Entscheidungsstichwort (Thema)
Erkennbarkeit einer Person in Romanfiguren: Identifizierungskraft mit Romanfiguren. Verletzung allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Kunstfreiheitsgarantie. Freie Themenwahl und Gestaltung. Künstlerische Verfremdung. Eindeutige Zuordnung an real existierende Personen. Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Unterlassungsverpflichtungserklärung
Leitsatz (amtlich)
a) Zur Frage der Erkennbarkeit einer realen Person in einer Romanfigur.
b) Zur Abwägung zwischen Kunstfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht, wenn eine Romanfigur keine verselbstständigte Kunstfigur, sondern eine real existierende Person darstellt und diese durch Hinzufügung von Details in negativer Weise entstellt wird.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 S. 1; BGB § 823 Abs. 1, § 1004
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des OLG München v. 6.4.2004 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerinnen wenden sich gegen die Veröffentlichung des von der Beklagten verlegten Romans "Esra" von Maxim Biller (im Folgenden: Autor). Das Buch schildert die Liebesbeziehung zwischen der Titelfigur Esra und dem Icherzähler, dem Schriftsteller Adam. Die Klägerin zu 1), die etwa eineinhalb Jahre lang eine intime Beziehung zum Autor unterhielt, und ihre Mutter, die Klägerin zu 2), sind der Auffassung, der Inhalt des Romans verletze ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, weil sich die Schilderung der Romanfiguren Esra und Lale eng an ihrem Leben orientiere.
Auf Antrag der Klägerinnen wurde der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, das Buch "Esra" in der Ursprungsfassung zu verbreiten. Die Beklagte gab danach mehrere Unterlassungsverpflichtungserklärungen unterschiedlichen Inhalts ab. Das LG, dessen Entscheidung in ZUM 2004, 234 veröffentlicht ist, hat der Unterlassungsklage in der nach der vierten Verpflichtungserklärung v. 18.8.2003 verbliebenen Fassung stattgegeben und im Übrigen die Erledigung der Hauptsache festgestellt. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit der diese unter Hinnahme des Feststellungsausspruchs ihr Klageabweisungsbegehren im Übrigen weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält die Unterlassungsklage ungeachtet der Verpflichtungserklärungen der Beklagten für zulässig. Die Klage sei auch begründet, denn die Veröffentlichung des Buches "Esra" verletze die Klägerinnen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Diese seien in den Romanfiguren Esra und Lale und dem Handlungs- und Beziehungsgeflecht des Buches für einen nicht unbedeutenden Leserkreis erkennbar. Dies beruhe zum einen darauf, dass der Klägerin zu 1) der Bundesfilmpreis und der Klägerin zu 2) der alternative Nobelpreis verliehen worden sei. Die in der streitgegenständlichen Buchfassung erfolgte Umbenennung der Preise in "Fritz-Lang-Preis" und "Karl-Gustav-Preis" vermöge wegen der geschilderten Begleitumstände die Erkennbarkeit nicht zu beseitigen. Darüber hinaus stimmten das Erscheinungsbild und der Lebens- und Berufsweg der Klägerinnen im Wesentlichen mit denen der Romanfiguren überein.
Selbst bei Einbeziehung der auf Grund der Unterlassungsverpflichtungserklärungen v. 18.8.2003 und v. 9.2.2004 vorgenommenen Änderungen fehle eine genügende Verfremdung des Abbildes vom Urbild. Es lägen so markante Übereinstimmungen vor, dass der Leser nicht zwischen Wahrheit und Erdichtetem unterscheiden könne. Auch unter Berücksichtigung des Charakters des Buches als Belletristik sei wegen der Kumulation von Identifizierungsmerkmalen nicht erkennbar, dass keine realen Personen dargestellt würden. Dass der Roman Fiktion sei, werde weder durch das Nachwort, noch durch das auf Grund der ersten Verpflichtungserklärung eingefügte Vorwort ausreichend klar. Die Klägerin zu 1) werde durch die Schilderung der Einzelheiten des Sexuallebens von Esra sowie eines Abtreibungsversuchs in ihrer Intimsphäre verletzt, weil der Inhalt des Romans mit realen Einzelheiten ihres Sexuallebens gleichgesetzt werde. Durch die Darstellung der schweren Krankheit von Esras Tochter werde die Klägerin zu 1), deren Tochter lebensbedrohlich erkrankt sei, ebenfalls in ihrer Privatsphäre verletzt. Auch wenn sich die Beklagte grundsätzlich auf Kunstfreiheit berufen könne und auch wenn berücksichtigt werde, dass der Autor mit dem Roman die aus seiner Sicht tief erlebte Liebesbeziehung mit der Klägerin zu 1) habe verarbeiten und bewältigen wollen, müsse diese die mit der Veröffentlichung des Buches verbundenen Eingriffe in ihr Persönlichkeitsrecht nicht hinnehmen. Die gegebene Möglichkeit einer ausreichenden Verfremdung habe der Autor nicht genutzt. Das Buch greife auch in schwer wiegendem Maße in die Privatsphäre der Klägerin zu 2) ein. Es zeichne nämlich ein negatives Charakterbild der Romanfigur Lale. Leser, die die Klägerin zu 2) identifiziert hätten, würden die Charakterzüge von Lale mit denen der Klägerin zu 2) gleichsetzen. Dadurch werde sie in ihrem Recht am eigenen Lebensbild verletzt. Derart schwer wiegende Entstellungen seien durch die Kunstfreiheit nicht gedeckt.
II.
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass dem Unterlassungsbegehren nicht schon die vierte Unterlassungserklärung der Beklagten v. 18.8.2003 entgegensteht. Zwar lässt auch im Falle der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine ordnungsgemäße Unterlassungsverpflichtungserklärung selbst ohne deren Annahme durch den Gläubiger die Wiederholungsgefahr grundsätzlich entfallen (BGH, Urt. v. 8.7.1980 - VI ZR 159/78, BGHZ 78, 9 [17] = MDR 1981, 40; Urt. v. 8.2.1994 - VI ZR 286/93, AG 1994, 222 = GmbHR 1994, 330 = MDR 1994, 991 = CR 1994, 396 = VersR 1994, 570 [572]; Urt. v. 1.10.1996 - VI ZR 206/95, MDR 1997, 147 = NJW 1997, 1152 [1154]; Urt. v. 19.10.2004 - VI ZR 292/03, BGHReport 2005, 315 = MDR 2005, 334 = VersR 2005, 84 [85]; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rz. 337 f.). Um diese Wirkung zu entfalten, muss die Erklärung den Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang aber voll abdecken (BGH, Urt. v. 31.5.2001 - I ZR 82/99, BGHReport 2001, 880 = NJW-RR 2002, 608 [609], m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall, da die Klägerinnen geltend machen, auch in der nach der vierten Unterlassungserklärung der Beklagten v. 18.8.2003 verbliebenen Fassung ("Münchner Fassung") verletze der Roman ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht. Ob es sich bei dieser vierten Erklärung um eine Teilunterwerfungserklärung handelt, die für den Fall einer sachlich teilbaren Wiederholungsgefahr allgemein als zulässig erachtet wird, kann dahinstehen. Denn eine solche ließe den weiter reichenden Unterlassungsanspruch der Klägerinnen jedenfalls unberührt (BGH, Urt. v. 19.10.2000 - I ZR 89/98, BGHReport 2001, 431 = NJW-RR 2001, 978 [980]; Urt. v. 25.4.2002 - I ZR 296/99, BGHReport 2003, 4 = NJW-RR 2002, 1613 [1614]; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 12 Rz. 20 f.; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., vor § 13 Rz. 7, m.w.N.). Hiervon abgesehen konnte die vierte Unterlassungserklärung für sich allein auch deswegen keine Wirkung entfalten, weil sie ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Annahme durch die Klägerinnen stand.
2. Auch die Annahmeerklärung der Klägerinnen v. 19.8.2003 steht dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, dass es in der Unterlassungserklärung heißt: "Meine Mandantin (scil. die Beklagte) behält sich vor, das dieser Unterlassungsverpflichtungserklärung entsprechend geänderte Buch mit dem Untertitel "Münchner Fassung" zu veröffentlichen, zu verbreiten etc.". Ob darin, wie die Revision meint, ein auf einvernehmliche Veröffentlichung der "Münchner Fassung" gerichtetes Angebot der Beklagten lag, kann dahinstehen. Eine entsprechende Vereinbarung ist, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, jedenfalls nicht zu Stande gekommen. Die Klägerinnen haben der Veröffentlichung der geänderten Fassung nämlich nicht zugestimmt. Ihr Antwortschreiben beginnt zwar mit den Worten: "Mit dieser Annahme ist die Verpflichtungserklärung ihrer Mandantin rechtsverbindlich." Jedoch heißt es am Ende: "Unsere Mandantinnen sind gezwungen, dieses Angebot anzunehmen. Die dadurch zu erwartende Persönlichkeitsverletzung ist zwar geringfügig geringer als die ursprüngliche Fassung des Buches "Esra" von M. Biller, dadurch aber keineswegs beseitigt. Unsere Mandantinnen werden auch die Veröffentlichung dieser so veränderten Fassung in dem anhängigen Verfahren bekämpfen, weil ausreichend Erkennungsmerkmale verbleiben." Nimmt der Gläubiger die unzureichende Erklärung zwar an, erklärt er aber zugleich, dass er seinen weiter reichenden Anspruch nicht als befriedigt ansieht, dann besteht der gesetzliche Unterlassungsanspruch fort, der Unterlassungsvertrag ist nicht zu Stande gekommen (Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., vor § 13 Rz. 207, 210). Offenbleiben kann, ob in der einschränkenden Annahme vorliegend ein neuer Antrag der Klägerinnen lag (§ 150 Abs. 2 BGB) und die Beklagte diesen ihrerseits (stillschweigend) angenommen hat. Die Parteien haben jedenfalls kein Einvernehmen erzielt, welches über die Verpflichtung der Beklagten hinausgeht, das Buch nicht ohne die von ihr in der vierten Erklärung angebotenen Änderungen zu veröffentlichen. Auf die rechtliche Einordnung der zwischen ihnen erzielten Übereinkunft kommt es insoweit nicht an (Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., vor § 13 Rz. 217; OLG Stuttgart v. 29.11.1996 - 2 U 182/96, WRP 1997, 350 [354]).
3. Der Unterlassungsanspruch ist auch in der Sache begründet. Die Klägerinnen müssen die Veröffentlichung des Romans "Esra" nicht hinnehmen. Die durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG grundrechtlich garantierte Kunstfreiheit hat unter den Umständen des Streitfalls hinter dem gem. Art. 2 Abs. 1 GG ebenfalls grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerinnen zurückzutreten. Die Klägerinnen werden durch den Roman auch unter Berücksichtigung der in den Unterlassungserklärungen v. 18.8.2003 und v. 9.2.2004 vorgenommenen Textänderungen individuell betroffen und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht rechtswidrig verletzt.
a) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerinnen in den Romanfiguren Esra und Lale erkennbar sind.
aa) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, eine Erkennbarkeit der Klägerinnen setze voraus, dass diese "von einem nicht unbedeutenden Leserkreis unschwer" in den Romanfiguren wiedererkannt würden. Bei dieser Formulierung (BVerfGE 30, 173 [198] - Mephisto) handelt es sich um den von den Zivilgerichten seinerzeit zu Grunde gelegten Maßstab hinsichtlich der Erkennbarkeit. Dieser Maßstab ist indes zu eng, weil grundsätzlich die Erkennbarkeit in einem mehr oder minder großen Bekanntenkreis bzw. in der näheren persönlichen Umgebung genügt (BGH, Urt. v. 26.6.1979 - VI ZR 108/78, NJW 1979, 2205, zu § 22 KUG; Urt. v. 15.12.1987 - VI ZR 35/87, MDR 1988, 486 = unter I., juris; LG Berlin AfP 2004, 287 [289 f.]; vgl. Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rz. 13.37; Prinz/Peters, UWG, 3. Aufl., vor § 13 Rz. 207, 210; Wegner/Wallenfels/Kaboth, Recht im Verlag, 2004, Kap. 3, Rz. 111, m.w.N.). Ein Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht demjenigen zu, der durch die Veröffentlichung individuell betroffen ist. Dies setzt voraus, dass er erkennbar zum Gegenstand einer medialen Darstellung wurde. Die Erkennbarkeit ist bereits dann gegeben, wenn die Person ohne namentliche Nennung zumindest für einen Teil des Leser- oder Adressatenkreises auf Grund der mitgeteilten Umstände hinreichend erkennbar wird. Es kann die Wiedergabe von Teilinformationen genügen, aus denen sich die Identität für die sachlich interessierte Leserschaft ohne weiteres ergibt oder mühelos ermitteln lässt (BGH, Urt. v. 9.4.1963 - VI ZR 54/62, NJW 1963, 1155; v. 21.6.1966 - VI ZR 266/64, NJW 1966, 2010 [2011]; v. 20.1.1981 - VI ZR 163/79, MDR 1981, 485 = VersR 1981, 384 [385]; v. 10.12.1991 - VI ZR 53/91, MDR 1992, 852 = VersR 1992, 363 [364]; vgl. auch BVerfG v. 14.7.2004 - 1 BvR 263/03, NJW 2004, 3619 [3620]; für die Aufgabe des Begriffs im Zusammenhang mit künstlerischen Figurationen v. Becker, KUR 2003, 81 [87 f.]). Dafür kann unter Umständen die Schilderung von Einzelheiten aus dem Lebenslauf des Betroffenen oder die Nennung seines Wohnorts und seiner Berufstätigkeit ausreichen (vgl. Prinz/Peters, UWG, 3. Aufl., § 13 Rz. 143; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 12, Rz. 43, m.w.N.).
bb) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerinnen seien in den Romanfiguren Esra und Lale zu erkennen, nicht zu beanstanden.
(1) Das Berufungsgericht sieht zunächst wesentliche Übereinstimmungen zwischen dem äußeren Erscheinungsbild und dem Lebens- und Berufsweg der Klägerinnen und denen der Romanfiguren Esra und Lale. Es stützt sich dabei auf eine Vielzahl von Einzelheiten, deren Feststellung von der Revision nicht angegriffen wird. Darüber hinaus stellt das Berufungsgericht darauf ab, dass sich die Verleihung des Bundesfilmpreises an die Klägerin zu 1) und des alternativen Nobelpreises an deren Mutter, die Klägerin zu 2), im Roman erkennbar widerspiegeln. Die Identifizierungskraft dieser Merkmale wird entgegen der Auffassung der Revision durch die Änderungen gemäß der vierten und fünften Unterlassungserklärung nicht beseitigt. Zwar lauten die Bezeichnungen der beiden Preise nunmehr "Fritz-Lang-Preis" und "Karl-Gustav-Preis". Der Grund der Preisverleihung an Esra wird indes unverändert beschrieben. Der "Fritz-Lang-Preis" wird ihr nämlich für einen Film verliehen, in dem sie ein Mädchen aus einfachen türkischen Verhältnissen darstellt, das sich in einen deutschen Jungen verliebt. Der "Karl-Gustav-Preis" wird in dem Roman nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts weiterhin in Bezug zum Nobelpreis gesetzt.
(2) Diese Feststellungen rechtfertigen im Streitfall die Annahme, dass Leser mit Einblick in das berufliche oder persönliche Umfeld der Klägerinnen diese anhand der im Buch dargestellten Umstände erkennen können. Dies gilt, wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, auch unter Berücksichtigung der übrigen Änderungen auf Grund der vierten und fünften Unterlassungserklärung. Gegen diese Bewertung wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg, denn ihre Angriffe orientieren sich an dem zu strengen Maßstab, den das Berufungsgericht für die Frage der Erkennbarkeit angelegt hat (vgl. oben aa)).
Auf Grund der Vielzahl der vom Berufungsgericht festgestellten Übereinstimmungen im Erscheinungsbild und im Lebens- und Berufsweg der Klägerinnen sowie in den aus diesem Lebens- und Berufsweg herrührenden Kontakten liegt die Erkennbarkeit für den maßgeblichen Personenkreis vorliegend auf der Hand. Jeder, der die Klägerinnen mehr als nur oberflächlich kennt und einigermaßen mit ihren Lebensumständen vertraut ist, muss aus den Darstellungen im Roman auf die Klägerinnen schließen. Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe übersehen, dass es auf die unschwere Identifizierbarkeit für einen nicht unbedeutenden Leserkreis ankomme und dass Kenntnisse, die der Roman nicht selbst vermittle und die bei einer objektiven Leserschaft auch nicht vorausgesetzt werden könnten, außer Betracht bleiben müssten, überspannt sie die Anforderungen an die Erkennbarkeit. Ihre Ausführungen orientieren sich insoweit an einem unzutreffenden Maßstab und gehen deshalb an der Sache vorbei. Die von der Revision aufgezeigten Textänderungen, wie etwa die Umbenennung eines real existierenden Platzes und einer real existierenden Straße, vermögen die Erkennbarkeit der Klägerinnen angesichts der verbleibenden ihnen zuzuordnenden Details nicht zu beseitigen.
Die Erkennbarkeit der Klägerinnen ist in gleicher Weise im Hinblick auf die ihnen verliehenen Preise zu bejahen. Die Klägerin zu 1) ist die einzige Türkin, die als Siebzehnjährige für die Darstellung eines türkischen Mädchens, das sich in einen deutschen Jungen verliebt, den Bundesfilmpreis erhalten hat. Die Klägerin zu 2) ist die einzige Türkin, der für ihren Einsatz in der Türkei gegen den Goldabbau mittels Zyanid der alternative Nobelpreis verliehen wurde. Die Änderung des Verleihungsgrundes durch die fünfte Unterwerfungserklärung in "Kampf gegen den Abbau von Bauxit" nimmt diesem Erkennungsmerkmal nicht seine Aussagekraft. Das Berufungsgericht weist mit Recht auf die große Bedeutung dieser beiden Preise hin. Über ihre jährliche Verleihung wird in den Medien berichtet. Hinzu kommt, dass eine Preisverleihung an eine in Deutschland lebende Türkin ein außergewöhnliches Ereignis darstellt und auch dadurch zur Identifizierbarkeit der Preisträgerin beiträgt. Darüber hinaus fällt ins Gewicht, dass die Verleihung des alternativen Nobelpreises erst fünf Jahre zurückliegt und dass die Preisträgerinnen Mutter und Tochter sind. Dass die Klägerin zu 1) als ehemalige Schauspielerin und die Klägerin zu 2) als engagierte Umweltaktivistin im persönlichen und beruflichen Umfeld auf Grund der im Roman geschilderten Umstände und der Bedeutung der Preise erkennbar sind, kann bei dieser Sachlage nicht zweifelhaft sein.
Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, dass die Erkennbarkeit der Klägerinnen weder durch das Nachwort des Romans ("Sämtliche Figuren und Handlungen dieses Romans sind frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit Lebenden und Verstorbenen sind deshalb rein zufällig und nicht beabsichtigt.") noch durch das dem Buch nach der ersten Unterlassungserklärung v. 1.4.2003 voranzustellende Vorwort beseitigt wird ("Die fiktiven Figuren dieses Romans sind angeregt durch reale Personen, aber nicht mit ihnen identisch. Die Handlung dieses Romans ist nicht die dokumentarische Darstellung tatsächlicher Vorgänge. Darum erhebt dieser Roman auch keinesfalls den Anspruch, die geschilderten Vorgänge könnten wahr sein und sich so zugetragen haben."). Derjenige, der die Klägerinnen auf Grund der dargestellten Umstände erkannt hat, wird auf Grund dieser Hinweise nicht anderen Sinnes werden (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.1968 - I ZR 44/66, NJW 1968, 1773 [1777 f.]; Meyer-Cording, JZ 1976, 737 [738]).
b) Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerinnen ist rechtswidrig. Ob eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, ist auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung anhand des zu beurteilenden Einzelfalls festzustellen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung hält den Angriffen der Revision stand.
aa) Das Berufungsgericht unterstellt das Werk zu Recht der Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. Der beanstandete Roman fällt in den Schutzbereich dieses Grundrechts, denn er ist das Ergebnis freier schöpferischer Gestaltung, in dem Eindrücke, Erfahrungen und Fantasien des Autors in literarischer Form zum Ausdruck kommen (BVerfGE 30, 173 [188 f.]; v. 3.6.1987 - 1 BvR 313/85, BVerfGE 67, 213 [226] = MDR 1987, 992; v. 3.6.1987 - 1 BvR 313/85, BVerfGE 75, 369 [377] = MDR 1987, 992; v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 [138]; Isensee, AfP 1993, 619 [623]; Meyer-Cording, JZ 1976, 737 [740]). Auf dieses Grundrecht kann sich die Beklagte als Verlegerin berufen. Da ein Werk der erzählenden Kunst ohne die Vervielfältigung, Verbreitung und Veröffentlichung durch den Verleger keine Wirkung in der Öffentlichkeit entfalten könnte, der Verleger daher eine unentbehrliche Mittlerfunktion zwischen Künstler und Publikum ausübt, erstreckt sich die Freiheitsgarantie auch auf seine Tätigkeit (BVerfGE 30, 173 [191], m.w.N.)
bb) Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, dass die Erkennbarkeit der Klägerinnen allein nicht ausreicht, um deren Unterlassungsanspruch zu begründen. Bei einem erzählenden Kunstwerk umfasst die Verfassungsgarantie auch die freie Themenwahl und die freie Themengestaltung. Denn die Kunstfreiheitsgarantie enthält das Verbot, auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeit einzuwirken, insb. den künstlerischen Gestaltungsraum einzuengen, oder allgemein verbindliche Regeln für diesen Schaffensprozess vorzuschreiben (BVerfGE 30, 173 [190]). Romanfiguren haben häufig Entsprechungen für Teile ihres Charakters und Handelns in der Realität (vgl. die Nachweise bei Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., § 80 V 2b; Moosmann, Exklusivstorys, 2002, S. 22; Ladeur/Gostomzyk, ZUM 2004, 426 [427]), da der Künstler Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung bringt (BVerfGE 30, 173 [188 f.]; BVerfG v. 17.7.1984 - 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213 [226] = MDR 1985, 201; v. 3.6.1987 - 1 BvR 313/85, BVerfGE 75, 369 [377] = MDR 1987, 992; v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 [138]). Erzählende Kunst, die an Vorgängen der - historischen - Wirklichkeit anknüpft, würde erheblich beeinträchtigt, wenn der Schriftsteller die Realität stets so verfremden müsste, dass die real existierenden Personen nicht mehr erkannt werden (vgl. die Beispiele bei Stein, abweichende Meinung zu BVerfGE 30, 173 [200, 208]). Zu der mehr oder weniger gegebenen Übereinstimmung von Handelnden in Romanen mit real existierenden Personen muss also stets eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung hinzukommen, die durch Art. 5 Abs. 3 GG nicht mehr gerechtfertigt ist (BVerfGE 30, 173 [195]; BVerfG v. 17.7.1984 - 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213 [228] = MDR 1985, 201; v. 3.6.1987 - 1 BvR 313/85, BVerfGE 75, 369 [380] = MDR 1987, 992). Eine solche hat das Berufungsgericht indes zu Recht bejaht.
cc) Die Freiheit der Kunst ist nicht schrankenlos gewährt. Anders als die Meinungsfreiheit (vgl. Art. 5 Abs. 1 und 2 GG) steht das Grundrecht der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) zwar nicht unter einem Gesetzesvorbehalt. Jedoch darf sich auch der Künstler, wenn er sich in seiner Arbeit mit Personen seiner Umwelt auseinander setzt, nicht über deren verfassungsrechtlich ebenfalls geschütztes Persönlichkeitsrecht hinwegsetzen; er muss sich innerhalb des Spannungsverhältnisses halten, in dem die kollidierenden Grundwerte als Teile eines einheitlichen Wertesystems neben- und miteinander bestehen können. Deshalb ist im Konfliktfall auf die nachteiligen Auswirkungen der Veröffentlichung für die Persönlichkeit des Dargestellten zu sehen und auf die durch ein Veröffentlichungsverbot betroffenen Belange freier Kunst. Beide Interessenbereiche sind gegeneinander abzuwägen, wobei insb. auch zu beachten ist, dass Charakter und Stellenwert des beanstandeten Textes als Aussage der Kunst das Verständnis von ihm im sozialen Wirkungsbereich zu beeinflussen vermögen (BGH v. 8.6.1982 - VI ZR 139/80, BGHZ 84, 237 [238 f.] = MDR 1982, 840; v. 3.6.1975 - VI ZR 123/74, NJW 1975, 1882 [1884]; BVerfGE 30, 173 [193 f., 196 ff.]; BVerfG v. 17.7.1984 - 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213 [228] = MDR 1985, 201; v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 [143]). Keinem der Rechtsgüter kommt von vornherein Vorrang ggü. dem anderen zu. Zwar könnten zweifelsfrei feststellbare schwer wiegende Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts durch die Kunstfreiheit nicht gerechtfertigt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Prüfung, ob eine solch schwer wiegende Beeinträchtigung festzustellen ist, isoliert, d.h. ohne Berücksichtigung des Charakters des Werks, vorgenommen werden dürfte. Die in ihrem Durchsetzungsanspruch betroffenen und bedrohten Rechtsgüter würden zu Lasten der Kunstfreiheit nicht optimiert, wenn allein der widerstreitende Belang betrachtet und die Lösung des Konflikts ausschließlich von der Schwere abhängig gemacht würde, mit der dieser durch das Kunstwerk beeinträchtigt werden könnte (BVerfG v. 17.7.1984 - 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213 [228] = MDR 1985, 201; v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 [146 f.]; v. 3.6.1987 - 1 BvR 313/85, BVerfGE 75, 369 [378 ff.] = MDR 1987, 992).
Die erforderliche Abwägung kann nach allem nicht allein auf die Wirkungen eines Kunstwerks im außerkünstlerischen Sozialbereich abheben, sondern muss auch kunstspezifischen Gesichtspunkten Rechnung tragen. Die Entscheidung darüber, ob durch die Anlehnung der künstlerischen Darstellung an Persönlichkeitsdaten der realen Wirklichkeit ein der Veröffentlichung des Kunstwerks entgegenstehender schwerer Eingriff in den schutzwürdigen Persönlichkeitsbereich des Dargestellten zu befürchten ist, kann nur unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles getroffen werden. Dabei ist zu beachten, ob und inwieweit das "Abbild" ggü. dem "Urbild" durch die künstlerische Gestaltung des Stoffs und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Kunstwerks so verselbständigt erscheint, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zu Gunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der "Figur" objektiviert ist. Wenn eine solche, das Kunstspezifische berücksichtigende Betrachtung jedoch ergibt, dass der Künstler ein "Porträt" des "Urbildes" gezeichnet hat oder gar zeichnen wollte, kommt es auf das Ausmaß der künstlerischen Verfremdung oder den Umfang und die Bedeutung der "Verfälschung" für den Ruf des Betroffenen an (BVerfGE 30, 173 [195, 198]). Die Kunstfreiheit wird umso eher Vorrang beanspruchen können, je mehr die Darstellungen des Urbildes künstlerisch gestaltet und in die Gesamtkonzeption des Kunstwerks eingebettet sind.
dd) Der Autor hat mit den Figuren Esra und Lale keine ggü. dem Urbild der Klägerinnen verselbständigten Kunstfiguren geschaffen. Das Berufungsgericht verneint zu Recht eine genügende Verfremdung und hebt - insoweit unangegriffen durch die Revision - eine Vielzahl im Roman geschilderter Umstände hervor, die eine ausgeprägte Übereinstimmung des Erscheinungsbildes und des Lebens- und Berufsweges der Klägerinnen mit denen der Romanfiguren ergeben. Dem Leser steht danach kein verselbständigtes Abbild der Klägerinnen vor Augen. Auch bei Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um einen Roman, also um erzählende Prosa handelt, ergibt sich kein anderes Textverständnis. Zwar weisen Stimmen in der Literatur darauf hin, dass Romane häufig in einer eigenständigen Welt spielen, also erkennbar Fiktionscharakter haben. Da sie keine Wirklichkeitstreue beanspruchten, könnten Persönlichkeitsrechte nicht betroffen sein (vgl. Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., § 80 V 2c; Staudinger/Hager, BGB, 1999, § 823 Rz. C 130; v. Becker, KUR 2003, 81 [89]; Busch, AfP 2004, 203 [209]; Ladeur/Gostomzyk, ZUM 2004, 426 [431], m.w.N.). Das Kunstwerk wirkt jedoch nicht nur als ästhetische Realität, sondern hat daneben ein Dasein in den Realien, die zwar in der Darstellung künstlerisch überhöht werden, damit aber ihre sozialbezogenen Wirkungen nicht verlieren. Diese Wirkungen auf der sozialen Ebene entfalten sich "neben" dem eigenständigen Bereich der Kunst; gleichwohl müssen sie auch im Blick auf den Gewährleistungsbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewürdigt werden, da die "reale" und die "ästhetische" Welt im Kunstwerk eine Einheit bilden (BVerfGE 30, 173 [193 f.]). Lehnt sich eine Romanfigur an eine reale Person an, wird diese daher nicht bereits auf Grund der Einbettung in die Erzählung zum verselbstständigten Abbild. Ob dies der Fall ist, muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Im Streitfall ist dies unter den festgestellten Umständen zu verneinen. Die tatsächlich nachprüfbaren Merkmale der Romanfiguren Esra und Lale, die sich mit Merkmalen der Klägerinnen decken, sind zahlreich und so charakteristisch, dass daneben die vorhandenen Unterschiede zurücktreten. Mittel künstlerischer Verfremdung fehlen. Für den Leser, der die dargestellte Person erkannt hat, werden mit den beiden Romanfiguren keine Typen, sondern die Klägerinnen in ihrem realen Bezug dargestellt. Diese Wirkung wird noch dadurch verstärkt, dass Daten auf dem Klappentext zur Person des Autors mit Daten des Icherzählers übereinstimmen. Wer wie im Streitfall als Schriftsteller Personen in einer Weise erkennbar macht, dass sich Romanfiguren einer real existierenden Person eindeutig zuordnen lassen, kündigt die Übereinstimmung zwischen Autor und Leser auf, dass es sich beim literarischen Werk um Fiktion handelt (so zutreffend Ladeur/Gostomzyk, ZUM 2004, 426 [435]).
ee) Die Klägerinnen müssen ein solches "Porträt" in Buchform nicht dulden. Ihre Beeinträchtigung wiegt so schwer, dass dem Schutz ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Vorrang vor der zu Gunsten der Beklagten streitenden Kunstfreiheit einzuräumen ist.
(1) Die Klägerinnen haben deutlich erkennbar als Vorbilder für die Romanfiguren gedient. Soweit die Darstellung des Lebens der Klägerinnen der Wahrheit entspricht, ist es nicht gerechtfertigt, dass ihre persönlichen Belange der Öffentlichkeit präsentiert werden. Soweit der Autor Details hinzugefügt hat, handelt es sich um überwiegend negative oder bloßstellende Schilderungen, welche die Intim- oder Privatsphäre der Klägerinnen und ihre Lebensweise in einer Weise entstellen, die diese nicht mehr hinnehmen müssen. Da der Autor durch die zahlreichen Details aus dem Leben der Klägerinnen beim Leser den Eindruck erweckt, er liefere ein Porträt, wirkt sich die Hinzufügung unwahrer negativer oder bloßstellender Tatsachen besonders nachteilig aus. Der Leser wird die Schilderungen wegen der sonst verfolgten Tatsachengenauigkeit mit realen Einzelheiten aus dem Leben der Klägerinnen gleichsetzen. Hierauf stellt das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ab. Selbst wenn der Leser auf Grund eigener Kenntnis einzelne Umstände in den Bereich der Fiktion einordnen würde, ginge er doch von einer im Wesentlichen realistischen Beschreibung der Klägerinnen aus. Dieser Eindruck wird auch nicht durch den Hinweis auf einen fiktiven Charakter in Vor- und Nachwort abgeschwächt.
(2) Das Buch greift daher unabhängig davon, ob die vom Autor geschilderten zahlreichen Einzelheiten des Sexuallebens und des Abtreibungsversuchs der Romanfigur Esra eine Entsprechung im Leben der Klägerin zu 1) haben, in unzulässiger Weise in deren Intim- bzw. Privatsphäre ein (vgl. auch Wegner/Wallenfels/Kaboth, Recht im Verlag, 2004, Kap. 3, Rz. 107; KG v. 15.4.2004 - 10 U 385/03, NJW-RR 2004, 1415 [1416]; LG Berlin AfP 2004, 287 [291 f.]). Der Eingriff wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass die Darstellungen Teil erzählender Kunst sind. Zwar durfte der Autor seine Liebesbeziehung mit der Klägerin zu 1) verarbeiten. Dies garantiert die von der Kunstfreiheit umfasste Freiheit der Themenwahl und der Themengestaltung. Der Künstler darf nicht nur an reale Geschehnisse und persönliche Erfahrungen anknüpfen. Ihm bleibt bei der Verarbeitung dieser Anregungen auch ein weiter Schaffensspielraum. Bei einem Konflikt zwischen Kunstfreiheit und geschützter Persönlichkeitssphäre kann die Güterabwägung auch dazu führen, dass der Künstler in einer romanhaften Darstellung, die erkennbar nicht den Anspruch erhebt, die realen Begebenheiten wirklichkeitstreu widerzuspiegeln, eine dargestellte Person durch erfundene Begebenheiten ergänzend charakterisieren darf (BGHZ 50, 133 [146]). Dies gilt jedoch nur im Falle ausreichender Verfremdung, die hier nicht gegeben ist.
Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob auch durch die Schilderung der schweren, zahlreiche Operationen erfordernden Krankheit von Esras Tochter und der Art, wie diese als Mutter damit umgeht, in die Privatsphäre der Klägerin zu 1) eingegriffen wird. Insoweit enthält auch die Fassung der fünften Verpflichtungserklärung v. 9.2.2004 keine relevanten Änderungen.
(3) Auch ggü. der Klägerin zu 2) überschreitet der Roman den durch die Kunstfreiheit eröffneten Spielraum. Wird das Lebensbild einer bestimmten Person, die wie im Streitfall deutlich erkennbar als reale Person und nicht als Typus dargestellt wird, durch frei erfundene Zutaten grundlegend und in schwer wiegender Weise negativ entstellt, ist die durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gesetzte Grenze überschritten (BGHZ 50, 133 [146 f.]; bestätigend BVerfGE 30, 173 [198 f.]; kritisch Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl., § 80 V 2c). Die Klägerin zu 2) wird in der Figur der Lale als eine depressive, psychisch kranke Alkoholikerin geschildert, als eine Frau, die ihre Tochter und ihre Familie tyrannisiert, herrisch und streitsüchtig ist, ihre Kinder vernachlässigt hat, das Preisgeld in ihr bankrottes Hotel gesteckt hat, ihren Eltern Land gestohlen und die Mafia auf sie gehetzt hat, gegen den Goldabbau nur gekämpft hat, weil auf ihrem eigenen ergaunerten Grundstück kein Gold zu finden war, eine hohe Brandschutzversicherung abgeschlossen hat, bevor ihr Hotel in Flammen aufging, ihre Tochter zur Abtreibung gedrängt hat, von ihrem ersten Mann betrogen und von ihrem ebenfalls alkoholsüchtigen zweiten Mann geschlagen worden ist. Derart schwer wiegende Entstellungen sind durch die Kunstfreiheit nicht gedeckt. Ob dieser Eingriff in die Persönlichkeitssphäre der Klägerin zu 2) gerechtfertigt wäre, wenn das sich aus dem Roman ergebende Charakter- und Lebensbild der Romanfigur Lale mit den grundlegenden Wesenszügen und dem Persönlichkeitsbild der Klägerin zu 2) übereinstimmen würde, kann dahinstehen (vgl. BGHZ 50, 133 [146 f.] für eine absolute Person der Zeitgeschichte). Denn die Beklagte hat nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht dargelegt, dass dieses negative Bild tatsächlich zutrifft.
5. Die Untersagung der Verbreitung des gesamten Romans ist entgegen der Auffassung der Revision nicht unverhältnismäßig. Sie ist dann begründet, wenn die beanstandeten Textteile für die Gesamtkonzeption des Werks bzw. für das Verständnis des mit ihm verfolgten Anliegens von Bedeutung sind. Das Berufungsgericht stellt zu Recht darauf ab, dass hier in die gesamte Struktur und Darstellung eingegriffen werden müsste, da das gesamte Buch von zahlreichen Anspielungen und Beschreibungen, die auf die Klägerinnen hindeuten, durchzogen ist. Es ist nicht Aufgabe des Senats, hier bestimmte Streichungen vorzunehmen, um die Persönlichkeitsrechtsverletzung auf das gerade noch zulässige Maß zu reduzieren, da es eine Vielzahl möglicher Varianten gäbe, wie diese Änderungen vorgenommen werden müssten und der Charakter des Romans durch solche Eingriffe eine erhebliche Änderung erfahren würde (vgl. BGH, Urt. v. 3.6.1975 - VI ZR 123/74, NJW 1975, 1882 [1885]; Urt. v. 20.3.1968 - I ZR 44/66, NJW 1968, 1773 [1778]; vgl. auch BVerfGE 30, 173 [199 f.]).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1394859 |
NJW 2005, 2844 |
BGHR 2005, 1402 |
GRUR 2005, 788 |
AfP 2005, 464 |
DSB 2005, 22 |
JA 2005, 836 |
JZ 2006, 193 |
JuS 2006, 172 |
VersR 2005, 1403 |
ZUM 2005, 735 |