Leitsatz (amtlich)
Die Klausel in einem Altenheimvertrag, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege vor, wenn der Bewohner bzw. der kostenerstattungspflichtige Dritte mit der Zahlung des Leistungsentgeltes für mehr als zwei Monate im Rückstand sei, benachteiligt den Heimbewohner unangemessen und ist deshalb unwirksam.
Normenkette
AGBG § 9 Ci; BGB §§ 554, 626
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 11. April 1988 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß der Beklagten in I 5 des Tenors des Teil-Anerkenntnis- und Schlußurteils der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 5. November 1987 untersagt wird, folgende Klausel zu verwenden:
„Ein wichtiger Grund (zur Kündigung) liegt insbesondere vor, wenn der Bewohner bzw. der kostenerstattungspflichtige Dritte mit der Zahlung des Leistungsentgelts für mehr als zwei Monate im Rückstand ist.”
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßer Aufgabe es gehört, Verbraucherinteressen wahrzunehmen. Die Beklagte betreibt verschiedene Alten- und Pflegeheime. Die Unterbringung und Versorgung der Bewohner erfolgt aufgrund eines formularmäßig gestalteten „Heimvertrages für Einrichtungen der Altenhilfe”. Mit Schreiben vom 16. Dezember 1986 forderte der Kläger die Beklagte auf, verschiedene Klauseln des Vertrages nicht mehr zu verwenden und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach. Der Kläger erhob deshalb Klage und verlangte die Unterlassung der Verwendung von sechs Vertragsklauseln. In der Klageerwiderung erklärte die Beklagte sich bereit, die beanstandeten Klauseln bis auf die Klausel in § 7 Abs. 2 Buchst. b des Heimvertrages abzuändern. § 7 Abs. 2 des Heimvertrages hat folgenden Wortlaut:
„Die Einrichtung (Beklagte) kann das Vertragsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende kündigen, sofern ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
- …
- der Bewohner bzw. der kostenerstattungspflichtige Dritte mit der Zahlung des Leistungsentgeltes für mehr als zwei Monate im Rückstand ist.”
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Beklagte den Klageantrag nach Maßgabe ihrer Ausführungen in der Klageerwiderung anerkannt. Das Landgericht hat durch Teil-Anerkenntnis- und Schlußurteil die Beklagte entsprechend ihrem Anerkenntnis verurteilt, der Klage hinsichtlich der Klausel in § 7 Abs. 2 Buchst. b des Heimvertrages stattgegeben und der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt die Beklagte die Abweisung des Klageanspruchs zu § 7 Abs. 2 Buchst. b des Vertrages und eine Änderung der Kostenentscheidungen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht führt aus:
Es könne dahingestellt bleiben, welche Rechtsnatur der Heimvertrag habe. Wesentlich sei allein, daß er jedenfalls mietrechtliche Elemente enthalte, nämlich die Bereitstellung von Wohnraum. Ohne den Wohnraum hätten sämtliche anderen Leistungen der Beklagten für ihre Vertragspartner keinen Sinn. Pflege und Versorgung hingen davon ab, daß der Heimbewohner bei der Beklagten wohnen könne. Enthalte der Mietvertrag aber auch mietrechtliche Elemente, müßten die Vorschriften des Mietrechts beachtet werden, insbesondere auch § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wonach eine wegen Zahlungsverzugs ausgesprochene Kündigung durch nachträgliche Befriedigung des Vermieters unwirksam werden könne. Von dieser Bestimmung weiche § 7 Abs. 2 Buchst. b des Heimvertrages ab. Das Abweichen bedeute einen Verstoß gegen § 9 AGBG. Bei § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB handle es sich nämlich um eine ganz wesentliche, zum Schutz des Mieters erlassene gesetzliche Regelung.
Für eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO zu Lasten des Klägers sei kein Raum, weil die Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung gegeben habe. Sie habe das Schreiben des Klägers vom 16. Dezember 1986 nämlich nicht beantwortet und nicht „die erforderlichen” Erklärungen abgegeben.
II. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Die Entscheidung der Frage, ob auf einen Altenheimvertrag Mietvertragsrecht oder Dienstvertragsrecht anzuwenden ist, hängt davon ab, ob der Schwerpunkt des Vertrages bei der Wohnungsgewährung oder im Bereich der Dienstleistungen liegt (Senatsurteil vom 29. Oktober 1980 – VIII ZR 326/79 = WM 1980, 1456). Es ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat. In jedem Fall ist nämlich die vom Kläger beanstandete Kündigungsregelung nach § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.
2. Ist der Heimvertrag als Mietvertrag anzusehen, so ist er als solcher über Wohnraum einzuordnen. Die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Rückstandes mit der Mietzinszahlung ist in § 554 BGB geregelt. Von dieser Vorschrift weicht die Klausel zum Nachteil des Heimbewohners in zweierlei Hinsicht ab.
a) Nach § 554 Abs. 1 BGB setzt die Kündigung Verzug des Mieters mit der Mietzinszahlung voraus. Nach § 285 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten, also nicht verschuldet (§ 276 BGB) hat. Die Klausel fordert aber ein Verschulden des Heimbewohners an der Nichtentrichtung des Leistungsentgeltes nicht. Nach ihr genügt vielmehr bloßer Rückstand mit der Zahlung dieser Vergütung.
b) Nach § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann der Verzug des Wohnraummieters mit der Mietzinszahlung unter den dort bestimmten Voraussetzungen geheilt werden mit der Folge, daß eine bereits erklärte Kündigung unwirksam wird. Eine dieser Vorschrift entsprechende Möglichkeit zur Heilung des Zahlungsverzuges wird dem Heimbewohner in der Klausel nicht eingeräumt.
c) Die Klausel kann nicht dahin ausgelegt werden, die Zulässigkeit und Berechtigung der Kündigung stehe unter dem Vorbehalt, daß die zwingenden, also nicht durch Vereinbarung abdingbaren gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit und die Berechtigung der Kündigung vorliegen müssen. Zwingend ist nicht nur die Regelung in § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB, sondern auch die des § 554 Abs. 1 BGB. § 554 Abs. 2 Nr. 3 BGB, wonach eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung bei der Wohnraummiete unwirksam ist, ist nämlich als selbständiger Absatz des § 554 BGB zu verstehen (Emmerich/Sonnenschein, Miete, 4. Aufl., § 554 BGB Rdn. 19). Im vorliegenden Fall ist eine Auslegung dahin, daß unter Zahlungsrückstand Zahlungsverzug zu verstehen sei und die Zulässigkeit der Kündigung unter dem Vorbehalt stehe, daß die Voraussetzungen des § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht einträten, schon deswegen nicht möglich, weil ein Verbandsprozeß vorliegt und in diesem die für den Kunden ungünstigste Auslegung vorzunehmen ist (Senatsurteil vom 31. Oktober 1984 – VIII ZR 226/83 = WM 1985, 24 unter I 2 b aa m.w.N.).
d) Zwar stellt die Klausel den Heimbewohner im Verhältnis zur gesetzlichen Regelung insofern günstiger, als nach ihr die Kündigung nur mit einer Frist von einem Monat zulässig ist, während nach § 554 BGB das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann. Außerdem muß der Zahlungsrückstand nach der Klausel mehr als zwei Leistungsentgelte ausmachen, während nach § 554 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB die Kündigung bereits zulässig sein kann, wenn der Rückstand zwei Monatsmieten erreicht. Diese Vorteile fallen aber gegenüber den Nachteilen, die darin liegen, daß der Heimbewohner nach der Klausel auch bei unverschuldetem Zahlungsrückstand mit einer Kündigung rechnen muß und ein Verzug mit der Zahlung des Leistungsentgeltes nicht durch nachträgliche Entrichtung der Vergütung geheilt werden kann, nicht ins Gewicht.
e) Die Klausel ist daher mit § 554 BGB, der die Ausgestaltung eines wesentlichen Grundgedankens der gesetzlichen Regelung des Mietrechts enthält (vgl. Senatsurteil vom 25. März 1987 – VIII ZR 71/86 = WM 1987, 904), nicht vereinbar und benachteiligt den Altenheimbewohner unangemessen. Sie ist deshalb nach § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.
f) Daß die Klausel auch nach § 554 Abs. 2 Nr. 3 BGB unwirksam ist, steht der Zulässigkeit der Verbandsklage nach § 13 AGBG nicht entgegen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 48. Aufl., Anm. 2 b zu § 13 AGBG m.w.N.).
3. Aber auch dann, wenn der Heimvertrag Dienstvertragsrecht unterstehen sollte, ist die Kündigungsklausel nach § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.
Die Frage, ob es auch in diesem Fall als unangemessen anzusehen ist, daß nach der Klausel die Kündigung durch eine nachträgliche Entrichtung des Leistungsentgeltes nicht beeinflußt wird, kann dahingestellt bleiben. Denn auch bei Annahme eines Dienstvertrages ist die Klausel jedenfalls deswegen unwirksam, weil nach ihr unverschuldeter Rückstand mit der Zahlung des Leistungsentgeltes für die Kündigung genügen soll und ein solcher Kündigungsgrund auch mit der gesetzlichen Regelung über die Kündigung eines Dienstvertrages aus wichtigem Grund, nämlich mit § 626 BGB, nicht vereinbar ist. Nach dieser Vorschrift setzt die Kündigung voraus, daß Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Gewährung eines Kündigungsrechtes bei bloßem Zahlungsrückstand des Heimbewohners berücksichtigt aber ausschließlich die Interessen des Heimträgers. Dessen Interesse an der Erlangung einer kostendeckenden Vergütung wird entgegen der Meinung der Revision nicht nachhaltig beeinträchtigt, wenn sein Kündigungsrecht wegen Zahlungsrückstandes davon abhängig gemacht wird, daß den Heimbewohner ein Verschulden an dem Entstehen des Rückstandes trifft. Bei der Entscheidung über die Angemessenheit der Klausel konnte auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß das Gesetz in dem vergleichbaren Fall des Zahlungsrückstandes mit der Mietzinszahlung dem Vermieter die Lösung vom Vertrag nur gestattet, wenn sich der Mieter mit der Zahlung in Verzug befindet (§ 554 Abs. 1 BGB). Unter Bezugnahme unter anderem auch auf die in § 554 BGB für den Mietvertrag getroffene Kündigungsregelung hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in einer Klausel in einem Dienstvertrag, die auch bei unverschuldetem Rückstand mit zwei Ratenzahlungen einer Unterrichtsvergütung die Restschuld fällig stellte, eine unangemessene Benachteiligung des Kunden des Klauselverwenders gesehen (Urteil vom 21. Februar 1985 – IX ZR 129/84 = WM 1985, 604). Was für die Vorfälligstellung einer Unterrichtsvergütung wegen Zahlungsrückstandes anzunehmen ist, gilt auch für das Kündigungsrecht wegen Rückstandes mit der Zahlung des Leistungsentgeltes aus einem Altenheimvertrag.
4. Auch die Einwendungen der Revision gegen die Kostenentscheidungen des Berufungsgerichts und des Landgerichts sind unbegründet.
Zwar trifft es zu, daß das Anerkenntnis der Beklagten nicht wörtlich dem Klageantrag entspricht. Nach der Begründung der Klage deckte es aber das Klagebegehren ab. Das Landgericht und das Berufungsgericht haben daher das Anerkenntnis der Beklagten mit Recht als ein solches nach § 307 ZPO beurteilt und geprüft, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, dem Kläger den auf den anerkannten Teil des Streitgegenstandes entfallenden Teil der Kosten des Rechtsstreits ganz oder teilweise aufzuerlegen (§ 93 ZPO). Es ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht der Auffassung des Landgerichts gefolgt ist, die Voraussetzungen dieser Vorschrift für eine Belastung des Klägers mit Verfahrenskosten lägen nicht vor, weil die Beklagte Anlaß zur Klageerhebung gegeben habe. Diese hat unstreitig zu dem mit der Klage inhaltlich übereinstimmenden Unterlassungsbegehren des Klägers vom 16. Dezember 1986 vor dem Rechtsstreit keine Stellung genommen, obwohl der Kläger ihr hierzu ausreichend Zeit gelassen hatte. Die Klage ist erst am 21. Mai 1987 eingereicht worden. Es kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, daß der Kläger, wenn die Beklagte bereits auf sein vorprozessuales Unterlassungsbegehren hin eine dem Anerkenntnis im Rechtsstreit entsprechende Erklärung abgegeben hätte, von der Klageerhebung hinsichtlich der vom Anerkenntnis umfaßten Klauseln abgesehen hätte.
III. Das Landgericht hat in das Unterlassungsgebot in I 5 seines Urteilstenors auch den ersten Satz von § 7 Abs. 2 des Heimvertrages aufgenommen. Nach dem Wortlaut des Tenors wird der Beklagten daher nicht nur die Verwendung der Klausel über die Kündigungsmöglichkeit wegen Zahlungsrückstandes, sondern auch und ganz allgemein untersagt, eine Klausel zu verwenden, nach welcher der Vertrag aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Das ist weder vom Landgericht so gemeint, noch vom Kläger so erstrebt. Richtig muß der Tenor entsprechend dem Sinn des Klageantrages lauten, der Beklagten werde untersagt, eine Klausel des Inhalts zu verwenden, daß ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, wenn der Bewohner bzw. der kostenerstattungspflichtige Dritte mit der Zahlung des Leistungsentgeltes für mehr als zwei Monate im Rückstand ist. Die Revision war daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Verurteilung durch das Langericht zu I 5 seines Urteilstenors diesen Inhalt hat.
Unterschriften
Wolf, Treier, Dr. Brunotte, Dr. Zülch, Groß
Fundstellen
Haufe-Index 1502283 |
NJW 1989, 1673 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |