Leitsatz (amtlich)
Auch bei einem durch Landesgesetz angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich Abfallentsorgung und Straßenreinigung kommt das privatrechtliche Nutzungsverhältnis durch Angebot, das regelmäßig als Realofferte in der tatsächlichen Leistungsgewährung liegt, und Annahme durch die Entgegennahme der Leistungen zustande.
a) Die landesrechtlichen Regelungen des Landes Berlin zum Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich Abfallentsorgung und Straßenreinigung sind dahin auszulegen, dass sich die Realofferte an die Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähiger Verband richtet und diese Entgeltschuldnerin ist.
b) Eine gesamtschuldnerische Haftung der einzelnen Wohnungseigentümer ergibt sich weder aus den landesrechtlichen Vorschriften des Landes Berlin noch aus den Leistungsbedingungen der Berliner Stadtreinigungsbetriebe.
Normenkette
BGB § 145; WEG § 10 Abs. 6; KrW-/AbfG Berlin § 8 Abs. 1; StrReinG Berlin § 5 Abs. 1; StrReinG Berlin § 7 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.03.2011; Aktenzeichen 16 S 14/10) |
AG Berlin-Spandau (Entscheidung vom 20.01.2010; Aktenzeichen 13 C 91/09) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 16 des LG Berlin vom 15.3.2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, eine Anstalt öffentlichen Rechts, betreibt in Berlin die Abfallentsorgung und Straßenreinigung. Sie verlangt von der Beklagten als ehemaligem Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft und als Gesamtschuldnerin mit den anderen Wohnungseigentümern Entgelt für Straßenreinigung und Abfallentsorgung.
Rz. 2
Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Berlin (KrW-/AbfG) enthält u.a. folgende Bestimmungen:
§ 5 Entsorgungspflicht ... (2) Die Abfallbesitzer haben das Recht und die Pflicht, die Abfälle, die sie gem. § 13 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes dem Land Berlin zu überlassen haben, durch die in Abs. 1 genannten Stellen entsorgen zu lassen (Anschluss- und Benutzungszwang). § 8 Gebühren und Entgelte (1) Die Kosten der Abfallentsorgung durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sind durch privatrechtliche Entgelte zu decken, ... Schuldner der Abfallentsorgungskosten sind in der Regel die benutzungspflichtigen Grundstückseigentümer. Anstelle der Eigentümer kann der Erbbauberechtigte, der Nießbraucher oder ein sonstiger dinglich Nutzungsberechtigter sowie der Abfallerzeuger oder Abfallbesitzer zur Zahlung herangezogen werden.
Rz. 3
Im Straßenreinigungsgesetz Berlin (StrReinG) ist Folgendes geregelt:
§ 4 Straßenreinigungspflichtige (1) Die ordnungsgemäße Reinigung der in den Straßenreinigungsverzeichnissen A und B aufgeführten Straßen obliegt dem Land Berlin als öffentliche Aufgabe für die Anlieger und Hinterlieger (Anschluss- und Benutzungszwang) ... § 5 Anlieger- und Hinterlieger (1) Anlieger sind die Eigentümer der an eine öffentliche Straße angrenzenden Grundstücke. Hinterlieger sind die Eigentümer solcher Grundstücke, die nicht an eine öffentliche Straße angrenzen, jedoch von einer öffentlichen Straße aus eine Zufahrt oder einen Zugang haben. Ist an einem Grundstück ein Erbbaurecht, ein Nießbrauch oder ein sonstiges dingliches Nutzungsrecht bestellt, so ist der daraus Berechtigte ebenfalls Anlieger oder Hinterlieger. § 7 Kosten der Straßenreinigung (1) Die Kosten der von den Berlin Stadtreinigungsbetrieben (BSR) durchzuführenden ordnungsmäßigen Reinigung mit Ausnahme der Kosten nach Abs. 6 sind zu 75 v.H. durch Entgelte zu decken; ... (2) Die Entgelte sind von den Anliegern und Hinterliegern der Straßen, die in den Straßenreinigungsverzeichnissen A und B aufgeführt sind, zu entrichten. Sind für ein Grundstück mehrere Personen entgeltpflichtig, so haften sie als Gesamtschuldner.
Rz. 4
Die Leistungsbedingungen der Klägerin (Stand 1.1.2005 mit Änderungen vom 18.11.2005) enthalten hinsichtlich der Entgelte für Straßenreinigung und Abfallentsorgung folgende Regelungen:
1.3 Schuldner der Straßenreinigungsentgelte 1.3.1 Grundsatz Schuldner der Straßenreinigungsentgelte sind die Eigentümer der an eine im Straßenreinigungsverzeichnis A oder B aufgeführten öffentliche Straße angrenzenden Grundstücke (Anlieger) sowie die Eigentümer der Grundstücke, die nicht an eine solche öffentliche Straße angrenzen, aber über einen Zugang oder eine Zufahrt zu dieser verfügen (Hinterlieger). Näheres regelt das Straßenreinigungsgesetz in der jeweils gültigen Fassung ... 1.3.2 Gesamtschuldnerschaft Mehrere Entgeltschuldner haften als Gesamtschuldner ... 2. Abfallentsorgung 2.1 Allgemeine Grundsätze 2.1.1 Begriffsbestimmungen ... ... (7) Grundstückseigentümern stehen Erbbauberechtigte, Wohnungseigentümer, Wohnungserbbauberechtigte, Nießbraucher, sonstige zur Nutzung eines Grundstücks dinglich Berechtigte, denen nicht nur eine Grunddienstbarkeit oder eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zusteht, gleich. Von mehreren dinglich Berechtigten ist jeder berechtigt und verpflichtet; sie haften als Gesamtschuldner. ... 2.2.19 Entgeltschuldner für die Abfallentsorgung (1) Wer Schuldner des Entgeltes ist, richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften über die Abfallentsorgung des Landes Berlin in der jeweils geltenden Fassung. Demgemäß ist Schuldner der Entgelte für die Entsorgung von Abfällen, die in Haushaltungen anfallen oder mit den in Haushaltungen anfallenden Abfällen gemeinsam entsorgt werden können, der Grundstückseigentümer oder sonst dinglich Berechtigte. (2) ... (3) Im Übrigen finden die Nr. 1.3.2 bis 1.3.5 entsprechende Anwendung.
Rz. 5
Die Beklagte war von 1998 bis zum 27.4.2006 Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft mit einem Anteil von 574,39/10.000. Die Klägerin verlangt von ihr die Entgelte für die Jahre 2005 und 2006i.H.v. 2.685,18 EUR sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
Rz. 6
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht führt aus, bei den geltend gemachten Ansprüchen handele es sich um eine den Verband der Wohnungseigentümer als solchen treffende "Gesellschaftsangelegenheit". Im Hinblick auf die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft sei Vertragspartner in der Regel der Verband. Ein mit der Gesamtheit der Wohnungseigentümer geschlossener Vertrag sei mit der Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähigem Verband, nicht mit den einzelnen Eigentümern, geschlossen. Den einschlägigen gesetzlichen Normen könne nicht entnommen werden, dass dort eine Regelung gerade im Verhältnis zu einer in Betracht kommenden Haftung auch einer Wohnungseigentümergemeinschaft getroffen worden sei. Aus den Vorschriften ergebe sich gerade nichts, was auf einen solchen Regelungsgehalt hindeutete. Insbesondere dem Straßenreinigungsgesetz lasse sich nicht entnehmen, dass der Wille des Gesetzgebers dahin gegangen sei, ausschließlich die Eigentümer im Gegensatz zu einer Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichten zu wollen.
Rz. 9
Auch bei einem Anschluss- und Benutzungszwang komme ein Vertrag nicht ipso iure zustande, sondern durch Angebot und Annahme, wobei das Angebot häufig in der Realofferte der tatsächlichen Leistungserbringung bestehe, das konkludent angenommen werde. Dass das Angebot der Klägerin nicht gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgt wäre, sondern gegenüber den einzelnen Eigentümern, sei nicht ersichtlich.
II.
Rz. 10
Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Rz. 11
1. In § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG Berlin und in § 4 Abs. 1 Satz 1 StrReinG Berlin wird hinsichtlich der Abfallentsorgung und der Straßenreinigung ein Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet. Das privatrechtliche Nutzungsverhältnis zwischen der Klägerin und den Beziehern ihrer Leistungen entsteht allerdings nicht kraft dieser gesetzlichen Anordnung. Erforderlich ist vielmehr ein Angebot der Klägerin, das regelmäßig als Realofferte in der tatsächlichen Leistungsgewährung liegt, und die Annahme dieses Angebots durch die Entgegennahme der Leistungen (vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1983 - III ZR 227/82, MDR 1984, 558; v. 10.12.2008 - VIII ZR 293/07, NJW 2009, 913; KG, ZMR 2009, 786; vgl. auch Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl., § 23 Rz. 70, und Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 29 Rz. 34).
Rz. 12
2. Die Realofferte der Klägerin richtete sich nicht an die einzelnen Wohnungseigentümer, sondern an die Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese wird auch Schuldnerin des für die Abfallentsorgung und die Straßenreinigung zu entrichtenden Entgelts. Das ergibt die Auslegung ihrer Leistungsbedingungen.
Rz. 13
a) Der Senat kann die Leistungsbedingungen selbst unbeschränkt auslegen. Es handelt sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, deren räumlicher Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus erstreckt (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2010 - VIII ZR 329/08, NJW 2010, 932 = ZfBR 2010, 364). Der Senat ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht deshalb gehindert, sich mit den Leistungsbedingungen zu befassen, weil diese erstmals im Revisionsverfahren zu den Akten gereicht wurden. Es handelt sich nicht um neuen Vortrag der Klägerin. Wie sich aus den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Schriftsätzen ergibt, waren die einschlägigen Bestimmungen der Leistungsbedingungen bereits Gegenstand des Vortrags der Parteien vor dem Berufungsgericht.
Rz. 14
b) Es kann dahinstehen, inwieweit der Senat in der Auslegung der Leistungsbedingungen dadurch beschränkt ist, dass diese sich an den jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften orientieren, die vom Berufungsgericht in einer bestimmten Weise zugunsten der Beklagten verstanden werden, und der Senat an die vom Berufungsgericht jedenfalls teilweise vorgenommene Auslegung des Landesrechts gebunden ist (vgl. § 545 Abs. 1 ZPO a.F., § 560 ZPO i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG). Denn auch bei einer uneingeschränkten Möglichkeit der Überprüfung der Leistungsbedingungen wäre das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis nicht zu beanstanden.
Rz. 15
aa) An wen sich die Realofferte der Klägerin richtet, ist - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat und von der Klägerin auch nicht in Frage gestellt wird - nach den Leistungsbedingungen eng mit der Frage verknüpft, wer das Entgelt für die jeweiligen Leistungen zu entrichten hat. Die Leistungsbedingungen wiederholen hinsichtlich der Entgeltschuldner in Nr. 1.3.1 und Nr. 1.3.2 im Wesentlichen den Wortlaut von §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2 StrReinG Berlin und nehmen in Nr. 2.2.19 auf die landesrechtlichen Vorschriften über die Abfallentsorgung Bezug. Ihre Auslegung muss sich deshalb daran orientieren, wie die genannten gesetzlichen Normen ihrerseits auszulegen sind. Inwieweit die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Auslegung des Landesrechts binden, kann dahinstehen. Liegt eine Bindung nicht vor, kann der Senat - woran er in dem seiner Entscheidung v. 18.6.2009 - VII ZR 196/08, BGHZ 181, 304, zugrunde liegenden Fall noch gehindert war - die Vorschriften selbst auslegen (Wenzel in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 545 Rz. 13 m.w.N.). Insoweit kommt er zu keinem anderen Ergebnis als das Berufungsgericht.
Rz. 16
bb) Gemäß § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG Berlin unterliegen die Abfallbesitzer und gem. § 4 Abs. 1 StrReinG Berlin hinsichtlich der Straßenreinigung die Anlieger und Hinterlieger dem Anschluss- und Benutzungszwang. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 KrW-/AbfG Berlin und § 7 Abs. 2 Satz 1 StrReinG i.V.m. § 5 Abs. 1 StrReinG Berlin sind entgeltpflichtig die jeweiligen Grundstückseigentümer bzw. die sonstigen dinglich Berechtigten. Bei der Auslegung dieser Regelungen kann nicht allein auf den Wortlaut abgestellt werden. Dieser ist für die Frage, ob eine Wohnungseigentümergemeinschaft oder die einzelnen Wohnungseigentümer als Abfallbesitzer oder Anlieger anzusehen sind, nicht eindeutig.
Rz. 17
Das ergibt sich, worauf das Berufungsgericht zutreffend abstellt, hinsichtlich der Abfallbeseitigung daraus, dass Entgeltschuldner der Grundstückseigentümer nur "in der Regel" ist, § 8 Abs. 1 KrW-/AbfG Berlin (KG, ZMR 2009, 786 bei juris Rz. 13). Auch die Regelung unter 2.1.1 Abs. 7 der Leistungsbedingungen ist nicht klar, wenn dort den Grundstückseigentümern die Wohnungseigentümer gleichgestellt werden. Denn in diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass im Lichte der neueren Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 2.6.2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154 ff.) mit der Bezeichnung "Wohnungseigentümer" auch der rechtsfähige Verband gemeint sein könnte, wenn es sich um eine im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums liegende Angelegenheit handelt, in der die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen kann. Das ist hier der Fall. Straßenreinigung und Müllabfuhr sind Verwaltungsangelegenheiten, so dass insoweit die Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähiges Subjekt am Rechtsverkehr teilnehmen kann.
Rz. 18
Auch hinsichtlich der Straßenreinigung ist die Regelung im Wortlaut nicht eindeutig so gestaltet, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähiger Verband als Adressat der Realofferte ausgeschlossen ist. Das ergibt sich daraus, dass das Gesetz in erster Linie auf den Anlieger abstellt und die Erläuterung unter § 5 Abs. 1 StrReinG Berlin, wer Anlieger in diesem Sinne ist, ersichtlich nicht den Fall im Auge hat, dass ein Grundstück an die zu reinigende Straße angrenzt, das im Eigentum von Wohnungseigentümern steht.
Rz. 19
Bei der Auslegung müssen sowohl die Interessen der Klägerin als auch die der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen berücksichtigt werden. Die Klägerin kann sich im Hinblick auf den gesetzlich angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang ihre Vertragspartner nicht aussuchen, sie kann ihre Leistungen nicht von der Stellung von Sicherheiten abhängig machen und ihr ist bei einer Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft der Zugriff auf das Privatvermögen der einzelnen Wohnungseigentümer einschließlich ihres Wohnungseigentums verwehrt (vgl. dazu KG NJW 2006, 3647, und Briesemeister, ZWE 2008, 230, 232). Dagegen steht das Interesse der Wohnungseigentümer, nicht gesamtschuldnerisch auch für die von den anderen Eigentümern geschuldeten Entgelte einstehen zu müssen (vgl. KG, ZMR 2009, 786). Bei der Auslegung kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach der neueren Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 2.6.2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154) die Wohnungseigentümergemeinschaft rechtsfähig ist, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt, vgl. auch § 10 Abs. 6 WEG. Dieser rechtsfähige Verband haftet mit seinem Verwaltungsvermögen für die entstandenen Verbindlichkeiten, § 10 Abs. 7 WEG. Die einzelnen Wohnungseigentümer sollen hierdurch vor einer umfassenden gesamtschuldnerischen Haftung bewahrt werden. Gemäß § 10 Abs. 8 WEG haften sie nur noch anteilig für die Verbindlichkeiten der Gemeinschaft.
Rz. 20
Die Entgeltregelungen sind nicht streng formal dahin zu verstehen, dass jeder, der in einer dinglichen Rechtsbeziehung zu einem Grundstück steht, entgeltpflichtig ist. Sie sollen sicherstellen, dass der Klägerin für ihre Leistungen hinsichtlich eines jeden Grundstücks ein Entgeltpflichtiger zur Verfügung steht, sie soll jeweils auf eine Haftungsmasse zugreifen können. Den Fall, dass die Leistungen der Klägerin einer Vielzahl von Wohnungseigentümern zugute kommen, die jeweils nur zu einem geringen Bruchteil Grundstückseigentümer und in einer Wohnungseigentümergemeinschaft zusammengeschlossen sind, haben die Gesetze nicht vor Augen. Bei einer interessengerechten Auslegung der landesgesetzlichen Normen ist der rechtsfähige Verband mit seinem Verwaltungsvermögen der Adressat der Realofferte und auch Schuldner des Entgelts. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die von der Klägerin real angebotenen Leistungen nicht von den einzelnen Wohnungseigentümern direkt in Anspruch genommen werden. Das gilt ohne Weiteres für die Straßenreinigung. Soweit die Abfallentsorgung betroffen ist, hat die Klägerin keine Anhaltspunkte dafür dargelegt, die darauf schließen lassen, dass nicht die Gesamtheit der Wohnungseigentümer, sondern jeder einzelne von ihnen Adressat der Realofferte sein könnte (vgl. KG, ZMR 2009, 786, bei juris Rz. 11, 14). Nach ihrer eigenen Darstellung erfolgte die Entsorgung des Hausmülls durch die einzelnen Wohnungseigentümer in ein 1.100l Gefäß, das von ihr wöchentlich geleert wurde.
Rz. 21
cc) Entgegen der Ansicht der Revision steht dieser Auslegung nicht entgegen, dass nach den Kommunalabgabengesetzen mancher Bundesländer die Haftung für öffentliche Abgaben an die Stellung als Grundstückseigentümer bzw. als dinglich Nutzungsberechtigter geknüpft ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 11.5.2010 - IX ZR 127/09, Rpfleger 2010, 683 = ZMR 2011, 143 bei juris Rz. 11). Auf dieser Grundlage hat etwa der VGH Baden-Württemberg (ZMR 2006, 818 und NJW 2009, 1017) die entsprechenden landesgesetzlichen Normen für die Abwasser- bzw. Abfallgebühren dahin ausgelegt, dass sie eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer begründen. Er hat dabei allein darauf abgestellt, dass die Wohnungseigentümer Miteigentümer des Grundstücks sind, und es abgelehnt, bei der Auslegung den Umstand zu berücksichtigen, dass der BGH zwischenzeitlich die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft anerkannt hat. Dem vermag der Senat für die hier zu beurteilende Regelung eines Anschluss- und Benutzungszwangs für Abfallentsorgung und Straßenreinigung nicht zu folgen. Dass es sich bei der Wohnungseigentümergemeinschaft um ein teilrechtsfähiges Subjekt handelt und sich daraus Konsequenzen für das Haftungssystem ergeben (BGH, Beschl. v. 2.6.2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 172 f., und Urt. v. 20.1.2010 - VIII ZR 329/08, NJW 2010, 932 = ZfBR 2010, 364 bei juris Rz. 12), kann bei der Auslegung jedenfalls dann nicht außer Betracht bleiben, wenn die Inanspruchnahme der kommunalen Leistung nicht öffentlich-rechtlich durch Satzung, sondern, wie hier, durch privatrechtlichen Vertrag ausgestaltet ist. Demgemäß beschränkt das OLG Hamm (NJW-RR 2009, 1463) die von ihm angenommene gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer ausdrücklich auf die Gebührenpflicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Satzung und räumt ein, dass bei einem privatrechtlich ausgestalteten Nutzungsverhältnis etwas anderes gelten kann.
Rz. 22
dd) Auch aus den Urteilen des BGH vom 10.12.2008 (VIII ZR 293/07, NJW 2009, 913) und vom 5.7.2005 (X ZR 99/04, WuM 2005, 593) kann die Revision nichts zu ihren Gunsten herleiten. Beide Urteile betrafen nicht Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Im ersten Urteil ging es um die Frage, ob hinsichtlich der Wasserver- und -entsorgung eines Grundstücks Entgeltschuldner der Eigentümer oder ein langjähriger Mieter war. Gegenstand des zweiten Urteils war die Frage, ob die vom Entgeltschuldner erhobene Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, durchgreift.
Rz. 23
ee) Im Hinblick auf die weitgehende Übereinstimmung der Leistungsbedingungen der Klägerin mit den gesetzlichen Regelungen sind auch sie dahin auszulegen, dass sich die Realofferte der Klägerin an die Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähigen Verband richtet und diese das Entgelt schuldet. Mit ihr ist das privatrechtliche Nutzungsverhältnis zustande gekommen (im Ergebnis ebenso Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 10 Rz. 496; Weise in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 10 Rz. 120; Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 10 Rz. 310; Dötsch in BeckOK WEG, Stand: 1.9.2011, § 10 Rz. 568; KG, MDR, 2008, 967 = IMR 2008, 167 mit zustimmender Anmerkung von Wenzel; KG, ZMR 2009, 786; vgl. auch BGH, Urt. v. 20.1.2010 - VIII ZR 329/08, NJW 2010, 932 = ZfBR 2010, 364; a.A. KG NJW 2006, 3647; Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 10 Rz. 100; Briesemeister, ZWE 2008, 230).
Rz. 24
3. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer käme danach nur dann in Betracht, wenn sie - wovon der Senat in seinem Urt. v. 18.6.2009 - VII ZR 196/08, BGHZ 181, 304 wegen der Bindung an die Auslegung landesgesetzlicher Normen durch das Berufungsgericht ausgehen musste - auf einer gesetzlichen Anordnung beruht oder sich aus den Leistungsbedingungen in Verbindung mit den ihnen zugrunde liegenden landesgesetzlichen Normen klar und eindeutig ergäbe, dass neben dem Verband auch der einzelne Wohnungseigentümer verpflichtet werden sollte (BGH, Beschl. v. 2.6.2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 176 f.; Urt. v. 7.3.2007 - VIII ZR 125/06, NJW 2007, 2987 = BauR 2007, 1041; Urt. v. 20.1.2010 - VIII ZR 329/08, NJW 2010, 932 = ZfBR 2010, 364). Das ist nicht der Fall. Auch insoweit kann dahinstehen, ob der Senat an die jedenfalls teilweise vorgenommene Auslegung des Landesrechts durch das Berufungsgericht gebunden ist. Denn die landesrechtlichen Normen können entgegen der Ansicht der Revision nicht dahin ausgelegt werden, dass sie eine gesamtschuldnerische Mithaftung der Wohnungseigentümer zusätzlich zu der vertraglichen Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft anordnen. Die Gesetze gehen davon aus, dass der Klägerin ein Entgeltpflichtiger aufgrund eines privatrechtlichen Nutzungsverhältnisses gegenübersteht. Ein System, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Vertragspartei ist und neben ihr von Gesetzes wegen eine Nichtvertragspartei zusätzlich gesamtschuldnerisch haftet, liegt ihnen nicht zugrunde (vgl. Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 10 Rz. 497). Nicht ergiebig ist auch der Hinweis der Revision darauf, dass nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KrW-/AbfG Berlin anstelle der Eigentümer und sonst dinglich Nutzungsberechtigten auch der Abfallerzeuger oder Abfallbesitzer zur Zahlung herangezogen werden kann. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer neben dem Verband ergibt sich daraus nicht. Ebenso wenig lässt sich aus den Leistungsbedingungen eine eindeutige und klare Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung der einzelnen Wohnungseigentümer neben dem Verband herleiten.
Rz. 25
Dieses Ergebnis beeinträchtigt die Interessen der Klägerin entgegen ihrer Auffassung nicht in unzumutbarer Weise. Sie kann auf das Verwaltungsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft zugreifen, das in der Regel einen für ihre Befriedigung ausreichenden Bestand aufweisen wird. Darüber hinaus kann sie gem. § 10 Abs. 8 WEG jeden Wohnungseigentümer im Verhältnis seines Miteigentumsanteils in Anspruch nehmen.
Rz. 26
4. Ohne Erfolg beruft sich die Revision hilfsweise darauf, dass die Beklagte gem. § 10 Abs. 8 WEG jedenfalls anteilig nach dem Verhältnis ihres Miteigentumsanteils hafte. Zwar ist die Vorschrift auch auf vor Inkrafttreten des neuen Wohnungseigentumsgesetzes entstandene Wohnungseigentümergemeinschaften anwendbar (BGH, Urt. v. 20.1.2010 - VIII ZR 329/08, NJW 2010, 932 = ZfBR 2010, 364 bei juris Rz. 15; v. 18.6.2009 - VII ZR 196/08, BGHZ 181, 304 Rz. 14). Die Klägerin hat jedoch einen auf der anteiligen Einstandspflicht der Beklagten für Verwaltungsschulden der Gemeinschaft beruhenden Anspruch in beiden Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht. Das kann sie im Revisionsverfahren nicht nachholen (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.2011 - VII ZR 54/10, BauR 2011, 1041 = NZBau 2011, 416 = ZfBR 2011, 467 Rz. 22).
III.
Rz. 27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2961859 |
BGHZ 2013, 10 |