Leitsatz (amtlich)
1. Soll die gegen eine Aktiengesellschaft erhobene Anfechtungsklage im Geschäftslokal deren gesetzlichen Vertretern zugestellt werden, genügt in der Zustellungsurkunde die Bezeichnung der Gesellschaft. Die Mitglieder des Vorstandes brauchen nicht aufgeführt zu werden.
2. Ein Verschmelzungsbericht, in dem die Ausführungen zu dem Umtauschverhältnis auf die Darlegung der Grundsätze beschränkt werden, nach denen es ermittelt worden ist, entspricht nicht den vom Gesetz gestellten Anforderungen. Das folgt aus dem weitgefaßten Wortlaut des AktG § 340a und der Funktion des Verschmelzungsberichtes, den Verschmelzungsvorgang und seine Hintergründe für die außenstehenden Aktionäre transparent zu gestalten. Die Prüfung durch die Verschmelzungsprüfer (AktG § 340b) ist eine ergänzende Maßnahme, die zusammen mit dem Verschmelzungsbericht und den weitergehenden Informationspflichten (AktG §§ 340, 340d) den Schutz der außenstehenden Aktionäre so weit wie möglich gewährleisten soll. Da diese Auslegung der mit Art. 9 der Dritten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 9. Oktober 1978 (juris: EWGRL 855/78) wörtlich übereinstimmenden Vorschrift des AktG § 340a eindeutig ist, braucht dazu keine Vorabentscheidung des EuGH iSd EWG-Vertrag Art 177 (juris: EWGVtr) eingeholt zu werden.
3. Einer Anfechtungsklage iSd AktG § 246 kann mit dem Einwand des individuellen Rechtsmißbrauchs begegnet werden. Die Voraussetzungen dafür können bereits dann gegeben sein, wenn der Kläger eine Anfechtungsklage mit dem Ziel erhebt, die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann, wobei er sich im allgemeinen von der Vorstellung leiten lassen wird, die verklagte Gesellschaft werde die Leistung erbringen, weil sie hoffe, daß der Eintritt anfechtungsbedingter Nachteile und Schäden dadurch vermieden oder zumindest gering gehalten werden könne (Abweichung RG, 1935-01-22, II 198/34, RGZ 146, 385 sowie BGH, 1962-03-01, II ZR 18/60, WM IV 1962, 456.
Orientierungssatz
Zur Zustellung im Geschäftslokal vergleiche RG, 1923-02-20, II 36/22, RGZ 107, 161.
Tatbestand
Die Kläger sind Minderheitsaktionäre der Beklagten mit je 20 (Klägerin zu 1 und Kläger zu 3) bzw. mit 10 (Kläger zu 2) Aktien. Hauptaktionärin der Beklagten mit einem Aktienkapital von 75,424% ist die S. KG a. A., die zugleich einen Anteil von 99,7% am Stammkapital der D. GmbH B. hält. Am 22. Juni 1987 hat die Hauptversammlung der Beklagten mit der erforderlichen Mehrheit zu Punkt 6 der Tagesordnung beschlossen, dem Entwurf des Verschmelzungsvertrages vom 13. April 1987 zwischen der Beklagten und der D. GmbH zuzustimmen. Die Kläger, die gegen den Abschluß dieses Vertrages gestimmt und u.a. zu Punkt 6 der Tagesordnung Widerspruch zur Niederschrift des Notars erklärt haben, wenden sich mit der von ihnen erhobenen Anfechtungsklage gegen diesen Beschluß. Sie meinen, er sei unter Verletzung des Gesetzes ergangen, weil der vom Vorstand der Beklagten gemäß § 340a AktG vorgelegte Verschmelzungsbericht nicht den Anforderungen dieser Vorschrift entspreche.
Die Beklagte ist der Ansicht, die von den Klägern zu 2 und 3 erhobene Anfechtungsklage sei den Mitgliedern des Vorstandes der Beklagten nicht wirksam zugestellt worden. Im übrigen sei die Klage aller Kläger deswegen unbegründet, weil der Verschmelzungsbericht den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Selbst wenn das nicht der Fall sei, beruhe der angefochtene Hauptversammlungsbeschluß nicht auf dieser Gesetzesverletzung. Darüber hinaus sei die Erhebung der Anfechtungsklage rechtsmißbräuchlich, weil die Kläger mit ihr lediglich das Ziel verfolgten, sich den „Lästigkeitswert” ihres Vorgehens abkaufen zu lassen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den angefochtenen Hauptversammlungsbeschluß für nichtig erklärt. Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Kläger zu 1 und 3 beantragen, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der ordnungsgemäß geladene Kläger zu 2 hat sich in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vertreten lassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. Über die Revision gegen den ausgebliebenen Kläger zu 2 war durch Versäumnisurteil sachlich zu entscheiden (BGHZ 37, 79).
I. Die Revision hält es für rechtsfehlerhaft, daß das Berufungsgericht die gemäß § 184 Abs. 1 ZPO vorgenommene Zustellung der Anfechtungsklagen des Klägers zu 2 am 31. Juli 1987 und des Klägers zu 3 am 4. August 1987 als ordnungsgemäße, an den Vorstand der Beklagten bewirkte Ersatzzustellung angesehen hat, obwohl das Gesetz eine Doppelvertretung durch Vorstand und Aufsichtsrat vorschreibe, die Zustellungsurkunde jedoch nicht erkennen lasse, daß an den Vorstand als Vertreter der Beklagten habe zugestellt werden sollen. Dem vermag der Senat allerdings nicht zu folgen.
Nach § 195 Abs. 2 Satz 1, § 191 Nr. 3 ZPO muß die Zustellungsurkunde die Bezeichnung der Person enthalten, an die zugestellt werden soll. Bei einer juristischen Person ist das ihr gesetzlicher Vertreter, bei einer Aktiengesellschaft im Rahmen eines Anfechtungsprozesses sind es Vorstand und Aufsichtsrat (§ 246 Abs. 2 Satz 2 AktG). Soll an den gesetzlichen Vertreter einer Aktiengesellschaft in deren Geschäftslokal zugestellt werden, genügt es, daß die Gesellschaft in der Zustellungsurkunde bezeichnet wird. Hingegen brauchen ihre gesetzlichen Vertreter nicht aufgeführt zu werden. Denn bei der Zustellung im Geschäftslokal kommen als Zustellungsempfänger nur die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft in Betracht (vgl. RGZ 107, 161, 164f.; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl. § 191 Rdnr. 7; wohl auch Zöller/Stephan, ZPO, 15. Aufl. § 191 Rdnr. 5 abweichend OLG Celle, ZIP 1984, 511f.; Günther, OLG Celle EWiR § 60 AktG 1/89, 425). Die Mitglieder des Aufsichtsrates haben in aller Regel im Geschäftslokal der Gesellschaft keinen Geschäftsraum, gehen ihrer Tätigkeit für die Gesellschaft an diesem Ort kaum nach und scheiden somit als Zustellungsempfänger im Geschäftslokal praktisch aus. Nimmt ein Zustellungsbeamter unter diesen Umständen eine Ersatzzustellung im Sinne des § 184 Abs. 1 ZPO vor und begründet das damit, er habe während der gewöhnlichen Geschäftsstunden keinen gesetzlichen Vertreter der Aktiengesellschaft angetroffen, ist die Beurkundung dieses Vorganges dahin zu verstehen, daß er im Geschäftslokal der Gesellschaft keinen gesetzlichen Vertreter, der üblicherweise seine geschäftlichen Aufgaben an diesem Ort wahrnimmt, also ein Mitglied des Vorstandes, angetroffen habe.
Es kommt hinzu, daß die Anfechtungsklagen den Aufsichtsratsmitgliedern der Beklagten ordnungsgemäß an deren Wohnsitz zugestellt worden sind, hingegen im Geschäftslokal der Beklagten der Versuch einer Zustellung nur gegenüber ihren in gesonderten Zustellungsurkunden aufgeführten Vorstandsmitgliedern unternommen worden ist. Auch daraus ist hinreichend deutlich erkennbar, daß die Klagezustellung im Geschäftslokal der Beklagten nur an die Mitglieder ihres Vorstandes, nicht aber des Aufsichtsrates erfolgen sollte.
Die Zustellungen vom 31. Juli und 4. August 1987 sind somit als ordnungsgemäß an den Vorstand der Beklagten bewirkte Ersatzzustellungen anzusehen.
II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der von dem Vorstand der Beklagten erstattete Verschmelzungsbericht entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen. Dieser müsse zumindest tatsächliche Angaben zur Bewertung des Vermögens der beiden Gesellschaften enthalten, die den Aktionär in die Lage versetzten, die Bewertungsgrundlagen für die Feststellung des Umtauschverhältnisses der Gesellschaftsanteile nachzuvollziehen. Der Vorstand habe jedoch nur das Umtauschverhältnis bekanntgegeben und zur Anwendung der Bewertungsmethoden abstrakt auf die Grundsätze der Durchführung von Unternehmensbewertungen verwiesen, die der Hauptfachausschuß des Instituts für Wirtschaftsprüfer erarbeitet habe.
Die Revision hält die in dem Verschmelzungsbericht enthaltenen Erläuterungen für ausreichend. Sie sieht die Aufgabe des vom Vorstand zu erstattenden Verschmelzungsberichts im Zusammenhang der Vorschriften, die eine angemessene Festsetzung des Umtauschverhältnisses der Anteile bei der Verschmelzung sichern sollen, allein darin, daß den Aktionären die Grundsätze, nach denen das vorgeschlagene Umtauschverhältnis ermittelt worden ist, ausführlich und nachvollziehbar erläutert werden. Hingegen werde die Kontrolle des der Ermittlung des Umtauschverhältnisses zugrundeliegenden Rechenwerkes nicht durch den Bericht, sondern durch die von den Verschmelzungsprüfern vorzunehmende Überprüfung sichergestellt. Die Erläuterung des Verschmelzungsberichts sowie der Informationsstand, den die Aktionäre durch die gesetzlich vorgesehene Aushändigung der weiteren Unterlagen erlangten und durch die ihnen zustehenden Informationsrechte erlangen könnten, ermöglichten ihnen eine Plausibilitätsprüfung des im Verschmelzungsvertrag vorgesehenen Umtauschverhältnisses, die zusammen mit der Kontrolle der Verschmelzungsprüfer ihre Interessen und Rechte hinreichend wahre. Dieser Ansicht der Revision kann jedoch nicht gefolgt werden.
1. Allerdings weist die Revision zutreffend darauf hin, daß unter Ziffer 1 des Berichtes die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Verschmelzung dargelegt wird. Unter Ziffer 2 werden verschiedene rechtliche Aspekte des Verschmelzungsvertrages behandelt, die sich mit Ausnahme des Hinweises auf die Vorschrift des § 345 Abs. 3 AktG auch aus dem Vertrag ergeben. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes trifft es ferner nicht zu, daß der Bericht außer der Bekanntgabe des Umtauschverhältnisses bezüglich der Bewertungsmethoden nur noch eine Verweisung auf die vom Hauptfachausschuß des Institutes für Wirtschaftsprüfer erarbeiteten Grundsätze der Durchführung von Unternehmensbewertungen enthält. Zum Umtauschverhältnis erläutert der Bericht im wesentlichen vielmehr die Grundsätze, nach denen es ermittelt worden ist. Unter Ziffer 3 des Berichtes wird dazu mitgeteilt, daß bestimmte von dem zuständigen Gericht bestellte Verschmelzungsprüfer die Unternehmen bewertet und das Umtauschverhältnis der Gesellschaftsanteile nach dem Verhältnis der Unternehmenswerte, bezogen auf das jeweilige Stamm- bzw. Grundkapital ermittelt hätten. Die Unternehmenswerte ergäben sich aus dem Ertragswert und dem um Veräußerungskosten und latente Steuern gekürzten Zeitwert des betriebsneutralen Vermögens der Unternehmen. Unter Ziffer 4 wird die auf der Anwendung einheitlicher Methoden beruhende Vergleichbarkeit der Bewertungsergebnisse hervorgehoben. Die vorrangig zu ermittelnden Ertragswerte basierten auf der Kapitalisierung der nachhaltig entziehbaren Erträge, die aus den zukunftsbezogenen, bestimmten – als erforderlich angesehenen – Modifikationen unterworfenen Planungsrechnungen der Unternehmen ermittelt worden seien. In gewissem Umfang seien auch die um außerordentliche und periodenfremde Aufwendungen und Erträge bereinigten Vergangenheitswerte der letzten vier Geschäftswerte mit herangezogen worden. Dem für beide Gesellschaften einheitlichen Kapitalisierungszinssatz sei der Kapitalmarktzins für langfristige Anlagen zugrundegelegt worden.
2. Das Berufungsgericht hat den Bericht jedoch im Ergebnis zutreffend als unzureichend angesehen. Der Verschmelzungsbericht des Vorstandes zur Festsetzung des vorgeschlagenen Umtauschverhältnisses der Gesellschaftsanteile erläutert lediglich die Grundsätze, nach denen es ermittelt worden ist. Entgegen der Ansicht der Revision hat der Vorstand der Beklagten damit seiner Berichtspflicht nicht genügt. Aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich eindeutig, daß ein solcher Verschmelzungsbericht auf keinen Fall die an ihn zu stellenden Anforderungen erfüllt.
Nach § 340a AktG hat u.a. der Vorstand der übernehmenden Aktiengesellschaft in einem ausführlichen Bericht den Verschmelzungsvertrag und insbesondere das Umtauschverhältnis der Aktien rechtlich und wirtschaftlich zu erläutern und zu begründen. Bereits der Wortlaut dieser Vorschrift läßt nicht erkennen, daß sich die rechtliche und wirtschaftliche Erläuterung und Begründung des Umtauschverhältnisses der Aktien auf die Darlegung der Grundsätze beschränken soll, nach denen es ermittelt worden ist. Er sieht vielmehr eine Pflicht des Vorstandes zur Berichterstattung ohne die von der Revision angenommene sachliche Einschränkung vor. Eine solche ist auch mit dem von der Dritten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 9. Oktober 1978 betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (zum Text vgl. Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, ZGR – Sonderheft 1, 1979, S. 73ff.) verfolgten Zweck nicht vereinbar: Sie will den Schutz der außenstehenden Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft dadurch gewährleisten, daß die Einzelheiten des Verschmelzungsvorhabens bereits vor der Beschlußfassung der Hauptversammlung weitgehend offengelegt werden. Auf diese Weise soll erreicht werden, daß die Aktionäre über die Verschmelzung in Kenntnis aller Umstände abstimmen (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Dritten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz) v. 23. November 1981 – BT-Drucks. 9/1065, S. 14/15). Dem vom Gesetz verfolgten Ziel dient einmal die Erstattung des Verschmelzungsberichtes, in dem bei der Erläuterung und Begründung des Umtauschverhältnisses der Bewertung der Gesellschaftsvermögen als der Grundlage für die Festlegung des Umtauschverhältnisses besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist (Begr. Entw. a.a.O. S. 15), zum anderen die Verpflichtung zur Vorlage des Verschmelzungsvertrages bzw. seines Entwurfes, der Jahresabschlüsse und Lageberichte der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften für die letzten drei Geschäftsjahre sowie der unter bestimmten Voraussetzungen aufzustellenden Zwischenbilanz (vgl. § 340d Abs. 2 Nrn. 1 – 3 AktG). Dieser Zielsetzung würde es widersprechen, wenn das Gesetz, wie die Revision meint, dem Vorstand generell die Möglichkeit eröffnen würde, im Verschmelzungsbericht die Ausführungen zu dem vorgeschlagenen Umtauschverhältnis auf die Grundsätze zu beschränken, nach denen es ermittelt worden ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß das Gesetz zur Gewährleistung des Schutzes der Aktionäre nicht nur Berichts-, Vorlage- und Informationspflichten vorsieht, sondern auch die Prüfung des Verschmelzungsvertrages durch Verschmelzungsprüfer (§ 340b Abs. 1 und 4 AktG) anordnet. Besteht die Funktion der genannten Pflichten des Vorstandes darin, den Verschmelzungsvorgang und seine Hintergründe für die außenstehenden Aktionäre transparent zu gestalten, damit sie sich ein Bild darüber machen können, ob die Verschmelzung wirtschaftlich zweckmäßig ist und den gesetzlichen Anforderungen genügt, soll die Einschaltung unabhängiger Sachverständiger Gewähr dafür bieten, daß der Verschmelzungsvertrag vollständig ist, die in ihm enthaltenen Angaben richtig sind und – vor allem – das Umtauschverhältnis der Aktien angemessen ist (Begr. Entw. a.a.O. S. 16). Das Gesetz versteht die Pflichten zur Offenlegung und Prüfung somit als einander ergänzende Maßnahmen, mit denen der Schutz der außenstehenden Aktionäre so vollkommen wie möglich ausgestaltet werden soll. Dieser Zweck, der offensichtlich ist, schließt es aus, daß die Prüfung der Verschmelzung durch unabhängige Sachverständige die Berichtspflicht des Vorstandes in sachlicher Hinsicht generell, wie es die Revision darlegt, einschränkt. Da der hier zu beurteilende Bericht bereits aus den vorstehend dargelegten Gründen die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, braucht der erkennende Senat nicht abschließend zu der Frage Stellung zu nehmen, welchen Anforderungen der Verschmelzungsbericht nach § 340a AktG im einzelnen genügen muß.
3. Der Senat ist nicht gehalten, zur Entscheidung dieser Frage die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes einzuholen.
Nach Art. 177 Abs. 1 Buchst. b des EWG-Vertrages entscheidet der Europäische Gerichtshof u.a. über die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft. Zu diesen Handlungen gehören die von dem Rat erlassenen Richtlinien im Sinne des Art. 189 Abs. 1 des EWG-Vertrages (vgl. Everling, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, 1986, S. 25; Daig in Groeben/Boeckh/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 3. Aufl. Art. 177 Rdnr. 17; Art. 173 Rdnr. 3). Erlangt die Frage der Auslegung in einem vor einem innerstaatlichen Gericht rechtshängigen Verfahren Bedeutung und können dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden, ist dieses Gericht grundsätzlich verpflichtet, den Europäischen Gerichtshof zu ersuchen, die Auslegung im Wege der Vorabentscheidung vorzunehmen (Art. 177 Abs. 3 des EWG-Vertrages). Der Bundesgerichtshof gehört als Revisionsgericht zu den Gerichten, die eine solche Verpflichtung trifft (Daig a.a.O. Art. 177 Rdnr. 38; auch Everling a.a.O. S. 44/45). Der Vorlage bedarf es jedoch dann nicht, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage für den betreffenden Streitfall kein Raum bleibt (EuGH, Urt. v. 6. Oktober 1982, Rs 203/81, Slg. 1982, 3415, 3431f.; auch Daig a.a.O. Art. 177 Rdnr. 42). Davon darf das innerstaatliche Gericht aber nur dann ausgehen, wenn nach seiner Überzeugung die gleiche Gewißheit auch für den Europäischen Gerichtshof und die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten bestünde. Ob diese Möglichkeit besteht, ist unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts und der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung zu beurteilen (EuGH, Urt. v. 6. Oktober 1982 a.a.O.; vgl. auch Everling a.a.O. S. 48f.).
Die Vorschrift des § 340a AktG ist durch das Gesetz zur Durchführung der – gemäß Art. 54 Abs. 3 lit. g des EWG-Vertrags erlassenen – Dritten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz) vom 25. Oktober 1982 (BGBl. I 1982, 1425) in das Aktienrecht eingeführt worden. Sie entspricht nahezu wörtlich Art. 9 dieser Richtlinie (vgl. Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht a.a.O. S. 73/74). Die Einzelheiten, die in den von dem Vorstand nach § 340a AktG zu erstattenden Bericht aufzunehmen sind, hängen von der Auslegung des im Gesetz verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffs „ausführlich” ab (vgl. Keil/Wagner, ZIP 1989, 215, 216f.). Hingegen ergeben der Wortlaut des Art. 9 der genannten Dritten Richtlinie sowie der mit ihr verfolgte Zweck, mit der Erweiterung der Berichts-, Vorlage- und Informationspflicht den Verschmelzungsvorgang für die außenstehenden Aktionäre bereits vor Durchführung der Hauptversammlung so transparent wie möglich zu gestalten sowie mit der Einführung der Verschmelzungsprüfung durch unabhängige Sachverständige als Kontrollinstrument die Vollständigkeit des Verschmelzungsvertrages, die Richtigkeit der in ihm enthaltenen Angaben und die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses der Aktien sicher zu stellen, um mit beiden einander ergänzenden Maßnahmen einen weitreichenden Aktionärsschutz zu gewährleisten, wie dargelegt, eindeutig, daß die in Art. 9 der Dritten Richtlinie getroffene Regelung entgegen der Ansicht der Revision nicht dahin verstanden werden kann, durch Anordnung der Sachverständigenprüfung des Verschmelzungsvorganges sei die Berichtspflicht des Vorstandes in sachlicher Hinsicht eingeschränkt worden.
4. Es bedarf keiner Entscheidung der Frage, in welchem Umfang sich der Vorstand im Einzelfall auf eine Einschränkung der Berichtspflicht entsprechend § 131 Abs. 3 AktG (vgl. dazu Lutter, ZGR 1979, 401, 408) berufen kann. Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt, daß die Beklagte im Verschmelzungsbericht keine konkreten Gründe aufgeführt hat, die sie nach § 131 Abs. 3 AktG berechtigen würden, bestimmte Angaben zu unterlassen, und daß sie auch die Beantwortung der von den Klägern gestellten ergänzenden Fragen mit dem pauschalen Hinweis auf die Schädlichkeit der Publizität verweigert hat. Zutreffend erachtet das Berufungsgericht dies für eine Berufung auf die Voraussetzungen des § 131 Abs. 3 AktG als unzureichend (vgl. zu den Einzelheiten der Darlegungspflicht Zöllner in KK. z. AktG, 1985, § 131 Rdnr. 36). Die Revision hat dagegen auch keine Rüge erhoben.
III. Die Revision wendet sich im Ergebnis auch ohne Erfolg dagegen, daß das Berufungsgericht die Ursächlichkeit zwischen dem von der Beklagten begangenen Verstoß gegen die Gesetzesvorschrift des § 340a AktG und dem Verschmelzungsbeschluß bejaht hat. Zwar vermag der Senat der Begründung, mit der das Berufungsgericht diese Kausalität angenommen hat, nicht zu folgen. Dadurch wird aber der Bestand des Berufungsurteils nicht in Frage gestellt.
Zutreffend legt die Revision dar, daß die Vorschrift des § 243 Abs. 4 AktG keine unwiderlegliche Kausalitätsvermutung enthält, sondern nur ausschließt, daß der – grundsätzlich führbare und von der verklagten Aktiengesellschaft zu führende – Beweis, der Beschluß der Hauptversammlung beruhe nicht auf der Verletzung der Auskunftspflicht, nicht mit der Erklärung der Hauptversammlung oder von Aktionären geführt werden kann, die Verweigerung der Auskunft habe ihre Beschlußfassung nicht beeinflußt. Denn die auf den Beschlußzeitpunkt bezogene oder spätere subjektive Einstellung der Mehrheit der Aktionäre kann für eine solche Beweisführung nicht maßgebend sein (BGHZ 36, 121, 139; Zöllner in KK. z. AktG, 1985 § 131 Rdnr. 95; § 243 Rdnr. 85; Hüffer in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG 1984, § 243 Rdnr. 116; Schilling in GroßKomm. z. AktG, 3. Aufl. § 243 Anm. 11; Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. § 243 Rdnr. 9). Die Frage, ob ein Hauptversammlungsbeschluß auf einer Auskunftsverweigerung beruht, kann nur nach einem objektiven Maßstab, nämlich danach beurteilt werden, wie ein objektiv urteilender Aktionär abgestimmt haben würde, wenn die Auskunft ordnungsgemäß erteilt worden wäre (BGHZ 36, 140; zur Maßgeblichkeit der Stimmabgabe vgl. auch BGHZ 49, 209, 211). Diese Grundsätze hat der Senat auch auf einen Fall angewandt, in dem gerügt worden war, der Geschäftsbericht des Vorstandes enthalte keine Ausführungen über einen bestimmten, nach Schluß des Geschäftsjahres eingetretenen Vorgang, den der Kläger als Vorgang von besonderer Bedeutung einstufte (§ 160 Abs. 1 Satz 2 AktG a.F.; Sen.Urt. v. 1. Februar 1988 – II ZR 75/87, ZIP 1988, 302). Der Senat hat, wie die Revision zutreffend bemerkt, in beiden Entscheidungen weiter ausgeführt, die Kenntnis des Mehrheitsaktionärs von den tatsächlichen Verhältnissen könne nicht außer Betracht bleiben (BGHZ 36, 141; Sen.Urt. v. 1. Februar 1988 – II ZR 75/87 a.a.O. S. 302). Das heißt aber nicht, daß diese Kenntnis für die zu beurteilende Frage als alleinentscheidend angesehen worden ist. Wie aus beiden Senatsentscheidungen hervorgeht, bleibt maßgebendes Entscheidungskriterium, ob ein objektiver Beurteiler, der wie der Mehrheitsaktionär Kenntnis von allen für die Beurteilung maßgebenden Umständen gehabt hätte, auch wie dieser abgestimmt haben würde.
Nach diesen Grundsätzen ist hier die Ursächlichkeit zwischen dem Verstoß gegen § 340a AktG und dem gefaßten Verschmelzungsbeschluß zu bejahen.
Der Vorstand der Beklagten hat einen Verschmelzungsbericht vorgelegt, der offensichtlich den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht. In einem solchen Falle wird ein objektiv urteilender Aktionär zu dem Ergebnis gelangen, die Bedeutung, welche die in dem Verschmelzungsbericht vorzunehmende rechtliche und wirtschaftliche Erläuterung des Verschmelzungsvertrages und des Umtauschverhältnisses der Gesellschaftsanteile für die Minderheitsaktionäre hat, rechtfertige es grundsätzlich nicht, ihnen diese Informationen vorzuenthalten und – bei Beibehaltung der Informationsverweigerung – der Verschmelzung zuzustimmen. Unter diesen Umständen beruht die Zustimmung auf der Verletzung des Gesetzes (§ 340a AktG).
Zudem hätte die Beklagte darlegen und beweisen müssen, daß die Verletzung der Berichtspflicht ohne Einfluß auf den angefochtenen Hauptversammlungsbeschluß geblieben ist. Dieser Verpflichtung ist sie nicht nachgekommen.
IV. Die Revision wendet sich letztlich aber mit Erfolg dagegen, daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung durch die Kläger verneint hat.
1. Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Anfechtungsklage mit der zutreffenden Begründung aus, diese bedürfe keiner Darlegung eines besonderen Rechtsschutzinteresses. Wie der Senat in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Reichsgerichts bereits mehrfach entschieden hat, ist die gesellschaftsrechtliche Nichtigkeits- und Anfechtungsklage als Instrument zur Kontrolle der Gesetz- und Rechtmäßigkeit des Organhandelns einer Kapitalgesellschaft ausgestaltet und in die Hände der Gesellschafter gelegt, so daß sich das Rechtsschutzinteresse für eine solche Klage bereits daraus ergibt, daß ihre Erhebung der Herbeiführung eines Gesetz und Satzung entsprechenden Rechtszustandes dient (Sen.Urt. v. 17. September 1964 – II ZR 136/62, WM 1964, 1188, 1191 und BGHZ 43, 261, 265f., jeweils m.N. aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts; BGHZ 70, 117, 118). Soweit insbesondere für die Klage auf Anfechtung von ablehnenden Gesellschafterbeschlüssen hingegen ein „gewisses schutzwürdiges Interesse” verlangt worden ist (vgl. BGHZ 21, 354, 356 und Sen.Urt. v. 17. September 1964 a.a.O. unter Bezugnahme auf RG JW 1936, 919, 920), braucht darauf hier mangels Vorliegens einer solchen Fallgestaltung nicht weiter eingegangen zu werden.
2. Der Senat vermag aber dem Berufungsgericht insoweit nicht zu folgen, als es die Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung durch die Kläger verneint und daher die Anfechtungsklage als begründet angesehen hat.
Die Erhebung der Anfechtungsklage, so wird im Berufungsurteil ausgeführt, sei erst dann als unzulässige Rechtsausübung zu werten, wenn die Kläger die Beklagte in strafrechtlich erheblicher Weise, also im Wege der Nötigung oder Erpressung zu Zahlungen veranlassen wollten, auf die sie keinen Anspruch hätten. Ein solcher Vorwurf könne gegen die Kläger zu 2 und 3 schon deswegen nicht erhoben werden, weil der Aktionär, der eine in der Sache begründete Anfechtungsklage erhebe, nicht rechtsmißbräuchlich handeln könne. Bezüglich der Klägerin zu 1 enthalte das Vorbringen der Beklagten ohnehin nichts, was die Annahme eines Verstoßes gegen die ihr als Aktionärin der Beklagten obliegenden Gesellschafterpflichten rechtfertigen könnte. Diese Ausführungen werden von der Revision im Ergebnis zu Recht angegriffen.
a) Soweit das Berufungsgericht ausführt, einer in der Sache begründeten Anfechtungsklage könne nicht mit dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung begegnet werden, ist es zu diesem Ergebnis offensichtlich aufgrund der in der Literatur vertretenen Ansicht gelangt, ein Rechtsmißbrauch der Anfechtungsklage aus eigensüchtigen Zwecken komme deswegen nicht in Betracht, weil die Ausübung des Anfechtungsrechts in erster Linie fremd- und nicht eigennützig erfolge. Das Gesetz hebe auf das Eigeninteresse nicht ab, weil die Anfechtungsklage der Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes diene, von dem auch andere Aktionäre, die Aktionärsgläubiger und die Allgemeinheit betroffen seien (vgl. Schilling in GroßKomm. z. AktG a.a.O. § 245 Anm. 25; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958, S. 14; ders. BB 1961, 945, 951f.; Goldschmidt, Grundfragen des neuen schweizerischen Aktienrechts, 1937, S. 47ff.; Bokelmann, Rechtsmißbrauch des Anfechtungsrechts durch den Aktionär?, 1970; ders. BB 1972, 733, 736f.). Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
Allerdings ist es richtig, daß Gegenstand des als Gestaltungsklagerecht ausgeformten Anfechtungsrechts die gerichtliche Überprüfung von Hauptversammlungsbeschlüssen auf ihre Vereinbarkeit mit Gesetz und Satzung ist, deren Durchführung das Gesetz in die Hände u.a. des einzelnen Aktionärs gelegt hat (§ 245 Nrn. 1 und 3 AktG; vgl. Zöllner a.a.O. § 243 Rdnr. 8f.; Hüffer a.a.O. § 245 Rdnrn. 8, 50f.; Lutter in „FS 40 Jahre Der Betrieb”, 1988, 193, 208 m.w.N. in Fn. 45; ders. in ZGR 1978, 347, 349f.; Großfeld/Ebke, Die AG 1977, 58ff.; 92ff., insbes. 96ff.). Daraus folgt jedoch nur, daß dieser im allgemeinen Interesse liegende Kontrollzweck des Aktionärsanfechtungsrechts einen institutionellen Rechtsmißbrauch ausschließt, weil Ziel und Aufgabe des Anfechtungsrechts bereits mit der Überprüfung des angefochtenen Beschlusses erreicht sind (Hüffer a.a.O. § 245 Rdnr. 50; insoweit zustimmend Bokelmann BB 1972, 737; zum institutionellen Rechtsmißbrauch vgl. Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. I, 6. Aufl. § 10 III 1, S. 147ff.; Ludwig Raiser, Summum ius summa iniuria, Tübinger Ringvorlesung 1963, 145, 150ff.).
Dieser Kontrollzweck schließt jedoch den Einwand des individuellen Rechtsmißbrauchs nicht aus. Auch wenn der klagende Aktionär nach der gesetzlichen Intention vorwiegend die Rechtmäßigkeitskontrolle des Handelns der sich selbst verwaltenden Korporation gewährleistet und damit allgemeine öffentliche Interessen wahrt (vgl. Lutter, ZGR 1978, 349), berührt das den individuellen Charakter seines Rechts nicht. Ihm verbleibt in jedem Stadium des Verfahrens die Verfügungsbefugnis über sein Anfechtungsrecht. Er ist nicht verpflichtet, sein Handeln als Gesellschafter an der Kontrollfunktion der Anfechtungsklage auszurichten. Vielmehr beschränkt sich das Gesetz darauf, über das auf seiner Stellung als Gesellschafter beruhende Interesse eine Wahrnehmung der Anfechtungsbefugnis und damit eine wirksame Rechtskontrolle zu erreichen (Hüffer a.a.O. § 245 Rdnrn. 7ff., 50f.; Lutter in „FS 40 Jahre Der Betrieb” a.a.O. S. 209; ders. ZGR 1978, 349f.; auch Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionäre, 1968, 141ff.).
Auch wenn die Wahrnehmung eines Eigeninteresses für die Erhebung der Anfechtungsklage nicht erforderlich ist, kann in Ausnahmefällen eine eigensüchtige Interessenverfolgung den Vorwurf des Rechtsmißbrauchs begründen (vgl. Zöllner a.a.O. § 245 Rdnrn. 78 – 82; Hüffer a.a.O. § 245 Rdnrn. 51 – 53; Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl. § 243 Rdnr. 6; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 7. Aufl. § 45 Rdnr. 137; Lutter in „FS 40 Jahre Der Betrieb” a.a.O. S. 194, 209; Martens, Die AG 1988, 118, 122 Fn. 23; Hirte, BB 1988, 1469, 1471ff.). Diese Voraussetzung kann in Fällen wie dem vorliegenden bereits dann gegeben sein, wenn der Kläger Anfechtungsklage mit dem Ziel erhebt, die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann. Der Anfechtungskläger wird sich dabei im allgemeinen von der Vorstellung leiten lassen, die verklagte Gesellschaft werde die Leistung erbringen, weil sie hoffe, daß der Eintritt anfechtungsbedingter Nachteile und Schäden dadurch vermieden oder zumindest gering gehalten werden könne (vgl. Sen.Urt. v. 1. März 1962 – II ZR 18/60, WM 1962, 456, 457; BGHZ 36, 121, 135f.; Zöllner a.a.O. § 245 Rdnrn. 79 – 81; Hüffer a.a.O. § 245 Rdnrn. 51 – 53; Baumbach/Hueck a.a.O. § 243 Rdnr. 6; Lutter in „FS 40 Jahre Der Betrieb” a.a.O. S. 194ff., 208f.; auch Timm, OLG Köln EWiR § 243 AktG 1/88, 1049 m.w.N.). Die Geltendmachung einer ungerechtfertigten Forderung „in strafrechtlich erheblicher Weise, also im Wege der Nötigung oder Erpressung”, wie das Berufungsgericht in Anlehnung an eine Entscheidung des Reichsgerichts meint (RGZ 146, 385, 395f.; vgl. auch Sen.Urt. v. 1. März 1962 a.a.O.), ist nicht zwingende Voraussetzung der Erhebung des Rechtsmißbrauchseinwandes. Eines Rückgriffs auf die gesellschafterliche Treupflicht, aufgrund deren das Reichsgericht zu seiner von strengeren Voraussetzungen ausgehenden Ansicht gelangt ist, bedarf es zur Begründung des Einwandes des Rechtsmißbrauchs nicht.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so kann die Verneinung eines rechtsmißbräuchlichen Verhaltens der Kläger zu 1 – 3 durch das Berufungsgericht schon deshalb keinen Bestand haben, weil es bei der Beurteilung dieser Frage rechtlich unzutreffende Maßstäbe anlegt, wenn es bei einer in der Sache begründeten aktienrechtlichen Anfechtungsklage den Einwand des Rechtsmißbrauchs in keinem Falle zulassen will und auch sonst nur eine strafrechtlich relevante Geltendmachung von Forderungen in der Form der Nötigung oder Erpressung als rechtsmißbräuchlich ansieht.
b) Die Beklagte hat im einzelnen schlüssig Umstände dargelegt und unter Beweis gestellt, aus denen nach den oben dargestellten Grundsätzen der Einwand unzulässiger Rechtsausübung durch die Kläger zu 2 und 3 hergeleitet werden kann.
Sie hat behauptet, die Kläger zu 2 und 3 hätten mit Vertretern der Beklagten einen Gesprächstermin für den 14. Juli 1987, der Kläger zu 3 für den Kläger zu 2 ferner einen Besprechungstermin für den 22. Juli 1987 vereinbart. Sie hätten im Termin vom 14. Juli 1987 darauf hingewiesen, bereits Anfechtungsklagen gegen die Beklagte erhoben zu haben, die sie erforderlichenfalls bis zum Bundesgerichtshof treiben würden. Sie hätten bald das Wort vom „Interessenausgleich” ins Gespräch gebracht und darauf hingewiesen, bereits eine Fülle anderer Fälle erfolgreich abgeschlossen zu haben, in denen sechs- bis siebenstellige Beträge gezahlt worden seien. In dem von dem Kläger zu 2 am 22. Juli 1987 mit Vertretern der Beklagten geführten Gespräch habe er die Aufforderung ausgesprochen, gegebenenfalls Vergleichsangebote zu unterbreiten. Die Beklagte habe die Gespräche mit den Klägern zu 2 und 3 nicht weitergeführt, sondern gegen beide Strafanzeige erstattet.
Die Absicht der Kläger zu 2 und 3, sich gegen Rücknahme der Anfechtungsklage ungerechtfertigt Sondervorteile zu verschaffen, ergebe sich auch aus ihrem Verhalten in früheren Verfahren gegenüber anderen Gesellschaften. Der Kläger zu 2 und seine Bekannte, Frau D., hätten auf der Hauptversammlung der A. Beteiligungs AG vom 9. März 1987, auf der zum Zwecke des Erwerbs einer Mehrheitsbeteiligung an der Bank das Grundkapital erhöht worden sei, gegen die Beschlüsse Widerspruch zur Niederschrift eingelegt. Der Kläger zu 2 und die A. Beteiligungs AG hätten sich schließlich auf die Zahlung von 1,5 Mio. DM gegen Rücknahme des Widerspruchs geeinigt.
Die E. Brauerei AG habe im Jahre 1986 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der T. AG geschlossen. Nachdem die Kläger zu 2 und 3 neben weiteren Aktionären ein Spruchstellenverfahren nach § 306 AktG eingeleitet gehabt hätten, seien dem Kläger zu 2 für die Rücknahme des Antrags 50.000 DM sowie Anwaltskosten in Höhe von 6.000 DM, dem Kläger zu 3 25.000 DM auf eine fingierte Honorarrechnung und 30.000 DM für 100 Aktien zum Börsenkurs von 300 DM pro Stück gezahlt worden.
Die V. AG hätten dem Kläger zu 2 gegen Aushändigung der notariell beglaubigten Zusage, gegen einen Hauptversammlungsbeschluß über die Fusion mit den U. Gummiwerken AG keine Anfechtungsklage zu erheben, am 24. Februar 1987 18.000 DM sowie 7.455,60 DM an Rechtsanwaltskosten gezahlt.
Mit der At. Aktiengesellschaft hätten die Kläger zu 2 und 3 sowie Frau De. Vergleichsverhandlungen mit dem Ziel geführt, bei Rücknahme der gegen den Verschmelzungsbeschluß mit der Al. AG gerichteten Anfechtungsklage etwa 500.000 DM zu erlangen. Die Kläger zu 2 und 3 hätten Wert darauf gelegt, daß der Zahlungsbetrag im wesentlichen nicht bekannt würde. Der Kläger zu 3 habe die finanzielle Abwicklung über die Schweiz vornehmen wollen. Die At. AG habe noch im Jahre 1987 jegliche Zahlungen abgelehnt.
Auch von der W. AG habe der Kläger zu 2 für die Rücknahme eines Antrages aus § 320 Abs. 7 i.V.m. § 306 AktG einen Betrag von 300.000 DM gefordert. Eine Einigung sei auch hier nicht zustande gekommen, weil die W. AG die Gewährung eines Sondervorteils abgelehnt habe. Diesem Vortrag der Beklagten wird das Berufungsgericht im einzelnen noch nachgehen müssen.
c) Die Beklagte hat, wie die Revision auch einräumt, nicht behauptet, daß die Klägerin zu 1 zu irgendeinem Zeitpunkt an sie herangetreten ist und von ihr eine Abstandssumme zwecks Vermeidung der weiteren Durchführung des Anfechtungsverfahrens verlangt hat. Die Beklagte leitet vielmehr die Absicht der Klägerin zu 1, sich ihre Anfechtungsbefugnis im Hinblick auf das rechtshängige Verfahren „abkaufen” zu lassen, aus deren Vorgehen in bestimmten, andere Gesellschaften betreffenden Anfechtungsverfahren her. Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann hätten den zwischen der E. AG und T. AG abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit Antrag vom 5. September 1986 angegriffen. In einer am 6. Oktober 1986 geführten Verhandlung habe der Ehemann zu 1 erklärt, er sei bereit, gegen Zahlung eines Betrages von jeweils 100.000 DM für sich und im seine Ehefrau den Antrag Spruchstellenverfahren zurückzunehmen. Schließlich habe die E. AG für 20 Aktien der T. AG im Nennwert von 50 DM bei einem Börsenkurs von 300 DM einen Kaufpreis von 90.000 DM sowie ein Anwaltshonorar von 25.000 DM gezahlt. Der Ehemann der Klägerin zu 1 habe anschließend seinen Antrag zurückgenommen.
Gegenüber der At. AG habe der Ehemann der Klägerin zu 1 in einem Gespräch am 28. Oktober 1987 einen Betrag von etwa 200.000 DM für die Rücknahme einer gegen die Verschmelzung At. AG – Al. AG gerichteten Anfechtungsklage der Klägerin zu 1 gefordert. Er habe vorgeschlagen, At. AG solle die 10 angemeldeten Aktien, die einen Börsenkurs von ca. 800 DM bis 850 DM gehabt hätten, zum Preise von je 21.000 DM übernehmen.
Im Falle der Baumwollspinnerei K. AG habe die Klägerin zu 1 ihre Anfechtungsklage nur wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Das Landgericht habe nämlich das persönliche Erscheinen der Klägerin zu 1 und ihres Ehemannes angeordnet, um beide zu der Behauptung der verklagten Aktiengesellschaft zu vernehmen, sie hätten auch bei anderen Gesellschaften Anfechtungsklagen erhoben, um sich den „Lästigkeitswert” dieser Klagen abkaufen zu lassen. Die Eheleute G. hätten vor dem Dilemma gestanden, entweder die Wahrheit sagen zu müssen oder sich durch Bekundung der Unwahrheit strafbar zu machen. Diesem Konflikt hätten sie sich durch Rücknahme der Klage entzogen.
Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß das Berufungsgericht die Rechtsmißbräuchlichkeit der von der Klägerin zu 1 erhobenen Anfechtungsklage bejaht, wenn es diese Behauptungen unter Zugrundelegung des rechtlich zutreffenden Maßstabes prüft. Aus dem Berufungsurteil ergibt sich nicht, ob das Berufungsgericht diesem Vortrag der Beklagten in der gebotenen Weise nachgegangen ist. Da es ausgeführt hat, das Vorbringen der Beklagten enthalte bezüglich der Klägerin zu 1 ohnehin nichts, was die Annahme eines Verstoßes gegen die ihr als Aktionärin der Beklagten obliegenden Gesellschafterpflichten rechtfertigen könnte, kann nicht ausgeschlossen werden, daß es den Vortrag nicht hinreichend gewürdigt hat, weil es zu hohe Anforderungen an den Rechtsmißbrauch gestellt hat.
V. Die Sache war nach alledem an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es – gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag durch die Parteien – Gelegenheit erhält, die weiterhin erforderlichen Feststellungen zu treffen.
Fundstellen
Haufe-Index 648061 |
BGHZ, 296 |
NJW 1989, 2689 |
ZIP 1989, 980 |
JuS 1990, 584 |