Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung einer zweigliedrigen GbR aus wichtigem Grund. Zumutbarkeit
Leitsatz (amtlich)
a) Eine zweigliedrige Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn dem kündigenden Gesellschafter nach der Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände eine Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses nicht zumutbar ist.
b) Die Frage der Zumutbarkeit kann nicht ohne Berücksichtigung der beiderseitigen Verhaltensweisen der Gesellschafter beantwortet werden. Dies gilt bei wechselseitigen Kündigungen auch dann, wenn das vorangegangene Fehlverhalten des kündigenden Gesellschafters nicht so schwer wiegend ist, dass es die fristlose Kündigung seines Mitgesellschafters rechtfertigt.
c) Die unwirksame fristlose Kündigung eines Gesellschafters kann nicht als wichtiger Grund für die Kündigung des anderen Gesellschafters bewertet werden, ohne dessen vorangegangenes Fehlverhalten in die Gesamtabwägung einzubeziehen.
d) Veranlasst ein Gesellschafter die Bauaufsichtsbehörde, gegen seinen Mitgesellschafter einzuschreiten, der auf dem Gesellschaftsgrundstück das genehmigte Bauvorhaben ausführt, obgleich die Baugenehmigung wenige Wochen zuvor infolge Zeitablaufs erloschen war, ist sein Vorgehen nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil das von ihm initiierte Verwaltungshandeln rechtmäßig ist.
Normenkette
BGB §§ 242, 723 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Urteil vom 24.10.2003; Aktenzeichen 14 U 168/97) |
LG Flensburg (Urteil vom 21.10.1997; Aktenzeichen 3 O 80/97) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG Schleswig in Schleswig v. 24.10.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien, Gesellschafter einer zweigliedrigen Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts, streiten darüber, wer von ihnen auf Grund wechselseitig erklärter fristloser Kündigungen aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Gleichzeitig machen sie im Wege der Klage und Widerklage Ansprüche aus der Auseinandersetzung der Gesellschaft geltend.
Die Parteien nutzen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein ca. 8000 m2 großes Grundstück auf der Insel S.. In § 7 des Gesellschaftsvertrages v. 10.11.1989 ist jedem Gesellschafter eine Grundstücksteilfläche zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen, der Klägerin zum Betrieb eines Gartenbauunternehmens, dem Beklagten zur Errichtung eines Wohnhauses. Der Gesellschaftsvertrag enthält in § 10 Abs. 1 für den Fall der ordentlichen, in § 10 Abs. 3 für den Fall der fristlosen Kündigung eine Fortsetzungsklausel. Anders als bei der ordentlichen Kündigung scheidet im Fall der fristlosen Kündigung der Gesellschafter aus, gegen den sich die Kündigung richtet.
Der Ehemann der Klägerin errichtete auf dem Grundstück der Gesellschaft mit einem Gesamtaufwand von 1,5 Mio. DM die geplante Betriebsstätte; der Beklagte machte von der im Dezember 1993 erteilten Baugenehmigung für sein Bauvorhaben zunächst keinen Gebrauch. Ab Januar 1996 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Gesellschaftern. Der Ehemann der Klägerin widerrief im Juli 1996 die dem Beklagten ggü. der Unteren Bauaufsichtsbehörde erteilte Architektenvollmacht zur Durchführung der Bauvorhaben auf dem Gesellschaftsgrundstück, ohne dass der Beklagte hiervon in Kenntnis gesetzt wurde. Im Januar 1997 teilte die Untere Bauaufsichtsbehörde der Klägerin mit, die Genehmigung für das Bauvorhaben des Beklagten sei erloschen, und ordnete im Februar 1997 die Einstellung der Bauarbeiten an. Die Klägerin wandte sich wegen dieses Sachverhalts mehrfach an den Beklagten und behielt sich die Kündigung der Gesellschaft vor.
Unter dem 21.2.1997 kündigte der Beklagte den Gesellschaftsvertrag aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung. Die Klägerin wies die Kündigung zurück und erklärte ihrerseits am 25.2.1997 die fristlose Kündigung des Gesellschaftsvertrags. Mit Anwaltsschreiben v. 18.3.1997 sprach sie erneut die fristlose Kündigung aus.
Die Rechtmäßigkeit der Baueinstellungsverfügung wurde durch Urteil des Schleswig-Holsteinischen VG v. 31.1.2001 rechtskräftig bestätigt.
Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass der Beklagte auf Grund ihrer Kündigung v. 25.2.1997, hilfsweise ihrer weiteren Kündigung v. 18.3.1997, aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Hilfsweise hat sie den Ausschluss des Beklagten aus der Gesellschaft sowie die Feststellung beantragt, dass die Klägerin durch die Kündigung des Beklagten nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurde, und ferner den Beklagten auf Herausgabe der ihm zur Nutzung zugewiesenen Grundstücksteilfläche sowie auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs in Anspruch genommen. Mit der Widerklage hat der Beklagte von der Klägerin Herausgabe der von ihr genutzten Grundstücksfläche, Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs und Zahlung von Nutzungsentschädigung verlangt, ferner die Feststellung der weiteren Zahlungsverpflichtung der Klägerin bis zur Räumung des Grundstücks begehrt. Er hat unter Beweisantritt behauptet, die Bauaufsichtsbehörde sei auf Drängen der Klägerin und ihres Ehemanns eingeschritten, die der Bauverwaltung zur Dokumentation eines verzögerten Baubeginns Lichtbilder zur Verfügung gestellt hätten, um die Verwirklichung seines Bauvorhabens zu verhindern. Nachträglich hat er seine Kündigung auch auf diesen Sachverhalt gestützt.
Das LG hat - ohne über die Widerklage zu entscheiden - durch Teilurteil festgestellt, dass der Beklagte auf Grund der fristlosen Kündigung der Klägerin v. 25.2.1997 aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Die Berufung des Beklagten war erfolglos. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Senat zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Kündigung des Beklagten sei unwirksam. Es liege kein wichtiger Grund vor. Dies gelte angesichts des belasteten Verhältnisses der Parteien auch für die Kündigung der Architektenvollmacht, mit der keine nachteiligen Folgen für den Beklagten verbunden gewesen seien. Auf den Vortrag des Beklagten, die Bauaufsichtsbehörde sei auf Veranlassung der Klägerin und ihres Ehemanns eingeschritten, die der Bauverwaltung zur Dokumentation eines verzögerten Baubeginns Lichtbilder vorgelegt hätten, um die Verwirklichung seines Bauvorhabens zu verhindern, komme es nicht an. Da die Rechtmäßigkeit der Stilllegungsverfügung nunmehr feststehe, hätten sich die Klägerin und ihr Ehemann bei ihrem Tun im Recht glauben können. Dem Beklagten sei kein Unrecht geschehen.
Demgegenüber sei die Kündigung der Klägerin v. 25.2.1997 gerechtfertigt, weil der Beklagte fristlos gekündigt habe. Für seine Kündigung habe kein hinreichender Anlass bestanden, sie habe darauf abgezielt, der Klägerin ihren Grundstücksanteil zu entziehen. Angesichts der existentiellen Bedeutung des Grundstücks für die Klägerin und ihren Ehemann, der dort seinen Gartenbaubetrieb aufgebaut hat, sei ihr die weitere Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit dem Beklagten bis zur nächsten Beendigungsmöglichkeit nicht zuzumuten gewesen.
II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das angefochtene Urteil begegnet schon hinsichtlich der Beurteilung der Kündigung des Beklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dem Beklagten sei kein Unrecht geschehen, weil das Einschreiten der Bauverwaltung rechtmäßig war. Das Verhalten der Klägerin stellt eine schwer wiegende Verletzung ihrer gesellschaftsrechtlichen Pflichten dar, die geeignet ist, die für die Fortsetzung der Gesellschaft erforderliche Vertrauensgrundlage nachhaltig zu erschüttern. Es wird durch die Rechtmäßigkeit des von ihr gegen ihren Mitgesellschafter initiierten Verwaltungshandelns nicht gerechtfertigt. Die Ausführung von Bauarbeiten auf dem Grundstücksanteil des Beklagten wenige Wochen nach Erlöschen der Baugenehmigung infolge Zeitablaufs war nicht geeignet, schutzwürdige Interessen der Klägerin zu beeinträchtigen oder fremde Rechtsgüter zu gefährden. Demgemäß erweist es sich schon bei der Beurteilung der Kündigung des Beklagten als verfahrensfehlerhaft, dass das Berufungsgericht - obgleich es zu Recht davon ausgegangen ist, dass dieser Sachverhalt bei der Prüfung der Kündigung berücksichtigt werden muss - nicht festgestellt hat, ob die Maßnahmen der Bauverwaltung von der Klägerin und ihrem Ehemann veranlasst und durch Übergabe von Lichtbildern mit dem Ziel gefördert wurden, dem Beklagten die Durchführung seines Bauvorhabens auf dem Gesellschaftsgrundstück unmöglich zu machen. Dies ist in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen.
b) Die Klägerin hat ferner ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht in erheblicher Weise verletzt, indem sie es zuließ, dass ihr Ehemann dem Beklagten die Architektenvollmacht auch entzog, soweit dessen eigenes Bauvorhaben betroffen war. Zudem hätte die Klägerin - wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat - den Beklagten von diesem Vorgang jedenfalls unverzüglich unterrichten müssen.
2. Selbst wenn diese Verhaltensweisen der Klägerin und die ihr zuzurechnende Vorgehensweise ihres Ehemanns noch nicht so schwer wiegend gewesen sein sollten, dass dem Beklagten ein weiteres Verbleiben in der Gesellschaft zumutbar blieb, durften sie bei der Überprüfung der fristlosen Kündigung der Klägerin nicht - wie im angefochtenen Urteil geschehen - völlig unberücksichtigt bleiben. Die nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 18.7.2005 - II ZR 159/03, BGHReport 2005, 1594 = MDR 2006, 120 = WM 2005, 1752 [1753]) zu klärende Frage, ob der Klägerin nach der Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände eine Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses zumutbar war, kann nicht ohne Berücksichtigung der beiderseitigen Verhaltensweisen beantwortet werden, wenn das Vertrauensverhältnis unter den Gesellschaftern zerstört ist (BGH, Urt. v. 18.7.2005 - II ZR 159/03, BGHReport 2005, 1594 = MDR 2006, 120 = WM 2005, 1752 [1753]; v. 28.1.2002 - II ZR 239/00, BGHReport 2002, 417 = MDR 2002, 608 = ZIP 2002, 570 [571]). Unbedenklich konnte das Berufungsgericht allerdings dem Umstand Rechnung tragen, dass die Folgen einer fristlosen Kündigung für die Klägerin weit schwer wiegender sind als für den Beklagten. Anders als der Beklagte verliert die Klägerin mit ihrem Gesellschaftsanteil zugleich den auf dem Gesellschaftsgrundstück errichteten Betrieb und demzufolge die Existenzgrundlage ihrer Familie. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles - nach dem Gesellschaftsvertrag scheidet der ordentlich kündigende Gesellschafter bei Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch den anderen Teil aus der Gesellschaft aus - kann die Klägerin nicht ohne weiteres auf die Kündigung der Gesellschaft zum nächst möglichen Termin verwiesen werden. Diesem Umstand wird das Berufungsgericht im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung, wenn es in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren das Vorhandensein eines wichtigen Grundes feststellen sollte, besondere Aufmerksamkeit widmen müssen.
Weiterhin ist es rechtsfehlerhaft, die Kündigung des Beklagten als wichtigen Grund für die fristlose Kündigung der Klägerin zu bewerten, ohne deren vorangegangenes Fehlverhalten in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Wenn der Gesellschafter, der einem solchen Verhalten seines Mitgesellschafters ausgesetzt ist, fristlos kündigt, kann dies nicht die fristlose Kündigung des anderen Gesellschafters rechtfertigen. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand kann nicht ausgeschlossen werden, dass die gebotene Gesamtabwägung aller Umstände des Falles das Ergebnis hätte haben müssen, dass die Kündigung der Klägerin nicht berechtigt war.
3. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen ergänzenden Feststellungen treffen und eine rechtsfehlerfreie Abwägung der Gesamtumstände vornehmen kann.
Das Berufungsgericht wird dabei zu prüfen haben, ob es den Verfahrensfehler des LG, nur über die Klage, nicht aber über die nach seiner Ansicht unbegründete Widerklage zu entscheiden, dadurch behebt, dass es diesen Teil der Anträge an sich zieht (BGH, Urt. v. 17.2.1999 - X ZR 101/97, MDR 1999, 1379 = NJW 2000, 137 [138]). Der Erlass eines Teilurteils ist nur zulässig, soweit Teile des Streitverhältnisses nicht entscheidungsreif sind (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 301 Rz. 2; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 301 Rz. 8).
Fundstellen
Haufe-Index 1471664 |
BB 2006, 176 |
DB 2006, 209 |
DStR 2006, 196 |
DStZ 2006, 279 |
NJW 2006, 844 |
Inf 2006, 131 |
NWB 2006, 831 |
BGHR 2006, 376 |
NJW-RR 2006, 322 |
NZG 2006, 135 |
WM 2006, 136 |
WuB 2006, 299 |
ZAP 2006, 495 |
ZIP 2006, 127 |
ZfIR 2006, 260 |
BKR 2006, 66 |
GesR 2006, 210 |
NZBau 2006, 176 |
NotBZ 2006, 144 |
ZBB 2006, 148 |
ZNotP 2006, 108 |
PFB 2006, 81 |
SJ 2006, 41 |