Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Leitsatz (amtlich)
1. Auch ein willkürlich erlassener Beschluß nach § 270 StPO macht das Verfahren bei dem Gericht, an das verwiesen wurde, rechtshängig, da der Verweisungsbeschluß nicht nichtig, sondern (nur) rechtsfehlerhaft ist.
2. Trotz willkürlicher Verweisung verbleibt die Sache bei dem höheren Gericht, wenn dessen sachliche Zuständigkeit tatsächlich gegeben ist.
Normenkette
StPO 1975 § 270 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 7 KLs 31 Js 159/98 (10/98)) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 17. August 1998 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen verkauften der Angeklagte und sein gesondert verfolgter Mittäter an fünf kurz aufeinanderfolgenden Tagen in einer Vielzahl von Einzelfällen Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 44 % an Endverbraucher; die gesamte zum Verkauf bestimmte Menge belief sich auf mindestens 25 g Kokain. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt und – in der Gegenerklärung zum Antrag des Generalbundesanwalts nach § 349 Abs. 2 StPO – das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung einwendet, hat keinen Erfolg.
I.
Das vom Angeklagten behauptete Verfahrenshindernis besteht nicht. Der Angeklagte war zunächst wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen, in einem Fall in nicht geringer Menge, angeklagt worden. Nachdem das Schöffengericht diese Anklage zugelassen hatte, verwies es die Sache in der Hauptverhandlung durch Beschluß an das Landgericht Münster, „da nach dem bisherigen Beweisergebnis eine höhere Freiheitsstrafe als vier Jahre … zu erwarten ist”.
1. Die Revision geht zutreffend davon aus, daß der Senat die von ihr nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist aufgeworfene Frage, ob das Amtsgericht das Verfahren wirksam an das Landgericht verwiesen hat, von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. BGHSt 6, 109, 113; BGH bei Dallinger MDR 1966, 894; bei Kusch NStZ 1992, 29; ebenso Pfeiffer StPO 2. Aufl. § 270 Rdn. 11; vgl. auch BGHSt 18, 290, 294: Grundlage des weiteren Verfahrens). § 270 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StPO, auf den der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts gestützt ist, regelt, wie zu verfahren ist, wenn sich die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit nach Beginn der Hauptverhandlung ändert. Die sachliche Zuständigkeit ist, wie der Senat wiederholt entschieden hat, nach § 6 StPO als Prozeßvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (BGHSt 40, 120, 122 = JZ 1995, 261 mit kritischer Anm. Engelhardt = JR 1995, 255 mit zustimmender Anm. Sowada; BGHSt 44, 34, 36 = JR 1998, 467 mit zustimmender Anm. Dietmeier; BGHR StPO § 269 Unzuständigkeit 4; Beschlüsse vom 3. August 1995 - 4 StR 420/95 und vom 16. April 1996 - 4 StR 80/96; ebenso Kuckein in KK/StPO 4. Aufl. § 338 Rdn. 66; a.A. - jeweils obiter dicta - BGHSt 43, 53, 56 = JZ 1998, 627 mit ablehnender Anm. Bernsmann; BGH NJW 1993, 1607). Dies umfaßt die Frage, ob die Sache beim Landgericht prozeßordnungsgemäß anhängig geworden ist (vgl. BGHR StPO § 4 Verbindung 3; § 270 Abs. 1 Wirksamkeit 1; vgl. auch BGHSt 44, 121).
2. Der auf § 270 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StPO gestützte Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts, das nach Beginn der Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Münster für begründet hielt, ist wirksam.
a) Allerdings begegnet das Verfahren des Schöffengerichts wegen des aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Verbots willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (vgl. BVerfGE 29, 45, 48; BGHSt 40, 120) insoweit Bedenken, als es die Sache ohne Beweisaufnahme an das Landgericht verwiesen hat, nachdem der Angeklagte von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hatte. Grundsätzlich darf das Amtsgericht – abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall, daß es das Hauptverfahren nur aus Versehen vor sich eröffnet hat („korrigierende Verweisung”, vgl. RGSt 64, 179, 180; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 270 Rdn. 16) – erst dann wegen unzureichender Rechtsfolgenkompetenz (§ 24 Abs. 2 GVG) an das Landgericht verweisen, wenn es die Verhandlung soweit geführt hat, daß der Schuldspruch feststeht, und sich die Straferwartung soweit verfestigt hat, daß nicht mehr zu erwarten ist, eine mildere Beurteilung werde noch eine Strafe im Rahmen seiner Strafgewalt als ausreichend erscheinen lassen (OLG Karlsruhe NStZ 1990, 100 = JR 1991, 36 mit zustimmender Anm. Gollwitzer; OLG Düsseldorf StraFo 1998, 274; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 270 Rdn. 10 m.w.N.). Dies gilt insbesondere für den Ausschluß eines minder schweren Falles – hier nach § 30 a Abs. 3 BtMG (vgl. OLG Frankfurt StV 1996, 533, 534). Es gibt nämlich keine dem hinreichenden Tatverdacht entsprechende „hinreichende Straferwartung”; § 24 Abs. 2 GVG enthält lediglich das Verbot, auf eine den Strafbann überschreitende Sanktion „zu erkennen” (vgl. Rieß GA 1976, 1, 17). Das Gericht bleibt vielmehr bei sonst unveränderter Sach- und Rechtslage zunächst an seine der Eröffnungsentscheidung zugrundeliegende Straferwartung gebunden, weil andernfalls die für eine geordnete Verfahrensabwicklung notwendige Kontinuität der einmal – im Interesse der Verfahrensbeschleunigung gemäß §§ 210, 336 Satz 2 StPO grundsätzlich unanfechtbar (BGHSt 29, 216, 219) – begründeten Zuständigkeit ständig in Frage gestellt werden könnte (OLG Frankfurt NStZ-RR 1997, 311, 312; Gollwitzer JR 1991, 37, 38).
b) Hieraus kann allerdings nicht die Folgerung gezogen werden, der Verweisungsbeschluß sei deswegen nichtig.
aa) Ein Verweisungsbeschluß ist vielmehr grundsätzlich wirksam und bindend, auch wenn er unvollständig, formell fehlerhaft oder sachlich falsch ist (BGHSt 27, 99, 103; BGH NStZ 1988, 236; BGHR StPO § 270 Wirksamkeit 1). Für willkürlich vorgenommene Verweisungen kann nichts anderes gelten: Zwar entfällt dann die Bindungswirkung (BVerfGE 29, 45, 48 f. zu § 276 ZPO a.F.; BGHSt 29, 216, 219; BGH bei Kusch NStZ 1992, 29; Schlüchter in SK/StPO § 270 Rdn. 27); auch in diesem Fall ist der Verweisungsbeschluß aber nicht nichtig, sondern wirksam (Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 270 Rdn. 20), ihm kommt die sogenannte „Transportwirkung” zu.
bb) Der gegenteiligen Meinung (OLG Karlsruhe NStZ 1990, 100; OLG Koblenz NStE Nr. 5 zu § 270; OLG Hamm MDR 1993, 1002; OLG Frankfurt StV 1996, 533; OLG Naumburg JMBl.LSA 1996, 229, 230; OLG Düsseldorf StraFo 1997, 115, 116; 1998, 274, 275; Gollwitzer aaO § 270 Rdn. 37; Schlüchter aaO § 270 Rdn. 28; Engelhardt in KK/StPO 4. Aufl. § 270 Rdn. 26; vgl. auch den Beschluß des BGH vom 17. März 1999 - 3 ARs 2/99, Seite 5 f., zum Abdruck in BGHSt bestimmt, in dem aber die Frage einer Transportwirkung offenbleibt) liegt die Annahme zugrunde, gerichtliche Entscheidungen könnten in seltenen Ausnahmefällen nichtig sein (vgl. BVerfG NJW 1985, 125 f.; BGHSt 33, 126, 127; BGH NStZ 1984, 279). Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die dagegen bestehenden Bedenken (vgl. Sarstedt JR 1955, 351 f.; Grünwald ZStW 76, 250; Meyer-Goßner JR 1981, 379 f.; Rieß in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. Einl. Abschn. J Rdn. 116 ff. und Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO Einl. Rdn. 105, jeweils m.w.N.) – etwa das rechtsstaatliche Gebot der Rechtssicherheit, das den Eintritt der Rechtskraft nach Ausschöpfung der formalisierten Rechtsbehelfe der Strafprozeßordnung (einschließlich § 458 StPO) fordert; die Funktion des Wiederaufnahmeverfahrens zur Beseitigung von (denkbaren) Fehlentscheidungen; die mögliche Beeinträchtigung der Schutzfunktion des Grundsatzes ne bis in idem; der Schutz der Verfassungsbeschwerde und das Fehlen praktikabler Abgrenzungskriterien – nicht von vornherein die Unbeachtlichkeit von Strafurteilen oder anderen instanzabschließenden Entscheidungen ausschließen.
cc) Jedenfalls bei der gerichtlichen Zwischenentscheidung nach § 270 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StPO erscheint es verfehlt, deren Nichtigkeit anzunehmen (vgl. auch BGHSt 29, 351, 355 = JR 1981, 377 mit kritischer Anm. Meyer-Goßner). Dies würde regelmäßig schwer erträgliche Folgen für die Rechtssicherheit und eine geordnete Rechtspflege haben (Meyer-Goßner aaO S. 380; vgl. weiter Felsch NStZ 1996, 163, 165; dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO; s. auch Gollwitzer JR 1991, 37, 39: „nicht ideal”). Die gesetzlich gewollte Einschränkung der Rechtsmittel in den §§ 270 Abs. 3 Satz 2, 336 Satz 2 StPO legt es vielmehr nahe, die Nichtigkeit von Verweisungsbeschlüssen abzulehnen (vgl. auch Rieß aaO Rdn. 138 f.). Die objektiv willkürliche Eröffnung des Verfahrens vor einem Gericht niederer Ordnung gemäß § 209 Abs. 2 StPO ist ebenfalls wirksam (Rieß in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 209 Rdn. 29); da dem Verweisungsbeschluß die Wirkung eines Eröffnungsbeschlusses bei dem Gericht, an das verwiesen wurde, zukommt (§ 270 Abs. 3 Satz 1 StPO), liegt es nahe, dies auf den zu entscheidenden Fall zu übertragen.
dd) Die Annahme seiner Unwirksamkeit erscheint zudem entbehrlich: Entweder führt die Entscheidung infolge ihrer Fehlerhaftigkeit den gewünschten Erfolg nicht herbei – etwa eine „Verweisung gemäß § 270 StPO” außerhalb der Hauptverhandlung (BGHSt 44, 121) – oder sie kann – bei fehlerhafter Beurteilung der Zuständigkeit – korrigiert werden: Dies kann, abgesehen von dem Fall der Zuständigkeitsbestimmung analog §§ 14, 19 StPO, durch Weiterverweisung, Vorlage oder Abgabe der beim höheren Gericht rechtshängig gewordenen Sache gemäß den §§ 225 a, 270 StPO (vgl. auch BGHSt 21, 268, 270) geschehen, aber auch durch Zurückverweisung an das zuvor mit der Sache befaßte Gericht (Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 270 Rdn. 20). Falls dieses an seiner Meinung festhält, entsteht der vom 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs erörterte negative Kompetenzkonflikt, da die Zurückverweisung – wie der 3. Strafsenat in seinem Beschluß vom 17. März 1999 - 3 ARs 2/99 (Seite 6) zutreffend ausführt – im Gegensatz zum Verweisungsbeschluß (mangels gesetzlicher Grundlage) keine bindende Wirkung hat.
ee) § 269 StPO steht einer Zurückverweisung nicht entgegen (so auch BGH, Beschluß vom 17. März 1999 - 3 ARs 2/99, Seite 5 f.; a.A. Gollwitzer JR 1991, 37, 39; vgl. auch RGSt 62, 265, 271; OLG Stuttgart NStZ 1995, 248, 249), denn § 270 StPO enthält insoweit eine Sonderregelung (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO): Anders als dies im Anwendungsbereich des § 269 StPO der Fall ist (vgl. Schlüchter aaO § 269 Rdn. 1; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 269 Rdn. 4; Meyer-Goßner NStZ 1989, 89, 90), begründet nämlich eine Verweisung nach § 270 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 StPO – wie aus Absatz 3 Satz 2 der Bestimung folgt – eine Beschwer des Angeklagten (BGHSt 26, 106, 109 f.); auch im Falle des § 270 Abs. 1 Satz 2 StPO ist § 269 StPO nicht anwendbar (Gollwitzer aaO § 270 Rdn. 21; Meyer-Goßner NStZ 1981, 168, 171). Ohnehin hindert § 269 StPO nicht die Korrektur von Willkür (BGHSt 40, 120, 122), so daß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewahrt ist. Dieses – mit der Rechtsprechung zu § 281 ZPO übereinstimmende (BGH NJW 1989, 461 f.; 1996, 3013; vgl. Greger in Zöller ZPO 21. Aufl. § 281 Rdn. 17, 17 a m.w.N.) – Ergebnis vermeidet einen der Prozeßökonomie, der § 270 StPO dienen will, widerstreitenden Zwang zur Rückgabe der Sache an das verweisende Gericht in den Fällen, in denen das tatsächlich zuständige (weitere) Gericht sofort bestimmt werden kann (so aber Gollwitzer aaO § 270 Rdn. 37 a.E.; Schlüchter aaO § 270 Rdn. 28) oder das Adressatgericht selbst zuständig ist (so aber Engelhardt aaO § 270 Rdn. 32).
Eine der Hilfserwägung in der bei Pfeiffer NStZ 1981, 296 f. mitgeteilten Entscheidung etwa zugrundeliegende gegenteilige Rechtsauffassung gibt der Senat auf. Rechtsprechung anderer Strafsenate des Bundesgerichtshofs steht nicht entgegen: Die Unwirksamkeit eines Beschlusses nach § 270 StPO wurde nur bei einer Verweisung außerhalb der Hauptverhandlung angenommen (BGHSt 6, 109, 110, 113; vgl. BGHSt 18, 290), wohl auch in dem Beschluß des 3. Strafsenats vom 17. März 1999 - 3 ARs 2/99, Seite 5 f., 10, in dem aber lediglich die Verneinung einer Bindungswirkung infolge von Willkür entscheidungstragend war.
c) Eine willkürliche Verweisung durch das Amtsgericht Münster liesse somit nicht die Transport-, sondern nur die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses entfallen. Das Landgericht durfte und mußte daher prüfen, ob es sachlich zuständig war, da in diesem Fall eine Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht nicht in Betracht kam (vgl. oben I.2 b dd). Das war hier zu bejahen, da das Amtsgericht die Sache – wie der Senat gemäß § 6 StPO von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. oben I. 1) – im Ergebnis zutreffend an das Landgericht verwiesen hatte: Schon mit Blick auf den Anklagevorwurf und die schließlich verhängte Freiheitsstrafe bestanden gegen dessen sachliche Zuständigkeit keine Bedenken. Im übrigen war der ebenfalls geständige Mittäter des Angeklagten vom Schöffengericht bei im wesentlichen gleichliegenden Vorwürfen bereits zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden.
II.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedarf nur folgendes:
Sowohl die Strafrahmenwahl als auch die Strafzumessung selbst halten sich innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Ermessens. Das Landgericht hat alle nach den Feststellungen wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände berücksichtigt und nach einer rechtlich nicht zu beanstandenden Gesamtabwägung mit vertretbarer Begründung die Voraussetzungen eines minder schweren Falles des § 29 a Abs. 2 BtMG verneint. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung wäre nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; BGHSt 34, 345, 349). Solche Rechtsfehler zeigt auch die Revision nicht auf. Entgegen ihrer Auffassung hat das Landgericht nicht unberücksichtigt gelassen, daß der Angeklagte „unwiderlegbar plante, nur bei dem Verkauf dieses Kokains mitzuwirken und keine weiteren Aktionen mehr durchzuführen”. Diesen Umstand hat es nämlich in seiner Abwägung zutreffend zu Gunsten des Angeklagten gewürdigt, indem es hervorgehoben hat, daß „die gesamte Menge des Kokains” und der erstrebte Gewinn „von 1.500 DM insgesamt” nicht sehr hoch gewesen seien. Die Strafkammer hat somit auch nicht die Bedeutung einer nur etwas über dem Grenzwert zur nicht geringen Menge liegenden Rauschgiftmenge übersehen (vgl. G. Schäfer Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 710); das gleiche gilt für die Sicherstellung eines Teils des Kokains und des Gewinns aus dem Drogengeschäft.
Im übrigen versucht die Revision lediglich, die festgestellten Tatsachen einer abweichenden Bewertung zu unterziehen; dies vermag dem Rechtsmittel indes nicht zum Erfolg zu verhelfen: Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei aus der Gesamtschau und dem Ineinandergreifen der von ihr festgestellten Indizien – Drogenverstecke in Form kleiner Erdbunker, um eine möglichst geringe Menge direkt bei sich zu führen; regelmäßiger Wechsel der Kleidung; Auftreten als gut eingespieltes Team; Verkauf über einen relativ langen Zeitraum mit vielen verschiedenen Teilakten – auf ein professionelles Vorgehen und eine darin zum Ausdruck kommende hohe kriminelle Energie des Angeklagten geschlossen. Der von der Revision behauptete Widerspruch zu den Feststellungen über sein – notgedrungen öffentliches – Auftreten in der allgemein zugänglichen Szene an den Aasee-Treppen, einem beliebten Treffpunkt junger Leute, und ihre polizeiliche Überwachung besteht nicht; dies gilt auch für die dem Handel mit Kleinstmengen entsprechende Tatortnähe der Verstecke. Anders als in bisher vom Senat entschiedenen Fällen (BGH StV 1991, 106, 107 und Beschluß vom 11. März 1997 - 4 StR 25/97) diente der Wechsel der Kleidung nicht nur der Verminderung des Entdeckungsrisikos, sondern auch dem die Durchführung der Tat erleichternden szenetypischen Auftreten.
Das Landgericht hat ferner nicht die Tatsache mittäterschaftlicher Begehung an sich strafschärfend herangezogen, sondern – wie ihr Hinweis auf den Mittäter als die treibende Kraft zeigt – eine strafzumessungsrechtlich als Art der Ausführung der Tat gemäß § 46 Abs. 2 StGB zu berücksichtigende Erschwerung hier gerade im Zusammenwirken gesehen (vgl. Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 46 Rdn. 37 a.E.; G. Schäfer aaO Rdn. 721). Das Landgericht hat auch durch die Hinweise auf die Zeitdauer des Handeltreibens und auf die vielen verschiedenen Teilakte nicht gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. Es hat die Begrenzung der Zeitpunkte des Handeltreibens auf insgesamt fünf Tage vielmehr ausdrücklich hervorgehoben und dessen Zeitdauer ersichtlich auf die Art der Tatausführung, nämlich den gestreckten zeitlichen Rahmen für die intensive Handelstätigkeit an diesen Tagen, bezogen. Durch die Vielzahl der Teilakte erreichte das verkaufte Kokain einen großen Abnehmerkreis, der sich nach den Feststellungen jedenfalls vorwiegend aus jungen Menschen zusammensetzte; damit verletzte das Vorgehen des Angeklagten das geschützte
Rechtsgut der Volksgesundheit (vgl. BGHSt 38, 1, 3) in besonders intensiver Form.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 540741 |
BGHSt, 58 |
NJW 1999, 2604 |
wistra 1999, 343 |
JZ 2000, 213 |
StV 1999, 524 |
StraFo 1999, 300 |
JAR 2000, 18 |