Leitsatz (amtlich)
Werden zweckgebundene, öffentliche Mittel infolge falscher Angaben ausbezahlt, obwohl der Empfänger nicht zu der begünstigten Bevölkerungsgruppe gehört, besteht der Schaden schon in der Verringerung der zweckgebundenen Mittel, ohne dass insoweit der erstrebte Zweck erreicht wird.
Normenkette
BGB §§ 249, 826
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 01.10.2003; Aktenzeichen 15 U 37/02) |
LG Düsseldorf |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 15. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 1.10.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Schadensersatz für Wohnungsbauförderungsdarlehen, die sie auf Grund falscher Angaben an die Bauherren S. und G. gewährt hat.
Im September 1991 entschlossen sich die Ehepaare S. und G. gemeinsam ein Dreifamilienhaus zu errichten. Sie schlossen hierfür einen Bauherren-Betreuer-Vertrag mit der Firma Baubüro T.-O. GmbH (künftig: GmbH) ab, deren alleiniger Geschäftsführer der Beklagte zu 1) und deren Prokurist der Beklagte zu 2) war. Bei Bewilligung öffentlicher Fördermittel sah der Vertrag für die GmbH eine Provision i.H.v. 3.000 DM vor. Ende September stellten die Ehepaare G. und S. beim Kreis O. entsprechende Anträge auf Gewährung von Wohnungsbaumitteln. Der Beklagte zu 2) überarbeitete die von ihm ausgefüllten Antragsformulare und reichte sie am 24.6.1992 beim Kreis O. neu ein. Als Beruf der Ehefrauen gab er jeweils "Hausfrau" an, obwohl diese seit 1990 als Krankenschwestern beschäftigt waren. In den von den Antragstellern unterzeichneten, aber vom Beklagten zu 2) ebenfalls ausgefüllten Selbstauskünften waren für Frau G. keine Einkünfte und für Frau S. ein zu niedriges monatliches Einkommen von 480 DM eingetragen. Beiden Ehepaaren bewilligte der Kreis O. öffentliche Baufördermittel, obwohl die Voraussetzungen für eine Bauförderung wegen deren zu hohen Einkünften nicht erfüllt waren. In der Folgezeit schloss die Klägerin der Bewilligung entsprechende Verträge mit den Eheleuten G. über ein Baudarlehen über 49.000 DM und ein Aufwendungsdarlehen über insgesamt 28.800 DM. Mit den Eheleuten S. vereinbarte sie Baudarlehen i.H.v. insgesamt 85.000 DM, sowie ein Aufwendungsdarlehen über 29.800 DM. Die Aufwendungsdarlehen sollten jeweils über 15 Jahre in halbjährlichen Raten zur Auszahlung kommen. Sämtliche Darlehen wurden grundpfandrechtlich abgesichert.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagten hätten die von G. und S. jeweils blanko unterzeichneten Anträge nebst Selbstauskünften wider besseres Wissen mit falschen Einkommensangaben ausgefüllt, um den Antragstellern öffentliche Förderungsmittel zu verschaffen. Über die richtige Höhe der Einkünfte seien sie spätestens im Juni 1992 vor Überarbeitung der Anträge informiert gewesen. Inzwischen seien die Darlehen in voller Höhe an G. und S. ausgezahlt. Die zinslosen bzw. geringverzinsten Darlehen würden zu marktüblichen Zinsen refinanziert.
Die Klägerin macht im Fall der Eheleute S. 52.556,51 EUR für noch nicht getilgte Darlehensbeträge und 30.663,91 EUR für den entsprechenden Refinanzierungsaufwand geltend. Im Fall der Eheleute G. beziffert sie ihren Schaden für noch nicht getilgte Darlehensbeträge mit 35.197,33 EUR und für den Refinanzierungsaufwand mit 19.663,48 EUR. Sie begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Zahlung Zug-um-Zug gegen Einräumung eines Anspruchs auf Auskehrung der zukünftig von ihr vereinnahmten Tilgungs- und Zinsleistungen der Darlehensnehmer S. und G., die Freistellung von den ratenweise ab Oktober 2002 zu zahlenden Beträge für die Aufwendungsdarlehen und die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten für zukünftig entstehende Refinanzierungskosten. Hilfsweise begehrt die Klägerin die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden infolge fehlender oder unvollständiger Rückzahlung der Darlehen durch S. und G.
Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten nicht zu, da dem Vortrag der Klägerin nicht schlüssig zu entnehmen sei, dass ihr ein Vermögensschaden entstanden sei. Allerdings sei es ein die Haftung nach § 826 BGB auslösender Verstoß gegen die guten Sitten, wenn die Beklagten planmäßig entweder gemeinschaftlich mit den antragstellenden Eheleuten oder abredewidrig ohne deren Wissen die maßgeblichen Einkommensverhältnisse ggü. der Bewilligungsbehörde verfälscht hätten, um für die Antragsteller die Bewilligung öffentlicher Bauförderung zu erreichen. Entgegen der Auffassung des LG spreche eine Reihe von Indizien dafür, dass die Beklagten beim Ausfüllen der Antragsformulare bewusst Einkommen und Beruf der Ehefrauen falsch angegeben bzw. sich der Erkenntnis, dass die Eintragungen falsch seien, bewusst verschlossen hätten. Denn spätestens bei der Überarbeitung der Anträge am 24.6.1992 hätten die Beklagten die richtige Höhe der Einkommensverhältnisse der Antragsteller gekannt. Eine Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme sei indessen nicht erforderlich, weil die Klägerin nicht schlüssig dargetan habe, dass ihr durch das Verhalten der Beklagten ein erstattungsfähiger Vermögensschaden entstanden sei. Bei dem nach der Differenzhypothese anzustellenden Vergleich zwischen der tatsächlichen Vermögenslage der Klägerin und deren hypothetischer Vermögenslage unter Außerachtlassung des haftungsbegründenden Ereignisses stehe der Vermögenseinbuße durch die Hingabe des Darlehensbetrages ein entsprechender, valider Rückzahlungsanspruch und ein Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Zinsen nach Ablauf der Zinsfreiheit gegen die Darlehensnehmer ggü. Auch wenn ein gewisses Ausfallrisiko bestehe, weil der Rückzahlungsanspruch durch die gem. § 42 Abs. 2 II. WoBauG nur zur "nachstelligen" Finanzierung bestellten Hypotheken nicht ausreichend gesichert sei, sei ein Ausfall der Forderungen in Anbetracht der bisherigen Erfüllung der Darlehensverpflichtungen durch S. und G. rein theoretischer Natur. Die Klägerin habe im Vergleich zu ihren sonstigen Darlehensnehmern leistungsfähigere Schuldner erhalten. Soweit der Rückzahlungsanspruch weniger werthaltig sei als ein solcher aus Bankdarlehen, liege ein Fall der bewussten Selbstschädigung vor, die einen Schadensersatzanspruch ausschließe. Der Klägerin komme es nämlich nicht darauf an, Gewinn bringende Geschäfte durch die Gewährung von Darlehen gegen Zinsen zu tätigen. Es sei vielmehr ihre Aufgabe, Bauwilligen unter den entsprechenden Voraussetzungen zinsvergünstigte Darlehen zur Förderung des Wohnungsbaus zur Verfügung zu stellen, weshalb sie in jedem Fall die Gelder an förderungswürdige Antragsteller nicht zu banküblichen Konditionen verliehen hätte.
Ein erstattungsfähiger Vermögensschaden sei auch nicht deshalb gegeben, weil G. und S. auf Grund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zu dem begünstigten Personenkreis gehörten. Ein solcher Schaden könne nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei einer objektiven Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung nur angenommen werden, wenn die Leistung für die Zwecke des getäuschten Vertragspartners nicht voll brauchbar sei. Dazu müsse der Vertragsschluss auch nach der Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände als unvernünftig, im Hinblick auf die konkreten Vermögensinteressen als nicht angemessen und damit als nachteilig anzusehen sein und nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen werden. Durch Abschluss der Darlehensverträge mit S. und G. sei die Klägerin aber weder in ihrer wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit noch in der Durchführung ihrer Aufgaben nachhaltig beeinträchtigt worden. Auch fehlten jegliche Anhaltspunkte dafür, dass andere förderungswürdige Antragsteller nicht mehr berücksichtigt werden konnten, weil infolge der Darlehensgewährungen an S. und G. keine ausreichenden Fördermittel mehr vorhanden gewesen wären.
Ob nach den im Strafrecht zu § 263 StGB entwickelten Grundsätzen der Zweckverfehlung haushaltsrechtlich gebundener Mittel (BGHSt 31, 93 [95] = JR 1983, 211 [212]) ein Vermögensschaden der Klägerin zu begründen sei, könne offen bleiben, da dies lediglich zur Folge hätte, dass die Klägerin das negative Interesse ersetzt verlangen könne. Dementsprechend käme nur eine Rückabwicklung der Darlehensverträge im Verhältnis zu den Darlehensnehmern in Betracht. Da die Darlehensverträge im Hinblick auf die erteilten Bewilligungsbescheide nicht rückabgewickelt werden könnten, scheide eine Rückerstattung der beiderseits erbrachten Leistungen aus, so dass die Klägerin auch im Verhältnis zu den Beklagten nicht so gestellt werden könne, als ob sie die Darlehen nicht gewährt hätte. Sie könne nur die Aufwendungen ersetzt verlangen, die sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens zu viel erbracht habe.
Hierbei könne es sich allenfalls um die Refinanzierungskosten handeln. Diese seien aber trotz entsprechender richterlicher Hinweise nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden. Die Klägerin könne auch nicht die abstrakte Berechnungsweise beanspruchen, nach der der Verzugsschaden der Banken bei Verzug des Darlehensnehmers mit der Rückerstattung des Darlehens abstrakt ohne nähere Darlegung im durchschnittlichen Bruttosollzinssatz liege. Im vorliegenden Fall handle es sich um den Ersatz aufgewendeter Kreditzinsen, die, wenn der Schuldner sie bestreite, konkret darzulegen seien. Nach §§ 16, 18 Wohnungsbauförderungsgesetz gehöre außerdem zum Vermögen der Klägerin neben einem Grundkapital das Landeswohnungsbauvermögen, das u.a. durch Darlehen im Auftrag oder für Rechnung des Landes bereitgestellt werde. Eine Zinszahlungsverpflichtung der Klägerin ergebe sich daraus nicht.
Für die hilfsweise erhobenen Feststellungsanträge hinsichtlich eines Schadens durch den Ausfall der Rückzahlungsansprüche ggü. G. und S. fehle es in Anbetracht des bisherigen Rückzahlungsverhaltens an einer gewissen Wahrscheinlichkeit für einen solchen Ausfall.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Zu Recht bewertet das Berufungsgericht allerdings nach dem für die Revision zu unterstellenden Sachvortrag der Klägerin das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB. Haben die Beklagten wissentlich die Anträge der Bauherren S. und G. wahrheitswidrig mit zu niedrigen Einkommensangaben versehen oder zumindest diese in Kenntnis von deren Unrichtigkeit an die Klägerin weitergegeben, liegt darin eine bewusst arglistige Täuschung seitens der Beklagten. Diese stellt regelmäßig zugleich einen Verstoß gegen die guten Sitten dar (RGZ 59, 155 [156]; BGH, Urt. v. 29.10.1959 - VIII ZR 125/58, NJW 1960, 237; v. 31.1.1962 - VIII ZR 120/60, NJW 1962, 1196 [1198]; v. 22.6.1992 - II ZR 178/90, AG 1993, 29 = MDR 1993, 130 = AG 1993, 28 = NJW 1992, 3167 [3174]; Wagner in MünchKomm, BGB, 4. Aufl., § 826 Rz. 43; Steffen in RGRK, BGB, 1989, § 826 Rz. 44).
2. Jedoch liegt den Überlegungen, mit denen das Berufungsgericht einen erstattungsfähigen Schaden der Klägerin verneint, ein unzutreffendes Verständnis des Schadensbegriffes im Falle einer durch arglistige Täuschung verübten sittenwidrigen Schädigung zu Grunde.
a) Im Ansatz zutreffend sieht auch das Berufungsgericht eine Vermögenseinbuße der Klägerin in der Gewährung der Darlehen an G. und S. Denn unzweifelhaft wären bei wahrheitsgemäßen Angaben die Förderungen nicht bewilligt worden und hätte die Klägerin keine Darlehensverträge mit S. und G. abgeschlossen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird diese Vermögenseinbuße jedoch nicht durch die Ansprüche auf Rückzahlung der Darlehen und Zahlung der vereinbarten Zinsen nach Ablauf des zinsfreien Zeitraums gegen G. und S. ausgeglichen. Dabei lässt das Berufungsgericht nämlich außer Betracht, dass der Schaden der Klägerin schon in den auf Grund der arglistigen Täuschung durch die Beklagten eingegangenen Verpflichtungen besteht, die sie bei richtiger Kenntnis der Umstände nicht eingegangen wäre.
b) Ein Schaden ist nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt (BGH, Urt. v. 3.7.1984 - VI ZR 264/82, MDR 1985, 218 = VersR 1984, 943; v. 10.12.1986 - VIII ZR 349/85, BGHZ 99, 182 [196 f.] = MDR 1987, 399; v. 15.12.1982 - VIII ZR 315/80, BGHZ 86, 128 [130 f.] = MDR 1983, 481; BGHZ 75, 366 [372]). Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ist auch dann, wenn die Differenzhypothese vordergründig nicht zu einem rechnerischen Schaden führt, die Bejahung eines Vermögensschadens auf einer anderen Beurteilungsgrundlage nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Differenzhypothese muss nämlich stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt (BGH v. 9.7.1986 - GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 [217] = MDR 1987, 109). Dabei ist einerseits das konkrete haftungsbegründende Ereignis als Haftungsgrundlage zu berücksichtigen. Andererseits ist die darauf beruhende Vermögensminderung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände sowie der Verkehrsauffassung in die Betrachtung einzubeziehen (BGH v. 9.7.1986 - GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 [223] = MDR 1987, 109; v. 10.12.1986 - VIII ZR 349/85, BGHZ 99, 182 [196 f.] = MDR 1987, 399; BGHZ 75, 366 [372]; BGHZ 74, 231 [234]; BGHZ 71, 234 [240]). Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen (BGH, Urt. v. 26.9.1997 - V ZR 29/96, MDR 1998, 25 = VersR 1998, 905 [907]; Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., Vorb. § 249 Rz. 45; Lange, Schadensersatz, § 1 III 2). Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (BGH, Urt. v. 26.9.1997 - V ZR 29/96, MDR 1998, 25).
c) Auch das Berufungsgericht hat grundsätzlich eine wertende Überprüfung des anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes für erforderlich gehalten, doch hat es für den Streitfall verkannt, dass im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten dient. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer "ungewollten" Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt unter den dargelegten Voraussetzungen einen gem. § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (BGH, Urt. v. 19.7.2004 - II ZR 402/02, BGHReport 2004, 1496 = AG 2004, 546 = NJW 2004, 2971 [2972]; Wagner in MünchKomm, BGB, 4. Aufl., § 826 Rz. 6; OLG Koblenz v. 14.7.1988 - 5 W 371/88, WM 1989, 622; Mertens in MünchKomm/BGB, 2. Aufl., § 826 Rz. 51; Soergel/Hönn/Dönneweg, BGB, 12. Aufl., § 826 Rz. 61; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl., § 826 Rz. 81; Rietzler, Recht 1922, 166; ebenso Steffen in RGRK, BGB, 1989, § 826 Rz. 38; Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 826 Rz. 14; Stephan Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 384). Insoweit bewirkt die Norm einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (Stephan Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 385).
d) Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass der der Klägerin entstandene Schaden gerade in der Eingehung der Darlehensverpflichtungen mit den nicht förderungswürdigen Bauherren S. und G. besteht. Wer die Voraussetzungen für die Leistung einer Subvention nicht erfüllt, hat auf sie keinen Anspruch. Unabhängig vom wirtschaftlichen Wert der von G. und S. erbrachten und zu erbringenden Leistungen wird die Klägerin durch die Verpflichtung zur Auszahlung der Gelder trotz der fehlenden Voraussetzungen für die Förderung in der Erfüllung ihrer Aufgaben behindert, weil diese Mittel nicht mehr für andere förderungswürdige Antragsteller zur Verfügung stehen. Werden zweckgebundene Mittel, um die es sich bei der Wohnungsbauförderung handelt, ausbezahlt, ohne dass der Empfänger zu der begünstigten Bevölkerungsgruppe gehört, entsteht der entsprechenden öffentlichen Institution und damit i.w.S. dem Staat und der Allgemeinheit Schaden, weil dadurch die Mittel verringert werden, ohne dass der erstrebte sozialpolitische Zweck erreicht wird (vgl. zum Subventionsbetrug BGHSt 31, 93 [95 f.]; BGHSt 19, 37 [44 f.], m.w.N.). Hierfür kann es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht darauf ankommen, ob andere förderungswürdige Antragsteller im Einzelnen benannt werden können, die infolge der unberechtigten Darlehensgewährungen nicht mehr berücksichtigt werden konnten, weil die vorhandenen Fördermittel nicht mehr ausreichten. Schon in der Verfehlung des Zweckes - im Streitfall, den Erwerb von Wohnungseigentum durch einkommensschwache Bürger zu fördern - liegt bei Darlehensgewährungen an Unberechtigte ein Vermögensschaden, da die zweckgebundenen Mittel verringert werden, ohne dass insoweit der erstrebte Zweck erreicht werden könnte. Eine auf den Ausgleich von Vermögensschäden ausgerichtete Differenzrechnung kann nämlich nicht außer Acht lassen, dass Wesen und Bedeutung des Vermögens sich nicht in dessen Bestand - dem "Haben" - erschöpfen, sondern dass sie auch die im Vermögen verkörperten Möglichkeiten für den Vermögensträger umfassen, es zur Verwirklichung seiner Lebensziele zu nutzen. Diese funktionale Zuweisung ist im vermögenswerten Recht mitgeschützt (BGH v. 9.7.1986 - GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 [218] = MDR 1987, 109, m.w.N.).
e) Danach kann im Streitfall der Klägerin - bei Erweislichkeit der vorsätzlichen arglistigen Täuschung durch die Beklagten - ein Schaden entstanden sein, der gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichen ist. Die Klägerin wäre in diesem Fall so zu stellen, als ob sie die Darlehen nicht ausgezahlt und sich zur Zahlung weiterer Beträge nicht verpflichtet hätte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann sie nicht nur Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten zu viel erbracht hat, weil sie sich nach ihrem Vortrag von den Darlehensverträgen nicht lösen kann.
aa) Zwar entspricht es der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHZ 69, 53 [56 f.]; BGH v. 28.3.1990 - VIII ZR 169/89, BGHZ 111, 75 [82 f.] = MDR 1990, 912 = UR 1990, 283; zuletzt BGH, Urt. v. 16.1.1991 - VIII ZR 14/90, MDR 1991, 767 = NJW-RR 1991, 599 [600]), dass der im Vertrauen auf die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Angaben seines Vertragspartners Enttäuschte entweder im Wege des Schadensersatzes Rückgängigmachung des Vertrages verlangen oder am Vertrag festhalten und lediglich zusätzlich Schadensersatz beanspruchen kann. Eine solche Beschränkung des Schadensersatzes ist jedoch grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen den jeweiligen Vertragsparteien gerechtfertigt. Darauf weist die Revision mit Recht hin. Hingegen wäre die Restitution für die Klägerin völlig unzureichend, würde sie ausschließlich auf die - nach ihrem Vortrag - rechtlich unmögliche Rückabwicklung der jeweils erbrachten Leistungen im Verhältnis zwischen ihr und S. und G. verwiesen. Nach den §§ 249 ff. BGB kann der Geschädigte zwar nicht die Herstellung des gleichen Zustandes verlangen, wie er vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden hat. Dies wäre in den meisten Fällen kaum zu erreichen. Es kommt vielmehr darauf an, den Geschädigten wirtschaftlich möglichst so zu stellen wie er ohne das schadensstiftende Ereignis stünde (BGH, Urt. v. 16.1.1991 - VIII ZR 14/90, MDR 1991, 767).
bb) Für die Klägerin ergibt sich wirtschaftlich ein gleichwertiger Zustand, wenn sie - entsprechend den von ihr gestellten Klageanträgen - die bereits an S. und G. gezahlten Beträge abzgl. der bereits erhaltenen Tilgungsleistungen von den Beklagten (zurück) erhält, die Beklagten die Klägerin von den zukünftigen Verpflichtungen aus den Darlehensverträgen freistellen und die Klägerin im Gegenzug die zukünftig vereinnahmten entsprechenden Tilgungs- und Zinsleistungen an die Beklagten auskehrt. Hierdurch wird für die Klägerin wirtschaftlich die Vermögenslage erreicht, die für sie ohne den Abschluss der Darlehensverträge bestünde. Dass die Klägerin als Zug-um-Zug Leistung den Beklagten nur einen Anspruch auf Auskehrung der zukünftig noch zu vereinnahmenden Tilgungs- und Zinsleistungen anbieten will, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Eine Übertragung der Rückzahlungsansprüche gegen die Begünstigten auf die Beklagten scheidet nach dem mangels tatsächlicher Feststellungen zu unterstellenden Vortrag der Klägerin aus, weil die Höhe der Zinsverpflichtungen und die Rückzahlungsmodalitäten landesgesetzlich geregelt seien und auch einer gesetzlichen Neuregelung unterliegen könnten. Die Beklagten stehen sich dadurch im Vergleich zu einer Abtretung der entsprechenden Ansprüche aus den Darlehensverträgen nicht schlechter, weil das Land Nordrhein-Westfalen nach § 19 Wohnungsbauförderungsgesetz (NRW) für die Verbindlichkeiten der Klägerin haftet und deshalb ein insolvenzbedingter Ausfall der Klägerin mit ihren Ansprüchen ernsthaft nicht in Betracht zu ziehen ist.
3. Für den Erfolg der Revision kommt es nicht mehr darauf an, dass das Berufungsgericht, obwohl auch nach seiner Auffassung die Klägerin Ersatz der Refinanzierungsaufwendungen verlangen könnte, diesen Anspruch unter Übergehung entscheidungserheblichen Vortrags der Klägerin verneint hat. Das rügt die Revision allerdings mit Recht unter Hinweis auf die unter Beweis gestellten Darlegungen der Klägerin in der Klageschrift und in der Berufungsbegründungsschrift. Soweit das Berufungsgericht den Nachweis einer konkret der Auszahlung der Darlehensbeträge an S. und G. entsprechenden Darlehensaufnahme verlangt, überspannt es die Darlegungslast der Klägerin. Eine so weit gehende Darlegung eines solchen Zinsschadens wie bei privaten Personen (vgl. dazu BGH Urt. v. 27.2.1991 - XII ZR 39/90, NJW-RR 1991, 1406 f.) ist von der Klägerin nicht zu verlangen (Baumgärtel/Strieder, 2. Aufl., § 288 BGB Rz. 9).
Vielmehr genügt es für die Klägerin als einer Anstalt des öffentlichen Rechts mit einem umfangreichen Aktiv- und Passivvermögen darzulegen, in welcher Höhe sie Kreditkosten schätzungsweise erspart hätte, wenn sie die an S. und G. abgeflossenen Darlehensbeträge zur Verfügung gehabt hätte. Insoweit stellt sich ihre betriebswirtschaftliche Situation nicht anders dar als bei Kaufleuten und anderen öffentlichen Kassen. Es ist von der Klägerin auf Grund der bankmäßigen Arbeitsweise nicht zu erwarten, dass sie eine Kreditaufnahme im konkreten Einzelfall nachweisen kann, wenn sie wie andere Unternehmen und öffentliche Kassen regelmäßig mit Fremdgeld arbeitet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich ihr Kreditvolumen im Ganzen entsprechend den abgeflossenen Darlehensbeträgen an G. und S. verringert hätte. Dann aber wäre eine sittenwidrige arglistige Täuschung durch die Beklagten auch für den erhöhten Zinsaufwand ursächlich geworden (BGH, Urt. v. 26.1.1965 - VI ZR 207/63, VersR 1965, 479 [481], insoweit nicht abgedr. in BGHZ 43, 337 ff.; Urt. v. 17.4.1978 - II ZR 77/77, WM 1978, 616 [617]; v. 12.12.1990 - VIII ZR 35/90, UR 1991, 354 = NJW-RR 1991, 793; Staudinger/Löwisch, BGB, Bearb. 2001, § 288 Rz. 41).
4. Ob die Einrede der Verjährung durch die Beklagten durchgreifen würde, kann der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen nicht überprüfen.
III.
Nach alldem ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1317217 |
BGHZ 2005, 361 |
BGHR 2005, 631 |
EBE/BGH 2005, 3 |
NJW-RR 2005, 611 |
JR 2006, 198 |
NZM 2005, 270 |
WM 2005, 426 |
WuB 2005, 383 |
ZfIR 2005, 298 |
JA 2005, 570 |
MDR 2005, 627 |
VersR 2005, 418 |
LMK 2005, 86 |