Leitsatz (amtlich)
Zum Schaden aus einer unrichtigen notariellen Auskunft über die Reichweite einer Vollmacht zur Änderung der Teilungserklärung.
Normenkette
BNotO § 19 Abs. 1; BGB § 249
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Kassel |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des OLG Frankfurt/M. v. 31.5.2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
In den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts planten der Kläger und seine Ehefrau die Errichtung einer aus drei Häusern - Gebäude A, B und C - bestehenden Wohnungseigentumsanlage mit insgesamt 14 Wohneinheiten, davon sechs im Gebäude B, auf einem fremden Grundstück. Dabei beabsichtigten sie von Anfang an, falls baurechtlich zulässig, das Haus B nicht nur mit sechs, sondern mit acht Wohneinheiten zu erstellen. Zunächst wurden die Häuser A und C gebaut, einige Wohneinheiten verkauft und entsprechende Vormerkungen zu Gunsten der Erwerber in das Grundbuch eingetragen. An diesen Vorgängen war nicht der Beklagte, sondern ein anderer Notar beteiligt.
Am 25.9.1984 beglaubigte der verklagte Notar eine Teilungserklärung des ursprünglichen Grundstückseigentümers. Darin wurde das Grundstück entsprechend der "kleineren Lösung" in Miteigentum und Sondereigentum aufgeteilt. Zu Gunsten der als Baubetreuerin tätigen Ehefrau des Klägers wurde eine Vollmacht erteilt, wonach sie berechtigt sein sollte, bei einer Änderung der ideellen Miteigentumsanteile sowie des Sondereigentums den jeweiligen Eigentümer zu vertreten und u. a. die Teilungserklärung zu ändern. Auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers und seiner Ehefrau wurde noch der Zusatz angefügt: "dies gilt auch bei einer Veränderung der Anzahl der Wohneinheiten". Nachdem in einem Musterprozess vor dem VGH geklärt worden war, dass das Grundstück baulich in größerem Umfang ausgenutzt werden durfte, stellten der Kläger und seine Ehefrau beim Bauamt den Antrag auf Errichtung des Gebäudekomplexes B mit acht Wohneinheiten. Mit dieser veränderten Planung ging eine Vergrößerung des Baukörpers einher, ebenso eine Verlegung der Kfz-Stellplätze. Dem stimmte das Bauamt zu.
Anschließend nahm der Kläger verschiedene Darlehen auf und begann mit der Errichtung des Gebäudes B. Im Dezember 1988 war der Rohbau fertig gestellt, und die Ehefrau des Klägers erklärte entsprechend ihrer Vollmacht die Änderung der Teilungserklärung. Das Grundbuchamt vertrat die Ansicht, dass sämtliche Wohnungseigentümer an der Änderung mitwirken müssten. In der Folgezeit wurde auf Antrag des Wohnungseigentümers A. dem Kläger untersagt, die Bauarbeiten am Haus B fortzuführen. Die Rechtsmittel gegen die abschlägige Entscheidung des Grundbuchamts sowie gegen die Baueinstellung blieben erfolglos. Erst 1994 konnte eine Einigung der Miteigentümer erreicht und das Bauvorhaben beendet werden.
Der Kläger hat geltend gemacht, im Anschluss an den positiven Bescheid des Bauamtes hätten er und seine Ehefrau im Mai oder Juni 1988 den Beklagten aufgesucht, hätten ihm die geänderten Pläne vorgelegt und ihn gebeten zu prüfen, ob auch die Teilungserklärung entsprechend geändert werden könne. Der Beklagte habe erklärt, dass keinerlei Bedenken bestünden und mit der Errichtung des Gebäudes begonnen werden könne. Wenn er richtigerweise darauf aufmerksam gemacht hätte, dass die Änderungsvollmacht aus dem Jahre 1984 nicht zu einer wirksamen Teilungserklärung führe, hätte er - Kläger - nicht mit den Bauarbeiten begonnen.
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz wegen Zinsaufwendungen in der Zeit v. 1.6.1989 bis 19.4.1994 in Anspruch. Einen Antrag auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Baukosten für das Haus B i. H. v. 310.547,72 DM hat er, nachdem er das Haus fertig bauen konnte, einseitig für erledigt erklärt. Er verlangt darüber hinaus die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtlichen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm durch die fehlerhafte Belehrung entstanden ist bzw. künftig entstehen wird. Ein zu Gunsten des Klägers ergangenes Grundurteil des LG hat das Berufungsgericht aufgehoben. Nach Zurückverweisung hat das LG die Klage abgewiesen. Dieses Urteil hatte ebenfalls keinen Bestand. Vielmehr hat das Berufungsgericht nunmehr der Zahlungsklage im Wesentlichen stattgegeben und i. H. v. 310.547,72 DM die Erledigung in der Hauptsache festgestellt. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten. Die Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiteren Schadens hat das Berufungsgericht abgewiesen. Insofern verfolgt der Kläger mit seiner Anschlussrevision sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
A. Zur Revision des Beklagten
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Haftung des Beklagten sei begründet, weil er - wie sich aus der glaubhaften Zeugenaussage der Ehefrau des Klägers ergebe - bei einem im Mai oder Juni 1988 mit dem Kläger und dessen Ehefrau geführten Gespräch fahrlässig seine Belehrungspflichten verletzt habe. Bei diesem Gespräch sei er auf die geplante Änderung des Baukörpers des Hauses B aufmerksam gemacht worden. Er habe nicht auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die entstehen konnten, wenn diese Umplanung allein auf der Grundlage der in der früheren Teilungserklärung enthaltenen Vollmacht durchgeführt wurde, vielmehr erklärt, das Bauvorhaben könne so durchgeführt werden. Richtigerweise hätte der Beklagte empfehlen müssen, nicht vor Erteilung der Zustimmung durch die Wohnungseigentümer mit der Errichtung des Hauses B zu beginnen. Auf Grund der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens sei davon auszugehen, dass sich der Kläger daran gehalten hätte. Zwar habe dieser für seine Schadensberechnung einen falschen Ansatz gewählt, weil er verlange, so gestellt zu werden, wie wenn eine Bebauung mit acht Wohneinheiten von Anfang an möglich gewesen wäre. In Anwendung des § 287 ZPO erscheine jedoch eine Schätzung angemessen, nach welcher der Kläger einen Schaden in der geltend gemachten Höhe erlitten habe. Der Schadensersatzanspruch sei weder durch ein Mitverschulden gemindert noch sei er verjährt.
II.
Diese Begründung hält einer rechtlichen Prüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe seine Amtspflichten verletzt, wird von der Revision erfolgreich mit Verfahrensrügen angegriffen.
a) Entgegen der Ansicht der Revision entbehrt die Annahme einer Belehrungspflichtverletzung im Sommer des Jahres 1988 einer tragfähigen Grundlage allerdings nicht schon deshalb, weil bereits die der Baubetreuerin im Jahre 1984 erteilte Vollmacht einen Vorbehalt hinsichtlich der damals bereits eingetragenen Vormerkungen enthielt. Daraus ergibt sich nicht, dass die Rechtslage, die der Umplanung entgegenstand, im Mai oder Juni 1988 dem Kläger und seiner Ehefrau als rechtlichen Laien bekannt war.
Es erscheint nicht rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht sich nicht davon hat überzeugen können, dem Kläger und seiner Ehefrau sei im Mai/Juni 1988 die Unmöglichkeit, eine Änderung der Teilungserklärung ohne Mitwirkung der Wohnungseigentümer zu bewirken, bereits bekannt gewesen. Mit dem Vortrag des Beklagten, spätestens seit der Beurkundung des Baubetreuungsvertrages mit den Wohnungseigentümern A. und K. hätten der Kläger und dessen Ehefrau gewusst, dass auf Grund der Vollmacht in der Teilungserklärung eine spätere Änderung nicht durchsetzbar sei, hat sich das Berufungsgericht befasst. Insofern würdigt die Revision den Prozess-Stoff nur anders als das Berufungsgericht.
b) Mit Recht rügt jedoch die Revision, die Feststellungen zu der haftungsbegründenden Amtspflichtverletzung des Beklagten im Mai oder Juni 1988 seien nicht verfahrensfehlerfrei getroffen worden, weil das Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 398 Abs. 1 ZPO die Aussagen der beiden erstinstanzlich als Zeugen vernommenen Wohnungseigentümer A. und K. anders gewürdigt habe als der Erstrichter, ohne die Zeugen selbst nochmals anzuhören. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Berufungsrichter gehalten, eine im ersten Rechtszug durchgeführte Beweisaufnahme zu wiederholen, wenn er aus ihr andere Schlüsse ziehen will als der Erstrichter (vgl. z. B. BGH, Urt. v. 10.3.1998 - VI ZR 30/97, MDR 1998, 793 = NJW 1998, 2222 [2223]). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
Das Berufungsgericht war auf Grund einer Gesamtwürdigung des Vortrags der Parteien und der durchgeführten Beweisaufnahme, "hierbei insbesondere der Aussage der Zeugin R. " (Ehefrau des Klägers), davon überzeugt, dass die Parteien im Mai oder Juni 1988 darüber gesprochen haben, ob die geänderte Planung mit Hilfe der der Ehefrau des Klägers erteilten Vollmacht verwirklicht werden könne, und dass der Beklagte hierbei seine notariellen Hinweis - und Belehrungspflichten schuldhaft verletzt habe. Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin R. konnte von entscheidender Bedeutung sein, ob sie einen früheren - im Rahmen des Gesamtgeschehens nicht unwichtigen - Vorgang zutreffend geschildert hatte. Die Zeugin hatte angegeben, bei der Beurkundung der die Zeugen A. und K. betreffenden Baubetreuungsverträge im Jahre 1985 habe der Beklagte erklärt, dass zwar die Häuser der beiden Zeugen nicht verändert würden, wohl aber "das Haus B um ... zwei Wohneinheiten erweitert werden" könne. Demgegenüber hatten die beiden anderen Zeugen eidlich bekundet, der Beklagte habe damals - im Beisein der Zeugin R. - gesagt, die Baukörper sämtlicher Häuser könnten nicht verändert werden; daran ändere auch die im Jahre 1984 der Baubetreuerin erteilte Vollmacht nichts. Nach Ansicht des Erstrichters schlossen diese beiden Schilderungen einander aus. Umstände, welche die Feststellung rechtfertigten, dass die Aussage der Zeugin R. zutreffend ist, die Aussagen der Zeugen A. und K. hingegen unzutreffend sind, hatte er nicht gesehen. Die Aussagen der beiden letztgenannten seien in sich widerspruchsfrei und plausibel. Demgegenüber hat das Berufungsgericht "durchgreifende Zweifel" geäußert, ob die Bekundung des nur vom Erstrichter gehörten Zeugen A. der Wahrheit entspricht. Den Zeugen K. hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang zwar nicht erwähnt. Da seine Aussage mit derjenigen des Zeugen A. übereinstimmt, mussten sich die Zweifel aber gleichermaßen auch auf ihn beziehen.
Durchgreifend ist ferner die Rüge, dass auch die Vernehmung der Zeugin S. geboten gewesen wäre. Die Zeugin war zu der Behauptung benannt worden, dass die Zeugin R. am 24.3.1985 nicht auf das Vorhaben hingewiesen habe, zusätzliche Wohnungen zu bauen. Die Zeugin R. hatte das Gegenteil bekundet. Die Vernehmung der Zeugin S. war somit ebenfalls erforderlich, um die Glaubwürdigkeit der Zeugin R. abschließend zu beurteilen.
2. Zudem rügt die Revision mit Erfolg, dass die Feststellungen zum Schaden nicht tragfähig sind.
a) Dass der Schaden - wie die Revision meint -, schon längst eingetreten gewesen sei, als der Beklagte in die Angelegenheit eingeschaltet wurde, ist allerdings unzutreffend.
Insoweit macht die Revision geltend, in seiner Eigenschaft als Notar sei der Beklagte erstmals am 25.9.1984 mit der Sache befasst worden. Bereits damals habe man erkannt, dass eine Änderung der Teilungserklärung nur mit Zustimmung der Erwerber, zu deren Gunsten Vormerkungen im Grundbuch eingetragen gewesen seien, möglich sein würde. Mit dieser Rüge wird verkannt, dass der Kläger mit seiner Zahlungsklage lediglich einen Zinsschaden geltend macht, der ihm durch die im Jahre 1988 erfolgten Darlehensaufnahmen zwischen dem 1.6.1989 und dem 19.4.1994 entstanden sein soll. Nach dem Vorbringen des Klägers hat man diese Darlehen im Vertrauen auf die im Sommer 1988 erteilte Zusage des Beklagten aufgenommen, die Teilungserklärung könne auf Grund der Vollmacht v. 25.9.1984 - also ohne Beteiligung der Erwerber - geändert und das Bauvorhaben dementsprechend durchgeführt werden.
Bezieht man die in der Hauptsache erledigte Klage wegen der Baukosten mit ein, so ändert sich das Bild dadurch nicht wesentlich. Da die Bauarbeiten am Haus B erst nach dem 21.9.1988 begonnen haben, kann vorher noch kein Schaden entstanden sein.
b) Mit Recht rügt die Revision jedoch weiter, es sei nicht ersichtlich, welcher Schaden dem Kläger aus der angeblich im Sommer 1988 erteilten unrichtigen Auskunft entstanden ist.
aa) Zur Beantwortung der Frage, welchen Schaden eine Amtspflichtverletzung zur Folge hat, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen sein würde, wenn der Notar nicht die Pflichtverletzung begangen, sondern pflichtgemäß gehandelt hätte (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 17.1.2002 - IX ZR 266/00, BGHReport 2002, 415 = WM 2002, 516). Diese Vermögenslage ist mit derjenigen zu vergleichen, die bei feststehender Amtspflichtverletzung tatsächlich entstanden ist. Dabei ist ein Gesamtvermögensvergleich anzustellen (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 6.7.2000 - IX ZR 88/98, MDR 2000, 1280 = WM 2000, 1808 [1809]; v. 9.11.2000 - IX ZR 310/99, ZNotP 2001, 76 [77]).
bb) Welche Belehrung der Beklagte pflichtgemäß hätte erteilen müssen, als er - wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist - von dem Kläger im Mai oder Juni 1988 angesprochen und gefragt worden ist, ob auf der Grundlage der für die Zeugin R. erteilten Vollmacht die geplante Änderung des Baukörpers des Hauses B vollzogen werden könne, ist dem Berufungsurteil nicht eindeutig zu entnehmen. Einerseits hat das Berufungsgericht den Beklagten für verpflichtet gehalten, den Kläger schon jetzt (und nicht erst am 22.12.1988) darüber zu belehren, dass "die Teilungserklärung ... wegen ihres Vollzuges im Grundbuch Schwierigkeiten begegnet und dieser Vollzug unter Umständen überhaupt nicht möglich ist". Andererseits hat das Berufungsgericht gemeint: "Vorliegend konnte die Empfehlung des Notars nur lauten, die Bauausführung nicht vor Einholung einer entsprechenden Zustimmungserklärung der anderen Wohnungseigentümer zu den geänderten Plänen zu beginnen. Er musste sogar weiter gehend darauf verweisen, dass ihm wie jedem anderen Notar untersagt sei, eine einseitige Teilungserklärung der Zeugin R. zu beurkunden ... ."
cc) Wie der Kläger auf die eine oder andere Belehrung reagiert hätte, ist nicht festgestellt. Nach Sachlage kamen mindestens vier Handlungsalternativen in Betracht: Entweder hätte es der Kläger, in der Hoffnung, es werde schon gut gehen, "darauf ankommen lassen" können und - ebenso wie er es tatsächlich getan hat - ohne Umschweife mit der Verwirklichung der "großen Lösung" beginnen können (1). Oder er hätte - wie später zur Schadensminderung mit Erfolg durchgeführt - mit den anderen Wohnungseigentümern verhandeln und ihnen die Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung "abkaufen" können (2). Statt dessen hätte er sich auch dazu entschließen können, das von dem Beklagten aufgezeigte Risiko zu meiden, indem er das Haus B mit lediglich sechs Wohnungen ("kleine Lösung") errichtete (3). Schließlich kommt noch in Betracht, dass er - weil die "kleine Lösung" unwirtschaftlich war - auf das Haus B überhaupt verzichtete (4).
dd) Nicht gefolgt werden kann der Ansicht der Revisionserwiderung, es könne dahinstehen, wie sich der Kläger bei ordnungsgemäßer Belehrung entschieden hätte, weil der Zinsschaden geltend gemacht werde, der durch die verzögerte Fertigstellung des Hauses B und den verspäteten Verkauf der Wohnungen entstanden sei. Dabei wird der erstattungsfähige Schaden verkannt. Dieser besteht nicht in der Differenz zwischen den tatsächlichen Aufwendungen für die "große Lösung" und den geringeren Aufwendungen, die entstanden wären, wenn der Kläger eben diese "große Lösung" ohne jede Verzögerung hätte verwirklichen können. Maßgeblich ist vielmehr der Unterschied zwischen den tatsächlichen Aufwendungen für die "große Lösung" und den Kosten derjenigen Lösung, welche der Kläger bei ordnungsgemäßer Belehrung gewählt hätte.
ee) Das Berufungsgericht hat sich nur mit den Lösungsmöglichkeiten (1), (3) und (4) befasst.
Die Möglichkeit (1) hat es ausgeschieden, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass der Kläger auch auf die Gefahr hin, die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer nicht zu erhalten, mit der Errichtung des Hauses B mit acht Wohneinheiten begonnen hätte. Indes kann die Aussicht, zwei weitere Wohnungen Gewinn bringend abzusetzen, für den Kläger von ausschlaggebender Bedeutung gewesen sein. Nach seinem Vortrag ließen erst die beiden zusätzlichen Wohnungen das Projekt wirtschaftlich sinnvoll erscheinen. Das hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt. Wenn der Kläger die Lösung (1) gewählt hätte, wäre die Vermögenslage dieselbe, wie sie sich aus der (unterstellt) fehlerhaften Belehrung ergeben hat. Ein Schaden läge dann nicht vor.
Für den Fall, dass sich der Kläger für die Lösung (2) entschieden hätte, ist nicht auszuschließen, dass der Kläger damit Erfolg gehabt hätte. Da er sich später mit den anderen Wohnungseigentümern vergleichsweise geeinigt hat und daraufhin das Haus B mit acht Wohnungen hat fertig stellen können, erscheint es möglich, dass eine Einigung auch schon im Jahre 1988/89 - in einer noch nicht durch Prozesse belasteten Atmosphäre - hätte zu Stande kommen können und den Kläger " billiger" gekommen wäre als der mit der Klage geltend gemachte Zinsschaden. Ggf. stünde dem Kläger nur die Differenz zu.
Welche der beiden Varianten (3) und (4) der Kläger, falls der Beklagte ihn richtig belehrt hätte, gewählt hätte, hat das Berufungsgericht offen gelassen. Dessen Annahme, dass jeweils derselbe Schaden entstanden wäre, ist nicht nachvollziehbar. Wenn der Kläger die "kleine Lösung" gewählt, also das Haus B mit nur 6 Wohnungen errichtet hätte, wäre der gesamte Verzögerungsschaden nicht entstanden, der Kläger hätte allerdings auch keinen Gewinn aus der Vermarktung der beiden zusätzlichen Wohnungen erzielt. Falls der Kläger das Haus B überhaupt nicht errichtet hätte, wäre ebenfalls kein Verzögerungsschaden entstanden, außerdem hätte er die Baukosten für das Haus B gespart; allerdings hätte er auf den gesamten Gewinn aus der Veräußerung der Einheiten im Haus B verzichten müssen. Da nicht festgestellt ist, wie die "Einnahmen-Ausgaben-Rechnung" des Klägers aussah, lässt sich nicht beurteilen, mit welcher Lösung der Kläger besser davongekommen wäre.
ff) Da im Falle zutreffender notarieller Belehrung mehrere Handlungsalternativen offen standen, die sämtlich mit Vor- und Nachteilen verbunden, somit zu gewichten und abzuwägen waren, greift - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens nicht durch (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 6.7.2000 - IX ZR 88/98, MDR 2000, 1280 = WM 2000, 1808 [1809]).
gg) Das Berufungsgericht konnte sich auch nicht mit einer Schadensschätzung behelfen. Es steht schon nicht fest, wie der Kläger auf eine zutreffende Belehrung reagiert hätte; somit fehlt für die der Schadensberechnung zu Grunde zu legende Differenzhypothese der Anknüpfungspunkt. Selbst wenn feststünde, welche der Möglichkeiten (2), (3) oder (4) der Kläger gewählt hätte - bei der Möglichkeit (1) scheidet, wie oben dargelegt, ein Schaden aus -, wäre eine Schätzung unzulässig, weil sie mangels greifbarer, vom Geschädigten vorzutragender Anhaltspunkte völlig "in der Luft hinge" (BGH v. 22.5.1984 - III ZR 18/83, BGHZ 91, 243 [256 f.] = MDR 1984, 740; BGH, Urt. v. 26.11.1986 -VIII ZR 260/85, MDR 1987, 401 = NJW 1987, 909 [910]; vgl. ferner BGH, Urt. v. 25.2.1997 - VI ZR 101/96, MDR 1997, 549 = NJW 1997, 1640 [1641]).
3. Vergeblich bleiben hingegen die Angriffe bezüglich des vom Berufungsgericht abgelehnten Mitverschuldens.
Auf ein etwaiges Versäumnis des Klägers gegenüber dem Notar, der in den Jahren 1982 und 1983 die ersten Baubetreuungsverträge beurkundete, kann sich der Beklagte nicht berufen. Wenn diese Verträge deshalb ohne Änderungsvollmacht abgeschlossen wurden, weil der Kläger seinerzeit nicht erwähnte, dass er eine Änderung in Erwägung ziehe, war es im Jahre 1988 die Aufgabe des Beklagten, den Kläger zutreffend über die rechtlichen Konsequenzen zu belehren.
Die Revision vermag einen Verfahrensfehler auch insoweit nicht aufzuzeigen, als der beweisbewehrten Behauptung des Beklagten, der Kläger und seine Ehefrau hätten bis Ende des Jahres 1988 hinein versichert, das Gebäude werde wie vorgesehen errichtet, nicht nachgegangen worden ist. Inwiefern sich aus der behaupteten Tatsache ein Mitverschulden gegenüber dem Beklagten ergibt, wird nicht deutlich.
4. Die Annahme des Berufungsgerichts, der eingeklagte Anspruch sei nicht verjährt, hält den Angriffen der Revision gleichfalls stand.
a) Unzutreffend ist die Ansicht der Revision, aus der Aussage des Zeugen A. (vgl. oben 1 b) ergebe sich, dass der Kläger schon im Jahre 1985 Kenntnis vom Schaden gehabt habe. Zum einen ist die angebliche Pflichtverletzung erst im Sommer 1988 begangen worden (vgl. oben 1 a); zum anderen hat das Berufungsgericht den Schaden nicht in der - angeblich bereits im Jahre 1985 zu Tage liegenden - Untauglichkeit der Änderungsvollmacht für den vorgesehenen Zweck, sondern in der Zinsbelastung auf Grund der erst im Jahre 1988 aufgenommenen Kredite gesehen.
b) Die Revision vermag schließlich auch nicht mit der Ansicht durchzudringen, der Kläger habe spätestens am 15. oder 16.12.1988 Kenntnis vom Schaden erhalten. Nach dem Vorbringen des Klägers hat dieser an dem fraglichen Tag erstmals erfahren, dass der Rechtspfleger gegen die geänderte Teilungserklärung Bedenken äußerte. Das Berufungsgericht hat gemeint, im Dezember 1988 sei es noch zweifelhaft gewesen, ob nicht doch - alsbald - eine Zustimmung der Wohnungseigentümer würde herbeigeführt werden können. Es habe damit vorerst nur eine Vermögensgefährdung, aber noch kein Schaden vorgelegen. Diese Ansicht kann die Revision nicht unter Hinweis darauf angreifen, an anderer Stelle habe das Berufungsgericht gemeint, ein Schaden sei dem Kläger durch den Abschluss der Darlehensverträge - deren Erster auf den 27. Juli/3.8.1988 zu datieren sei - entstanden. Damit hat das Berufungsgericht nur zum Ausdruck gebracht, dass die Kreditaufnahme zum Schaden geführt hat, nicht aber, dass der Schaden sogleich mit Abschluss des Kreditvertrages eingetreten ist. Verlangt - und zugesprochen - sind Zinsen auch erst ab dem 1.6.1989.
c) Damit hat die am 18.12.1991 eingegangene und dem Beklagten am 7.1.1992 - mithin alsbald - zugestellte Klage die Verjährung rechtzeitig unterbrochen. Die damals erhobene Klage enthielt, da es sich um eine umfassende Feststellungsklage handelte, bereits das jetzige, erst am 27.2.1992 in den Prozess eingeführte Klagebegehren.
5. Mit der allgemeinen Sachrüge ist auch die Feststellung der Erledigung angegriffen. Falls es an einer Amtspflichtverletzung fehlt, war der für erledigt erklärte Teil der Klage von Anfang an unbegründet.
B. Zur Anschlussrevision des Klägers
Die Anschlussrevision hat ebenfalls Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht in Bezug auf weitere Schäden für unzulässig gehalten. Soweit es um künftige Schäden gehe, sei die Möglichkeit des Eintritts weiterer Schäden nicht dargetan. Hinsichtlich bereits entstandener Schäden sei dem Kläger eine Leistungsklage zuzumuten.
II.
Beides hält den Angriffen der Anschlussrevision nicht stand.
1. Ein Feststellungsinteresse bezüglich der Ersatzpflicht für Zukunftsschäden kann nur verneint werden, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Beurteilung kein Grund besteht, mit Spätfolgen wenigstens zu rechnen (vgl. BGH v. 12.11.1991 - VI ZR 7/91, BGHZ 116, 60 [75] m. w. N. = MDR 1992, 130). Im vorliegenden Fall lag es bei Klageerhebung (am 7.1.1992) nicht fern, dass das Ruhen der Bauarbeiten über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren (bis in das Jahr 1994 hinein) und die dadurch bedingte verzögerte Fertigstellung des Hauses B einen Schaden verursachen würde, der über die anfallenden Zinsen hinausgeht. Beispielsweise war an Mietausfälle zu denken. Eine Bezifferung war damals noch nicht möglich.
2. Falls der Schaden inzwischen bezifferbar geworden sein sollte, war deswegen kein Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 30.3.1983 - VIII ZR 3/82, MDR 1983, 1018 = NJW 1984, 1552 [1554]; v. 4.6.1996 - —VI ZR 123/95, MDR 1996, 959 = NJW 1996, 2725 [2726]). Weil der Kläger hinsichtlich des Zinsschadens tatsächlich zur Leistungsklage übergegangen ist, musste er hinsichtlich anderer Schadenspositionen nicht ebenso verfahren. Ein Feststellungsinteresse wird für den gesamten Anspruch selbst dann bejaht, wenn dieser von Anfang an teilweise bezifferbar ist (BGH, Urt. v. 15.11.1977 - VI ZR 101/76, NJW 1978, 210, insoweit in BGHZ 70, 39 n. abgedr.; v. 7.6.1988 - IX ZR 278/87, MDR 1989, 59 = NJW 1988, 3268; v. 21.2.1991 - III ZR 204/89, VersR 1991, 788 f.). Ausnahmsweise ist dem Kläger ein Übergang zur Leistungsklage unter den Voraussetzungen zugemutet worden, dass lange vor Beendigung der ersten Instanz die Schadensentwicklung abgeschlossen ist, der Beklagte deshalb den Übergang zur Leistungsklage anregt und dieser die Entscheidung nicht verzögert (BGH, Urt. v. 31.1.1952 - III ZR 131/51, LM ZPO § 256 Nr. 5). Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
C.
Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 564 ZPO a. F.). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 1 S. 1 ZPO a. F.). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 S. 2 ZPO a. F. Gebrauch.
Das Berufungsgericht wird zumindest die Zeugen A. , K. , Frau S. und Frau R. vernehmen müssen, um sich über die Glaubwürdigkeit der zuletzt genannten Zeugin ein abschließendes Urteil bilden zu können. Falls es erneut zur Annahme gelangen sollte, dass der Beklagte seine Amtspflichten verletzt hat, wird das Berufungsgericht prüfen müssen, welcher Schaden daraus entstanden ist.
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, eine von der Revision aufgezeigte anderweitige Ersatzmöglichkeit des Klägers zu prüfen. Da der Zinsschaden ausgeblieben wäre, wenn die Einigung mit den anderen Wohnungseigentümern schneller - vor dem 1.6.1989 - herbeigeführt worden wäre, muss der Kläger die von dem Beklagten aufgezeigte Möglichkeit ausräumen, dass eine solche Einigung anfänglich an der unzutreffenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die Anwälte des Klägers im Verfahren gegen den Wohnungseigentümer A. versäumt worden ist. Zwar hat das Berufungsgericht gemeint, der Beklagte sei "betreuend auf dem Gebiet vorsorgender Rechtspflege i. S. d. § 24 Abs. 1 S. 1 BNotO tätig" gewesen. Ggf. wäre der Subsidiaritätsgrundsatz nicht anwendbar (§ 19 Abs. 1 S. 2 BNotO). Indes könnte die Annahme einer selbständigen Betreuungstätigkeit i. S. d. § 24 Abs. 1 S. 1 BNotO auf Bedenken stoßen. Wenn die falsche Belehrung im Mai/Juni 1988 anlässlich eines Gesprächs zur Vorbereitung des Beurkundungstermins v. 12.12.1988 erfolgt sein sollte, wozu das Berufungsgericht geneigt hat, wäre sie Teil einer unselbständigen Betreuung gewesen, die nicht unter § 24 Abs. 1 S. 1 BNotO fällt.
Fundstellen
Haufe-Index 965171 |
BGHR 2003, 1141 |
NJW-RR 2003, 1569 |
DNotI-Report 2003, 150 |
WM 2004, 432 |
ZfIR 2003, 1056 |
MDR 2003, 1354 |
VersR 2004, 748 |
NotBZ 2003, 396 |
ZNotP 2003, 473 |
KammerForum 2004, 67 |