Leitsatz (amtlich)
a) Die Mindest- und Höchstsätze der HOAI sind aufgrund der für ihren Geltungsbereich maßgeblichen Ermächtigungsgrundlage des Art. 10, §§ 1 und 2 MRVG auf natürliche und juristische Personen unter der Voraussetzung anwendbar, daß sie Architekten- und Ingenieuraufgaben erbringen, die in der HOAI beschrieben sind.
b) Sie sind nicht anwendbar auf Anbieter, die neben oder zusammen mit Bauleistungen auch Architekten- oder Ingenieurleistungen erbringen.
Ein Ausnahmefall, in dem die Unterschreitung der Mindestsätze zulässig ist, liegt vor, wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung des Zwecks der Mindestsatzregelung ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar angemessen ist.
Vereinbaren die Parteien eines Architektenvertrages ein Honorar, das die Mindestsätze in unzulässiger Weise unterschreitet, so verhält sich der Architekt, der später nach den Mindestsätzen abrechnen will, widersprüchlich. Dieses widersprüchliche Verhalten steht nach Treu und Glauben einem Geltendmachen der Mindestsätze entgegen, sofern der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und vertrauen durfte und er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, daß ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann.
Normenkette
ArchLG §§ 1-2; HOAI § 1; ArchLG § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 3 Nr. 2; HOAI § 4 Abs. 2; BGB § 242; HOAI § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 26. Oktober 1995 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I.
Die Klägerin, eine Bauplanungs- und Baubetreuungs-GmbH, erbrachte in den Jahren 1988 bis 1992 im Auftrag der Beklagten, der Baubetreuerin eines Bauherrenmodells, die für das Bauvorhaben, ein Seniorenzentrum, erforderlichen Architektenleistungen. Sie verlangt von der Beklagten den Differenzbetrag zwischen dem vereinbarten Pauschalhonorar und den Mindestsätzen als Resthonorar sowie die Erstattung von Nebenkosten.
Am 27. Dezember 1988 unterzeichneten die Parteien einen Architektenvertrag, der ein Pauschalhonorar in Höhe von 725.000 DM einschließlich Mehrwertsteuer vorsieht. Vor der Unterzeichnung des Vertrages hatte die Klägerin die Genehmigungsplanung für das Seniorenheim erstellt. Ende November 1988 leistete die Beklagte eine Abschlagszahlung in Höhe von 92.950 DM. Anfang Dezember 1988 wurde der Bauherrengemeinschaft aufgrund der Genehmigungsplanung der Klägerin die Baugenehmigung erteilt.
Im Dezember 1992 erteilte die Klägerin der Beklagten ihre Schlußrechnung. Sie berechnete ihre Honorarforderung nach den Mindestsätzen der HOAI mit brutto 1.122.926,70 DM einschließlich Nebenkosten in Höhe von netto 88.954,14 DM. Den nach Abzug der geleisteten Zahlungen verbleibenden Restbetrag in Höhe von 426.380,20 DM nebst Zinsen verlangt sie mit ihrer Klage.
II.
Das Landgericht hat der Klägerin lediglich das restliche Pauschalhonorar zugesprochen. Das Oberlandesgericht hat der Klage insgesamt stattgegeben.
Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Ihrer Ansicht nach ist die HOAI nach der Ermächtigungsgrundlage nur auf die Berufsgruppe der eingetragenen Architekten und Ingenieure anwendbar, nicht hingegen auf Gesellschaften, die Architektenleistungen erbringen. Jedenfalls sei die Unterschreitung der Mindestsätze durch die Pauschalvereinbarung deshalb gerechtfertigt, weil ein Ausnahmefall im Sinne des § 4 Abs. 2 HOAI gegeben sei. Die Parteien seien nämlich durch zahlreiche Absprachen über Kostenbegrenzungen und Prämienzusagen für den Fall der Unterschreitung der vorgesehenen Kosten verflochten. In jedem Fall sei die Klägerin aufgrund widersprüchlichen Verhaltens nach Treu und Glauben daran gehindert, sich auf die Unwirksamkeit der Pauschalvereinbarung zu berufen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision der Beklagten hat Erfolg, sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
II.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die HOAI gelte nicht nur personenbezogen für Architekten und Ingenieure, sie sei vielmehr auf alle natürlichen und juristischen Personen anwendbar, die Architekten- und Ingenieurleistungen erbringen. Nur diese in der Literatur und Rechtsprechung herrschende Auffassung gewährleiste im Hinblick darauf, daß die Tätigkeit der Architekten und Ingenieure berufsrechtlich nicht geschützt sei und jeder Architekten- und Ingenieurleistungen erbringen könne, den von der HOAI verfolgten Zweck, einen Preiswettbewerb für Architekten- und Ingenieurleistungen zu verhindern und eine Dämpfung der Baukosten zu erreichen.
2. Die Angriffe der Revision gegen diese Erwägungen haben im Ergebnis keinen Erfolg.
a) Der Geltungsbereich der Honorarregelungen der HOAI ist umstritten. Nach herrschender Lehre ist er in dem Sinne leistungsbezogen, daß er alle in der HOAI angesprochenen Leistungen umfaßt, gleich wer diese Leistung erbringt (Hesse/Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 5. Aufl., § 1 Rdn. 23 ff; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, 3. Aufl., Rdn. 14 ff; Pott/Dahlhoff/Kniffka, HOAI, 7. Aufl., § 1 Rdn. 4 ff). Eine Mindermeinung will die Verordnung dagegen nur berufsbezogen anwenden; sie meint, die Verordnung gelte nur für eingetragene Architekten und Ingenieure (Locher/Koeble/Frik, HOAI, 7. Aufl., § 1 Rdn. 7–17; wohl auch Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 8. Aufl., Rdn. 603 ff, jeweils m.Nachw. des Meinungsstandes). Der Senat folgt mit gewissen Einschränkungen der herrschenden Lehre.
b) Die Entstehungsgeschichte und der Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage in Art. 10 §§ 1 und 2 MRVG sowie die der HOAI führen zu keinem eindeutigen Ergebnis.
(1) Nach der sprachlichen Fassung der Ermächtigungsgrundlage der HOAI in Art. 10 § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 MRVG kann der Geltungsbereich der Honorarordnung sowohl berufsbezogen als auch leistungsbezogen verstanden werden. Die Überschriften der Ermächtigungsgrundlage „Ermächtigung zum Erlaß einer Honorarordnung für Ingenieure” bzw. „für Architekten” sowie die Formulierungen in § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 „Honorarordnung für Leistungen der Ingenieure” bzw. „der Architekten” lassen wie die vergleichbaren Formulierungen in § 1 HOAI auch einen leistungsbezogenen Geltungsanspruch der Ermächtigungsgrundlage und damit der HOAI zu. Die Regelung zum Erlaß von Mindest- und Höchstsätzen (§ 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2) schreibt vor, daß der Verordnungsgeber bei der Bemessung der Mindest- und Höchstsätze den berechtigten Interessen der Ingenieure und der Architekten und der zur Zahlung der Honorare Verpflichteten Rechnung zu tragen hat. Das läßt ebenfalls keinen sicheren Schluß darauf zu, ob damit nur eingetragene Ingenieure und Architekten gemeint sind.
(2) Auch die sprachliche Fassung der HOAI führt zu keiner eindeutigen Auslegung. Der Titel „Verordnung über die Honorare für Leistungen der Architekten und der Ingenieure (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure)” und die Regelung des Anwendungsbereichs in § 1 HOAI, „… die Berechnung der Entgelte für Leistungen der Architekten und der Ingenieure (Auftragnehmer)”, spricht eher für eine berufsbezogene Regelung (Locher/Koeble/Frik a.a.O., § 1 Rdn. 13; Hesse/Korbion/Mantscheff/Vygen a.a.O., § 1 Rdn. 24; Jochem, HOAI, 3. Aufl., § 1 Rdn. 4). Die Formulierung „Leistungen der Architekten und Ingenieure” läßt auch die Deutung zu, daß nicht die Berufsgruppe der eingetragenen Architekten und Ingenieure als Adressat gemeint ist, sondern jeder, der Architekten- und Ingenieurleistungen im Sinne der HOAI erbringt (Locher/Koeble/Frik a.a.O.).
Die Materialien zur HOAI enthalten ebenfalls keine hinreichenden Aussagen über den Geltungsbereich der HOAI. Die Formulierungen der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der HOAI, die Vorschriften der Verordnung werden grundsätzlich Geltung „für die beiden Berufsgruppen der Architekten und Ingenieure” beanspruchen (BR-Drs. 270/76 S. 4), und der Hinweis im Entwurf der Bundesregierung zur 5. HOAI-Novelle, es gehe um die „Honorare für Architekten und Ingenieure” (BR-Drs. 238/94 S. 1, 52), deuten eher auf einen berufsbezogenen Geltungsanspruch der HOAI hin. Sie schließen allerdings eine Auslegung im Sinne einer leistungsorientierten Geltung der HOAI nicht aus.
c) Ein leistungsbezogenes Verständnis der HOAI wird dem Zweck der Norm besser gerecht als ein berufsstandsbezogenes.
(1) Zweck der HOAI ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers des MRVG eine Dämpfung der Baukosten und damit mittelbar des Mietanstiegs (BT-Drs. IV/1549 S. 6, 14). Außerdem soll die Honorarordnung einen ruinösen Preiswettbewerb der Architekten und Ingenieure verhindern und einen Leistungswettbewerb fördern (BT-Drs. 10/1562 S. 5; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. September 1986 – VII ZR 324/85 = ZfBR 1986, 283, 284 = BauR 1987, 112 f). Ob das Ziel einer Preisdämpfung durch die Bindung an die in der Praxis besonders bedeutsamen Mindestsätze neben den sicherlich preisdämpfend wirkenden Höchstsätzen erreicht werden konnte, erscheint fraglich, lag allerdings im weiten Prognoseermessen des Gesetzgebers. Ein „ruinöser Preiswettbewerb bei Architekten- und Ingenieurleistungen” wird jedenfalls nur dann wirkungsvoll unterbunden, wenn alle Anbieter denselben Preisregeln unterliegen. Da die Tätigkeit der Architekten und Ingenieure im Gegensatz zu ihrer Berufsbezeichnung gesetzlich weitgehend nicht den eingetragenen Architekten und Ingenieuren vorbehalten ist, kann das nur erreicht werden, wenn alle Anbieter von Leistungsbildern der HOAI gleichmäßig deren Regeln unterstellt werden. Dies legt auch eine verfassungskonforme Auslegung der erörterten Normen nahe. Danach gilt die Bindung an die Honorarsätze ebenso für natürliche wie für juristische Personen, die diese Leistungen erbringen.
(2) § 1 HOAI bestimmt allerdings den Anwendungsbereich der Verordnung einschränkend dahin, daß sie für die Berechnung der Entgelte für die Leistungen der Architekten und Ingenieure gilt, soweit sie durch Leistungsbilder oder andere Bestimmungen der Verordnung erfaßt werden. Die Bestimmungen der Verordnung, insbesondere die Beschreibung der wichtigsten Leistungsbilder (§§ 15, 55 HOAI), gehen ersichtlich nur von Auftragnehmern aus, die mit den dort beschriebenen Architekten und Ingenieuraufgaben betraut sind. Daraus folgert der Senat, daß die HOAI auf solche Anbieter, die neben oder zusammen mit Bauleistungen auch Architekten- oder Ingenieurleistungen zu erbringen haben, nicht anzuwenden ist. Das gilt insbesondere für Bauträger und andere Anbieter kompletter Bauleistungen, die die dazu erforderlichen Ingenieur- und Architektenleistungen einschließen.
d) Diesem Ergebnis steht die Auslegung des Koppelungsverbotes nach Art. 10 § 3 MRVG durch den Senat (st.Rspr. BGH, Urteil vom 18. März 1993 – VII ZR 176/92 = ZfBR 1993, 186 = BauR 1993, 490 m.w.Nachw.; vgl. auch die Nachweise bei Doerry, ZfBR 1991, 48) nicht entgegen. Dieses Verbot soll der Gefahr begegnen, daß bei dem knapp gewordenen Angebot an Baugrundstücken ein Architekt oder Ingenieur, dem Grundstücke „an Hand” gegeben sind, eine monopolartige Stellung erwirbt und damit den Wettbewerb beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 1983 – VII ZR 59/82 = BGHZ 89, 240 m.w.Nachw.). Der Anwendungsbereich des wettbewerbsrechtlich orientierten Koppelungsverbotes hat sich daher nach der Zwecksetzung dieses Verbotes zu richten.
III.
1. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Unterschreitung der Mindestsätze gemäß § 4 Abs. 2 HOAI mit der Begründung verneint, der hohe Grad an wirtschaftlicher Verflechtung zwischen den Parteien begründe keinen Ausnahmefall im Sinne des § 4 Abs. 2 HOAI, der nach seiner Entstehungsgeschichte eng ausgelegt werden müsse.
2. Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung deshalb nicht stand, weil das Berufungsgericht die Beurteilungskriterien für einen Ausnahmefall unvollständig berücksichtigt hat.
Wann ein Ausnahmefall im Sinne des § 4 Abs. 2 HOAI vorliegt, bei dem die Mindestsätze unterschritten werden können, wurde im Gesetzgebungsverfahren im Jahre 1984 erörtert, das aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Oktober 1981 (2 BvR 201/80 = BVerfGE 58, 238 = NJW 1982, 373) erforderlich geworden war. Der Bundestagsausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vertrat die Ansicht, für ein Unterschreiten der Mindesthonorare komme nur Verwandtschaft oder außergewöhnlich geringer Aufwand in Betracht, nicht hingegen Bauaufgaben für soziale oder kirchliche Einrichtungen (BT-Drs. 10/1562, S. 5). Einige Mitglieder des Ausschusses haben sich mit ihrem Vorschlag, die von ihnen vertretene enge Auslegung des § 4 Abs. 2 HOAI dadurch zu verdeutlichen, daß einige nicht abschließende Regelbeispiele für Ausnahmefälle in die Ermächtigungsgrundlage aufgenommen werden, nicht durchgesetzt; vielmehr sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine Konkretisierung des Begriffs der Ausnahmefälle der Rechtsprechung vorbehalten werden (Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses, BT-Drs. 10/1562, S. 2, 5). Gesetz geworden ist die allgemeine Fassung, daß die festgesetzten Mindestsätze durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden können (Art. 10 § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 3 Nr. 1 MRVG). Danach entspricht eine Beschränkung der zulässigen Ausnahmen auf die von Ausschußmitgliedern genannten Beispielsfälle nicht der gesetzlichen Regelung.
Bei der Bestimmung eines Ausnahmefalles sind der Zweck der Norm und die berechtigten Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen. Die zulässigen Ausnahmefälle dürfen einerseits nicht dazu führen, daß der Zweck der Mindestsatzregelung gefährdet wird, einen „ruinösen Preiswettbewerb” unter Architekten und Ingenieuren zu verhindern. Andererseits können alle die Umstände eine Unterschreitung der Mindestsätze rechtfertigen, die das Vertragsverhältnis in dem Sinne deutlich von den üblichen Vertragsverhältnissen unterscheiden, daß ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar angemessen ist. Das kann der Fall sein, wenn die vom Architekten oder Ingenieur geschuldete Leistung nur einen besonders geringen Aufwand erfordert, sofern dieser Umstand nicht schon bei den Bemessungsmerkmalen der HOAI zu berücksichtigen ist. Ein Ausnahmefall kann ferner beispielsweise bei engen Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer oder persönlicher Art oder sonstigen besonderen Umständen gegeben sein. Solche besonderen Umstände können etwa in der mehrfachen Verwendung einer Planung liegen.
Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts läßt sich nicht abschließend beurteilen, ob ein Ausnahmefall vorliegt.
IV.
1. Das Berufungsgericht hat der Beklagten den Einwand aus Treu und Glauben, die Klägerin könne sich aufgrund widersprüchlichen Verhaltens nicht auf die Unwirksamkeit der Pauschalvereinbarung berufen, mit folgenden Erwägungen versagt:
Die Klägerin habe die Beklagte rechtzeitig vor Abschluß der Baumaßnahme und der Erstellung der Schlußrechnung auf die Problematik der Pauschalvereinbarung hingewiesen und ihren Honoraranspruch in der Schlußrechnung nach den Mindestsätzen der HOAI abgerechnet.
2. Diese Erwägungen zu der bisher höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand:
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates ist ein Architekt an eine Schlußrechnung, mit der er die Mindestsätze unterschreitet, gebunden, wenn er mit der Schlußrechnung einen Vertrauenstatbestand begründet und der Auftraggeber sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlußrechnung in schutzwürdiger Weise eingerichtet hat (BGH, Urteil vom 5. November 1992 – VII ZR 52/91 = BGHZ 120, 133; Urteil vom 5. November 1992 VII ZR 50/92 = ZfBR 1993, 68 = BauR 1993, 239, jeweils m.w.Nachw.). Diese Grundsätze sind auf eine Honorarvereinbarung übertragbar, die deshalb unwirksam ist, weil die Mindestsätze in nicht zulässiger Weise unterschritten worden sind.
Vereinbaren die Parteien eines Architektenvertrages ein Honorar, das die Mindestsätze in unzulässiger Weise unterschreitet, verhält sich der Architekt, der später nach den Mindestsätzen abrechnen will, widersprüchlich. Dieses widersprüchliche Verhalten steht nach Treu und Glauben einem Geltendmachen der Mindestsätze entgegen, sofern der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und vertrauen durfte und wenn er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, daß ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann.
b) Nach diesen Grundsätzen kann der Beklagten der Einwand widersprüchlichen Verhaltens nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts versagt werden. Der nach Abschluß der unwirksamen Honorarvereinbarung von der Klägerin erteilte Hinweis auf die Unwirksamkeit steht dem Einwand eines widersprüchlichen Verhaltens dann nicht entgegen, wenn die Beklagte sich zu diesem Zeitpunkt im berechtigten Vertrauen auf die Wirksamkeit der unwirksamen Pauschalvereinbarung in schutzwürdiger Weise eingerichtet hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegt es nahe, daß die Klägerin nach Treu und Glauben gehindert ist, ihre Honorarforderung durchzusetzen, weil die Beklagte den Preis für die Eigentumswohnungen u.a. an dem vereinbarten Pauschalhonorar orientiert hat.
V.
1. Das Berufungsgericht hat der Klägerin die verlangten Nebenkosten in Höhe von 88.954,14 DM mit folgenden Erwägungen zuerkannt:
Die Klägerin schulde gemäß § 7 HOAI die Bezahlung der Nebenkosten in der verlangten Höhe, weil die Parteien die Regelung des § 7 HOAI nicht wirksam vertraglich ausgeschlossen hätten. Die Parteien hätten den Anspruch auf Erstattung der Nebenkosten nicht wirksam durch § 4 Abs. 3 des Architektenvertrages ausgeschlossen, weil die Vereinbarung nicht bei Auftragserteilung erfolgt sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß die Parteien sich über den Auftrag bereits Anfang November 1988 einig gewesen seien. Die Klägerin habe im Vertrauen auf den Vertragsabschluß die vollständige Genehmigungsplanung erstellt und die Baugenehmigung erwirkt. Die Beklagte habe die erste Teilschlußrechnung vom 22. November 1988 ohne Vorbehalt beglichen. Die Vermutung des § 154 Abs. 2 BGB sei durch das Verhalten der Parteien widerlegt. Das Verhalten der Parteien lasse nur den Schluß zu, daß sie den Architektenvertrag konkludent abgeschlossen und eine spätere schriftliche Fassung der bereits getroffenen Vereinbarung beabsichtigt hätten. Die Höhe der entstandenen Nebenkosten sei nachvollziehbar dargelegt, substantiierte Einwendungen habe die Beklagte nicht vorgetragen.
2. Diese Erwägungen halten den Einwänden der Revision nicht stand.
Gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, der Architektenvertrag sei bereits im November 1988 mündlich abgeschlossen worden, wendet die Revision zu Recht ein, das Berufungsgericht habe erheblichen Sachvortrag der Beklagten übergangen. Danach habe das Projekt als Bauherrenmodell verwirklicht werden sollen und alle im einzelnen zu treffenden Vereinbarungen in ihrer Wirksamkeit jeweils davon abhängen sollen, daß auch die anderen Verträge geschlossen würden; insbesondere habe der Architektenvertrag erst geschlossen werden sollen, wenn der Pachtvertrag mit der Betreiberin des Seniorenheimes zustande gekommen sei. Danach liegt es nahe, daß es vor Abschluß des schriftlichen Architektenvertrages an einem Rechtsbindungswillen der Parteien gefehlt hat. Damit hätte sich das Berufungsgericht auseinandersetzen müssen. Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls prüfen müssen, ob einem etwaigen Anspruch auf Erstattung der Nebenkosten der Einwand des widersprüchlichen Verhaltens entgegensteht.
Unterschriften
Lang, Thode, RiBGH Dr. Haß ist durch Krankheit verhindert zu unterschreiben. Lang, Hausmann, Kuffer
Fundstellen
Haufe-Index 1644087 |
BGHZ |
BGHZ, 1 |
DB 1998, 257 |
NJW 1997, 2329 |
NWB 1997, 1810 |
BauR 1998, 815 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1997, 729 |