Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Entscheidung vom 17.02.2022; Aktenzeichen 5 U 185/21) |
LG Lübeck (Entscheidung vom 24.09.2021; Aktenzeichen 3 O 268/20) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 17. Februar 2022 teilweise aufgehoben und insgesamt zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 24. September 2021 in der Fassung des Beschlusses vom 15. November 2021 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin der Beklagten aus dem mit ihr geschlossenen Darlehensvertrag vom 17. März 2017 aufgrund des Widerrufs vom 22. September 2020 weder die Zahlung von Zinsen noch die Erbringung von Tilgungsleistungen schuldet.
Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, an die Beklagte Wertersatz in Höhe der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Kraftfahrzeugs Mercedes-Benz GL 500 4MATIC, Fahrzeug-Identifizierungsnummer, zum Zeitpunkt der Übergabe an die Klägerin nach dem Kauf und dem Verkehrswert dieses Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Herausgabe an die Beklagte im Rahmen der Rückabwicklung (Wertersatz) zu zahlen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, das vorbezeichnete Fahrzeug an die Beklagte an deren Sitz herauszugeben.
Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 32% und die Beklagte zu 68%. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 39% und der Beklagten zu 61% auferlegt. Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin 36% und die Beklagte 64% zu tragen.
Streitwert: bis 80.000 €
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Klägerin.
Rz. 2
Die Klägerin erwarb im März 2017 einen gebrauchten Mercedes GL 500 4MATIC zum Kaufpreis von 59.800 €. Zur Finanzierung des Kaufpreises und einer Ratenabsicherungs-Prämie in Höhe von 2.292,25 € schlossen die Parteien mit Datum vom 17. März 2017 einen Darlehensvertrag über 62.092,25 €. Das Darlehen sollte in 60 Monatsraten zu je 779,77 € und einer Schlussrate von 25.116 € zurückgezahlt werden. Seite 1 des Darlehensvertrags enthält folgende Angabe über die Verzugsfolgen:
"Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."
Rz. 3
In den Darlehensvertrag einbezogen waren die Darlehensbedingungen der Beklagten, die unter anderem in Ziffer IX. 5 folgende Regelung enthalten:
"Widerruft der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung innerhalb der Widerrufsfrist, so hat er für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens keine Sollzinsen zu entrichten."
Rz. 4
Mit E-Mail vom 22. September 2020 erklärte die Klägerin den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung des Vertrags auf. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück.
Rz. 5
Mit der Klage hat die Klägerin zuletzt (1.) die Zahlung der bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 31.970,57 € nebst Zinsen nach Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs, (2.) die Zahlung nach Widerruf erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 13.256,09 € nebst Zinsen, (3.) hilfsweise für den Fall, dass der Klageantrag zu 1 derzeit unbegründet sei, die Feststellung, dass ihr ein Zahlungsanspruch in Höhe von 31.970,57 € nebst Zinsen zustehe, der nach Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs am Sitz des Verkäufers, hilfsweise: am Sitz der Beklagten, fällig sei, (4.) die Feststellung, dass sich die Beklagte spätestens seit dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befinde, (5.) die Feststellung, dass die Klägerin infolge und ab ihrer Widerrufserklärung vom 22. September 2020 aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrag weder Zins- noch Tilgungsleistungen schulde, und (6.) die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt.
Rz. 6
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht (1.) festgestellt, dass die Klägerin infolge und ab ihrer Widerrufserklärung vom 22. September 2020 aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrag weder Zins- noch Tilgungsleistungen schuldet, (2.) die Beklagte zur Zahlung von 13.256,09 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des finanzierten Fahrzeugs verurteilt und (3.) festgestellt, dass der Klägerin ein Zahlungsanspruch in Höhe von 31.970,57 € zusteht, der nach Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs am Sitz der Beklagten fällig ist. Auf die Hilfswiderklage der Beklagten hat das Berufungsgericht (1.) festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, an die Beklagte Wertersatz in Höhe der Differenz zwischen dem Verkehrswert des finanzierten Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Übergabe an die Klägerin nach dem Kauf und dem Verkehrswert dieses Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Herausgabe an die Beklagte zu zahlen, und (2.) die Klägerin zur Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs an die Beklagte an deren Sitz verurteilt. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen und die weitergehende Hilfswiderklage auf Feststellung, dass die Klägerin verpflichtet sei, an die Beklagte für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des streitgegenständlichen Darlehens Nutzungsersatz in Höhe von 4,40% p.a. auf den jeweils offenen Darlehenssaldo zu zahlen, hat es abgewiesen.
Rz. 7
Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 13.256,09 € und die Feststellung eines Zahlungsanspruchs in Höhe von 31.970,57 € richtet. Insoweit führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung des Zahlungsantrags als derzeit unbegründet und des Feststellungsantrags als unzulässig. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
I.
Rz. 9
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 10
Es sei festzustellen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Widerrufserklärung der Beklagten aus dem Darlehensvertrag weder Zins- noch Tilgungsleistungen mehr schulde. Der Klägerin habe im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrags ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1, § 355 BGB zugestanden. Die Widerrufsfrist sei bei Abgabe der Widerrufserklärung am 22. September 2020 nicht verstrichen gewesen, da die Beklagte der Klägerin nicht sämtliche erforderlichen Pflichtangaben erteilt habe. Die Beklagte habe die Klägerin unter anderem nicht in der nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB geforderten Form über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner Anpassung informiert. Die Ausübung des Widerrufsrechts sei nicht nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich. Selbst wenn die Annahme von Rechtsmissbrauch erwogen werden könnte, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübe, um das Fahrzeug nach längerer bestimmungsgemäßer Nutzung zurückgeben zu können, reichte dieser Umstand für sich genommen im hier vorliegenden Einzelfall nicht aus. Überdies habe die Klägerin ihre Pflicht zur Zahlung von Wertersatz nicht bestritten.
Rz. 11
Dagegen sei der Anspruch auf Zahlung der bis zum Widerruf geleisteten Zins- und Tilgungsraten in Höhe von insgesamt 31.970,57 € noch nicht fällig und daher derzeit unbegründet. Der Beklagten stehe gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Insoweit verhelfe es der Klägerin nicht zum Erfolg, dass sie Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs begehre. Dies setze in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme sei. Dies sei aber nicht der Fall. In dem Widerrufsschreiben vom 22. September 2020 habe die Klägerin lediglich die Bestätigung des Widerrufs und die Zahlung aller bisher geleisteten Raten gefordert, was nicht zur Erfüllung der Vorleistungspflicht ausreiche. Ein behauptetes Anwaltsschreiben aus der Folgezeit habe sie nicht vorgelegt.
Rz. 12
Es sei aber festzustellen, dass der Klägerin ein Zahlungsanspruch in Höhe von 31.970,57 € zustehe, der nach Rückgabe des Fahrzeugs am Sitz der Beklagten fällig sei. Der Feststellungsantrag sei trotz Vorrangs der Leistungsklage zulässig. Dies sei ausnahmsweise der Fall, wenn im konkreten Fall gesichert sei, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinige. So liege es hier. Zwischen den Parteien sei die Höhe der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen nicht streitig.
Rz. 13
Der hinsichtlich der nach Widerruf unter Vorbehalt erbrachten Ratenzahlungen geltend gemachte Zahlungsantrag in Höhe von 13.256,09 € sei begründet, allerdings nur Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Eine Vorleistungspflicht der Klägerin bestehe insoweit nicht, weshalb sich die Beklagte nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB berufen könne.
Rz. 14
Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs und der Freistellungsantrag seien unbegründet.
Rz. 15
Aufgrund des teilweisen Erfolgs der Klage sei über die Hilfswiderklage der Beklagten zu entscheiden. Insoweit sei festzustellen, dass der Beklagten ein Anspruch auf Wertersatz gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 7 BGB zustehe. Ferner habe sie gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs. Dagegen stehe ihr kein Anspruch auf Wertersatz in Höhe der vereinbarten Sollzinsen zu. Sie habe in Ziffer IX. 5 der Darlehensbedingungen für den Fall des Widerrufs für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens auf Sollzinsen verzichtet.
II.
Rz. 16
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 13.256,09 € und die Feststellung eines Zahlungsanspruchs in Höhe von 31.970,57 € richtet. Insoweit führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung des Zahlungsantrags als derzeit unbegründet und des Feststellungsantrags als unzulässig. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
Rz. 17
1. Die Revision der Beklagten wendet sich ohne Erfolg gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin der Beklagten aus dem mit ihr geschlossenen Darlehensvertrag aufgrund ihrer Widerrufserklärung weder Zinsen noch Tilgungsleistungen schuldet.
Rz. 18
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre auf Abschluss des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB unter anderem mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Klägerin bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor die Klägerin die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat ebenfalls zu Recht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszins und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.
Rz. 19
Wie der Senat bereits entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2022 - XI ZR 179/21, WM 2022, 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
Rz. 20
b) Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung auch insoweit stand, als das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Ausübung des Widerrufsrechts durch die Klägerin nicht nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich ist. Dabei kann dahinstehen, ob oder inwieweit die Rechtsprechung des Senats zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf das Widerrufsrecht nach § 495 BGB im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. September 2021 (C-33/20, WM 2021, 1986 - Volkswagen Bank) und die weitere Rechtsprechung des Gerichtshofs hierzu gegebenenfalls angepasst, d.h. eingeschränkt werden muss (vgl. aber Senatsbeschluss vom 31. Januar 2022 - XI ZR 113/21, WM 2022, 420). Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist das Berufungsurteil revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 21
Nach dieser Rechtsprechung kann eine Rechtsausübung im Einzelfall bei missbräuchlichem Verhalten als unzulässig angesehen werden. Dabei kann die Berufung des Verbrauchers auf sein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht als missbräuchlich zu bewerten sein, mit der Folge, dass ihm die vorteilhaften Rechtsfolgen des Widerrufs versagt werden können (Senatsbeschluss vom 31. Januar 2022 - XI ZR 113/21, WM 2022, 420 Rn. 70). Der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB erlaubt es, die Berufung auf grundsätzlich bestehende Rechtspositionen unter besonderen Umständen im Einzelfall zu versagen. Für die Entscheidung, ob die Berufung auf eine Rechtsposition missbräuchlich ist, erfordert § 242 BGB eine Bewertung der gesamten Umstände des jeweiligen Falls, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsbeschluss aaO Rn. 49 mwN). Diese Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters und demgemäß in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (Senatsurteil vom 25. Oktober 2022 - XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 30 mwN).
Rz. 22
Nach diesem Maßstab ist die Würdigung des Berufungsgerichts, die Ausübung des Widerrufsrechts sei nicht rechtsmissbräuchlich, frei von revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehlern. Es hat die Umstände des Einzelfalls gewürdigt und einen Rechtsmissbrauch mit vertretbarer Begründung verneint. Die Weiternutzung des Fahrzeugs für mehrere Jahre sowie die Bereitschaft zur Zahlung von Wertersatz für eine mehrjährige Nutzung bezieht das Berufungsgericht ausdrücklich in seine Würdigung ein. Die Revision bemüht sich insoweit lediglich darum, eine ihr günstigere, abweichende Bewertung der vom Berufungsgericht umfassend gewürdigten Fallumstände herbeizuführen. Damit kann sie indes keinen Erfolg haben.
Rz. 23
Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorbringen der Revision, das Berufungsgericht habe rechtsirrig nicht eingestellt, dass es sich bei der fehlerhaften Angabe zum Verzugszins um eine Information handele, die für die Klägerin - mangels Verzugseintritts oder Geltendmachung von Verzugszinsen durch die Beklagte - zu keinem Zeitpunkt bei der Durchführung des Vertrags relevant war. Dies ist kein Umstand, den der Tatrichter im Rahmen seiner Würdigung berücksichtigen konnte und durfte. Ob eine Pflichtangabe für den Verbraucher relevant ist, beurteilt sich nicht aus der Rückschau zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufsrechts, sondern vielmehr aus der Sicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Zu diesem Zeitpunkt war es für die Klägerin noch nicht vorhersehbar, ob und wann sie vielleicht doch in Verzug geraten würde.
Rz. 24
c) Soweit die Revision geltend macht, nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht habe die Klägerin im März 2022 die Schlussrate des Darlehens gezahlt und die Beklagte die gewährten Sicherheiten freigegeben, so dass die negative Feststellungsklage unzulässig geworden sei, verhilft das der Revision nicht zum Erfolg. Das Feststellungsinteresse der Klägerin besteht fort. Die Beklagte berühmt sich weiterhin, dass ihr ein Anspruch auf Zahlung der - vom Zahlungsantrag der Klägerin nicht umfassten - Schlussrate aus dem Darlehensvertrag zusteht.
Rz. 25
2. Dagegen hat die Revision Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der nach Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen von insgesamt 13.256,09 € wendet. Insoweit ist die Klage derzeit unbegründet.
Rz. 26
Noch frei von Rechtsfehlern ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Klägerin gegen die Beklagte aufgrund ihrer Widerrufserklärung ein Anspruch auf Rückgewähr der von ihr an die Beklagte nach Erklärung des Widerrufs geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zusteht. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, der Beklagten stehe insoweit das nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB (in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung; im Folgenden: aF) i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht nicht zu. Wie der Senat mit Urteil vom 25. Januar 2022 (XI ZR 559/20, WM 2022, 418 Rn. 17) entschieden und im Einzelnen begründet hat, besteht das Leistungsverweigerungsrecht nicht nur in Bezug auf die bis zum Widerruf geleisteten Zahlungen für Zins, Tilgung und eventuelle Anzahlung, sondern auch in Bezug auf die nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erbrachten Zins- und Tilgungszahlungen, so dass hier eine Verurteilung hinsichtlich der nach der Widerrufserklärung geleisteten Zahlungen von 13.256,09 € Zug um Zug gegen Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs nicht in Betracht kommt. Da die Beklagte von der Klägerin - was zwischen den Parteien aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Antrags der Klägerin auf Feststellung des Annahmeverzugs feststeht (§ 322 Abs. 1 ZPO) - mit der Entgegennahme des finanzierten Fahrzeugs nicht in Annahmeverzug gesetzt worden ist, steht der Klägerin auch kein Zahlungsanspruch nach Maßgabe des § 322 Abs. 2 BGB analog zu.
Rz. 27
Soweit die Revisionserwiderung meint, die Beklagte könne sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf ein Leistungsverweigerungsrecht stützen, weil sie den Rückgewähranspruch der Klägerin bereits dem Grunde nach in Abrede stellt, trifft dies nicht zu. Für die Klägerin besteht in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB nur die Möglichkeit, Zahlung "nach" Herausgabe zu verlangen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Beklagte im Verzug der Annahme ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 29). Dies ist hier aber nicht der Fall. Soweit die Revisionserwiderung auf die vom Landgericht Ravensburg dem Gerichtshof der Europäischen Union mit Beschluss vom 19. März 2021 (2 O 282/19, 2 O 384/19, 2 O 474/20, 2 O 480/20, juris) vorgelegten Fragen zu Nummer 5a und 5b hinweist, hat der Senat die dort aufgeworfenen Fragen im Hinblick auf die Vorleistungspflicht des Käufers und Darlehensnehmers und eine diesbezügliche Vorlagepflicht bereits beantwortet (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2021 - XI ZR 608/20, WM 2021, 2248 Rn. 19 f.).
Rz. 28
3. Die Revision hat ebenfalls Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung wendet, der Klägerin stehe ein Zahlungsanspruch in Höhe von 31.970,57 € zu, der nach Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs am Sitz der Beklagten fällig werde. Insoweit macht die Revision zu Recht geltend, dass der Feststellungsantrag bereits unzulässig ist.
Rz. 29
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muss ein Kläger, der die Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis geltend macht, grundsätzlich vorrangig mit der Leistungsklage gegen die Beklagte vorgehen. Ist dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm, was auch in der Revisionsinstanz zu prüfen ist (vgl. nur Senatsurteile vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 11 und vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 16, jeweils mwN), das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann. Abweichend von dieser Regel kann allerdings eine Feststellungsklage ausnahmsweise zulässig sein, wenn im konkreten Fall gesichert ist, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 2017 aaO Rn. 16 mwN).
Rz. 30
Nach diesen Maßgaben ist der Feststellungsantrag unzulässig. Der Klägerin war - wie von ihr auch erhoben - eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar. Darüber hinaus ist der Feststellungsantrag auch deshalb unzulässig, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Höhe der bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen zwischen den Parteien nicht streitig ist und daher ein Feststellungsinteresse der Klägerin nicht besteht. Schließlich führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die ausgesprochene Feststellung nicht zu einer endgültigen Klärung sämtlicher Streitpunkte der Parteien. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteien über die Höhe des der Beklagten zustehenden und gegen den Zahlungsanspruch der Klägerin aufrechenbaren Wertersatzanspruchs in Streit sein werden.
Rz. 31
4. Schließlich wendet sich die Revision ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht die Hilfswiderklage hinsichtlich des Antrags auf Feststellung einer Nutzungsersatzpflicht der Klägerin für die Überlassung des Darlehens abgewiesen hat. Ein solcher Anspruch steht der Beklagten vorliegend nicht zu.
Rz. 32
Zwar ist der Verbraucher bei Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung grundsätzlich aus § 358 Abs. 4 Satz 1 aF i.V.m. § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung zur Zahlung der vereinbarten Sollzinsen für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn der Verbraucherdarlehensvertrag mit einem weiteren Vertrag, hier einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug, verbunden ist (Senatsurteil vom 25. Oktober 2022 - XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 37 mwN). Vorliegend hat die Beklagte aber - was der Senat mit Urteil vom 25. Oktober 2022 (aaO Rn. 38 ff. mwN) im Einzelnen begründet hat und hier gleichermaßen gilt - gemäß Ziffer IX. 5 ihrer Darlehensbedingungen auf eine Verzinsung verzichtet.
III.
Rz. 33
Das Berufungsurteil ist mithin auf die Revision teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, sondern die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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