Leitsatz (amtlich)
Legt eine Partei gegen ein Urteil, durch das ein Rechtsstreit nach Maßgabe des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes für erledigt erklärt worden ist, erfolglos ein Rechtsmittel ein, dann fallen die Kosten dieses Rechtsmittels allein dem Rechtsmittelkläger gemäß § 97 ZPO zu Last; § 106 AKG findet insoweit keine Anwendung.
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Entscheidung vom 17.09.1958) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Koblenz vom 17. September 1958 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger bewohnte bis in das Jahr 1945 hinein als Mieter eine im Hause K. Nr. ... in M. gelegene Sechszimmerwohnung, die von Kriegseinwirkungen verschont geblieben ist. Nach dem schweren Luftangriff auf M. vom 27. Februar 1945 verließ die Ehefrau des Klägers die Stadt, nachdem der Kläger selbst kurz zuvor noch zum Kriegsdienst eingezogen worden war. In die leerstehende Wohnung, in der sich damals noch der Hausrat des Klägers befand, zogen zwei durch den genannten Luftangriff obdachlos gewordene Familien (L. und H.) ein.
Als die Ehefrau des Klägers Ende April 1945 nach M. kam, um nach ihrer Wohnung zu sehen, stellte sie fest, daß diese mitsamt der Einrichtung von den genannten Familien benutzt wurde. Sie wandte sich daraufhin an das Wohnungsamt der beklagten Stadt, das ihr mit Datum vom 25. April 1945 eine Bescheinigung über ihr und des Klägers Mietrecht ausstellte. Weiter heißt es darin, daß in die Wohnung die Familien L. und H. als Untermieter vorübergehend eingewiesen worden seien mit dem Recht der Benutzung der unbedingt notwendigen Einrichtungsgegenstände. In der Folgezeit bemühten sich die Angehörigen des Klägers und später auch dieser selbst um die Freigabe des Hausrats. Diese Freigabe verzögerte sich bezüglich einiger Gegenstände bis zum Jahre 1950.
Der Kläger behauptet, daß ihm infolge der Einweisung der beiden Familien durch Verlust oder Beschädigung von Einrichtungsgegenständen ein erheblicher Schaden entstanden sei. Mit der vorliegenden Klage verlangt er aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung und als Entschädigung nach Reichsleistungsgesetz, aus öffentlicher Verwahrung sowie für enteignungsgleichen Eingriff Zahlung eines Teilbetrages von 6.500 DM seines angeblich weit höheren Gesamtschadens.
Das Landgericht hat die Klage dem Antrag der beklagten Stadt entsprechend abgewiesen.
Das Oberlandesgericht hat den Rechtsstreit nach Maßgabe des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vom 5. November 1957 (AKG) für erledigt erklärt und jeder Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die Hälfte der gerichtlichen Auslagen auferlegt.
Mit der Revision erstrebt der Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Die beklagte Stadt bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
1.)
Die Revision wendet sich zunächst dagegen, daß das Berufungsgericht mit der Begründung, der Klageanspruch sei gemäß § § 1, 2 AKG erloschen, den Rechtsstreit für erledigt erklärt und dabei sämtliche Klagegründe unentschieden gelassen habe. Diese Rüge kann den Bestand des Berufungsurteils jedoch nicht in Frage stellen.
Soweit die in § § 1, 2 AKG bestimmten allgemeinen Voraussetzungen gegeben sind, tritt das Erlöschen der Ansprüche ein, ohne daß es auf die Art des Klageanspruchs ankommt. Dies hat der Senat im einzelnen schon für alle hier in Betracht kommenden Klagegründe ausdrücklich ausgesprochen und u.a. bereits in den Urteilen vom 10. Juli 1958 III ZR 11/57 (vollständig in WM 1958, 1423, teilweise abgedruckt in NJW 1959, 42, DVBl 1959, 149 und MDR 1959, 27) und vom 25. Juni 1959 III ZR 64/58 dargelegt, daß die genannten Bestimmungen auf Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung, aus dem Reichsleistungsgesetz und aus Enteignung oder enteignungsgleichem Eingriff anwendbar sind und daß sie auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung nicht aus ihrem Anwendungsbereich ausschließen. Es kann deshalb insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Entscheidungen verwiesen werden. Bedeutsam ist daher allein, ob überhaupt die Voraussetzungen der hier interessierenden Bestimmung des § 2 Nr. 4 AKG erfüllt sind, und es kommt dann, wenn dies zu bejahen ist, nicht mehr darauf an, welcher Art der Klageanspruch, wenn er nicht erloschen wäre, sein würde.
2.)
Das Berufungsgericht hat hier mit Recht die Voraussetzungen des § 2 Nr. 4 AKG als gegeben erachtet.
a)
Was zunächst das Eingreifen des Stichtages (1. August 1945) angeht, so macht die Revision insoweit geltend, daß der Anspruch des Klägers jedenfalls teilweise auch aus solchen Maßnahmen entstanden sei, die die Beklagte nach dem 31. Juli 1945 getroffen habe. Das ist jedoch nicht richtig. Dabei ist zunächst klarzustellen, daß - wie bereits im Urteil des Senats vom 6. Juli 1959 III ZR 74/58 (WM 1959, 1161) im einzelnen ausgeführt ist - § 2 Nr. 4 AKG nicht darauf abstellt, wann die Ansprüche entstanden, fällig oder begründet worden sind, sondern zwischen den "getroffenen Maßnahmen" und den "daraus entstandenen Ansprüchen" unterscheidet. Es kommt also auch hier nicht darauf an, wann die - etwa überhaupt entstandenen - Ansprüche des Klägers entstanden sind, sondern wann die Maßnahmen getroffen worden sind, die diese Ansprüche - möglicherweise - haben entstehen lassen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die "Maßnahmen" der Beklagten, die einen Anspruch des Klägers - wenn ein solcher entstanden gewesen sein sollte - begründet haben, bereits vor dem 1. August 1945 getroffen worden sind. Diese tatsächliche Feststellung steht mit dem Prozeßvorbringen des Klägers nicht im Widerspruch. Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 5. April 1956 bei Erörterung der Anwendbarkeit des Lastenausgleichsgesetzes selbst vorgetragen, daß "die Beschlagnahme der Wohnung und Einrichtung" (d.h. die "Maßnahme" der Beklagten) vor dem 31. Juli 1945 erfolgt und lediglich der "Verlust der von der Beschlagnahmeverfügung erfaßten Einrichtungsgegenstände durch irgendwelche Handlungen der begünstigten Mieter H. und L." erst nach dem Stichtag eingetreten seien. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Berufungsbegründung vom 14. August 1956, auf die die Revision verweist. Es ist auch aus diesem in der Berufungsbegründung enthaltenen Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen, daß die dort erwähnten Maßnahmen der Beklagten, soweit sie zeitlich nach dem 31. Juli 1945 liegen, zu dem Schaden geführt haben, dessen Ersatz mit der Klage verlangt wird. Dementsprechend hat der Kläger in seiner im Schriftsatz vom 3. Juli 1958 enthaltenen Stellungnahme zu der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage der Erledigung des Rechtsstreits durch das Allgemeine Kriegsfolgengesetz zwar verschiedene Gesichtspunkte angeführt, die nach seiner Meinung die Anwendbarkeit dieses Gesetzes ausschließen, ist aber selbst davon ausgegangen, daß es sich hier "allerdings" um Ansprüche handele, die aus Maßnahmen entstanden seien, die die Beklagte vor dem 1. August 1945 getroffen habe.
b)
Bei den hier in Betracht kommenden Maßnahmen geht es, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, um solche, die die Beklagte "zur Beseitigung eines kriegsbedingten Notstandes im Rahmen dem Reich obliegender ... Verwaltungsaufgaben getroffen" hat. Dabei kann dahinstehen, ob die vom Berufungsgericht angezogene Verordnung zur Wohnraumlenkung vom 21. Februar 1943 eine Rechtsgrundlage für die Maßnahmen der Beklagten abgeben konnte oder nicht. Denn in jedem Falle handelte es sich bei der Versorgung der Fliegergeschädigten mit Wohnraum und sonstigem notwendigen Lebensbedarf zumindest in den Fällen, in denen die Gemeinden nach schweren Fliegerangriffen den daraus entstandenen Notständen zu begegnen versucht haben, um Aufgaben, die die Kräfte einer einzelnen Gemeinde überstiegen und die lediglich anstelle des Reiches "im Rahmen dem Reich obliegender Verwaltungsausgaben" wahrgenommen wurden. Dies hat der Senat wiederholt und in dem schon genannten Urteil vom 10. Juli 1958 insbesondere für die auch hier beklagte Stadt ausgesprochen.
3.)
Auf die von den Parteien in den Vorinstanzen erörterte Frage, ob ein Kriegssachschaden im Sinne des § 13 LAG vorliege, kommt es nicht entscheidend an. Denn der Kläger stützt seine Klage auch auf unerlaubte Handlung. Ein solcher Anspruch, der in gleicher Weise wie ein Entschädigungsanspruch nach dem Reichsleistungsgesetz oder Art. 153 WeimVerf aus demselben einheitlichen Sachverhalt hergeleitet wird, wird durch das Lastenausgleichsgesetz nicht erfaßt (BGHZ 8, 257). Der Klageanspruch kann daher nicht in seinem ganzen Umfang durch das Lastenausgleichsgesetz - positiv oder negativ - in einer die Anwendbarkeit des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes ausschließenden Weise geregelt worden sein (vgl. dazu das mehrfach erwähnte Urteil des Senats vom 10. Juli 1958). Wenn aber ein Anspruch geltend gemacht wird, der - wenn überhaupt - nur hinsichtlich einzelner, aber nicht hinsichtlich aller Klagegründe dem Lastenausgleichsgesetz unterfällt, dann kann - wie im oben genannten Urteil des Senats vom 25. Juni 1959 im einzelnen dargelegt - über die Klage einheitlich nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz befunden werden, unbeschadet dessen, daß gegebenenfalls über die Anwendbarkeit des Lastenausgleichsgesetzes in dem dafür vorgesehenen Verfahren gesondert zu entscheiden ist. Abgesehen davon ist der Kläger hier auch dadurch, daß die Frage offen bleibt, ob der Tatbestand des § 13 LAG vorliege, nicht beschwert: Da der Klageanspruch, soweit er auf unerlaubte Handlung gestützt ist, in keinem Fall dem Lastenausgleichsgesetz unterfällt, könnte der Rechtsstreit, selbst wenn im übrigen der Tatbestand des § 13 LAG vorläge, nicht an das zur Entscheidung über die Ansprüche aus dem Lastenausgleichsgesetz zuständige Verwaltungsgericht verwiesen werden. Denn zur Entscheidung über den Klageanspruch sind, soweit er auf unerlaubte Handlung gestützt wird, in jedem Fall die Zivilgerichte zuständig, und nur wegen einzelner Klagegründe könnte eine Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht gemäß § 81 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes nicht erfolgen (BGHZ 13, 145, 153; Urteil des Senats vom 28. Juni 1956 III ZR 302/54 = JZ 1956, 573 und DÖV 1956, 668). Eine für den Kläger günstigere Entscheidung als die Erledigung des Rechtsstreits unter Kostenteilung käme mithin auch dann nicht in Betracht, wenn sachlich das Lastenausgleichsgesetz - teilweise - eingreifen würde.
4.)
Schließlich macht die Revision geltend, daß der Anspruch des Klägers gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 oder § 12 AKG zu erfüllen sei. Auch dieser Frage braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn selbst wenn der Klageanspruch nicht erloschen sein sollte, sondern noch zu erfüllen wäre, bliebe es doch bei der Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits. Denn auch wenn der Anspruch erfüllt werden müßte, so könnte er doch nicht geltend gemacht werden, so lange die dafür im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen (Anmeldung bei der Anmeldestelle und Vorliegen eines Ablehnungsbescheides dieser Behörde) nicht erfüllt sind, wie es hier der Fall ist.
5.)
Nach alledem erweist sich die Revision als unbegründet. Sie muß daher zurückgewiesen werden.
Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gemäß § 97 ZPO der Kläger zu tragen. Insoweit kommt die Vorschrift des § 106 AKG (Kostenteilung) nicht zur Anwendung. Die Rechtswohltat dieser Bestimmung kommt nur in Betracht für diejenigen Kosten, die bis zur Erledigungserklärung des Rechtsstreits erwachsen sind, während dann, wenn eine Partei es bei dieser Erledigungserklärung nicht bewenden läßt, sondern dagegen noch ohne Erfolg ein Rechtsmittel ergreift, insoweit die allgemeinen Kostenbestimmungen zur Anwendung kommen müssen (vgl. das bereits erwähnte Urteil des Senats vom 6. Juli 1959).
Fundstellen
Haufe-Index 3018568 |
NJW 1960, 576 |
NJW 1960, 576 (amtl. Leitsatz) |
BGHWarn 1960, 345 |
MDR 1960, 291 |
MDR 1960, 291 (Volltext mit amtl. LS) |