Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 03.02.2016) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 3. Februar 2016 wird verworfen.
Die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit der Sachrüge den Strafausspruch. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen kam der Angeklagte mit zumindest seinem Landsmann „D.” und einem unbekannt gebliebenen Chinesen überein, eine illegale Cannabisplantage zu betreiben. Dem Angeklagten oblag es, ein für den Betrieb der Anlage geeignetes Objekt zu finden, den Eigentümer und Vermieter des Gebäudes, der eine Gewinnbeteiligung von 70.000 Euro pro Ernte erhalten sollte, in den Tatplan einzuweihen, zur Tatbeteiligung zu gewinnen und anschließend diesem als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Nach jeder Ernte sollte der Angeklagte einen Anteil von 5.000 Euro erhalten.
Rz. 3
In der Folge kam es zu zwei sich zeitlich überschneidenden Anbauvorgängen mit insgesamt 2.201 Cannabispflanzen. Bei einer polizeilichen Durchsuchung am 13. Februar 2015 wurden 1.697 bereits erntereife Pflanzen etwa 90 – 100 cm groß aus einem ersten, und 504 Pflanzen ca. 30 cm groß aus einem zweiten Anbauvorgang sichergestellt. Zu diesem Zeitpunkt wiesen die Pflanzen aus dem ersten Anbau ca. 9.730 Gramm THC-Gehalt auf, diejenigen aus dem zweiten Anbau ca. 58 Gramm.
Rz. 4
Nach seiner Festnahme am 2. Juni 2015 machte der geständige Angeklagte Angaben zu den übrigen mit dem Plantagenbetrieb beschäftigten Personen und beschrieb erstmals in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 19. Juni 2015 den „D.” und dessen Rolle. Er gab eine Personenbeschreibung ab, teilte mit, dieser habe in O. gewohnt, sei vor zwei Jahren nach Holland gezogen, sei häufig in B. im Do. … Center anzutreffen und nutze einen dunkelblauen VW-Passat mit holländischem Kennzeichen. Eine Identifizierung des „D.” war der Ermittlungsbehörde aufgrund dieser Angaben nicht möglich. Nach ergänzenden Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung zum Geburtsdatum und vollständigen Namen sowie nach Vorlage eines Fotos des „D.”, konnten die Ermittlungsbehörden diesen identifizieren und feststellen, dass er Anfang März 2015 nach Vietnam ausgereist war.
Rz. 5
2. Die Strafkammer hat den Angeklagten des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen gemäß § 30a Abs. 1 BtMG schuldig gesprochen und ist im Rahmen der Strafzumessung ungeachtet der außergewöhnlich großen Menge des zum Handel bestimmten Marihuanas vom Vorliegen minder schwerer Fälle gemäß § 30a Abs. 3 BtMG ausgegangen. Dies hat sie u.a. mit dem Einlassungsverhalten des Angeklagten begründet, der bereits zu einem frühen Zeitpunkt Angaben zu dem bis dahin unbekannten „D.” gemacht habe, auch wenn diese noch nicht ausgereicht hätten, um einen wesentlichen Aufklärungsbeitrag im Sinne des § 31 BtMG anzunehmen. Erst die nachträgliche Ergänzung seiner Angaben in der Hauptverhandlung habe zur Identifizierung des „D.” geführt, was aber im Hinblick auf die zeitliche Sperre des § 46b Abs. 3 StGB, auf den § 31 Satz 3 BtMG verweist, für eine direkte Anwendung des § 31 BtMG nicht ausreichend sei.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 6
Die – wie von dem Generalbundesanwalt ausgeführt – zulässig auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg. Die Annahme minder schwerer Fälle lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Insbesondere unterläuft es nicht – wie die Revisionsführerin meint – den gesetzgeberischen Zweck des § 31 BtMG, das dessen Voraussetzungen noch nicht genügende Aussageverhalten des Angeklagten bei der Strafzumessung – neben anderen Kritieren – zu dessen Gunsten zu berücksichtigen.
Rz. 7
Zwar kann eine verspätet geleistete Aufklärungshilfe für sich genommen – ohne Hinzutreten weiterer gewichtiger Strafmilderungsgründe – keine Strafrahmenverschiebung gemäß § 30a Abs. 3 BtMG begründen. In der Tat würde es den gesetzlichen Wertungen widersprechen, einem Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung nach § 31 Satz 1 BtMG i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB wegen Überschreitens der Zeitgrenze des § 31 Satz 3 BtMG i.V.m. § 46b Abs. 3 StGB zu verwehren, ihm dann allerdings allein wegen der verspätet geleisteten Aufklärungshilfe eine (für ihn noch günstigere) Strafrahmenverschiebung gemäß § 30a Abs. 3 BtMG zuzubilligen. Dies hindert jedoch nicht, eine erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens erbrachte Aufklärungshilfe im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 1 StR 75/11, BGHSt 56, 191, 193; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 46b Rn. 22). Bei Hinzutreten weiterer gewichtiger Strafmilderungsgründe kann eine solche verspätete Aufklärungshilfe im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung durchaus die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen, ohne dass darin eine Umgehung von § 31 Satz 3 BtMG i.V.m. § 46b Abs. 3 StGB zu sehen wäre.
Rz. 8
So liegt der Fall hier:
Rz. 9
Die Strafkammer hat die Annahme minder schwerer Fälle u.a. auch damit begründet, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, keine Einnahmen aus dem Drogenhandel erzielt und sich früh geständig gezeigt hat, sowie dass es sich bei Cannabis um eine weiche Droge handelt, die zudem vollständig sichergestellt wurde und nicht in den Verkehr gelangt ist. Dabei hat die Strafkammer die außergewöhnlich hohe Überschreitung des Grenzwerts zur nicht geringen Menge insbesondere im ersten Anbauvorgang um das 1.298fache ausdrücklich im Blick gehabt und in ihre Wertung einbezogen. Dass die Strafkammer, die für den ersten Fall eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten und für den zweiten Fall eine solche von zwei Jahren verhängt hat, für den zweiten Anbauvorgang eine höhere Einzelstrafe verhängt hätte, wenn sie – was den Wirkstoffgehalt der 504 Pflanzen anbelangt – nicht auf den Zeitpunkt der Sicherstellung, sondern richtig auf den der noch nicht eingetretenen Erntereife abgestellt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, BGHSt 58, 99), schließt der Senat aus.
Unterschriften
Appl, Eschelbach, Zeng, Bartel, Grube
Fundstellen
Haufe-Index 10526852 |
NStZ-RR 2017, 251 |
NStZ-RR 2017, 6 |
NStZ-RR 2018, 366 |
StV 2018, 520 |