Entscheidungsstichwort (Thema)
besonders schwere Brandstiftung
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 25. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten S. betrifft. Die Feststellungen zum äußeren Tatablauf bleiben aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und einem Vergehen gegen das Waffengesetz (Herstellung eines verbotenen Gegenstandes und Ausübung der tatsächlichen Gewalt) zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit der zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Verurteilung des Angeklagten auch wegen versuchten Mordes. Das – vom Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen betrat der Angeklagte, der eine „generelle Abneigung gegen Ausländer und deren Aufenthalt in Deutschland” hatte, den von einem Türken betriebenen Döner-Imbiß in Wittstock und warf „vom Türbereich aus” eine Brandflasche in den Laden, in dem sich der (türkische) Zeuge K. und seine zwei Kinder aufhielten. Der Angeklagte wollte die Räumlichkeit „aus Ausländerfeindlichkeit” in Brand setzen, um diese „schwer zu beschädigen und den Geschäftsinhaber auf diese Weise aus Deutschland zu vertreiben”. Die in Richtung auf den Zeugen K. geworfene Brandflasche flog dicht an dessen Körper vorbei, zerschellte dann ca. 1,5 m vor dem mit einer Gasflamme betriebenen Döner-Grill und setzte die Ladeneinrichtung sofort in Brand. Das sich ausbreitende Feuer vernichtete das gesamte Gebäude, in welchem sich im Erdgeschoß der Döner-Imbiß und im 1. Obergeschoß Schlafräume des Geschäftsinhabers befanden. Der Zeuge K. wurde von den entflammten Benzinspritzern der vorbeifliegenden Brandflasche am Kopf getroffen und erlitt Verbrennungen. Der Brandanschlag war Gegenstand einer Wette gewesen. Für den Fall, daß der Angeklagte sein Vorhaben – den Döner-Imbiß „abzufackeln” – verwirklichte, sollte er von seinen Wettpartnern 50 DM erhalten.
Vom Vorliegen eines – wenn auch nur bedingten – Tötungsvorsatzes des Angeklagten hat sich das Landgericht nicht überzeugen können. Zur Begründung hat es im wesentlichen die „hohe Hemmschwelle für einen solchen Tatentschluß” und den Umstand, daß es sich „um das schwerste Verbrechen handelt, welches man begehen kann”, angeführt. Zudem hat sich der Tatrichter nicht in der Lage gesehen, „mit ausreichender Sicherheit” (UA S. 27) ein Motiv für ein Tötungsdelikt festzustellen.
II.
Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen Tötungsvorsatz verneint hat, begegnen durchgreifenden Bedenken.
Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, daß der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, daß er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGHSt 36, 1, 9; BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 33, 38). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, daß der Täter mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs rechnet (BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 38 m.w.N.). Die Billigung des Todeserfolgs bedarf jedoch angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung der sorgfältigen Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 3, 5, 38). Auch insoweit stellt die Lebensbedrohlichkeit gefährlicher Gewalthandlungen ein gewichtiges Beweisanzeichen dar (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 38). Ferner sind die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation in die Beweiswürdigung miteinzubeziehen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 39).
Der Tatrichter geht aufgrund einer im Ansatz zutreffenden Beweiswürdigung davon aus, daß der Wurf einer Brandflasche in einen von Menschen frequentierten Raum äußerst gefährlich ist, und sieht es angesichts der hier gegebenen Umstände als erwiesen an, daß der Angeklagte die „Verursachung einer konkreten Todesgefahr für möglich gehalten und in Kauf genommen” hat (UA S. 20). Gleichwohl hat er sich letztlich nicht die sichere Überzeugung verschaffen können, daß der Angeklagte den Tod des Geschädigten auch gebilligt oder sich zumindest damit abgefunden hat.
Die in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat dem Angeklagten zugute gehalten, daß er dem Geschädigten die Brandflasche nicht direkt „vor die Füße” und damit „nicht gezielt in die für den Zeugen K. gefährlichste Richtung” geworfen hat (UA S. 26). Nicht berücksichtigt hat es dabei, daß der Angeklagte die Brandflasche innerhalb des Geschäftsraums in Richtung auf den Geschädigten warf, „um so eine größere Brandwirkung erzielen zu können” (UA S. 15). Es bestand damit ein hohes Risiko für den Zeugen, unmittelbar von einer Stichflamme der Brandflasche erfaßt zu werden. Diese Gefahr hat sich auch realisiert; der Zeuge erlitt Brandverletzungen am Kopf. Darüber hinaus hat die Kammer hier außer acht gelassen, daß der Imbiß mit einer offenen Gasflamme betrieben wurde, die nach dem Wurf der Brandflasche sofort die gesamte Ladeneinrichtung in Brand setzte, wodurch die Todesgefahr für den Zeugen noch zusätzlich erhöht wurde. Schon unter Berücksichtigung dieser äußeren Umstände liegt es eher fern, daß der Angeklagte ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 3, 24) auf das Ausbleiben eines tödlichen Erfolges vertraut hat. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß er trotz der – von ihm erkannten – objektiven Gefährlichkeit des Brandanschlags darauf vertraut haben könnte, es würden keine Menschen zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt. Eine Spontantat, bei der psychische Beeinträchtigungen, wie nervliche Überforderung, Alkoholisierung oder unkontrollierte Gefühlsausbrüche die realistische Einschätzung einer Gefahrensituation beeinträchtigen können, lag nicht vor (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 38). Der Angriff war vielmehr von langer Hand geplant.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehlt es auch nicht an einem möglichen Motiv für ein Tötungsdelikt. Nach den Feststellungen handelte der Angeklagte aus „Ausländerfeindlichkeit” (UA S. 19). Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht „Ausländerhaß als ein Tatmotiv …, das sich auf niedrigster Stufe einer blinden Menschenverachtung bewegt” (UA S. 35), berücksichtigt. Diese feindselige Einstellung kann dem Angeklagten durchaus Veranlassung gegeben haben, sich zur Erreichung seines Ziels – Vertreibung der Ausländer aus Deutschland – mit dem möglichen Tod des Geschädigten abzufinden. Daß dem Angeklagten eine derart schwerwiegende Folge unerwünscht war, mag zutreffen, schließt die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes aber nicht notwendig aus (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 – Vorsatz, bedingter 14 m.w.N.; BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 – 4 StR 335/94 – insoweit in NStZ 1994, 584 nicht abgedruckt).
Daher ist der Schuldspruch aufzuheben. Die Feststellungen zum äusseren Tathergang sind rechtsfehlerfrei; sie können bestehenbleiben.
Der neue Tatrichter wird die Frage eines – bedingten – Tötungsvorsatzes unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles erneut zu prüfen haben und gegebenenfalls das Vorliegen der Mordmerkmale „mit gemeingefährlichen Mitteln” und „aus niedrigen Beweggründen” (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 – niedrige Beweggründe 27; BGH NStZ 1999, 129) in Betracht ziehen müssen.
Unterschriften
Harms, Häger, Basdorf, Nack, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 556907 |
NStZ-RR 2000, 165 |