Entscheidungsstichwort (Thema)
Mangel des Architektenwerks
Leitsatz (amtlich)
Ein Mangel des Architektenwerks kann vorliegen, wenn, gemessen an der vertraglichen Leistungsverpflichtung, übermäßiger Aufwand getrieben wird oder wenn die geschuldete Optimierung der Nutzbarkeit eines Gebäudes, beispielsweise Verhältnis Nutzflächen/Verkehrsflächen nicht erreicht wird. Vorgaben des Bauherrn insoweit sind auch dann verbindlich, wenn sie erst im Laufe des Planungsprozesses gemacht werden.
Die Verweisung der HOAI auf die DIN 276 ist eine statische Verweisung auf die Fassung 1981. Liegt einer Architektenrechnung die DIN 276 in der Fassung von 1993 zugrunde, so ist sie deshalb in aller Regel nicht prüffähig.
Normenkette
BGB §§ 634-635; HOAI § 10 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 25. Juli 1996 aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kostender Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagten hatten den Kläger zunächst mündlich, sodann im Rahmen eines schriftlichen Architektenvertrages vom 20. Oktober 1992 mit Architektenleistungen für ein Büro- und Geschäftshaus in B. beauftragt. Während der Planungsphase kam es zu Differenzen, weil die von den Beklagten im Interesse der Rentabilität des Objekts geforderten Einsparungen vom Kläger nicht realisiert wurden.
Nachdem die Beklagten nach ihrer Behauptung festgestellt hatten, daß der Kläger „in Wirklichkeit nicht Architekt ist”, erklärten sie mit Schreiben vom 28. Februar 1994 die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung. Mit der Klage macht der Kläger für seine Leistungen restliche Honoraransprüche in Höhe von 251.231,69 DM geltend. Das Berufungsgericht hat der Klage in Höhe von 227.462,66 DM stattgegeben und die auf Rückzahlung bereits gezahlter 103.045,65 DM gerichtete Widerklage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts greift die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht durch. Die Beklagten seien nicht getäuscht worden. Im übrigen hätten sie auch die Anfechtungsfrist versäumt und obendrein, eine vorangegangene Täuschung unterstellt, den Vertrag in Kenntnis der Anfechtbarkeit bestätigt.
2. Das Berufungsgericht verneint ferner einen Planungsmangel. Der Kläger habe einen Kostenrahmen von 7 Millionen genannt. Dieser sei Vertragsgrundlage der Planung und sei vom Kläger auch eingehalten worden. Vor diesem Hintergrund seien mangelhafte oder unbrauchbare Planungsleistungen nicht ersichtlich.
3. Das Berufungsgericht spricht dem Kläger ein gekürztes Honorar für die Erbringung der Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung) zu.
4. Das Berufungsgericht spricht dem Kläger ferner 24.802,47 DM für eine „Variante Vorentwurf” sowie 12.000 DM für die Umzeichnung der Grundrisse als besondere Leistung zu. Da es sich nicht um Mangelbeseitigung handele, seien diese Arbeiten gesondert zu vergüten.
5. Hinsichtlich der Leistungen aus Leistungsphase 5 geht das Berufungsgericht davon aus, der Kläger könne mangels Erbringung relevanter Leistungen lediglich mit Rücksicht auf die als Kündigung zu verstehende Anfechtung 60% des Honoraranteils als übliche Vergütung nach § 649 Satz 2 BGB verlangen. Die Streichung des im Vertragsformular für diesen Fall vorgesehenen Satzes von 40% habe schon deshalb, keine Bedeutung, weil im Vertrag dort nur die außerordentliche Kündigung geregelt sei, die hier nicht vorliege.
II.
1. Aus Rechtsgründen ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Umstände des Vertragsschlusses dahin würdigt, die Beklagten seien nicht getäuscht worden.
2. Das Berufungsgericht hat aber verkannt, daß ein Mangel des Architektenwerks auch dann vorliegen kann, wenn die Planung technisch funktionstauglich ist und den vom Architekten genannten Kostenrahmen einhält. Ein Mangel kann vielmehr auch vorliegen, wenn gemessen an der vertraglichen Leistungsverpflichtung übermäßiger Aufwand getrieben wird oder wenn die geschuldete Optimierung der Nutzbarkeit (beispielsweise: Verhältnis Nutzflächen/Verkehrsflächen) nicht erreicht wird. Vorgaben des Bauherrn insoweit sind für den Architekten auch dann verbindlich, wenn sie erst im Laufe des Planungsprozesses gemacht werden.
Die hier vorliegende Planung eines Büro- und Geschäftshauses ist eine komplexe Aufgabe, die schon in einem frühen Stadium die Klärung von Zielkonflikten erfordert. Welche Ziele dabei „vorrangig zu berücksichtigen sind, hat nicht der Architekt zu entscheiden, er hat vielmehr die Ziele des Bauherrn zu verwirklichen.
Zu alledem haben die Beklagten hinreichend vorgetragen.
Zu Unrecht hält das Berufungsgericht es für unerheblich, daß die Beklagten den Kläger über längere Zeit hinweg erfolglos zu spürbaren Kostensenkungen aufgefordert haben. Es fehlt jede Auseinandersetzung des Berufungsgerichts damit, warum der Kläger diesen Vorgaben nicht nachkommen konnte oder nicht nachzukommen brauchte.
Auch die Forderung des Bauherrn, die vermietbaren Nutzflächen zu Lasten der Verkehrsflächen zu optimieren, durfte der Kläger nicht unberücksichtigt lassen. Auch insoweit hat das Berufungsgericht den Sachvortrag der Beklagten nicht ausgeschöpft. Ferner gebührt die Entscheidung für geringere Geschoßhöhen im Rahmen des technisch Möglichen und bauordnungsrechtlich Zulässigen allein dem Bauherrn. Wenn der in der Revision zur unterstellende Sachvortrag des Beklagten zu Nutzflächen und Geschoßhöhen zutrifft, war die Planung deshalb auch dann nicht mangelfrei, wenn sie sich im Rahmen des vorgegebenen Kostenrahmens bewegte. Ferner mußte sich das Berufungsgericht mit dem Vortrag auseinandersetzen, der Kläger habe pflichtwidrig bei der Wärmedämmung und der Dachkonstruktion überflüssigen Aufwand getrieben.
3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Leistungsphase 3 sei mit den vom Berufungsgericht im einzelnen angenommenen Einschränkungen im wesentlichen erbracht, ist als tatrichterliche Würdigung des Leistungsumfangs aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Bestreiten der Beklagten insoweit war auch nicht substantiiert.
4. Den Ausführungen zur Entgeltpflicht für die Variante Vorentwurf und das Umzeichnen von Grundrissen kann nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Zu Recht führt das Berufungsgericht an anderer Stelle aus, daß dem Vorentwurf eine Klärungsfunktion zukommt. Das Berufungsgericht hat deshalb zu Unrecht sich nicht damit auseinandergesetzt, ob die insoweit vom Kläger zusätzlich berechneten Leistungen außerhalb der gebotenen und vom Grundhonorar abgedeckten Klärungen lagen. Im übrigen beruhen die Ausführungen des Berufungsgerichts auch auf der fehlerhaften Vorstellung, im Rahmen der vorgegebenen Kosten könne eine unwirtschaftliche Planung nicht mangelhaft und deshalb Nachbesserungsbedürftigkeit ohne Honorarfolgen nicht gegeben sein.
5. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die nach § 649 Satz 2 BGB geschuldete Vergütung nicht nach Üblichkeit errechnet werden. Vielmehr ist der konkrete Vertrag abzurechnen; wobei der Kläger die Grundlagen seiner Abrechnung vorzutragen hat, weil nur er dazu in der Lage ist (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1995 – VII ZR 198/94 = BGHZ 131, 362 = NJW 1993, 1282; BGH, Urteil vom 8. Februar 1996 – VII ZR 419/94 = NJW 1996, 1751; BGH, Urteil vom 7. November 1996 – VII ZR 82/95 = ZfBR 1997,78 = BauR 1997, 304). Dazu fehlt es bisher an jeglichem Sachvortrag.
III.
Das Berufungsurteil kann daher nicht bestehenbleiben, es ist aufzuheben.
Da weitere Feststellungen erforderlich sind, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für die neue Verhandlung wird noch auf folgendes hingewiesen:
Ob der Kläger überhaupt Anspruch auf Vergütung seiner Leistungen hat, hängt unter anderem davon ab, ob die Beklagten den Architektenvertrag aus wichtigem Grund kündigen konnten. Dabei ist, wie auch das Berufungsgericht annimmt, die Anfechtung dahin zu deuten, daß die Beklagten den Vertrag jedenfalls nicht mehr aufrechterhalten wollten. Sollte ein wichtiger Grund gegeben gewesen sein, bestimmt sich die Vergütung nach der Senatsentscheidung vom 5. Juni 1997 (VII ZR 124/96, BauR 1997, 1060 = ZfBR 1997, 600, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
Zu Unrecht hat der Kläger seiner Abrechnung die DIN 276 1993 zugrunde gelegt. Maßgebend ist die DIN 276 in der Fassung von 1981, auf die § 10 Abs. 2 HOAI verweist. Diese Verweisung ist statisch. Mit Rücksicht auf diesen formalen Mangel ist die Rechnung des Klägers derzeit nicht prüffähig.
Fundstellen
BGHZ, 87 |
BB 1998, 815 |
DB 1998, 1512 |
NJW 1998, 1064 |
WM 1998, 769 |
ZAP 1998, 252 |
MDR 1998, 645 |
NJ 1998, 425 |