Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung der Formgültigkeit einer Schiedsvereinbarung eines ausländischen Unternehmers mit einem inländischen Verbraucher

 

Leitsatz (amtlich)

Enthält eine Schiedsvereinbarung betreffend Rechtsstreitigkeiten aus einem im Jahr 2004 geschlossenen Vertrag eines ausländischen Unternehmers mit einem inländischen Verbraucher die Wahl ausländischen Rechts, bemisst sich ihre Formgültigkeit in entsprechender Anwendung von Art. 29 Abs. 3 Satz 2 EGBGB a.F. nach § 1031 Abs. 5 ZPO (Fortentwicklung des Senatsbeschlusses v. 10.2.1998 - XI ZR 305/96, BGHR EGBGB (1986) Art. 29 - Schiedsklausel 1).

 

Normenkette

ZPO § 1031 Abs. 5; EGBGB a.F. Art. 29 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 26.06.2008; Aktenzeichen I-6 U 131/07)

LG Düsseldorf (Entscheidung vom 09.05.2007; Aktenzeichen 14c O 140/06)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 26.6.2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Kläger zu 1) und zu 3) (nachfolgend: Klägerseite), deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in Deutschland, verlangen von der Beklagten, einem Brokerhaus mit Sitz im US-Bundesstaat N., Schadensersatz wegen Verlusten im Zusammenhang mit Terminoptionsgeschäften an US-amerikanischen Börsen.

Rz. 2

Die der New Yorker Börsenaufsicht unterliegende Beklagte arbeitet weltweit mit Vermittlern zusammen, denen sie über eine Online-Plattform den Zugang zur Ausführung von Wertpapiergeschäften an Börsen in den USA ermöglicht, den diese mangels einer dortigen Zulassung sonst nicht hätten. Die Vermittler können die Kauf- und Verkaufsorders ihrer Kunden sowie ihre eigenen anfallenden Provisionen und Gebühren in das Online-System der Beklagten eingeben, wo sie vollautomatisch bearbeitet und verbucht werden.

Rz. 3

Einer dieser Vermittler war S. e.K. (im Folgenden: S.) mit Sitz in D., der bis zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeit im November 2005 über eine deutsche aufsichtsrechtliche Erlaubnis als selbständiger Finanzdienstleister verfügte. Der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und S. liegt ein Verrechnungsabkommen ("Fully disclosed clearing agreement") zugrunde. Vor dessen Zustandekommen hatte die Beklagte geprüft, ob S. über eine aufsichtsrechtliche Erlaubnis verfügte und ob gegen ihn aufsichtsrechtliche Verfahren in Deutschland anhängig waren. Nach den Regelungen des Verrechnungsabkommens ist die Beklagte u.a. verpflichtet, für die vom Vermittler geworbenen Kunden Einzelkonten einzurichten und hierüber die in Auftrag gegebenen Transaktionen abzuwickeln. Alle aufsichts- und privatrechtlichen Pflichten zur Information der Kunden werden durch das Verrechnungsabkommen dem Vermittler übertragen, der für jede fahrlässige, unlautere, betrügerische oder kriminelle Handlung oder Unterlassung seitens eines seiner Mitarbeiter oder Agenten allein verantwortlich sein soll. Die Beklagte soll den Kunden die vom Vermittler angewiesenen Provisionen auf deren Konten belasten und von diesen Beträgen ihre eigene Vergütung abziehen.

Rz. 4

Die Klägerseite schloss nach vorausgegangener Werbung mit S. jeweils einen formularmäßigen Geschäftsbesorgungsvertrag über die Besorgung und Vermittlung von Termingeschäften. Darin verpflichtete sich S. u.a. zur Vermittlung eines Brokereinzelkontos bei der Beklagten. Er ließ sich für seine Tätigkeit in erheblichem Umfang sowohl fixe Gebühren als auch tätigkeitsabhängige Gebühren versprechen.

Rz. 5

Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages unterzeichnete die Klägerseite im Jahr 2004 jeweils ein ihr vorgelegtes englischsprachiges Vertragsformular der Beklagten ("Option Agreement and Approval Form"), das in Ziff. 15 seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch eine Schiedsklausel enthält. Die Beklagte unterzeichnete den Vertrag nicht.

Rz. 6

Im Anschluss daran eröffnete die Beklagte für die Klägerseite ein Transaktionskonto, auf das der Kläger zu 1) 38.320 EUR und der Kläger zu 3) 8.000 EUR einzahlte. Ferner zahlten die Kläger an S. Dienstleistungsgebühren von 2.220 EUR (Kläger zu 1)) und 480 EUR (Kläger zu 3)). Nach Ende der Geschäftsbeziehung erhielt die Klägerseite 63,36 EUR (Kläger zu 1)) und 297,65 EUR (Kläger zu 3)) zurück. Der Differenzbetrag i.H.v. 40.476,64 EUR (Kläger zu 1)) und 8.182,35 EUR (Kläger zu 3)) jeweils zzgl. Zinsen wird mit den vorliegenden Klagen geltend gemacht, wobei das Zahlungsbegehren ausschließlich auf deliktische Schadensersatzansprüche u.a. wegen Beteiligung der Beklagten an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gestützt wird. Die Beklagte ist dem in der Sache entgegen getreten und hat zudem die fehlende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gerügt sowie unter Berufung auf die in Ziff. 15 ihrer Geschäftsbedingungen enthaltene Schiedsklausel die Unzulässigkeit der Klagen geltend gemacht.

Rz. 7

Das LG hat die Klagen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger zu 1) und zu 3) hat das Berufungsgericht die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 8

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Rz. 9

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für die Revisionsinstanz von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 10

Die Klagen seien zulässig. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folge aus § 32 ZPO. Die Einrede der Schiedsvereinbarung greife nicht durch, weil die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für zukünftige unerlaubte Handlungen nicht durch die in Ziff. 15 der Geschäftsbedingungen enthaltene Schiedsklausel, die mit einer Rechtswahl verbunden sei, habe abbedungen werden können (Art. 42 EGBGB analog).

Rz. 11

Die Klagen seien auch begründet. Die Entscheidung über deliktische Ansprüche richte sich gem. Art. 40 f. EGBGB nach deutschem Recht. Gemäß den danach anwendbaren §§ 826, 830 BGB habe die Klägerseite gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz. S. habe als gewerblicher Vermittler von Terminoptionen die Klägerseite vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Denn er habe die nach ständiger Rechtsprechung des BGH für gewerbliche Vermittler von Terminoptionen bestehende Pflicht verletzt, Kunden vor Vertragsschluss schriftlich die Kenntnisse zu vermitteln, die sie in die Lage versetzen, den Umfang ihres Verlustrisikos und die Verringerung ihrer Gewinnchance durch den Aufschlag auf die Optionsprämie richtig einzuschätzen.

Rz. 12

Die Beklagte habe sich an dieser vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Kläger objektiv beteiligt, indem sie S. den Zugang zur New Yorker Börse eröffnet habe. Sie habe zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Die Beklagte habe zumindest ihre Augen vor den sich aufdrängenden Bedenken verschlossen und gewissenlos leichtfertig die von S. vermittelten Aufträge der Klägerseite zu deren Nachteil über ihr Online-System ausführen lassen. Die Gefahr, dass S. seine geschäftliche Überlegenheit gegenüber den Klägern in sittenwidriger Weise missbrauche, habe für die Beklagte auf der Hand gelegen, weil sie die extremen Verlustrisiken von Optionsgeschäften mit hohen Gebührenaufschlägen auf die Optionsprämie gekannt habe. Ihr habe auch klar sein müssen, dass die ihr bekannten oder zumindest von ihr bewusst nicht zur Kenntnis genommenen Gebühren dem Vermittler einen hohen Anreiz geboten hätten, seine geschäftliche Überlegenheit zu missbrauchen.

II.

Rz. 13

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung die vorsätzliche Teilnahme der Beklagten an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Klägerseite nicht bejaht werden.

Rz. 14

1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings von der Zulässigkeit der Klagen ausgegangen.

Rz. 15

a) Das Berufungsgericht hat zutreffend die - auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht. Nach dem im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung maßgeblichen Vortrag der Klägerseite ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß der hier anwendbaren Regelung des § 32 ZPO gegeben (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 9.3.2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rz. 18 f.; v. 8.6.2010 - XI ZR 349/08, WM 2010, 2025 Rz. 17 und XI ZR 41/09, WM 2010, 2032 Rz. 17).

Rz. 16

b) Der Geltendmachung eines Anspruchs wegen Beihilfe zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung steht auch die durch die Beklagte erhobene Einrede des Schiedsvertrages nicht entgegen, weil die Schiedsklausel wegen Formmängeln nicht wirksam ist.

Rz. 17

aa) Wie der Senat bereits zu einer im Wesentlichen vergleichbaren von der Beklagten verwendeten Schiedsklausel entschieden und im einzelnen begründet hat, wahrt sie die Schriftform des Art. II UNÜ nicht (vgl. BGH, Urt. v. 8.6.2010 - XI ZR 349/08, WM 2010, 2025 Rz. 25 ff. und XI ZR 41/09, WM 2010, 2032 Rz. 19 ff., jeweils m.w.N.).

Rz. 18

bb) Weiter genügt die Schiedsklausel auch nicht den Formvorschriften des deutschen Rechts (§ 1031 Abs. 5 ZPO), dessen Anwendung hier über den Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. VII UNÜ) eröffnet ist.

Rz. 19

(1) Soweit die Parteien in Bezug auf eine Schiedsklausel, die sich in einem Verbrauchervertrag i.S.v. Art. 29 Abs. 1 EGBGB a.F. befindet, eine Rechtswahl - anders als hier - nicht getroffen haben, führen die nach ständiger Rechtsprechung des BGH im Kollisionsfall berufenen Regeln des deutschen internationalen Privatrechts aufgrund der besonderen Kollisionsnorm des Art. 29 Abs. 3 Satz 2 EGBGB a.F. zur Maßgeblichkeit der Formvorschriften des deutschen Rechts (vgl. BGH, Urt. v. 8.6.2010 - XI ZR 349/08, WM 2010, 2025 Rz. 35 sowie v. 25.1.2011 - XI ZR 350/08, WM 2011, 548 Rz. 24, XI ZR 100/09, WM 2011, 645 Rz. 26 und XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rz. 29).

Rz. 20

(2) Daran ändert sich im Ergebnis nichts, wenn die Schiedsvereinbarung die Wahl ausländischen - wie hier New Yorker - Rechts enthält. Das gilt jedenfalls für den hier gegebenen Fall, in dem die Schiedsvereinbarung mit der diesbezüglichen Rechtswahl die Form des Art. II UNÜ nicht wahrt und deswegen unwirksam ist, und unabhängig davon, ob eine mit der Wahl ausländischen Rechts und eines ausländischen Schiedsortes verbundene Schiedsklausel unter Umständen gem. § 305c Abs. 1 BGB (vgl. dazu Berger, ZBB 2003, 77, 89 f.) oder § 307 BGB (vgl. dazu Wagner/Quinke, JZ 2005, 932, 937) unwirksam ist.

Rz. 21

(a) In der Literatur ist allerdings streitig, nach welchem Recht die Formgültigkeit der Schiedsabrede eines Verbrauchers bei einer auf sie bezogenen Rechtswahl zu beurteilen ist.

Rz. 22

So wird einerseits die Auffassung vertreten, dass sich in einem solchen Fall die Formgültigkeit der Schiedsabrede ausschließlich nach dem gewählten Recht richte (vgl. Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl., Rz. 6712; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, S. 235 ff.).

Rz. 23

Die Gegenmeinung wendet mit unterschiedlicher Begründung die den Verbraucherschutz betonende Regelung des § 1031 Abs. 5 ZPO auch bei der Wahl ausländischen Rechts an. Dabei wird teilweise § 1031 Abs. 5 ZPO als lex fori für unmittelbar anwendbar angesehen (so früher Staudinger/Hausmann, BGB (2002), Anhang II zu Art. 27-37 EGBGB Rz. 287; ders., FS für Lorenz, S. 359, 376 f.). Überwiegend wird aber eine analoge Anwendung von Art. 29 Abs. 3 Satz 2 EGBGB a.F. befürwortet (so Münch in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 1029 Rz. 34; Gildeggen, Internationale Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor deutschen Gerichten, S. 164 ff.).

Rz. 24

(b) Auch der erkennende Senat hat in seinem Beschluss vom 10.2.1998 (XI ZR 305/96, BGHR EGBGB (1986) Art. 29 - Schiedsklausel 1) trotz Vereinbarung ausländischen Rechts die Formvorschrift des § 1027 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. über Art. 29 EGBGB a.F. angewendet. Der Senat hält an dieser Entscheidung, deren Kernaussage auch für die Neufassung des § 1031 Abs. 5 ZPO weiterhin gilt (vgl. Ellenberger, WM 1999, Sonderbeilage Nr. 2, S. 21), mit der Maßgabe fest, dass in Fällen wie dem vorliegenden Art. 29 EGBGB a.F. lediglich entsprechend anwendbar ist. Die Schiedsabrede selbst ist kein Verbrauchervertrag i.S.v. Art. 29 Abs. 1 EGBGB a.F., so dass eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift ausscheidet. Bezieht sich die Schiedsabrede aber auf Rechtsstreitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag i.S.v. Art. 29 Abs. 1 EGBGB a.F., ist die analoge Anwendung der Vorschrift geboten, weil sonst eine mit dem Verbraucherschutz nicht zu vereinbarende formfreie Unterwerfung inländischer Verbraucher unter die Jurisdiktion ausländischer Schiedsgerichte möglich wäre (vgl. insofern zutreffend Staudinger/Hausmann, BGB (2002), Anhang II zu Art. 27-37 EGBGB Rz. 287).

Rz. 25

(c) Bei dem Kontoführungsvertrag, in dem die Schiedsklausel enthalten ist, handelt es sich um einen Verbrauchervertrag i.S.v. Art. 29 Abs. 1 EGBGB a.F., weil Bank- und Börsengeschäfte, die der Pflege des eigenen Vermögens dienen, grundsätzlich nicht als berufliche oder gewerbliche Tätigkeit gelten (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2001 - XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80, 86; v. 8.6.2010 - XI ZR 349/08, WM 2010, 2025 Rz. 34 sowie v. 25.1.2011 - XI ZR 350/08, WM 2011, 548 Rz. 25, XI ZR 100/09, WM 2011, 645 Rz. 27 und XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rz. 30, jeweils m.w.N.). Die in der Einredesituation für das wirksame Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. BGH, Urt. v. 9.3.2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rz. 22) hat keine der Verbrauchereigenschaft entgegenstehenden Umstände dargelegt.

Rz. 26

Liegt danach eine Vereinbarung eines Verbrauchers vor, auf die sich die Schiedsabrede bezieht, so sind in entsprechender Anwendung von Art. 29 Abs. 3 Satz 1 EGBGB a.F. die allgemeinen die Form betreffenden Kollisionsregeln des Art. 11 Abs. 1 bis 3 EGBGB a.F. nicht anwendbar und es gilt unabhängig von einer getroffenen Rechtswahl für die Form das Recht des Aufenthaltsorts des Verbrauchers, ohne dass ein Günstigkeitsvergleich stattfindet (vgl. Soergel/von Hoffmann, BGB, 12. Aufl., Art. 29 EGBGB Rz. 40; Martiny in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., Art. 29 EGBGB Rz. 74; PWW/Remien, BGB, 5. Aufl., ex Art. 29 EGBGB Rz. 24). Hierdurch wird nach dem Willen des Gesetzgebers dem Umstand Rechnung getragen, dass der Verbraucher meist nur mit den Formvorschriften seines Aufenthaltstaates vertraut ist und darüber hinaus im Bereich des Verbraucherschutzes ein enger Zusammenhang zwischen der für ein Rechtsgeschäft vorgeschriebenen Form und den zwingenden materiell-rechtlichen Schutzvorschriften besteht, die den Verbraucher am Ort seines gewöhnlichen Aufenthaltes auch im Fall einer Rechtswahl schützen (BT-Drucks. 10/504, 80).

Rz. 27

Die Voraussetzungen der danach hier anwendbaren strengen - den Verbraucherschutz betonenden - Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO sind nicht erfüllt. Die Schiedsabrede befindet sich nicht in einer separaten Urkunde und ist auch nicht eigenhändig von beiden Vertragsparteien unterzeichnet worden.

Rz. 28

2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber der Klage aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen wegen Teilnahme der Beklagten an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§§ 830, 826 BGB) stattgegeben.

Rz. 29

a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsgericht seiner Beurteilung deutsches Deliktsrecht zugrunde gelegt hat (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 9.3.2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rz. 29 ff.).

Rz. 30

b) Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht auch entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 22.11.2005 - XI ZR 76/05, WM 2006, 84, 86 m.w.N.) eine Haftung von S. wegen unzureichender Aufklärung über die Chancenlosigkeit der vermittelten Geschäfte bejaht (vgl. u.a. auch BGH, Urt. v. 25.1.2011 - XI ZR 100/09, WM 2011, 645 Rz. 31 und XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rz. 34). Allerdings kann mit der von ihm gegebenen Begründung eine deliktische Teilnehmerhaftung der Beklagten in Bezug auf diese Aufklärungspflichtverletzung nicht bejaht werden (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 25.1.2011 - XI ZR 100/09, WM 2011, 645 Rz. 32 und XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rz. 35).

III.

Rz. 31

Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

Rz. 32

1. Die rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen allerdings die Annahme, dass S. die Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat, indem er ihnen von vornherein chancenlose Börsentermin- und Optionsgeschäfte vermittelte (vgl. u.a. auch BGH, Urt. v. 25.1.2011 - XI ZR 195/08, WM 2011, 543 Rz. 20 ff., XI ZR 350/08, WM 2011, 548 Rz. 29 ff., XI ZR 100/09, WM 2011, 645 Rz. 34 ff. und XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rz. 37 ff.).

Rz. 33

2. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen im Ergebnis auch die Annahme einer objektiven Teilnahmehandlung der Beklagten zu dieser Haupttat (vgl. u.a. auch BGH, Urt. v. 9.3.2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rz. 37; v. 8.6.2010 - XI ZR 349/08, WM 2010, 2025 Rz. 50 sowie v. 25.1.2011 - XI ZR 195/08, WM 2011, 543 Rz. 29, XI ZR 350/08, WM 2011, 548 Rz. 38, XI ZR 100/09, WM 2011, 645 Rz. 39 und XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rz. 42).

Rz. 34

3. Hingegen hält die Begründung, mit der das Berufungsgericht die subjektiven Voraussetzungen des § 830 BGB bejaht hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Rz. 35

a) Die subjektiven Voraussetzungen einer haftungsrechtlich relevanten Mitwirkungshandlung sind erfüllt, wenn ein ausländischer Broker, der mit einem deutschen gewerblichen Terminoptionsvermittler zusammenarbeitet, positive Kenntnis von dessen Geschäftsmodell hat, das in der Gebührenstruktur zum Ausdruck kommt, d.h. wenn er die vom Vermittler erhobenen Gebühren und Aufschläge kennt, die die Geschäfte für den Anleger chancenlos machen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 12.10.2010 - XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rz. 51 f. m.w.N.).

Rz. 36

Falls er keine positive Kenntnis der Gebühren und Aufschläge für die von ihm ausgeführten Geschäfte hat, reicht es aus, wenn er das deutsche Recht, die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland und die zurückliegenden zahlreichen Missbrauchsfälle kennt und damit weiß, dass für den Vermittler aufgrund der hohen Gebührenaufschläge ein großer Anreiz besteht, seine geschäftliche Überlegenheit zum Schaden des Anlegers auszunutzen. In diesem Fall ist es für die Annahme eines bedingten Gehilfenvorsatzes nicht erforderlich, dass der Broker das praktizierte Geschäftsmodell des Vermittlers positiv kennt. Es genügt, dass er das Geschäftsmodell vor Beginn seiner Zusammenarbeit mit dem Vermittler keiner Überprüfung unterzieht, sondern dem Vermittler bei gleichzeitiger Haftungsfreizeichnung deutlich zu erkennen gibt, keine Kontrolle seines Geschäftsgebarens gegenüber seinen Kunden auszuüben und ihn nach Belieben schalten und walten zu lassen. Wenn der Broker auf diese Weise die Augen bewusst vor der sich aufdrängenden Erkenntnis der Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells des Vermittlers verschließt und diesem das unkontrollierte Betreiben seines Geschäftsmodells ermöglicht, überlässt er die Verwirklichung der erkannten Gefahr dem Zufall und leistet zumindest bedingt vorsätzliche Beihilfe zu der unerlaubten Handlung des Vermittlers (BGH, Urt. v. 9.3.2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rz. 42 f.; v. 8.6.2010 - XI ZR 349/08, WM 2010, 2025 Rz. 52; v. 13.7.2010 - XI ZR 57/08, BKR 2010, 421 Rz. 53 und XI ZR 28/09, WM 2010, 1590 Rz. 53; v. 12.10.2010 - XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rz. 51, jeweils m.w.N.).

Rz. 37

b) Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte positive Kenntnis von den Gebühren und Aufschlägen hatte, die die Kläger an S. zu entrichten hatten. Es ist auch nicht festgestellt, dass die Beklagte die zurückliegenden zahlreichen Missbrauchsfälle kannte und damit wusste, dass für S. aufgrund hoher Gebührenaufschläge ein großer Anreiz bestand, seine geschäftliche Überlegenheit zum Schaden der Anleger auszunutzen. Allein die vom Berufungsgericht angeführte allgemeine Kenntnis der Beklagten von den wesentlichen Grundlagen, den wirtschaftlichen Zusammenhängen und den extremen Verlustrisiken bei Optionsgeschäften mit hohen Aufschlägen auf die Optionsprämie sowie das Unterlassen eigener Schutzmaßnahmen rechtfertigen nicht den Schluss auf eine Kenntnis oder ein In-Kauf-Nehmen des nach deutschem Recht sittenwidrigen Geschäftsmodells, wie es in den zwischen den Klägern und S. zustande gekommenen Geschäftsbesorgungsverträgen dokumentiert ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2010 - XI ZR 28/09, WM 2010, 1590 Rz. 54).

IV.

Rz. 38

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Rz. 39

Dabei kann vom Vorliegen einer Haupttat, d.h. einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Kläger durch S. gem. § 826 BGB, und einer objektiven Teilnahmehandlung der Beklagten ausgegangen werden. Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des erkennenden Senats (u.a. Urt. v. 9.3.2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rz. 38 ff. sowie v. 25.1.2011 - XI ZR 195/08, WM 2011, 543 Rz. 31 ff. und XI ZR 350/08, WM 2011, 548 Rz. 40 ff.) und insoweit ggf. ergänzendem Vortrag der Parteien Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen einer Teilnahme der Beklagten an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Kläger durch S. gem. §§ 826, 830 BGB zu treffen haben.

Rz. 40

Dabei weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch entgegen der Ansicht der Revision nicht verjährt ist (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 25.1.2011 - XI ZR 350/08, WM 2011, 548 Rz. 51 ff. und XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rz. 58 ff.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2723638

EBE/BGH 2011

NJW-RR 2012, 49

WM 2011, 1434

ZIP 2011, 2325

MDR 2011, 1003

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