Leitsatz (amtlich)

Ein persönlich haftender Gesellschafter, der für eine Gesellschaftsschuld in Anspruch genommen wird, kann nicht einwenden, die Forderung gegen die Gesellschaft sei verjährt, wenn der Gläubiger die Verjährungsfrist gegenüber dem Gesellschafter rechtzeitig unterbrochen hat.

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt eine Werkstatt für LKW-Reparaturen. Der Beklagte war zunächst Alleininhaber der Firma „R. L.”. Am 1. Januar 1973 trat ein Kommanditist in das Geschäft ein. Der Beklagte wurde persönlich haftender Gesellschafter. Die Kommanditgesellschaft führte das Unternehmen unter der bisherigen Firma fort. Am 22. Januar 1973 wurde die Rechtsänderung in das Handelsregister eingetragen.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von 9.622,97 DM nebst Zinsen für Reparaturarbeiten an zwei Lastkraftwagen der Kommanditgesellschaft laut „Auftragsbestätigungen” vom 17. November 1980 in Anspruch. Sie hat gegen den Beklagten mit einem am 28. Dezember 1984 beim Amtsgericht Stuttgart eingegangenen Antrag einen Mahnbescheid erwirkt, der dem Beklagten am 7. Januar 1985 zugestellt worden ist. Der Beklagte hat Widerspruch eingelegt und die Einrede der Verjährung erhoben, weil die Gesellschaftsschuld am 31. Dezember 1984 verjährt sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie beantragt,

  • unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 6. Juni 1986 den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 9.622,97 DM nebst 9,5% Zinsen seit dem 7. Januar 1985 zu zahlen,
  • hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus Werkvertrag (§ 631 BGB) verneint. Es ist davon ausgegangen, daß unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien nicht zustande gekommen seien, weil die Reparaturaufträge laut den „Auftragsbestätigungen” vom 17. November 1980 – wenn überhaupt – von der Kommanditgesellschaft erteilt worden seien, und daß der Beklagte als persönlich haftender Gesellschafter nach den §§ 161 Abs. 2, 128 HGB für die Gesellschaftsverbindlichkeiten einzustehen habe. Das Berufungsgericht hat sodann aber ausgeführt, der Beklagte könne dem Klageanspruch entgegenhalten, daß die streitigen Forderungen gegen die Kommanditgesellschaft seit dem 31. Dezember 1984 verjährt seien (§§ 196 Abs. 2, 201 BGB). Nach § 129 Abs. 1 HGB könne der wegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit von einem Gläubiger in Anspruch genommene Gesellschafter sich auch dann auf die Verjährung der Gesellschaftsschuld berufen, wenn der Gläubiger gegen den Gesellschafter vor Ablauf der Verjährungsfrist einen Mahnbescheid beantragt habe und durch die Zustellung des Mahnbescheids die Verjährungsfrist nach § 693 Abs. 2 ZPO gegenüber dem Gesellschafter unterbrochen worden sei. Zudem sei die Haftung des Gesellschafters der eines Bürgen angenähert, für die nach der Rechtsprechung anerkannt sei, daß der Bürge sich auf die Verjährung der Hauptschuld auch dann berufen könne, wenn diese erst nach Erhebung der Bürgschaftsklage eintrete. Darüber hinaus wirke die Fiktion der rückwirkenden Verjährungsunterbrechung nach § 693 Abs. 2 ZPO nur im Verhältnis zum Beklagten, so daß die Verjährung der Gesellschaftsschuld bereits vor Zustellung des Mahnbescheids eingetreten sei. Auf diese bereits eingetretene Verjährung aber müsse sich der beklagte Gesellschafter berufen können.

2. Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen.

a) Die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft haften nach den §§ 161, 128 HGB für Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern persönlich. Wird ein Gesellschafter wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft von einem Gläubiger in Anspruch genommen, so kann er neben den Einwendungen, die in seiner Person begründet sind, gemäß § 129 Abs. 1 HGB auch alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Art in dem Umfang geltend machen, in dem sie der Gesellschaft selbst zum Zeitpunkt ihrer Erhebung durch den Gesellschafter zustehen. Aus dem Wortlaut des § 129 HGB ergibt sich, daß die Gesellschafterhaftung grundsätzlich und gerade auch hinsichtlich aller Einwendungen – zugunsten und zuungunsten des Gesellschafters – mit der jeweiligen Gesellschaftsverbindlichkeit übereinstimmen soll (BGHZ 73, 217, 224). Der einzelne Gesellschafter hat inhaltlich die gleiche Leistung zu erbringen wie die Gesellschaft selbst; denn die eigentlich geschuldete Leistung ist die Erfüllung der Schuld der Gesellschaft. Der Gesellschafter soll vor einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme für eine Gesellschaftsschuld, die nicht oder nicht so besteht, geschützt werden. Die Rechtsprechung hat deshalb den Standpunkt vertreten, daß die jeweilige Gesellschaftsschuld den Inhalt der Gesellschafterhaftung bestimmt und Umstände, welche die Gesellschaftsschuld inhaltlich beeinflussen, zugleich die Verbindlichkeit des Gesellschafters verändern (BGHZ 73, 217, 224 unter Hinweis auf BGHZ 36, 224, 226ff.; 48, 203).

b) Welche Rechtsregeln im Einzelfall auf das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern anzuwenden sind, ist in § 129 HGB allerdings offengelassen. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich wiederholt mit der Frage befaßt, ob die Vorschriften der §§ 420ff. BGB heranzuziehen seien, weil diese Rechtsregeln immer dann nahelägen, wenn mehrere Schuldner primär und unmittelbar für eine Schuld einzustehen hätten (vgl. BGHZ 44, 229, 233; 47, 376, 378f.). Dabei hat sich der II. Zivilsenat auf den Standpunkt gestellt, daß eine unmittelbare Anwendung der genannten Bestimmungen nicht möglich sei, weil ein echtes Gesamtschuldverhältnis nicht bestehe, sondern daß es geboten sei, unter umfassender Berücksichtigung der jeweils verschiedenartigen Interessen der Beteiligten zu prüfen, ob im jeweiligen Einzelfall der Rechtsgedanke des § 425 BGB, wonach Rechtstatsachen mangels anderweitiger Regelung oder Vereinbarung nur für und gegen den einzelnen Gesamtschuldner wirken, zur Anwendung gebracht werden könne oder nicht. Eine solche Prüfung sei im übrigen schon deshalb erforderlich, weil § 425 BGB eine Auslegungsregel gebe, die nach ihrem Wortlaut nicht gelte, wenn sich aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergebe.

In dem gleichen Zusammenhang ist auch die Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 27. April 1981 (NJW 1981, 2579) zu sehen, welche die Revision zur Begründung ihrer Auffassung heranzieht. Der II. Zivilsenat hat in dieser Entscheidung einem rechtskräftig verurteilten Gesellschafter versagt, sich nach Eintritt der Rechtskraft im Wege der Vollstreckungsklage auf die der Gesellschaft erwachsene Verjährungseinrede zu berufen. Er hat dabei – fallbezogen – unter Abwägung der verschiedenartigen Interessen der Beteiligten ausgeführt, der rechtskräftig verurteilte Gesellschafter bedürfe des Schutzes der Verjährung nicht mehr, wenn er vor Ablauf der Verjährungsfrist verklagt und verurteilt worden sei. Denn er habe zeitgerecht in seinem Prozeß alle Möglichkeiten gehabt, sich sachgerecht zu verteidigen. Im Verhältnis zu ihm verdienten die Belange des Gläubigers den größeren Schutz, weil er gegen den Gesellschafter rechtzeitig vorgegangen sei und dessen persönliche Haftung gleichwertig neben der Haftung des Gesellschaftsvermögens stehe. Hierdurch werde der in § 129 Abs. 1 HGB zum Ausdruck kommende Grundsatz der prinzipiellen Übereinstimmung von Gesellschaftsschuld und Gesellschafterhaftung nicht beschränkt. Dieser Grundsatz setze sich auch dann ohne weiteres durch, wenn der Gesellschafter zwar bereits zur Leistung verurteilt worden sei, die Gesellschaft aber nachträglich die Leistung erbringe, der Anspruch des Gläubigers aus sonstigen Gründen erlösche oder sich die Gesellschaft mit ähnlichen, später entstandenen rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einwendungen verteidigen könne. In diesen Fällen könne es, wie sich aus den §§ 767 Abs. 2, 796 Abs. 2 ZPO ergebe, weder der Zweck der Rechtskraft des gegen den Gesellschafter erwirkten Titels noch sonst irgendein Grund rechtfertigen, dem Gläubiger weiterhin das Recht zu geben, mit Hilfe des früher erstrittenen Titels gegen den Gesellschafter durchzusetzen, was ihm zwar bei der Verurteilung des Gesellschafters noch zustand, jetzt aber der Gesellschaft gegenüber nicht mehr zukomme.

c) Diese Grundsätze lassen sich in ihrem grundsätzlichen Kern auch auf den vorliegenden Fall übertragen.

Ist nämlich im Rahmen des § 129 Abs. 1 HGB jeweils zu prüfen, ob die verschiedenartigen Interessen der Beteiligten es erlauben, den in § 425 BGB enthaltenen Rechtsgedanken auf das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger, Gesellschaft und persönlich haftendem Gesellschafter zu übertragen, so kommt es entscheidend auf die Frage an, ob der Schutzzweck der Verjährung es rechtfertigt, dem im Klagewege in Anspruch genommenen Gesellschafter die Berufung auf die Verjährung der Gesellschaftsschuld auch dann zuzubilligen, wenn der Gesellschafter aus eigenem Recht keine Verjährungseinrede mehr geltend machen kann, weil ihm gegenüber die Verjährungsfrist rechtzeitig unterbrochen worden ist. Die Prüfung der hier zu berücksichtigenden Interessen des Gesellschaftsgläubigers und des beklagten Gesellschafters ergibt, daß sich dieser im vorliegenden Fall auf eine der Gesellschaft erwachsende Verjährungseinrede nicht berufen kann.

Der Gläubiger hat es in der Hand, von vornherein nur den Gesellschafter in Anspruch zu nehmen. Dieses Recht würde entscheidend geschmälert, müßte der Gläubiger, wenn er einen Gesellschafter in Anspruch nehmen will, stets die Gesellschaft selbst mitverklagen, weil andernfalls zu befürchten stünde, daß sein Anspruch gegen die Gesellschaft selbst verjährt und der Gesellschafter die Verjährung im Laufe des Rechtsstreits – unter Umständen erst nach Jahren – geltend macht. Müßte der Gläubiger stets auch gegen die Gesellschaft gerichtlich vorgehen, um auf einen Gesellschafter zurückgreifen zu können, müßte er das volle Prozeß- und Kostenrisiko des Rechtsstreits auch gegenüber der Gesellschaft selbst dann übernehmen, wenn von vornherein feststünde, daß die Gesellschaft – etwa wegen Vermögenslosigkeit – für eine Befriedigung seiner Forderung nicht zur Verfügung stehen wird. Da die personenrechtliche Handelsgesellschaft kein Haftungskapital besitzt, ihre Kreditfähigkeit vielmehr auf derjenigen ihrer Gesellschafter beruht und die Geschäftspartner darauf vertrauen, notfalls immer auf deren Privatvermögen zurückgreifen zu können, würde es dem Zweck der persönlichen Haftung eines jeden Gesellschafters widersprechen, wenn gerade im Falle der persönlichen Inanspruchnahme des Gesellschafters das Prozeßrisiko des Gläubigers dadurch erhöht würde, daß er die Gesellschaft im Klagewege mit in Anspruch nehmen müßte, um einer Verjährungseinrede vorzubeugen. Gegenüber diesem allgemeinen Haftungsgrundsatz des Gesellschaftsrechts, daß der Gläubiger von jedem Gesellschafter persönlich und unmittelbar Befriedigung der Gesellschaftsschuld verlangen kann, muß das Recht des in Anspruch genommenen Gesellschafters, sich auf die Verjährung berufen zu können, dann zurücktreten, wenn der mit der Einrede verfolgte gesetzgeberische Schutzzweck nicht mehr erreichbar ist.

Die Verjährung ist Ausdruck eines Interessenausgleichs. Sie soll der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dienen. Ihr Zweck liegt darin, dem Schuldner nach Ablauf einer bestimmten Zeit die Gewißheit zu geben, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, und ihn vor den Schwierigkeiten zu bewahren, denen er in zunehmendem Maße bei seiner Verteidigung ausgesetzt ist, je mehr Zeit bis zur Klageerhebung vergeht. Dieser Schutz gebührt dem Gesellschafter dann nicht mehr, wenn er von dem Gläubiger der Gesellschaft vor Ablauf der Verjährungsfrist wegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit in Anspruch genommen wird und wenn der Anspruch gegen die Gesellschaft selbst gleichzeitig oder später verjährt, wobei es keinen Unterschied macht, wann die Fiktion des § 693 Abs. 2 ZPO eingreift. Denn der Gläubiger bringt mit der Einreichung der Klageschrift oder mit dem Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheids zum Ausdruck, daß der Gesellschafter nun damit rechnen muß, für die Gesellschaftsschuld einstehen zu müssen, und zwar unabhängig davon, ob der Gläubiger auch gegen die Gesellschaft selbst vorgeht.

Der Senat hat erwogen, ob im Falle der Verjährung den beiden Grundsätzen der persönlichen Haftung der Gesellschafter und der prinzipiellen Übereinstimmung von Gesellschaftsschuld und Gesellschafterhaftung gleichermaßen dadurch Rechnung getragen werden könnte, daß anerkannt würde, daß die Klage gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter gleichzeitig auch die Verjährung gegenüber der Gesellschaft unterbricht. Eine solche Lösung läge umso näher, als der II. Zivilsenat in seinem Urteil vom 11. Dezember 1978 (BGHZ 73, 217, 222) entschieden hat, daß die Klage gegen die Gesellschaft die Verjährung auch gegenüber dem Gesellschafter unterbricht, der bei Klageerhebung der Gesellschaft angehört. Einer Entscheidung bedarf es im Streitfall jedoch nicht. Denn hier geht es ausschließlich darum, ob sich der in Anspruch genommene persönlich haftende Gesellschafter auf die der Gesellschaft erwachsene Einrede der Verjährung dann berufen kann, wenn die Verjährung ihm selbst gegenüber rechtzeitig unterbrochen worden ist, nicht aber um die Frage, ob die Gesellschaftsschuld verjährt ist.

3. Da sich somit die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts als unzutreffend erweist, ist auf die Revision der Klägerin das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 650411

BGHZ, 76

NJW 1988, 1976

ZIP 1988, 841

JA 2003, 22

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