Leitsatz (amtlich)

Wenn der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem nur vorläufig vollstreckbaren Urteil zahlt, bleibt die Erfüllung auch nach der Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Sache jedenfalls dann, wenn ein Anspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO nicht erhoben wird, in der Schwebe, bis rechtskräftig über den Bestand der Forderung entschieden ist.

 

Normenkette

BGB § 362 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin

KG Berlin

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 10. Juli 1989 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin vom 29. April 1988 wird zurückgewiesen, soweit die Klage nicht in der Hauptsache erledigt ist.

Die Kosten beider Rechtsmittelzüge werden der Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin hat von der Beklagten Gewerberäume gemietet. In einem Vorprozeß (25 O 325/74 LG Berlin) verlangte die Beklagte die Bezahlung von Klimatisierungskosten. Mit Teilurteil vom 5. Mai 1975 verurteilte das Landgericht die Klägerin zur Zahlung von 56.848,22 DM. Mit Schlußurteil vom 8. Juni 1977 gab es der Klage in Höhe von weiteren 388.940,64 DM statt. Die Klägerin legte gegen beide Urteile Berufung ein. Mit Urteil vom 27. April 1978 wies das Kammergericht die Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts in vollem Umfang zurück, die Berufung gegen das Schlußurteil insoweit, als die Klägerin zur Zahlung von 206.000 DM verurteilt worden war; außerdem verurteilte es die Klägerin zur Zahlung eines weiteren erst im Berufungsrechtszug geltend gemachten Betrages. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aufgrund dieses Urteils zahlte die Klägerin im Jahre 1978 321.104,89 DM.

Auf die Revision der Klägerin hob der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 5. Dezember 1979 das Urteil des Kammergerichts auf und verwies die Sache zurück. In der Folgezeit leistete die Klägerin weitere Zahlungen. Mit Urteil vom 26. Januar 1987 änderte das Kammergericht das Schlußurteil des Landgerichts dahin ab, daß die Klägerin 221.874,31 DM zu zahlen hat. Im übrigen wies es die Berufungen der Klägerin zurück und verurteilte sie zur Zahlung von weiteren 174.110,59 DM. In den Entscheidungsgründen führte das Kammergericht aus, es habe die nach Erlaß des Urteils vom 27. April 1978 unstreitig geleisteten Zahlungen der Klägerin bei der Tenorierung nicht berücksichtigt, weil diese Zahlungen nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet worden seien und deshalb nicht als Erfüllung angesehen werden könnten. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof nicht angenommen (Beschl. v. 16. Dezember 1987).

Die Klägerin wendet sich mit der Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Kammergerichts vom 26. Januar 1987. Sie meint, sie habe alle Ansprüche der Beklagten aus diesem Urteil getilgt. Das Landgericht hat die Zwangsvollstreckung insoweit für unzulässig erklärt, als die Klägerin Zahlungen von insgesamt 487.823,29 DM erbracht hat. In der Berufungsinstanz haben die Parteien in Höhe von 112.544,07 DM den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Im übrigen hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin insoweit die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht meint, da die Klägerin nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlt habe, hätten ihre Zahlungen die titulierte Forderung der Beklagten nicht getilgt. Wenn der Schuldner nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahle, bleibe die Schuldtilgung in der Schwebe. Dieser Schwebezustand habe hier mit der Aufhebung des Urteils des Kammergerichts vom 27. April 1978 durch den Bundesgerichtshof sein Ende gefunden. Damit sei ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin nach § 717 Abs. 3 ZPO entstanden. Eine Aufrechnung der Klägerin mit diesem Anspruch könne jetzt gemäß § 767 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden, weil die Aufrechnungslage bereits vor der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses bestanden habe.

II.

Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

Zahlungen, die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem nur vorläufig vollstreckbaren Urteil geleistet werden, bewirken grundsätzlich keine Erfüllung (BGHZ 86, 267, 269; BGH, Urt. v. 24. Juni 1981 – IVa ZR 104/80, NJW 1981, 2244). Sie stehen unter dem Vorbehalt, daß das Bestehen der Schuld rechtskräftig festgestellt wird. Dieser Vorbehalt läßt die Schuldtilgung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Schwebe (vgl. BGHZ 86, 267, 271).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dieser Schwebezustand im vorliegenden Fall nicht bereits durch die Aufhebung des Urteils des Kammergerichts vom 27. April 1978 beendet worden. Da der Rechtsstreit vom Bundesgerichtshof an das Kammergericht zurückverwiesen worden ist, blieb die Frage weiterhin offen, ob der Beklagten die in dem Urteil vom 27. April 1978 zuerkannten Ansprüche endgültig zustanden oder nicht. Der Schwebezustand endete erst, als das Urteil des Kammergerichts vom 26. Januar 1987 rechtskräftig wurde. Von diesem Augenblick an stand endgültig fest, in welcher Höhe die Forderung der Beklagten auf Zahlung von Klimatisierungskosten begründet ist. Da die rechtskräftig zuerkannte Forderung unstreitig höher ist als die bis dahin geleisteten Zahlungen der Klägerin, sind diese insgesamt zur Schuldtilgung verbraucht. Die Erfüllungswirkung ist nach der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozeß eingetreten, so daß die Klägerin mit der darauf gestützten Einwendung nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen ist.

Die von der Beklagten mit Schreiben vom 27. Oktober 1987 erklärte Aufrechnung steht der Schuldtilgung nicht entgegen. Diese Aufrechnung ging ins Leere. Dabei kann dahinstehen, ob der Klägerin nach der Aufhebung des Urteils des Kammergerichts vom 27. April 1978 zunächst ein Rückforderungsanspruch gemäß § 717 Abs. 3 ZPO zustand, gegen den die Beklagte mit Gegenforderungen hätte aufrechnen können. Jedenfalls nach Erlaß der zweiten Berufungsentscheidung des Kammergerichts am 26. Januar 1987 bestand ein solcher Anspruch nicht mehr. Jetzt war wieder eine vorläufig vollstreckbare Entscheidung über die nämlichen Ansprüche der Beklagten vorhanden. Nunmehr dienten die Zahlungen der Klägerin der Abwendung einer Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil. Da dieses Urteil rechtskräftig geworden ist, ist ein Rückforderungsanspruch nach § 717 Abs. 3 ZPO insoweit nicht mehr entstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609776

NJW 1990, 2756

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