Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberaterhaftung: Pflichten des Steuerberaters bei der Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen
Leitsatz (amtlich)
Ein Steuerberater, der an Umsatzsteuervoranmeldungen mitzuwirken hat, trägt grundsätzlich auch die Verantwortung dafür, daß zutreffende Angaben über im Abzugsverfahren nach den §§ 51 ff UStDV anzumeldende und abzuführende Mehrwertsteuer gemacht werden.
Normenkette
BGB §§ 675, 276; StBerG § 33; UStDV § 51
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Beschluss vom 19.02.1998; Aktenzeichen 11 U 42/97) |
LG Karlsruhe (Beschluss vom 06.05.1997; Aktenzeichen 8 O 607/96) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. Februar 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte war als Steuerberater in den Jahren 1993 bis Mitte 1996 von der Klägerin mit Buchhaltungsarbeiten einschließlich der Mitwirkung bei der Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen beauftragt. Bis Anfang 1995 führten zwei in Frankreich ansässige Unternehmen Stahlverlegungsarbeiten für die Klägerin aus. Während die Rechnungen hierfür zunächst ohne Mehrwertsteuer ausgestellt wurden, wurde ab Juni 1993 die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen und von der Klägerin zusammen mit dem restlichen Teil des Werklohns an die französischen Unternehmen ausgezahlt. Diese führten die Mehrwertsteuer nicht an die deutsche Finanzverwaltung ab. Sie sind inzwischen insolvent. Am 2. Mai 1996 erließ das zuständige Finanzamt gegen die Klägerin einen Haftungsbescheid über die nicht abgeführte Mehrwertsteuer von insgesamt 85.907,93 DM. Die Klägerin nimmt den Beklagten, dem sie Verletzung seiner Pflichten als Steuerberater vorwirft, auf Ersatz jenes von ihr an das Finanzamt gezahlten Betrages in Anspruch.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Die Revision greift die Feststellung des Berufungsgerichts an, der Beklagte habe keinen umfassenden Steuerberatungsauftrag gehabt, sondern sei nur für die „Buchführung nach vom Auftraggeber kontierten Belegen” im Sinne des § 33 Abs. 3 StBGebV zuständig gewesen. Sie wendet sich ferner dagegen, daß das Berufungsgericht die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe sie ausdrücklich angewiesen, die Mehrwertsteuer an die französischen Unternehmen auszuzahlen, für nicht bewiesen gehalten hat. Auf dies alles kommt es indessen nicht an, weil auch auf der Grundlage der vom Berufungsgericht insoweit getroffenen Feststellungen der Beklagte aus den unter II genannten Gründen den der Klägerin entstandenen Schaden zu ersetzen hat.
II.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts war der Beklagte im Rahmen seines Auftrags nicht verpflichtet, die einzelnen Rechnungen „auf steuerliche Risiken zu überprüfen”; er habe vielmehr davon ausgehen können, daß die für die Klägerin tätige Buchhaltungshilfe die Buchungen ordnungsgemäß vorgenommen habe. Dem Beklagten habe bei einer groben Durchsicht der Belege auch nicht auffallen müssen, daß Mehrwertsteuer unzulässigerweise an einen ausländischen Unternehmer ausgezahlt worden sei.
Die darin liegende rechtliche Beurteilung greift die Revision mit Erfolg an.
1. Nach den auf der Grundlage des § 18 Abs. 8 UStG erlassenen Bestimmungen der §§ 51 ff UStDV hat der deutsche Unternehmer die Steuer für umsatzsteuerpflichtige Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmens grundsätzlich einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen (§ 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStDV). Das gilt nur dann nicht, wenn der ausländische Unternehmer keine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erteilt hat und der deutsche Leistungsempfänger bei gesondertem Ausweis vorsteuerabzugsberechtigt wäre (§ 52 Abs. 2 UStDV); im vorliegenden Fall wurde seit 1993 die Steuer gesondert ausgewiesen. Soweit die Abzugs- und Abführungspflicht besteht, ist die Steuer binnen zehn Tagen nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums – bei nicht voranmeldungspflichtigen Leistungsempfängern binnen zehn Tagen nach Ablauf eines Kalendervierteljahres – auf amtlichem Vordruck beim zuständigen Finanzamt anzumelden und gleichzeitig die angemeldete Steuer an das Finanzamt abzuführen (§ 54 Abs. 1, 2 UStDV). Nach § 55 UStDV haftet der Leistungsempfänger für die anzumeldende und abzuführende Steuer. Voranmeldungspflichtige Leistungsempfänger haben die Anmeldung in dem Voranmeldungsvordruck vorzunehmen (Bunjes/Geist, UStG 4. Aufl. § 18 Anm. 32).
2. Auch wenn das Mandat des Beklagten auf die in § 33 Abs. 3 StBGebV beschriebene Tätigkeit beschränkt war, gehörte es, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, jedenfalls zur Aufgabe des Beklagten, für die Umsatzsteuervoranmeldungen zu sorgen. Die ordnungsgemäße Vorbereitung dieser Erklärungen ist als geschäftsmäßige Hilfeleistung bei der Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen den steuerberatenden Berufen vorbehalten. Es handelt sich dabei um einen mit der Berechnung der Steuer durch den Unternehmer selbst verbundenen Steueranmeldungsvorgang, der umfassende Kenntnisse des Umsatzsteuerrechts voraussetzt und im Interesse der Allgemeinheit und des Steuerpflichtigen anderen Personen als einem ausgebildeten steuerlichen Berater nicht überlassen werden darf (BFHE 138, 129, 133). Mit der Übernahme dieser Aufgabe trug der Beklagte grundsätzlich auch die Verantwortung dafür, daß bei der Ausfüllung des nach Kenntnis des Senats im Umsatzsteuervoranmeldungsvordruck vorgesehenen Abschnitts II „Anmeldung der Umsatzsteuer im Abzugsverfahren (§§ 51 - 56 UStDV)” zutreffende Angaben gemacht wurden. Dieser Verantwortung ist er fahrlässig nicht gerecht geworden. Das ergibt sich schon aus seinem Vortrag, die Umsatzsteuervoranmeldung sei lediglich ein „Abfallprodukt aus der erfaßten Buchhaltung”, sie werde automatisch ausgedruckt, „ohne jegliche Veränderungs- und Zusatzmöglichkeiten seitens (des) Beraters”. Die Mitwirkung eines Steuerberaters darf sich nicht, wie der Beklagte gemeint hat, darin erschöpfen, daß er seinen Stempel und seine Unterschrift auf den durch „Ausdruck” ausgefüllten Vordruck setzt. Dazu bedürfte es nicht der Inanspruchnahme eines Steuerberaters.
Es mag sein, daß der Beklagte nicht dazu verpflichtet war, das ihm überlassene – vorkontierte – Buchungsmaterial eigens zur Ermittlung von Vorgängen zu sichten, die die Abzugspflicht nach den §§ 51 ff UStDV auslösen konnten. Es kann hier auch offenbleiben, ob er, um seinen Mitwirkungspflichten bei der Anfertigung der Umsatzsteuervoranmeldungen zu genügen, auch unter anderen als den hier vorliegenden Umständen danach hätte fragen müssen, ob der Klägerin dem Steuerabzug zu unterwerfende Entgelte in Rechnung gestellt worden waren. Nach den Feststellungen, die das Berufungsgericht auf der Grundlage des insoweit übereinstimmenden – mündlichen – Vortrags der Parteien getroffen hat, war für den Beklagten jedenfalls aus der Kennziffer, mit der in den Kontenblättern die Rechnungen der französischen Unternehmen versehen waren, erkennbar, daß es sich um einen im EU-Ausland ansässigen Unternehmer – beide Betriebe waren in einer Hand – handelte. Daraus war zwar noch nicht mit Sicherheit zu entnehmen, daß eine Pflicht zum Abzug und zur Abführung der Steuer bestand. Der Beklagte war jedoch unter diesen Umständen verpflichtet, sich durch Einsichtnahme in die betreffenden – ihm vorliegenden – Belege oder notfalls durch Rückfrage bei der Geschäftsführerin der Klägerin oder dem dafür zuständigen sonstigen Personal Gewißheit darüber zu verschaffen, worum es sich bei jenen Geschäftsvorfällen handelte. Die Erwägung des Berufungsgerichts, es habe immer noch die Möglichkeit bestanden, daß der ausländische Unternehmer die Steuer an das Finanzamt abführe, räumt jene Pflicht des Beklagten nicht aus. Bei offenem Ausweis der Mehrwertsteuer muß der deutsche Leistungsempfänger die Steuer einbehalten und abführen. Selbst wenn tatsächlich der jeweilige französische Geschäftspartner der Klägerin die Steuer abgeführt hätte, hätte der Beklagte sie darauf hinweisen müssen, daß sie, sobald das nicht mehr geschah, dem Finanzamt gegenüber haftete und ihr dann wegen der Auszahlung der Steuer an den ausländischen Unternehmer ein Schaden drohte, falls sie von diesem keinen Ersatz erlangen konnte.
III.
Das Berufungsurteil muß danach aufgehoben werden. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das Berufungsgericht hatte bisher von seinem Standpunkt aus keinen Anlaß, der Behauptung des Beklagten, er habe der Klägerin empfohlen, die an die französischen Unternehmen ausgezahlten Mehrwertsteuerbeträge mit deren späteren Werklohnforderungen zu verrechnen, sowie deren Vortrag, das sei zu jenem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen, nachzugehen. Das muß nunmehr nachgeholt werden. Dabei wird das Berufungsgericht auch Gelegenheit zur Feststellung haben, in welchem Umfang der der Klägerin entstandene Schaden noch hätte verhindert werden können, wenn der Beklagte anläßlich der Vorarbeiten für die Umsatzsteuervoranmeldungen die Klägerin auf ihre Abzugspflicht hingewiesen hätte. Damit die zu diesen Fragen erforderliche tatrichterliche Würdigung – gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag – vorgenommen werden kann, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Stodolkowitz, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.04.1999 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539242 |
BB 1999, 1291 |
DB 1999, 1262 |
DStRE 1999, 732 |
HFR 2000, 224 |
UR 1999, 333 |
NJW 1999, 3482 |
Inf 1999, 510 |
NWB 1999, 2352 |
EBE/BGH 1999, 179 |
IStR 1999, 415 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1339 |
MDR 1999, 961 |
VersR 1999, 1160 |
BRAK-Mitt. 2000, 48 |