fall der Feststellung eines Mehrwerts durch Schiedsgutachten eines Sachverständigen entsprechend erhöhen sollte. Für den Fall eines 400.000 DM übersteigenden Mehrwerts wurde dem Käufer ein Rücktrittsrecht zugestanden, das bei einem Verzicht des Verkäufers auf diesen Mehrwert entfallen sollte. Durch Vertrag mit dem Gesamtvollstreckungsverwalter v. 12.11.1999/28.1.2000 bewilligte die Klägerin die Löschung ihrer zweitrangigen Grundschuld gegen Zahlung von 200.000 DM zzgl. 50 % eines etwaigen auf Grund der Nachbewertung des Erbbaurechts von dessen Käufer zu zahlenden Mehrbetrages.
Nachdem die Generalversammlung der Klägerin am 16.6.1999 "die Einleitung von Maßnahmen" gegen den Beklagten beschlossen hatte, hat die Klägerin den Beklagten, dessen Anstellungsvertrag für gegenseitige Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis eine Ausschlussfrist von sechs Monaten ab seinem Ausscheiden vorsah, mit der am 15.12.1999 eingereichten Klage auf Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrages von 500.000 DM in Anspruch genommen. Sie beziffert ihren Gesamtschaden aus angeblich mangelnder Sicherung der am 19.12.1995 bewilligten Darlehen auf 652.651,46 DM. Das LG hat die Teilklage wegen Unbestimmtheit als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr mit der Einschränkung stattgegeben, dass die Klägerin dem Beklagten Zug um Zug gegen Zahlung der Klagesumme einen dieser entsprechenden Anspruch auf quotenmäßige Befriedigung in dem Gesamtvollstreckungsverfahren gegen den Kreisverband abzutreten habe. In Höhe eines Teilbetrages von 400.000 DM aus den eingeklagten 500.000 DM hat das Berufungsgericht den Beklagten Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin bis zum Höchstbetrag von insgesamt 400.000 DM aus ihrer Vereinbarung mit dem Gesamtvollstreckungsverwalter v. 12.11.1999/28.1.2000 verurteilt. Mit seiner von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin Klageabweisung, während die Klägerin mit ihrer Anschlussrevision die uneingeschränkte Verurteilung des Beklagten begehrt.
Entscheidungsgründe
Beide Rechtsmittel sind unbegründet.
I. 1. Entgegen der Ansicht der Revision geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass der Beklagte gegen die ihm nach § 34 Abs. 1 GenG obliegenden Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaftsbank verstoßen hat. Der einem Vorstandsmitglied bei der Leitung der Geschäfte zuzubilligende weite Handlungsspielraum, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit kaum denkbar ist, umfasst im Ansatz zwar auch das Eingehen geschäftlicher Risiken, einschließlich der Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen. Dieser Spielraum ist nach der Rechtsprechung des Senats jedoch dann überschritten, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen (BGH, Urt. v. 3.12.2001 - II ZR 308/99, BGHReport 2003, 208 = MDR 2002, 401 = BGHReport 2002, 287 = ZIP 2002, 213 [214]). Für Vorstandsmitglieder einer Genossenschaftsbank bedeutet dies, dass Kredite grundsätzlich nicht ohne übliche Sicherheiten und nur unter Beachtung der Beleihungsobergrenzen gewährt werden dürfen (Senat a.a.O.). Diese Grundregel hat der Beklagte im Verhältnis zu dem Kreisverband, dessen Vorstand er selbst angehörte, missachtet, obgleich keine vernünftigen geschäftlichen Erwägungen dafür sprachen, ein solches Risiko gleichwohl einzugehen.
a) Nach der Vergabe der beiden Darlehen über zusammen 750.000 DM am 29.12.1995 belief sich das Gesamtkreditvolumen des Kreisverbandes nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf 1.285 Mio. DM, während die Sicherheiten mit lediglich 545.500 DM bewertet worden waren. Den beiden Neukrediten i.H.v. insgesamt 750.000 DM stand als neu hereingenommene Sicherheit nur die mit einer Beleihungsobergrenze von rd. 195.500 DM veranschlagte Grundschuld ggü., woraus sich ein Blankokreditanteil von fast 75 % ergibt. Von der Stellung banküblicher Sicherheiten kann hier daher keine Rede sein. Bereits aus der Gewährung der Kredite ohne übliche Sicherheiten folgt ein hohes Schadensrisiko des Darlehensgebers, ohne dass es darauf ankommt, ob schon im Zeitpunkt der Kreditvergabe der Eintritt des konkreten späteren Schadens vorhersehbar war. Gegen das Bestehen eines Risikos spricht auch nicht, dass der Klägerin hinsichtlich der zusätzlichen Kreditierung des Kreisverbandes eine Darlehenszusage der M. H.bank vorlag. Diese Zusage war nämlich ihrerseits an die Stellung banküblicher Sicherheiten, so etwa an die Übernahme einer Bürgschaft in Darlehenshöhe durch den Bundesverband des D. geknüpft, die zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung durch die Klägerin nicht vorlag und zu der es auch später nicht kam. Eine Risikoübernahme durch die M. H.bank war also weder gesichert, noch durfte sie auf Grund des Fehlens der geforderten Sicherheiten erwartet werden.
Entgegen der Annahme der Revision war auch im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe geplanten Investitionen in das mit der Grundschuld belastete Erbbaurecht nicht von einer hinreichenden Werthaltigkeit der Sicherheit auszugehen. Der Neubau des Pflegeheimes war von einer staatlichen Förderung in erheblichem Umfang abhängig, die zum Zeitpunkt der Kreditgewährung noch nicht bewilligt war und deren Bewilligung von Bedingungen wie der Einräumung einer erstrangigen Grundschuld zur Sicherung eines etwaigen Rückzahlungsanspruchs abhängig gemacht wurde, welche die der Klägerin gestellte Sicherheit weitgehend entwerteten. Unabhängig davon, ob der Erlass des Zuwendungsbescheides v. 16.7.1996, wie die Revision behauptet, vom Grundsatz her bereits 1995 klar war, war jedenfalls dessen konkreter Inhalt mit den darin enthaltenen Bedingungen und Auflagen noch nicht bekannt. So sind in dem Bescheid u.a. mögliche Rückzahlungsansprüche des Landes geregelt, die nicht nur im Falle einer Änderung des Zwecks der Einrichtung, sondern beispielsweise auch bei einer Änderung der Eigentumsverhältnisse oder bei einer auch nur teilweisen, von dem zuständigen Ministerium nicht konsentierten Überlassung der Einrichtung an Dritte entstehen konnten. Es war daher gerade nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass der Zuschuss auf keinen Fall bzw. nur bei Änderung der Verwendung der Einrichtung zurückgezahlt werden musste und die zu Gunsten der Klägerin bestehende Grundschuld durch die dem Land einzuräumende erstrangige Grundschuld i.H.v. knapp 8 Mio. DM in ihrer Werthaltigkeit nicht erheblich beeinträchtigt werden könnte.
b) Weiter hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass keine vernünftigen geschäftlichen Gründe ersichtlich waren, die dafür sprachen, dem Kreisverband die Kreditmittel trotz des hohen Schadensrisikos zu bewilligen. Ein solch vernünftiger Grund ist entgegen der Auffassung der Revision jedenfalls nicht in den von ihr angeführten schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen im Geschäftsgebiet der Bank zu sehen. Gerade wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse generell schwierig sind, hat eine Bank auf die Absicherung ihrer Darlehensrückzahlungsansprüche verstärkt zu achten. Die wirtschaftlichen Aussichten des Kreisverbandes waren zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe auch im Hinblick auf den beabsichtigten Pflegeheimneubau nicht so positiv, wie von der Revision dargestellt. Hiergegen spricht bereits die im weiteren Verlauf trotz des Baus der Pflegeheimerweiterung eingetretene Insolvenz des Kreisverbandes. Zudem ergibt sich aus der im Aktenvermerk v. 11.5.1999 enthaltenen Aussage eines Vertreters des das Pflegeheim zu diesem Zeitpunkt betreibenden Landesverbandes des D., dass das Heim nicht mit Gewinn betrieben, sondern lediglich eine "schwarze null" geschrieben wurde. Ein beträchtlicher Überschuss aus dem Betrieb des Pflegeheims durfte daher bei realistischer Betrachtung nicht zur Grundlage einer besonders günstigen wirtschaftlichen Prognose gemacht werden, zumal der Kreisverband ausweislich der Prüfberichte des Genossenschaftsverbandes in der Zeit vor der Kreditvergabe erhebliche Verluste erwirtschaftet hatte (1993: 361 T DM; 1994: 111 T DM; 1995: 437 T DM), wodurch das vorhandene Eigenkapital des Verbandes Ende 1995 fast aufgezehrt war. Er hatte im August 1995 von anderen Kreisverbänden des D. Liquiditätshilfen von insgesamt 266.000 DM in Anspruch nehmen müssen. Auch das Kreditprotokoll der Klägerin v. 19.12.1995 geht für 1995 von einem lediglich kostendeckenden Arbeiten des Verbandes aus, wobei selbst dies nach den Ausführungen im Protokoll nur unter Berücksichtigung von Zuschüssen der öffentlichen Hand i.H.v. insgesamt 450.000 DM zu erwarten war.
c) Der Beklagte hat die ihm obliegende Sorgfaltspflicht schuldhaft verletzt, indem er die Kredite ohne ausreichende Sicherheiten gewährte. Da sich das Verschulden nur auf die haftungsbegründende Pflichtverletzung und nicht auch auf den haftungsausfüllenden Schaden beziehen muss (Müller, GenG, 2. Aufl., § 34 Rz. 21; Beuthien, GenG, 14. Aufl., § 34 Rz. 6), kommt es auf die Vorhersehbarkeit des konkreten Schadens zum Zeitpunkt des Abschlusses der Darlehensverträge nicht an.
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass aus den von den Generalversammlungen beschlossenen Entlastungen des Vorstandes für die Jahre 1995 und 1996 kein Verzicht auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen hergeleitet werden kann, weil die Ansprüche gegen den Beklagten auf Grund der oberflächlichen Unterrichtung der Genossenschaftsmitglieder nicht oder in wesentlichen Punkten nur unvollständig erkennbar waren. Dabei kann hier offen bleiben, ob eine Verzichtswirkung der Entlastung im Genossenschaftsrecht (§ 48 Abs. 1 GenG) nicht ohnehin entsprechend § 120 Abs. 2 S. 2 AktG abzulehnen ist (dazu Beuthien, GenG, 14. Aufl., § 48 Rz. 8). Jedenfalls erstreckt sie sich nicht auf Ansprüche, welche die Genossenschaftsmitglieder aus den bei der Rechnungslegung unterbreiteten Unterlagen bei Anlegung eines lebensnahen Maßstabes nicht zu überblicken vermögen (BGH, Urt. v. 3.12.2001 - II ZR 308/99, BGHReport 2003, 208 = MDR 2002, 401 = BGHReport 2002, 287 = ZIP 2002, 213 [214]). Anders als von den in die Geschäftspolitik des Gesellschaftsunternehmens eingebundenen und mit Kontroll- und Weisungsrechten ggü. der Geschäftsleitung ausgestatteten Gesellschaftern einer GmbH (§ 46 Nr. 6 GmbHG) kann von den Genossenschaftsmitgliedern bei lebensnaher Betrachtung regelmäßig nicht erwartet werden, aus den ihnen erteilten Informationen über die Geschäftslage eigenständige Schlussfolgerungen im Hinblick auf ein mögliches Fehlverhalten des Vorstands zu ziehen und damit die Tragweite eines mit der Entlastung verbundenen Anspruchsverzichts zu überblicken. Im vorliegenden Fall ergaben sich für einen durchschnittlichen Versammlungsteilnehmer weder aus den vor Fassung der Entlastungsbeschlüsse verlesenen Schlussbemerkungen der Prüfberichte des Genossenschaftsverbandes noch aus dem sonstigen Inhalt der Prüfberichte Hinweise auf mögliche Schadensersatzansprüche wegen der dort genannten Kreditrisiken. Davon abgesehen kann eine Kenntnis der Genossenschaftsmitglieder von dem nicht verlesenen Teil der zur Einsicht ausgelegten Prüfberichte ohnehin nicht unterstellt werden.
3. Keinen Einfluss auf die Haftung des Beklagten hat entgegen der Meinung der Revision die für Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis vereinbarte Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Beendigung des Dienstverhältnisses. Anders als die Vereinbarung einer entsprechenden Ausschlussfrist für Ersatzansprüche ggü. einem GmbH-Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2 GmbHG (BGH, Urt. v. 16.9.2002 - II ZR 107/01, MDR 2003, 163 = GmbHR 2002, 1197 = BGHReport 2003, 71 = ZIP 2002, 2128) ist eine solche vertragliche Regelung hinsichtlich der gem. § 18 S. 2 GenG zwingenden Organhaftung aus § 34 Abs. 2 GenG nicht möglich, weil dadurch die - gem. § 18 S. 2 GenG ebenfalls unabdingbare - Verjährungsregelung des § 34 Abs. 6 GenG unterlaufen würde (Müller, GenG, 2. Aufl., § 34 Rz. 9, 50).
4. Der frühestens mit der Kreditgewährung im Dezember 1995 entstandene Schadensersatzanspruch aus § 34 Abs. 2 GenG ist nicht verjährt, weil die fünfjährige Verjährungsfrist gem. § 34 Abs. 6 GenG durch die Klagezustellung am 13.1.2000 unterbrochen worden ist (§ 209 BGB a.F.), wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend ausführt.
5. Ein Mitverschulden der Klägerin i.S.d. § 254 Abs. 2 BGB hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. Es ist unklar und vom Beklagten schon nicht substantiiert dargelegt worden, ob die Klägerin bei Betreiben der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld einen höheren als den mit dem Gesamtvollstreckungsverwalter vereinbarten Betrag hätte erlösen können. Im Falle einer Zwangsverwaltung wäre dies schon deshalb höchst unwahrscheinlich gewesen, weil der Betrieb des Heimes nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keinen nennenswerten Gewinn abwarf. Aber auch bei Betreiben der Zwangsversteigerung des Erbbaurechts wäre die Erzielung eines höheren Erlöses höchst ungewiss gewesen. Jeder Besitzerwechsel barg nach den Bedingungen des Zuwendungsbescheides des Landes S. das Risiko, dass das Land diesem nicht zugestimmt hätte und der Zuschuss i.H.v. rd. 8 Mio. DM hätte zurückgezahlt werden müssen. In diesem Fall hätte der Klägerin u.U. ein Totalausfall ihrer Forderung gedroht.
Hinzu kommt schließlich, dass der Kaufpreis für das Erbbaurecht - und daran gekoppelt der der Klägerin aus der Verwertung der Grundschuld zufließende Betrag - mit der bisher erzielten Summe von 500.000 DM (davon 200.000 DM für die Klägerin) noch nicht endgültig feststeht, sondern sich nach den Regelungen des Kaufvertrages v. 11.8.1999 um einen von einem Sachverständigen zu ermittelnden, etwaigen Mehrwert erhöht. Hiervon würde der Klägerin nach der mit dem Gesamtvollstreckungsverwalter getroffenen Vereinbarung wiederum die Hälfte zufließen. Falls - was ebenfalls noch möglich ist - der Käufer bei einem vom Sachverständigen ermittelten Mehrwert von mehr als 400.000 DM wirksam von seinem vertraglich vereinbarten Rücktrittsrecht Gebrauch machen würde, wäre der gesamten Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Gesamtvollstreckungsverwalter der Boden entzogen und die Klägerin nach wie vor zur anderweitigen Verwertung der Grundschuld berechtigt und verpflichtet. Von einem Verstoß gegen die der Klägerin obliegende Schadensminderungspflicht kann unter diesen Umständen keine Rede sein.
Ebenso wenig kann der Beklagte die Klägerin auf die Inanspruchnahme der von ihr abgeschlossenen Vermögensschadenshaftpflichtversicherung verweisen, weil diese nach den in der Revisionsbegründung nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts einen Schaden der vorliegenden Art nicht deckt.
6. Im Ergebnis zutreffend ist das Berufungsgericht von einem der Klägerin entstandenen Schaden ausgegangen, dessen Höhe zumindest den eingeklagten Teilbetrag von 500.000 DM erreicht.
a) Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht hätte die von dem Kreisverband auf das Darlehen gezahlten Zinsen von 95.000 DM schadensmindernd berücksichtigen müssen, wird verkannt, dass die Zinsen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu Lasten der debitorisch geführten Kontokorrentkonten des Kreisverbandes bei der Klägerin gezahlt wurden. Der Einwand der Revision, dies betreffe "lediglich die Mittelherkunft", ist unverständlich, weil gerade deshalb bei der Klägerin durch die zu Lasten der Kontokorrentkonten gezahlten und damit deren Debet erhöhenden Beträge per Saldo kein Vermögenszuwachs eingetreten, sondern nur eine bankinterne Umschuldung erfolgt ist. Entgegen der Ansicht der Revision ist dabei gleichgültig, ob der Kontokorrentkreditrahmen ausgeschöpft war. Da schadensersatzrechtlich auf die Gesamtvermögenslage des Geschädigten abzustellen ist, kommt es auch nicht darauf an, dass mit der Klage nicht eine Haftung des Beklagten für den Kontokorrentkredit des Kreisverbandes, sondern für die zusätzlich ausgereichten Darlehen geltend gemacht wird.
Davon abgesehen wäre der Klägerin der von ihr geltend gemachte Teilbetrag von 500.000 DM aus ihrem von dem Berufungsgericht festgestellten Gesamtschaden von 652.651,46 DM auch dann zuzusprechen, wenn die Zinszahlungen von 95.000 DM hiervon abzuziehen wären.
b) Angeblich aus dem Betrieb des Pflegeheims erzielte und auf die Konten des Kreisverbandes geflossene Einnahmen sind ebenfalls nicht im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen. Soweit die Revision auf entsprechenden Vortrag des Beklagten verweist, ist dieser zu unsubstantiiert, weil er weder die vermeintlichen Einnahmen beziffert noch die damit korrespondierenden Ausgaben bzw. Kontobelastungen gegenüberstellt und auch die unstreitig erhaltenen Zuschüsse nicht berücksichtigt. Wieso die Guthaben auf zwei Kontokorrentkonten des Kreisverbandes ausgerechnet aus einem durch den Pflegeheimbetrieb erwirtschafteten Überschuss stammen sollen, bleibt unklar und ist angesichts des Umstands, dass mit dem Betrieb des Heims kein nennenswerter Überschuss erwirtschaftet werden konnte, wenig wahrscheinlich (§ 287 ZPO). Soweit die Revision meint, die Kontoguthaben seien entsprechend § 366 Abs. 2 BGB nicht mit dem debitorischen Kontokorrentkonto (Nr. 7) des Kreisverbandes, sondern mit den Salden der beiden streitgegenständlichen Darlehenskonten zu verrechnen, wird verkannt, dass es hier nicht um eine Gesamtabrechnung zwischen dem Kreisverband und der Klägerin, sondern um den ihr durch die pflichtwidrige Darlehensgewährung des Beklagten entstandenen Schaden geht und hierauf nur die damit in Zusammenhang stehenden Vorteile der Klägerin anzurechnen sind. Unsubstantiiert ist insoweit auch schon der Vortrag des Beklagten, dass es ohne die Gewährung der (unzureichend gesicherten) Darlehen von 750.000 DM nicht zu dem - größtenteils mit öffentlichen Mitteln finanzierten - Bau des Pflegeheims und daraus resultierenden Einnahmen des Kreisverbandes gekommen wäre.
Entgegen der Behauptung der Revision hat das Berufungsgericht auch das Vorbringen des Beklagten zu den von der Klägerin auf Grund der Globalzession des Kreisverbandes eingezogenen "Außenständen" nicht übergangen, sondern dazu festgestellt, dass die abgetretenen und eingezogenen Forderungen ggü. Schuldnern mit den Anfangsbuchstaben A bis W zur Sicherung des Kontokorrentkredits des Kreisverbandes bestimmt gewesen seien und daher die betreffenden Zahlungseingänge nicht in Zusammenhang mit der pflichtwidrigen Darlehensgewährung des Beklagten stünden. Dem Vortrag des Beklagten, die "Außenstände" seien aus dem durch die (pflichtwidrige) Darlehensgewährung ermöglichten Pflegeheimbetrieb erwirtschaftet worden, fehlt wiederum die Substanz, zumal in dem Begleitschreiben zu der von dem Berufungsgericht zu Grunde gelegten Forderungsaufstellung v. 14.12.2000 nur von Forderungen aus Rettungsdienstleistungen des Kreisverbandes die Rede ist.
c) Eine eventuell noch in Aussicht stehende quotenmäßige Befriedigung im Gesamtvollstreckungsverfahren berührt die Höhe des Schadensersatzanspruchs nicht. Resultiert der Schaden - wie hier - aus der nicht ausreichenden Besicherung eines Zahlungsanspruchs gegen einen später insolvent gewordenen Schuldner, sind künftige, der Höhe nach noch unbestimmte Quotenzahlungen aus der Insolvenzmasse auf einen ungesicherten Zahlungsanspruch bei der Höhe des ursprünglich eingetretenen Schadens nicht zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 2.7.1996 - IX ZR 299/95, BRAK 1997, 223 = MDR 1996, 1295 = WM 1996, 2071 [2073]). Der Schadensersatzanspruch der Klägerin darf nicht bis zu einem ungewissen künftigen Zeitpunkt zurückgestellt werden, in dem sie möglicherweise einen Teilbetrag in unbekannter Höhe darauf erhalten könnte (BGH, Urt. v. 2.7.1996 - IX ZR 299/95, BRAK 1997, 223 = MDR 1996, 1295 = WM 1996, 2071 [2073]).
II. Dem Beklagten stehen aber die von dem Berufungsgericht ausgeurteilten Gegenrechte Zug um Zug gegen Zahlung der Klagesumme zu.
1. Das gilt entsprechend § 255 BGB zunächst hinsichtlich des Anspruchs des Beklagten auf Abtretung der von der Klägerin zur Gesamtvollstreckungstabelle angemeldeten Forderung (BGH, Urt. v. 2.7.1996 - IX ZR 299/95, BRAK 1997, 223 = MDR 1996, 1295 = WM 1996, 2071 [2073]). Entgegen der Ansicht der Anschlussrevision kommt weder eine vorrangige "Anrechnung" auf den nicht eingeklagten Teil der Schadensersatzforderung der Klägerin noch eine nur verhältnismäßige "Anrechnung" auf den eingeklagten Teilbetrag in Betracht. Aus dem Rechtsgedanken des § 366 Abs. 2 BGB ergibt sich nichts Gegenteiliges, weil die rechtshängige Teilforderung "die dem Schuldner lästigere" ist. Auch ggü. einer auf Teilleistung gerichteten Klage kann der Schuldner die Zug um Zug-Bewirkung der vollen Gegenleistung beanspruchen (BGH, Urt. v. 20.12.1961 - V ZR 65/60, NJW 1962, 628 [629]; Grüneberg in Bamberger/Roth, BGB, § 274 Rz. 4). Ansonsten könnte das in vollem Umfang bestehende Gegenrecht des Beklagten nicht mehr als Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden, wenn der Kläger die restlichen Teile seines Anspruchs nicht mehr einfordert.
2. Einen Anspruch des Beklagten auf Abtretung der Grundschuld hat das Berufungsgericht - entgegen der Ansicht der Revision - zu Recht verneint. Die Klägerin war und ist als Geschädigte zur Verwertung der ihr zur Verfügung stehenden Sicherheiten berechtigt, was sich wegen der dadurch eintretenden Minderung des Schadens auch für den Schädiger günstig auswirkt. Eine Abtretung der Grundschuld an den Beklagten kommt hier auch schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin deren Löschung in der Vereinbarung mit dem Gesamtvollstreckungsverwalter bewilligt hat, was sie ohne Verstoß gegen ihre Schadensminderungspflicht tun durfte (vgl. oben I 4).
3. Soweit das Berufungsgericht dem Beklagten einen der Höhe nach begrenzten Gegenanspruch auf Abtretung der Ansprüche der Klägerin aus der mit dem Gesamtvollstreckungsverwalter geschlossenen Vereinbarung zuerkannt hat, wird das von der Revision nicht beanstandet. Sollte die Klägerin aus der Vereinbarung mit dem Gesamtvollstreckungsverwalter, was allerdings unwahrscheinlich ist, einen höheren Betrag als insgesamt 400.000 DM erzielen, ist der Beklagte an einer Nachforderung ggü. der Klägerin nicht gehindert (BGHZ 52, 39 [42]; BGH v. 19.12.1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1 [4 f.] = MDR 1992, 293).
Entgegen der Ansicht der Anschlussrevision folgt der Anspruch auf Abtretung auch insoweit aus den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung entsprechend § 255 BGB. Die Klägerin hat aus der Vereinbarung mit dem Gesamtvollstreckungsverwalter bisher noch keine für sie verfügbaren Zahlungen erhalten, so dass als auszugleichender Vorteil der Klägerin nur der Anspruch auf diese Zahlungen verbleibt (BGHZ 6, 55 [61]), der deshalb an den Beklagten abzutreten ist, weil er aus der Verwertung der Grundschuld resultiert, welche die Klägerin im Zusammenhang mit der pflichtwidrigen Darlehensgewährung des Beklagten als Sicherheit erhalten hat. Auf einen im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) geltend zu machenden Bereicherungsanspruch ggü. der Klägerin kann der Beklagte unter den gegebenen Umständen - entgegen der Ansicht der Anschlussrevision - nicht verwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 1346228 |
DB 2005, 1269 |
DStR 2005, 933 |
DStZ 2005, 463 |
BGHR 2005, 971 |
EWiR 2005, 501 |
NZG 2005, 562 |
WM 2005, 933 |
WuB 2005, 599 |
ZIP 2005, 981 |
MDR 2005, 1061 |
VuR 2005, 236 |
BKR 2005, 281 |
ZBB 2005, 196 |