Leitsatz (amtlich)
Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. muss sich der Versicherungsnehmer auch erhebliche oder vollständige Fondsverluste bereicherungsmindernd anrechnen lassen (Fortführung des Senatsurteils v. 11.11.2015 - IV ZR 513/14).
Normenkette
VVG § 5a Abs. 2 S. 4 Fassung: 2004-12-02; BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 818 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 24.10.2016; Aktenzeichen 8 U 750/16) |
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 05.04.2016; Aktenzeichen 8 O 3747/15) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des OLG Nürnberg - 8. Zivilsenat - vom 24.10.2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Kläger jeweils zur Hälfte.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 18.692,27 EUR festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die klagenden Eheleute begehren von dem beklagten Versicherer aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge zweier fondsgebundener Lebensversicherungen.
Rz. 2
Diese wurden jeweils mit Versicherungsbeginn zum 1.12.2005 im sog. Policenmodell gem. § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erhielten die Kläger keine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
Rz. 3
Die Kläger leisteten in der Folgezeit die Einmalprämie i.H.v. je 10.000 EUR, die die Beklagte nach Abzug von Risiko-, Abschluss- und Verwaltungskosten in dem von den Klägern bei Antragstellung jeweils gewählten Fonds anlegte. Mit Schreiben vom 25.6.2010 kündigte die Beklagte die Verträge, da der Fonds liquidiert worden und der aktuelle Depotwert daher unter den bedingungsmäßen Mindestdepotwert auf 0 EUR gesunken sei.
Rz. 4
Die Kläger erklärten mit Schreiben vom 19.12.2014 den Widerspruch nach § 5a VVG a.F., den die Beklagte zurückwies.
Rz. 5
Mit ihrer Klage verlangen die Kläger Rückzahlung ihrer auf die Verträge geleisteten Beiträge abzgl. der darauf entfallenden Risikokosten nebst Rechtshängigkeitszinsen sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Rz. 6
Nach ihrer Auffassung hat der Versicherer nach Erklärung des Widerspruchs bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung im Rahmen des Bereicherungsausgleichs das Totalverlustrisiko der Anlage zu tragen.
Rz. 7
Das LG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG sie abgewiesen, soweit die Beklagte über die von ihr einbehaltenen Abschluss- und Verwaltungskosten nebst Zinsen hinaus zur Zahlung verurteilt worden ist. Mit ihrer Revision erstreben die Kläger insoweit die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
Die Revision hat keinen Erfolg.
Rz. 9
I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Kläger gegen die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe des dem Fonds zugeführten Prämienanteils verneint. Der Versicherer könne sich nach der Rechtsprechung des Senats (BGH, Urt. v. 11.11.2015 - IV ZR 513/14, r+s 2016, 20 Rz. 35-37; v. 1.6.2016 - IV ZR 343/15, VersR 2016, 973 Rz. 25) hinsichtlich der Verluste, die sich aus der vereinbarungsgemäßen Anlage des Sparanteils der Prämien in Fonds ergäben, jedenfalls dann auf Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen, wenn die Verluste nur einen geringen Teil der Sparanteile ausmachten. Aber auch im Falle eines Totalverlustes der Sparanteile der Prämien stehe einer Berufung des Versicherers auf die sich nach nationalem Recht ergebende Entreicherung das europarechtliche Effektivitätsgebot nicht entgegen. Es sei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (NJW 2010, 1511 Rz. 49) europarechtlich unbedenklich, einem Verbraucher jene Risiken zuzuweisen, die unmittelbar mit der gewählten Kapitalanlage verbunden seien. Um genau diese Risiken gehe es beim Totalverlust des Deckungskapitals. Der Verstoß des Versicherers gegen seine Belehrungspflicht werde dadurch hinreichend sanktioniert, dass dem Versicherungsnehmer ein zeitlich unbefristetes Lösungsrecht zustehe. Bereits hierdurch werde dem Effektivitätsgebot Rechnung getragen.
Rz. 10
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 11
Die Kläger - deren Widerspruchsrecht mangels ordnungsgemäßer Belehrung ungeachtet des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. fortbestand (vgl. BGH, Urt. v. 7.5.2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rz. 17-34) - können nicht die Rückzahlung der von der Beklagten in den Fonds investierten Sparanteile der Prämien gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verlangen.
Rz. 12
1. Allerdings hat die Beklagte, anders als die Revisionserwiderung meint, auch hinsichtlich der Sparanteile i.S.v. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB etwas erlangt. Ein Bereicherungsanspruch der Kläger entfällt nicht schon dadurch, dass die Beklagte die Sparanteile nach den Vorgaben der Kläger angelegt hat. Dies ändert nichts daran, dass die Zahlungen der Kläger eine Vermögensmehrung der Beklagten bewirkten (vgl. auch Armbrüster, NJW 2015, 3065, 3067; Reiff, r+s 2015, 105, 113). Die Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten erstreckt sich nach herrschender Meinung nicht auf das, was der Bereicherungsschuldner durch besonderen Vertrag an Stelle des ursprünglich Erlangten einhandelt. Der Bereicherungsschuldner hat in einem solchen Fall vielmehr gem. § 818 Abs. 2 BGB lediglich den objektiven Wert des erlangten Gegenstandes zu ersetzen (vgl. BGH, Urt. v. 10.5.2006 - XII ZR 124/02, BGHZ 167, 312 Rz. 39 m.w.N.).
Rz. 13
2. Entgegen der Auffassung der Revision greift aber der von der Beklagten erhobene Einwand der Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB durch. Die Kläger müssen sich bereicherungsmindernd anrechnen lassen, dass der Fonds, in dem die Sparanteile der von ihnen gezahlten Prämien angelegt worden sind, Verluste erwirtschaftet hat.
Rz. 14
a) Vermögensnachteile des Bereicherungsschuldners sind nur berücksichtigungsfähig, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise adäquat-kausal auf der Bereicherung beruhen (BGH, Urt. v. 29.7.2015 - IV ZR 384/14, r+s 2015, 435 Rz. 42 und IV ZR 448/14, r+s 2015, 438 Rz. 47; jeweils m.w.N.). Die Fondsverluste sind insoweit adäquat-kausal durch die Prämienzahlungen der Kläger entstanden, als die Sparanteile der Prämien vereinbarungsgemäß in dem Fonds angelegt worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2015 - IV ZR 513/14, r+s 2016, 20 Rz. 36).
Rz. 15
b) Weiterhin kommt es in Fällen bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung von nicht zustande gekommenen oder unwirksamen Verträgen darauf an, inwieweit das jeweilige Entreicherungsrisiko nach den Vorschriften zu dem fehlgeschlagenen Geschäft oder nach dem Willen der Vertragsschließenden jeweils der einen oder anderen Partei zugewiesen sein sollte (BGH, Urt. v. 5.3.2015 - IX ZR 164/14, NJW-RR 2015, 677 Rz. 15; v. 6.12.1991 - V ZR 311/89, BGHZ 116, 251, 256 [juris Rz. 30]; jeweils m.w.N.).
Rz. 16
aa) Das Verlustrisiko aus der Anlage der Sparanteile kann - wie der Senat bereits mit Urteil vom 11.11.2015 (IV ZR 513/14, r+s 2016, 20 Rz. 37) entschieden hat - nicht mit Blick darauf, dass der Lebensversicherungsvertrag nach dem wirksam erklärten Widerspruch rückwirkend (ex tunc) und nicht erst ab der Widerspruchserklärung (ex nunc) rückabzuwickeln ist, dem Versicherer auferlegt werden. Im Falle der Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sind die rechtsgrundlos erlangten Leistungen grundsätzlich ab dem Zeitpunkt ihres Erhalts zurückzugewähren. Danach sind bei der Rückabwicklung eines von Anfang an nicht wirksam zustande gekommenen Versicherungsvertrages sämtliche gezahlten Prämien zu erstatten. Nach dem zum Ausdruck kommenden Willen der Vertragsparteien ist das Verlustrisiko hier den Klägern zugewiesen. Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung entscheidet sich der Versicherungsnehmer für ein Produkt, bei dem die Höhe der Versicherungsleistung - abgesehen von der Todesfallleistung - nicht von vorneherein betragsmäßig festgelegt ist, sondern vom schwankenden Wert des Fondsguthabens abhängt. Die - mit Gewinnchancen, aber auch mit Verlustrisiken behaftete - Kapitalanlage ist für den Versicherungsnehmer neben der Risikoabsicherung ein wesentlicher Gesichtspunkt, wenn er sich für eine fondsgebundene Lebensversicherung entscheidet. Dies rechtfertigt es grundsätzlich, ihm das Verlustrisiko zuzuweisen, wenn der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande kommt und rückabgewickelt werden muss (Senat, Urt. v. 11.11.2015, a.a.O.).
Rz. 17
Dem steht der mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers nicht entgegen. Dem europarechtlichen Effektivitätsgebot widerspricht es nicht, wenn der Versicherungsnehmer auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages widersprechen kann, aber Fondsverluste tragen muss. Dies hat der Senat bereits für den Fall entschieden, dass die Verluste nur einen geringen Teil der Sparanteile ausmachen (Senat, Urt. v. 11.11.2015, a.a.O., Rz. 37).
Rz. 18
bb) Nichts anderes gilt, wenn die Fondsverluste mehr als nur einen geringen Teil der Sparanteile der Versicherungsprämien ausmachen oder sogar ein Totalverlust in Rede steht (so auch Armbrüster, NJW 2015, 3065, 3067; Heyers, NJW 2016, 1357, 1358 f.; Schmitz-Elvenich, VersR 2017, 266, 268). Auch bei dieser Konstellation ist es mit dem europarechtlichen Effektivitätsgebot vereinbar, dem nicht oder nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrten Versicherungsnehmer das Entreicherungsrisiko nach der nationalen Bestimmung des § 818 Abs. 3 BGB zuzuweisen.
Rz. 19
(1) Der europarechtliche Grundsatz der Effektivität verlangt, dass die innerstaatliche Rechtsordnung die Durchsetzung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren darf (vgl. nur EuGH NZBau 2017, 431 Rz. 32; EuZW 2016, 435 Rz. 32; jeweils m.w.N.). Demgemäß darf die Anwendung einer nationalen Vorschrift - wie hier des § 818 Abs. 3 BGB - die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen (BGH, Urt. v. 16.7.2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rz. 42 m.w.N.). Die Auslegung des innerstaatlichen Rechts ist hierbei ausschließlich Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten, die prüfen müssen, ob eine einschlägige nationale Regelung dem Erfordernis der Effektivität genügt (EuGH EuZW 2010, 190 Rz. 49 m.w.N.).
Rz. 20
(2) Selbst bei erheblichen oder vollständigen Fondsverlusten beeinträchtigt die Anwendung des in § 818 Abs. 3 BGB normierten Grundsatzes des Wegfalls der Bereicherung, der seinerseits auch zur Unionsrechtsordnung gehört (vgl. EuGH EuZW 1998, 603 Rz. 31; vgl. auch EuGH NJW 1984, 2024, 2026), weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung der - hier maßgeblichen - Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.11.2002 über Lebensversicherungen (ABl. Nr. L 345 S. 1; fortan: Richtlinie Lebensversicherung). Dem nicht oder nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer wird die Ausübung des Widerspruchsrechts auf der Grundlage der richtlinienkonformen Auslegung gemäß dem Senatsurteil vom 7.5.2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rz. 17 ff.) nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, wenn er im Rahmen der Rückabwicklung des Vertrages bei ungünstiger Fondsentwicklung entsprechende Verluste hinnehmen muss.
Rz. 21
(a) Hierdurch wird der Zweck der Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Lösungsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen (vgl. EuGH VersR 2014, 225 Rz. 25), nicht berührt. Die Richtlinie Lebensversicherung verfolgte nach ihrem 52. Erwägungsgrund - wie schon die Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10.11.1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. Nr. L 360 S. 1) nach deren 23. Begründungserwägung - das Ziel, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages die Informationen zu verschaffen, die er benötigt, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auswählen und dadurch die ihm zur Verfügung stehende größere Auswahl von Verträgen im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts voll nutzen zu können (EuGH VersR 2002, 1011 Rz. 20). Im Hinblick auf diese mit der Richtlinie Lebensversicherung angestrebte informierte Produktauswahl stellte ihr Art. 36 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang III Buchstabe A Nr. a.13 sicher, dass der Versicherungsnehmer insb. über sein Rücktrittsrecht genau zu belehren war (vgl. EuGH VersR 2014, 225 Rz. 25).
Rz. 22
Die mögliche Verwirklichung der mit einer Kapitalanlage verbundenen wirtschaftlichen Risiken steht der mit der Richtlinie Lebensversicherung erstrebten selbstbestimmten und bedarfsadäquaten Vertragsentscheidung nicht entgegen (so auch Heyers, NJW 2016, 1357, 1359). Weder die Richtlinie Lebensversicherung selbst noch das durch sie vorgegebene Vertragslösungsrecht bezweckten, den Versicherungsnehmer vor den allgemeinen Risiken zu schützen, die mit der von ihm im Zusammenhang mit der Lebensversicherung gewählten Kapitalanlage verbunden sind und u.a. darin bestehen können, dass sich die Anlage ungünstiger entwickelt als erhofft. Der Versicherer genügte seinen durch Anhang III Buchstabe A Nrn. a.11 und a.12 der Richtlinie Lebensversicherung vorgegebenen Informationspflichten bei fondsgebundenen Versicherungen nach Anlage D Abschnitt I Nr. 2 Buchstabe e zum VAG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung des Gesetzes vom 29.8.2005 (BGBl. I, 2546) bereits durch Angaben über den der Versicherung zugrunde liegenden Fonds und die Art der darin enthaltenen Vermögenswerte. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur allgemeinen Beratung des Versicherungsnehmers über das Risiko eines finanziellen Misserfolgs einer derartigen Anlage erlegte die Richtlinie Lebensversicherung dem Versicherer nicht auf (EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 13.6.2013 - Rs. E-11/12, Rz. 34, 67 ff.). Die Gefahr, dass sich seine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, soll wie üblich der Verbraucher selbst tragen (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.2006 - XI ZR 63/05, VersR 2006, 982 Rz. 12; Zaprianos, Die Rückabwicklung der Verbraucherverträge nach Ausübung des Widerrufsrechts, 2016 S. 321 f.).
Rz. 23
(b) Dem Versicherungsnehmer solche Risiken zuzuweisen, die untrennbar mit einer von ihm gewählten Kapitalanlage verbunden sind, begegnet auch nicht deshalb unionsrechtlichen Bedenken, weil bei unterbliebener oder unzureichender Widerspruchsbelehrung allein eine Rückwirkung des Lösungsrechts dem Effektivitätsgebot entspricht (vgl. dazu BGH, Urt. v. 7.5.2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rz. 42). Dies gebietet es nicht, dem Versicherer aus Risikoverteilungsgründen die Berufung auf eine - tatsächlich eingetretene - Entreicherung zu versagen. Die Rückwirkung bedeutet nur, dass das Geschäft zum Schutz des Versicherungsnehmers als von Anfang an unwirksam behandelt und daher nach bereicherungsrechtlichen Maßstäben rückabgewickelt werden muss, besagt aber nichts dazu, ob im Rahmen dieser Rückabwicklung - abweichend von den nationalen gesetzlichen Bestimmungen - dem Versicherer die Berufung auf den Grundsatz der Entreicherung versperrt ist. Das fordert auch das Gemeinschaftsrecht nicht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union widerspricht eine nationale Regel, die - wie hier § 818 Abs. 3 BGB - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts für einen vernünftigen Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den einzelnen Beteiligten eines rückabzuwickelnden Geschäfts sorgen soll, dem Unionsrecht auch dann nicht, wenn die Ausübung eines durch eine Richtlinie vorgegebenen Vertragslösungsrechts eine Wiederherstellung der ursprünglichen Situation bewirken soll (vgl. EuGH EuZW 2014, 223 Rz. 61). Dies gilt selbst dann, wenn dies bei einer Kapitalanlage zur Folge hat, dass der Verbraucher weniger als den Wert seiner Einlage zurückerhält (EuGH NJW 2010, 1511 Rz. 50).
Rz. 24
(c) Einer gerechten Risikoverteilung widerspräche vielmehr eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien im Fall eines erheblichen oder vollständigen Fondsverlustes, weil dies zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten führte (vgl. bereits BGH, Urt. v. 7.5.2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rz. 45). Könnte sich der Versicherungsnehmer, dem nach der Rechtsprechung des Senats im Falle der Rückabwicklung etwaige Fondsgewinne zustehen, seines Anlagerisikos bei gesunkenem Fondswert jederzeit nachträglich einseitig entledigen, würde die Kapitalbasis des Versicherers zu Lasten jener Mitglieder der Versichertengemeinschaft geschwächt, deren Versicherungsleistung auch vom Geschäftsergebnis des Versicherers abhängt (vgl. Armbrüster, NJW 2015, 3065, 3067; vgl. auch Bürkle, VersR 2015, 398, 400). Dies wäre unvereinbar mit dem für das Versicherungsrecht typischen Grundgedanken einer Risikogemeinschaft und damit des Ausgleichs der unterschiedlichen Interessen aller Versicherungsnehmer (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.2005 - IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297, 322 [juris Rz. 60]; BVerfGE 114, 73, 102 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 24.3.2010 - IV ZR 296/07, BGHZ 185, 83 Rz. 22 und IV ZR 69/08, VersR 2010, 801 Rz. 20; v. 8.6.1983 - IVa ZR 150/81, BGHZ 87, 346, 357 [juris Rz. 32]). Zudem führte dies zu einer finanziell günstigeren Lage nicht oder unzureichend belehrter Versicherungsnehmer und damit zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung mit den Versicherungsnehmern, die über ihr Widerspruchsrecht ordnungsgemäß belehrt wurden und deren Vertragslösungsrecht daher zeitlich begrenzt war (vgl. auch Generalanwältin beim EuGH, Schlussanträge vom 8.9.2009 - Rs. C-215/08, BeckRS 2009, 71004 Rz. 100).
Rz. 25
Hingegen ermöglichen es die innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Bereicherungsrechts im Sinne eines vernünftigen Risikoausgleichs, einerseits dem Versicherungsnehmer den mit der Anlage des Sparanteils in Fonds erzielten Gewinn als vom Versicherer gezogene Nutzung zukommen zu lassen (BGH, Urt. v. 11.11.2015 - IV ZR 513/14, r+s 2016, 20 Rz. 51 f.; v. 1.6.2016 - IV ZR 482/14, VersR 2017, 275 Rz. 27), ihm andererseits aber auch die Folgen zuzuweisen, die sich aus den Risiken der von ihm gewählten Anlageform unmittelbar ergeben. Nur eine solche Risikoverteilung vermeidet eine grundlegende Störung des Äquivalenzverhältnisses des fehlgeschlagenen Geschäfts zu Lasten der Gemeinschaft der Versicherten und verwehrt dem Versicherungsnehmer eine risikofreie Spekulation dergestalt, dass er die Gewinnchance nutzt und Fondsverluste im Nachhinein zu Lasten der Versichertengemeinschaft beseitigt (so auch Armbrüster, VersR 2012, 513, 521; Schmitz-Elvenich, VersR 2017, 266, 268; vgl. auch Heyers, NJW 2016, 1357, 1359).
Rz. 26
(d) Wie die Revisionserwiderung zu Recht hervorhebt, entspricht es auch im Übrigen unionsrechtlichen Grundsätzen, einem Anleger durch Verbraucherschutzbestimmungen nicht die Möglichkeit einzuräumen, während der Dauer des Bestehens eines Vertragslösungsrechts die Entwicklung des von ihm erworbenen Finanzprodukts zu beobachten und entweder einen aus einer Kurssteigerung sich ergebenden Gewinn zu vereinnahmen oder, bei ungünstiger Entwicklung, von seinem Lösungsrecht Gebrauch zu machen und so den Eintritt eines Verlustes in jedem Fall zu vermeiden. Dies zeigt der durch Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.9.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. Nr. L 271 S. 16) vorgegebene Ausschluss des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen über die Erbringung von Finanzdienstleistungen, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Anbieter keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können. Daraus wird deutlich, dass auch die Unionsrechtsordnung Spekulationen des Verbrauchers mittels eines Vertragslösungsrechts vorbeugen möchte (vgl. insoweit Begründung der Kommission zum Richtlinienvorschlag, KOM(1998) 468 endg. S. 14; vgl. auch BGH, Urt. v. 27.11.2012 - XI ZR 439/11, BGHZ 195, 375 Rz. 24; Wendehorst in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 312g Rz. 39 m.w.N.).
Rz. 27
cc) Auch die Rüge der Revision, die Kläger seien durch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten und die Verbraucherinformation lediglich über eine mögliche Wertminderung der gewählten Anlage durch Kursrückgänge und jedenfalls nicht ausdrücklich auch über die Möglichkeit eines Totalverlusts der Anlage aufgeklärt worden, dringt nicht durch. Hierbei bedarf es keiner Entscheidung durch den Senat, ob dieser Gesichtspunkt überhaupt geeignet wäre, zu einer Verlagerung des Entreicherungsrisikos auf den Versicherer zu führen. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen - und für das weitere Verfahren bindenden (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rz. 11 f. m.w.N.) - Feststellungen des LG sind die Kläger bei der Wahl der Anlageform auf die mit ihr verbundenen erheblichen Risiken, u.a. auch auf das Risiko des Totalverlustes hingewiesen worden.
Rz. 28
III. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH Slg. 1982, 3415 Rz. 21 - C.I.L.F.I.T.; GRUR-Int. 2015, 1152 Rz. 43 - Doc Generici, m.w.N.). Der Streit darüber, ob sich der Versicherer gegenüber einem nicht oder nicht ordnungsgemäß über sein Vertragslösungsrecht belehrten Versicherungsnehmer einer fondsgebundenen Versicherung wegen erheblicher Fondsverluste auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, wirft keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts auf, die nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.
Fundstellen