Leitsatz (amtlich)
Der urheberrechtliche Schutzumfang einer wissenschaftlichen Arbeit gegenüber einer zweiten Arbeit, die sich mit der Untersuchung und Beschreibung derselben Calamitenart befaßt und daher zwangsläufig in gewissem Umfang zu denselben Beobachtungen und Feststellungen kommen muß, ist mit Rücksicht auf denselben Forschungsgegenstand und die dadurch vorgegebene Gliederung und Fachsprache eng zu bemessen.
Normenkette
UrhG § 2 Nr. 1, §§ 23-24, 97
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 11.05.1978) |
LG Münster |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 11. Mai 1978 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche wegen angeblicher Verletzung des Urheberrechts an seiner Staatsexamensarbeit „Bau und Gewebe einiger Calamiten aus dem Namur C Westfalens” geltend. Diese Arbeit, in deren ersten Teil der Kläger eine neue Varietät und in deren zweiten Teil er die Entdeckung einer neuen Calamitenspezies aufstellt, hatte der Kläger im Juli 1974 als schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Fachprüfung für das Lehramt an höheren Schulen im Fachbereich 18 (Biologie) der Westfälischen … Universität … dem Prof. Dr. … zur Beurteilung im Prüfungsverfahren vorgelegt. Prof. Dr. … der die Arbeit für das Prüfungsamt zu bewerten hatte, ließ sich vor Abgabe seines Votums vom Beklagten zu 1 ein Vorgutachten über die Arbeit geben, das dieser unter dem 19.9.1974 erstellte und in dem es heißt (GA 406), die Arbeit des Klägers gehe weit über den Rahmen und das Niveau einer solchen Arbeit hinaus. Akkuratesse und Technik der Präparation und der Photodokumentation seien nicht zu übertreffen. Die Darstellung der anatomisch-histologischen Details an Hand von Quer- und Längsschnitten lasse es als sicher erscheinen, daß diese Arbeit nach der Veröffentlichung – in zwei gerafften Teilarbeiten – als wichtige Grundlage für die Interpretation anatomisch erhaltener Schachtelhalmgewächse des Paläophytikums gelten werde. Die gut fundierten Ergebnisse stellten zumindest einige der in den letzten zehn Jahren in honorigen wissenschaftlichen Organen veröffentlichten Arbeiten weit in den Schatten …. Wie bereits erwähnt, sei die Veröffentlichung dieser Arbeit in zwei Teilen vorgesehen, was für die hervorragende Qualität der Arbeit spreche, in der, neben der Darstellung anatomisch-histologischer Details, eine neue Spezies und eine neue Varietät aufgestellt werde … .
Bei der Überarbeitung zum Zwecke der Veröffentlichung kam es zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1 der Herausgeber des wissenschaftlichen Fortsetzungswerks „Argumenta Palaeobotanica” ist, in dem auch die Arbeit des Klägers veröffentlicht werden sollte, im Februar 1975 zu Auseinandersetzungen wegen der vom Beklagten zu 1 vorgesehenen Mitwirkung des Beklagten zu 2. In deren Verlauf verlangte der Kläger sein Manuskript zurück; dieser Aufforderung kam der Beklagte zu 1 zunächst nicht nach.
Mit Schreiben vom 12. Juni 1975 gab er schließlich einen Teil des vom Kläger überarbeiteten Manuskripts heraus; die übrigen Blätter konnte der Beklagte zu 1 nicht zurückgeben, weil er diese für die Überarbeitung zerschnitten hatte.
In Heft 4/1975 und als Sonderdruck der „Argumenta Palaeobotanica” erschien ein Aufsatz mit dem Titel „Arthroxylon Werdensis n. sp. – ein Calamit aus dem Namur C des Ruhrkarbons mit vollständig erhaltenen Geweben”, als dessen Autor der Beklagte zu 2 genannt wurde. Gegenstand dieses Aufsatzes ist dieselbe neue Calamitenspezies, die der Kläger im zweiten Teil seiner Examensarbeit aufgestellt und beschrieben, die der Beklagte zu 2 aber abweichend von der Arbeit des Klägers einem anderen Genus zugeordnet hat.
Der Kläger ist der Ansicht, bei dem Aufsatz des Beklagten zu 2 handele es sich um ein Plagiat seiner Staatsexamensarbeit, da der Aufsatz mit der von ihm verfaßten Hausarbeit in deren zweiten Teil vom wissenschaftlichen Gehalt und Inhalt her identisch sei. Der Beklagte zu 2 habe die vom Kläger geleistete wissenschaftliche Vorarbeit der Präparation einfach übernommen. Wesentliche Gemeinsamkeit sei ferner die Aufstellung einer neuen Spezies; der Beklagte zu 2 habe diese Calamitenart an denselben wissenschaftlichen Kriterien aufgezeigt wie vorher der Kläger.
Der Beklagte zu 2 habe das vom Kläger erarbeitete neue Material lediglich neu photographiert. Allerdings bestehe auch bei den Photos eine weitgehende Übereinstimung im Bildgegenstand.
Für die plagiatorische Übernahme seiner eigenschöpferischen Leistung durch den Beklagten zu 2 macht der Kläger den Beklagten zu 1 mit haftbar.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß der in der wissenschaftlichen Publikation Argumenta Palaeobotanica – herausgegeben von Prof. … – in Heft 4 Seite 139 – 154 und ebenfalls als Sonderdruck des Heftes 4 unter dem Verfassernamen … erschienenem Aufsatz mit dem Titel „Arthroxylon Werdensis N. Sp. – Ein Calamit aus dem Namur C des Ruhrkarbons mit vollständig erhaltenen Geweben” ein Plagiat ist und daß der Aufsatz nicht geistiges Eigentum von Herrn …, sondern von Herrn … ist,
hilfsweise die Beklagten zu verurteilen, zu widerrufen, daß der Autor des in Heft 4 der wissenschaftlichen Publikation Argumenta Palaeobotanica auf den Seiten 139 – 154 erschienenen Aufsatzes unter dem Titel „Arthroxylon Werdensis N. Sp. – Ein Calamit aus dem Namur C des Ruhrkarbons mit vollständig erhaltenen Geweben” Herr …, sondern Herr … ist,
- den Beklagten zu 1 zu verurteilen, in der nächsten Ausgabe der von ihm herausgegebenen wissenschaftlichen Publikation Argumenta Palaeobotanica zu widerrufen, daß der Autor des in Heft 4 unter dem Titel „Arthroxylon Werdensis N. Sp. – ein Calamit aus dem Namur C des Ruhrkarbons mit vollständig erhaltenen Geweben” Herr … ist, sondern Herr …, und für den Fall der Zuwiderhandlung des Beklagten eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Geldstrafe gegen den Beklagten zu 1 anzuordnen.
- die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,
- dem Kläger die Befugnis zu erteilen, das Urteil auf Kosten des Beklagten zu 1 in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift Palaeontographica – Herausgeber Prof. … – zu veröffentlichen.
Die Beklagten haben vorgetragen, gemeinsam sei, daß beiden Arbeiten dieselben Fossilreste zugrunde gelegen hätten. Es könne den Beklagten nicht verwehrt werden, das institutseigene Material noch einmal wissenschaftlich auszuwerten und die Ergebnisse zu publizieren. Daß zum Teil übereinstimmende wissenschaftliche Ergebnisse erzielt worden seien, könne den Plagiatsvorwurf nicht rechtfertigen; der Arbeit des Klägers fehle – anders beim Beklagten zu 2 – eine taxonomische Begründung und Differentialdiagnose, d.h. eine wissenschaftlich fundierte Abgrenzung gegen andere ähnliche Spezies.
Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens nach dem Hauptantrag zu 1 erkannt und festgestellt, daß der veröffentlichte Aufsatz ein Plagiat der Examensarbeit des Klägers ist; das Landgericht hat ferner den Beklagten zu 1 verurteilt in der nächsten Ausgabe der Arguments Palaeobotanica zu veröffentlichen, der in Heft 4 veröffentlichte Aufsatz sei eine ungenehmigte Bearbeitung der Arbeit des Klägers. Im übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Nach persönlicher Anhörung des Sachverständigen zu einzelnen Fragen und Vernehmung eines Zeugen zur Anfertigung der Zeichnungen in dem Aufsatz des Beklagten zu 2 hat das Oberlandwesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge in vollem Umfange weiter, nämlich die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils auch nach den Anträgen zu 3 und 4 zu erkennen.
Die Beklagten beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
1. Die Staatsexamensarbeit des Klägers ist ein Schriftwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG; nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist sie auch eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG sind nach der gesetzlichen Definition Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. Die Staatsexamensarbeit ist dagegen ein Schriftwerk, nämlich ein durch Zeichen äußerlich erkennbar gemachter sprachlicher Gedankenausdruck (vgl. BGH v. 15.11.60 – I ZR 58/57 GRUR 1961, 85, 87 – Pfiffikus-Dose); dazu gehören auch die Zeichnungen und Photographien, die Bestandteile der Staatsexamensarbeit sind und den Schutz des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG und des § 72 UrhG genießen können (zu den Besonderheiten des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG vgl. BGHZ 73, 288 – Flughafenpläne).
2. Ein Schriftwerk genießt dann urheberrechtlichen Schutz, wenn es eine individuelle geistige Schöpfung darstellt (§ 2 Abs. 2 UrhG); dabei kann unter Umständen ein bescheidenes Maß solcher geistiger Betätigung genügen; das geistige Wirken kann sich auf den Inhalt, die Formgebung, die Sammlung, die Einteilung und Anordnung beziehen (st. Rspr. vgl. zuletzt BGH v. 7.12.79 – I ZR 157/77 GRUR 1980, 227, 230 Monumenta Germaniae Historica). Für wissenschaftliche Schriftwerke gelten angesichts des Grundsatzes, daß die wissenschaftliche Lehre frei und jedermann zugänglich (vgl. BGHZ 39, 306, 311 – Rechenschieber) und daher auch nicht urheberrechtsschutzfähig ist, gewisse Grenzen. Wohl aber ist die konkrete Gestaltung und Darstellung, in der die Lehre dargeboten wird, urheberrechtsschutzfähig, soweit nicht, wie im folgenden darzulegen sein wird, aus der Freiheit der wissenschaftlichen Lehre sich Beschränkungen des Urheberrechts auch für Darstellung und Gestaltung ergeben.
Ohne Rechtsverstoß folgert das Berufungsgerichts aus der Beurteilung der Staatsexamensarbeit durch den Beklagten zu 1 die Urheberrechtsschutzfähigkeit der klägerischen Arbeit hinsichtlich Gliederung, Gestaltung und Darstellung im allgemeinen. Das Berufungsgericht kommt ferner rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis (BU 20), daß weder die vom Kläger hergestellten Präparate, noch die präparative Auffindung der strukturbietend erhaltenen, zugleich berindeten, beblätterten und verzweigten Calamitensprossachsen in Torfdolomiten aus dem Namur C des Ruhrgebiets urheberrechtlich geschützt seien. Dies ist deshalb nicht der Fall, weil diese Arbeiten nicht das Schriftwerk sind; auch die Aufnahme der Ergebnisse der Arbeiten in ein Schriftwerk kann nur für die Art und Form der Darstellung, dagegen nicht für das wissenschaftliche Ergebnis als solches Urbeberrechtschutz begründen.
3. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist eine unzulässige Benutzung der Arbeit des Klägers nur insoweit denkbar, wie die Art der Darstellung nicht durch die Themenstellung bedingt sei; die wissenschaftliche Tätigkeit dürfe nicht durch die Anlegung eines zu strengen Maßstabes an die Annahme einer urheberrechtlich freien Benutzung eingeengt werden. Dieser Ausgangspunkt bedarf einer Klarstellung; der Schutz des Urhebers eines wissenschaftlichen Schriftwerks erfordert eine sorgfältige Trennung von wissenschaftlichem Ergebnis und Lehre einerseits und Darstellung und Gestaltung der Lehre im Schriftwerk andererseits. Es geht zu weit, die Urheberrechtsschutzfähigkeit einer Darstellung generell von dem behandelten Thema abhängig zu machen; gleichwohl ist – und in diesem Sinne ist auch das Berufungsgericht zu verstehen – davon auszugehen, daß der im fraglichen wissenschaftlichen Fachbereich üblichen Ausdrucksweise regelmäßig urheberrechtsschutzfähige eigenschöpferische Prägung fehlen wird; dasselbe gilt für einen Aufbau und eine Darstellungsart, die aus wissenschaftlichen Gründen geboten oder in Fragen des behandelten Gebiets weitgehend üblich sind und deren Anwendung deshalb nicht als eine eigentümliche geistige Leistung angesehen werden kann.
II.
1. Das Berufungsgericht führt aus (BU 21/22), der Sachverständige habe in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf sein schriftliches Gutachten dargelegt, daß der Beklagte zu 2 nicht nur dasselbe Material ausgewertet, sondern auch eine weiterführende Bearbeitung des Themas vorgenommen habe; es liege eine im Ergebnis andere Beurteilung vor. Schon darin komme zum Ausdruck, so meint das Berufungsgericht, daß der Beklagte zu 2 bei der Arbeit des Klägers in ihrem hier interessierenden Teil jedenfalls nicht einfach abgeschrieben und nicht einmal nur inhaltlich – wenn auch formal anders dargestellt – wiederholt habe. Die Arbeit des Beklagten zu 2 erweise sich vielmehr als ein von dem eng umgrenzten Schutzbereich der Arbeit des Klägers unabhängiges, eigenständiges neues Werk im urheberrechtlichen Sinne.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts könnten für sich genommen zu dem irrigen Schluß führen, eine unzulässige Bearbeitung läge immer schon dann nicht mehr vor, wenn die Bearbeitung weiterführende, über die Entlehnung hinausgehende Erwägungen enthielte, die von selbständiger und schöpferischer Eigenart seien. Vielmehr ist eine Urheberrechtsverletzung durch unzulässige Entlehnung auch dann noch anzunehmen, wenn die entlehnten Teile für sich urheberrechtsschutzfähig sind und nicht durch die besondere schöpferische Eigenart des nachgeschaffenen Werkes verblassen (vgl. BGHZ 26, 52, 57 – Sherlock Holmes; BGH v. 1.4.58 – I ZR 49/57 LM Nr. 1 zu § 16 KUG – Mecki-Igel I; v. 8.12.59 – I ZR 131/58 LM Nr. 2 zu § 15 KUG – Mecki-Igel II; BGH v. 3.7.64 – lb ZR 146/62 GRUR 1965, 45, 48 – Stadtplan), Daher konnte das Berufungsgericht auch nicht aus Nr. 23 das Sachverständigengutachtens für sich allein entnehmen, es handle sich um eine freie Benutzung der Arbeit des Klägers im Sinne das § 24 UrhG; wenn der Sachverständige dort ausführt, die über die Leistung des Klägers hinausgehende Leistung das Beklagten zu 2 bestehe im wesentlichen in der Verbesserung der Mängel der Examensarbeit insbesondere der taxonomischen Bearbeitung und der textlichen Gestaltung das merkmalsbeschreibenden Teils, so bleibt in diesem Zusammenhang die Frage einer unzelässigen Übernahme im Sinne des Urheberrechts offen. Der Sachverständige befaßt sich insoweit nur mit der wissenschaftlichen Beurteilung der Bearbeitung.
2. Das Berufungsgericht hat jedoch, wie seine weiteren Ausführungen erweisen, ohne Rechtsverstoß eine urheberrechtliche Verletzung der Arbeit des Klägers durch die Veröffentlichung des Beklagten zu 2 verneint.
a) Das Berufungsgericht stellt fest (BU 22), die Arbeit des Klägers und der Aufsatz des Beklagten zu 2 stimmten zwar in ihrer Gliederung überein, weil beide Autoren die einzelnen Merkmale der neuen Calamitenspezies der Reihenfolge nach von innen (Mark) nach außen (Blätter) beschrieben hätten; da dem vom Kläger gewählten Aufbau seiner Arbeit aber die eigentümliche Prägung fehle, könne hieraus ein Plagiatsvorwurf nicht hergeleitet werden. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Entscheidend ist nicht, wie die Revision meint, daß ebensogut die Möglichkeit bestanden hätte, die Beschreibung von außen nach innen vorzunehmen. Die Möglichkeit als solche genügt nicht, von dem zweiten Urheber eine umgekehrte oder andere Darstellung zu verlangen. Voraussetzung ist zunächst, daß die vom Urheber gewählte Reihenfolge für sich urheberrechtsschutzfähig ist. Das Berufungsgericht hat das zutreffend erkannt und festgestellt, daß die Reihenfolge im Streitfall jedenfalls keine eigenschöpferische Leistung sei. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht zu erkennen; die Ansicht der Revision, die Urheberrechtsschutzfähigkeit der Gliederung ergebe sich schon aus dar Möglichkeit einer anderen Darstellung, läßt außer Betracht, daß mehrere Möglichkeiten der Gliederung bestehen mögen, die allesamt bekannt und üblich sind, deren Anwendung der persönlichen Entscheidung überlassen bleibt, aber keine schöpferische Leistung darstellt. So liegt der Fall nach den Feststellungen des Berufungsgerichts; die Revision hat auch nicht dargelegt, daß und aus welchen Gründen gerade die vom Kläger gewählte Gliederung gegenüber anderen Möglichkeiten eine besondere geistige schöpferische Leistung hätte erfordern sollen.
b) Das Berufungsgericht führt weiter aus (BU 22), wörtliche Entlehnungen ganzer Sätze habe das Gericht nicht feststellen können; es sei allerdings nicht zu – verkennen, daß eine Vielzahl von Sätzen aus der Arbeit des Klägers durch Umstellung einzelner Worte oder Satzteile im Aufsatz des Beklagten zu 2 nur neuformuliert worden sei, ohne daß der Aussageinhalt sich geändert habe. Am deutlichsten seien solche inhaltlichen Übereinstimmungen bei einer Gegenüberstellung folgender Passagen zu erkennen:
Aus dem Aufsatz des Beklagten zu 2 seine Darstellungen unter der Überschrift „Diaphragma” und die Ausführungen des Klägers auf Seiten 46 fand 47 seiner Arbeit:
(Beklagter zu 2):„…. Das Diaphragma-Gewebe grenzt an das im Nodium kleinzellige Markgewebe. Die Zellen des Diaphragmas sind durch ihre geringere Wandstärke deutlich von denen des Markgewebes zu unterscheiden … Der zentrale Teil des Diaphragmas ist durch Inhaltsstoffe, die die Zellen meist ganz, manchmal aber nur zum Teil ausfüllen, einheitlich und strukturlos dunkel bis schwarz gefärbt. Dieser Gewebeanteil, der sich sonst nicht vom übrigen Diaphragma-Gewebe unterscheidet, kann sich über den gesamten Durchmesser des Diaphragmas erstrecken. Die starke Anreicherung der Diaphragmen mit Inhaltsstoffen läßt vermuten, daß den Diaphragmen stoffspeichernde Funktionen zukommen. Die Lage in der Höhe der Blattscheide könnte diese Vermutung stützen …”;
Kläger: „…. Der internodiale Markhohlraum endet ziemlich plötzlich am Diaphragma. Dieses grenzt an das Parenchym der Markscheide. Seine Zellen sind gegenüber denen des Markscheidenparenchyms dünnwandig und somit gut von diesen zu unterscheiden. Die Zellen sind verschieden groß, polyedrisch und teilweise in der Vertikalen etwas abgeflacht. Direkt im Zentraum unterhalb bzw. innerhalb des beschriebenen Gewebes erscheint als schwarzer Kreis ein Gewebe, dessen Zellen mit dunkelbraunen bis tiefschwarzen Inhaltsstoffen angefüllt sind. Die Zellform unterscheidet sich nicht von der des anderen Diaphragmagewebes, die Zellwände sind jedoch etwas dicker … Das zentrale, durch die Inhaltsstoffe dunkel erscheinende Gewebe, besteht im Durchschnitt aus fünf übereinanderliegenden Zellagen. Außer der stoffspeichernden Funktion in der Nähe der Blätter kommt dem Diaphragma sicherlich auch noch eine Festigungsfunktion zu …”);
die Darstellung des Beklagten zu 2 unter der Überschrift „Xylemscheide” und die Ausführungen des Klägers auf Seite 53 seiner Arbeit;
(Beklagter zu 2: „Dieses Gewebe … wird aber auf Grund seiner wahrscheinlichen Scheidenfunktion …, da es sich … vom übrigen Markgewebe abgrenzen läßt, hier als Xylemscheide bezeichnet. Es umgibt die Carinalkanäle … halbkreisförmig und begleitet das Yylem bis zum Einsetzen der primären Markstrahlen. Die Zellen sind sehr langgestreckt und weisen horizontale und zugespitzte Endwände auf. Wie im Mark können auch In der Xylemscheide Zellen vorkommen, die mit dunklen Inhaltsstoffen angefüllt sind…”
Kläger: … Der Carinalring wird von einem drei bis vierschichtigen Ring von Zellen umgeben, die sich im Querschnitt hauptsächlich durch ihre Englumigkeit von den Zellen des Markscheidenparenchyms unterscheiden. Sie sind nicht nur um den Carinalkanal ausgebildet, sondern sie flankieren auch in ein bis zwei Reihen den Holzkeil bis zum hinsetzen der primären Markstrahlen. Im radialen Längsschnitt erscheinen sie langgestreckt mit oft zugespitzten Endwänden, hin und wieder treten aber auch horizontale Endwände auf … Da diese Zellen hier aber teilweise mit schwarzen Inhaltsstoffen angefüllt sind, … kommt ihnen sicherlich eine Scheidenfunktion zu …”);
die Darstellung des Beklagten zu 2 unter der Überschrift „Primärer Markstrahl” und die Ausführungen des Klägers auf den Seiten 50 – 52 seiner Arbeit;
(Beklagter zu 2: „… Die Grenze zwischen Markgewebe und dem Gewebe der primären Markstrahlen ist scharf. Sie verläuft mehr oder weniger gradlinig auf der Höhe der ersten Sekundärxylem-Tracheiden … Ihre ursprüngliche Breite bleibt bis zum Kambium erhalten … Die Zellen des Markstrahlgewebes sind im Querschnitt in strengen Radialreihen angeordnet. Sie sind rechteckig … Ihre Lumina sind demzufolge etwa so groß wie die der Tracheiden. Ihre Zellwände sind verdickt und nicht oder nur unwesentlich dünner als die der Tracheiden … Sie (die Zellen) stehen in vertikalen Reihen, die mit zugespitzten Zellen auskeilen … Radiale Längsschnitte zeigen, daß die Zellen in sehr deutlich ausgeprägten Horizontalreihen angeordnet sind, so daß man von etagierten Markstrahlen sprechen kann. Die Zellen, die an das Xylem grenzen, weisen in ihren radialen Wänden runde Kreuzungsfeldtüpfel auf …”.
Kläger: „… Die Grenze zwischen primärem Markstrahlgewebe und dem in den interfaszikularen Bereich vordringenden Markscheidenparenchyms ist ziemlich deutlich ausgeprägt. Sie verläuft mehr oder weniger gradlinig (teilweise leicht perpheriewärts gebogen von einem Holzkeil zum anderen, und zwar ungefähr auf Höhe des beginnenden SX (= Sekundärxylem) … im Querschnitt sind die Markstrahlzellen streng in Radialreihen angeordnet, die … Die ursprüngliche Breite der primären Markstrahlen bleibt bei Arthropitys thylloides spec. nov.. während des Gesamtzuwachses … erhalten … Die Form der Markstrahlzellen ist quadratisch bis rechteckig … Nach den aus Peels hergestellten Mikropräparaten könnte man die Markstrahlzellen vom Querschnittsbild her für Tracheiden halten, da hier in der Wandgestaltung keine wesentlichen Unterschiede festzustellen sind …, zeigen eindeutig radiale Längsschnitte durch den Markstrahlbereich. Die Markstrahlzellen sind hier in deutlich ausgeprägte Horizontalreihen gegliedert, so daß man nach ESAU (1969) von etagierten Markstrahlen sprechen kann … Die Endwände der etagierten Markstrahlzellen sind teils horizontal teils zugespitzt, so daß neben der Horizontalreihung der Markstrahlzellen auch eine – wenn auch geringe Vertikalreihung auftreten kann … Die größte Vertikalerstreckung erreichen die Horizontalreihen im internodialen Bereich …”);
die Darstellung des Beklagten zu 2 unter der Überschrift „Phloem und Innenrinde” und die Ausführungen des Klägers auf Seite 62 der Arbeit,
(Beklagter zu 2: „Zwischen die Zellen des Phloems und der „Innenrinde” eingeschaltet liegen verstreut oder in Nestern im Querschnitt auffallend großlumige Zellen … Diese Zellen … weisen zum Teil dunkle Inhaltsstoffe auf … Längsschnitte zeigen, daß diese Zellen außerordentlich lang sind … Dort, wo die „Innenrinde” in die Außenrinde vorspringt, kommt es zur Ausbildung von Vallekularhöhlen, analog den Verhältnissen bei den heutigen Equiseten … was … auf die schizogene Entstehung dieser Höhlen – wie bei den rezenten Equiseten – hinweist …”
Kläger: „… Diese Zellen sind netzartig angeordnet und erreichen eine radiale Ausdehnung bis zu acht Zellreihen. In dieser Zone tauchen großlumigere Zellen auf, die mit schwarzen Inhaltsstoffen angefüllt sind und die sich „nesterweise” angeordnet oder vereinzelt stehend ringförmig über die gesamte Innenrinde verteilen. Sie scheinen aber in den faszikularen Radien gehäuft aufzutreten. Im Längsschnitt erscheinen die stark mit schwarzen Inhaltsstoffen angefüllten Zellen als lang durchziehende „Sekretschläuche”, die vereinzelt zwischen normale Rindenzellen eingeschoben sind oder zu mehreren nebeneinanderliegen. Die Enden solcher Schläuche sind zugespitzt … Am Übergang von der Innenrinde in die Außenrinde, in die Innenrinde hineinragend, befinden sich über den gesamten Querschnitt verteilt, mehr oder weniger radial ausgerichtete Kammern, die den Vallekularhöhlen der rezenten Equiseten entsprechen. Diese als Vallekularhöhlen angesprochenen Höhlen sind anscheinend schizogen entstanden …”);
die Darstellung des Beklagten zu 2 unter der Überschrift „Außenrinde” und die Ausführungen des Klägers auf Seite 63 seiner Arbeit,
(Beklagter zu 2: „… Nach außen folgt bis zur Epidermis eine 2 – 5 Zellen starke Schicht sklerencymatischer Zellen … Sie haben außerordentlich starke, den ganzen Zellumfang erfassende sekundäre Wandverdickungen, die gelegentlich sogar die ganze Zelle bis auf ein winziges Lumen ausfüllen. Die Wandverdickungen bestehen aus konzentrisch aufeinanderliegenden Lamellen … Die Epidermiszellen sind im Querschnitt quadratisch bis rechteckig … Längsschnitte zeigen, daß … sie in mehr oder weniger regelmäßigen Längsreihen stehen …”
Kläger: „… Direkt unter der Epidermis liegt ein Ring aus Sklerenchymfasern. Sie können im Querschnitt nestartig auftreten oder auch nur als ein oder zwei Zellreihen und der Epidermis ausgebildet sein. Die Sklerenchymfasern sind im Querschnitt sehr gut an den dicken Zellwänden und den kleinen Lumina zu erkennen. An einigen Stellen, an denen die Fasern besonders gut erhalten sind, ist noch eine Lamellierung der Wände zu erkennen, demnach dürfte es sich bei ihrem Wandwachstum um ein Appositionswachstum handeln. Dieser etwa 12 Tracheiden Sekundärzuwachs aufweisende Topoparatyp 3 wird nach außen durch eine einschichtige Epidermis, deren Zellen im Querschnitt quadratisch bis rechteckig oder auch fünfeckig sind, abgeschlossen. Die Außenwände der Epidermiszellen verlaufen mehr oder weniger gerade…”).
Das Berufungsgericht führt dann weiter aus, der Umstand, daß ein nach Umfang und inhaltlicher Bedeutung erheblicher Teil der Arbeit des Klägers im Aufsatz des Beklagten zu 2 in abgewandelter Form inhaltlich übernommen worden sei, führe noch nicht zur Feststellung einer unzulässigen Benutzung der Arbeit des Klägers. Denn soweit diese Übereinstimmungen nicht ohnehin auf der Tatsache beruhten, daß beiden Arbeiten dasselbe wissenschaftliche Forschungsmaterial zugrundegelegen habe und von daher dieselben Beobachtungen und Feststellungen in gewissem Grade zwangsläufig seien, sei erforderlich, daß das Entlehnte, um den Anforderungen des Urheberrechtsschutzes zu genügen, eine eigenpersönliche Prägung des Klägers aufweise. Eine solche eigenpersönliche, urheberrechtlich maßgebliche Leistung des Klägers habe das Berufungsgericht nicht feststellen können.
c) Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die inhaltlichen und darstellungsmäßigen Vergleiche zwischen den Arbeiten und die insoweit getroffenen Feststellungen sind überwiegend tatrichterlicher Natur und in der Revisionsinstanz nur begrenzt nachprüfbar. Das Berufungsgericht hat die in Frage kommenden Abschnitte der beiden Schriftwerke gegenübergestellt und geprüft, ob eine schöpferische Eigenart aufweisende Teile des Werkes des Klägers vom Beklagten zu 2 unzulässigerweise entlehnt worden sind. Das Berufungsgericht hat dies ohne Rechtsfehler verneint, weil bei gleichem Material und Thema und damit gleicher Fachsprache und neben den wissenschaftlichen Ergebnissen, für die kein Urheberrechtsschutz in Betracht komme, hinsichtlich der entnommenen Stellen eigenschöpferische Formulierungen des Klägers, die allein einen Urheberrechtsschutz begründen könnten, nicht festzustellen seien. Dabei ist im Streitfall von besonderer Bedeutung, daß es sich bei den angeführten Anlehnungen im wesentlichen um solche Textstellen handelt, in denen die aufgefundene Spezies beschrieben wird, sich also zwangsläufig aus dem gleichen Gegenstand der Beschreibung Übereinstimmungen ergeben. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend erkannt, daß es im Streitfall darauf ankommt, ob jede einzelne der entlehnten Stellen für sich Urheberrechtsschutz genießt, also eine eigenpersönliche Prägung aufweist, weil auch der Kläger nicht behauptet, der Beklagte zu 2 habe seine Arbeit vollständig und identisch oder nahezu identisch übernommen (vgl. BGHZ 28, 234, 237 – Verkehrskinderlied; BGH v. 30.1.59 – I ZR 82/57 LM Nr. 2 zu § 41 LUG-Gasparone).
Es bleibt bei der vom Berufungsgericht festgestellten Sachlage nur ein verhältnismäßig geringer Freiraum für eine eigenschöpferische Darstellung und Formulierung; soll nicht die Möglichkeit einer nochmaligen wissenschaftlichen Beschreibung unzumutbar erschwert werden, dann muß in Fällen der hier vorliegenden Art der urheberrechtliche Schutzumfang einer wissenschaftlichen Arbeit gegenüber einer zweiten Arbeit, die sich mit der Untersuchung und Beschreibung derselben Calamitenart befaßt und daher zwangsläufig in gewissem Umfang zu denselben Beobachtungen und Feststellungen kommen muß, mit Rücksicht auf denselben Forschungsgegenstand und die dadurch vorgegebene Gliederung und Fachsprache eng bemessen werden.
III.
1. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Schemazeichnungen eine identische Übernahme als nicht bewiesen angesehen. Ähnlichkeiten führt es darauf zurück, daß in beiden Arbeiten teilweise nach denselben Präparaten gezeichnet worden sei. Im übrigen sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Zeichnungen für die Arbeit des Beklagten zu 2 zu einem Zeitpunkt gefertigt worden, als der Kläger schon nicht mehr im Institut tätig, daher mit diesen Zeichnungen nicht befaßt war. Hiergegen sind aus Rechtsgründen keine Bedenken zu erheben.
2. Die Photos sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht von Negativen des Klägers gemacht; die Übereinstimmungen seien vielmehr darauf zurückzuführen, daß der Beklagte zu 2 teilweise dasselbe Schnittmaterial nochmals photographiert habe; eine Anwendung des § 72 UrhG komme daher nicht in Betracht. Auch insoweit ist kein Rechtsfehler zu erkennen.
IV.
Ob, wie die Revision meint, die Beklagten treuwidrig die Arbeit des Beklagten zu 2 herausgebracht und dem Kläger die Früchte seiner wissenschaftlichen Arbeit entzogen haben, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, in dem es allein darum geht, ob durch die beanstandete Arbeit des Beklagten zu 2 in das Urheberrecht des Klägers an seiner Staatsexamensarbeit eingegriffen worden ist.
V.
Nach allem war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 749221 |
GRUR 1981, 352 |
Nachschlagewerk BGH |
AfP 1981, 426 |