Entscheidungsstichwort (Thema)
Notleitungsrecht
Leitsatz (amtlich)
- § 7e NachbG BaWü regelt als landesrechtlich zulässige Vorschrift die Voraussetzungen des Notleitungsrechts entsprechend dem Vorbehalt in Art. 124 EGBGB in eigenständiger Weise; ein Rückgriff auf § 917 I 1 BGB ist nicht veranlaßt.
- Ein Notleitungsrecht entsteht nur im Rahmen einer zulässigen Nutzung des verbindungslosen Grundstücks; im Falle einer beabsichtigten Bebauung genügt dazu, daß das Grundstück materiellrechtlich bebaubar ist.
- Ein Leitungsrecht nach § 7e NachbG BaWü hängt nicht davon ab, daß die leitungsmäßige Erschließung des verbindungslosen Grundstücks vorher und in anderer Weise sichergestellt ist.
- Der Rechtsgedanke von § 918 II BGB ist auf ein Leitungsrecht nach § 7e NachbG BaWü entsprechend anwendbar.
- Bei Ausübung des Leitungsrechts ist das Eigentum am belasteten Grundstück tunlichst zu schonen (§ 1020 S. 1 BGB analog).
Normenkette
BGB § 918 Abs. 2; NachbG BaWü § 7e; BGB § 1020
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer des unbebauten Grundstücks Flurstück Nr. 3604/1 in R., das keinen unmittelbaren Zugang zu einer öffentlichen Straße hat. Es liegt zwischen der B. -straße und der R.-straße, wobei jeweils zur Straße hin andere Grundstücke dem Grundstück der Kläger vorgelagert sind. Zur R. -straße hin liegen vor dem Grundstück der Kläger die Grundstücke Flur Nr. 3604 und 3604/2, die nun im Alleineigentum der Beklagten stehen. Flur Nr. 3604 ist mit einem Wohnhaus bebaut, Flur Nr. 3604/2 ist ein zum Grundstück der Kläger führender etwa 3 m breiter Weg; er ist mit einer "Grunddienstbarkeit betreffend Geh- und Fahrtrecht für dem jeweiligen Eigentümer von Flurstück Nr. 3604/1" belastet. Die Kläger möchten über dieses Wegegrundstück auch die im Zusammenhang mit der beabsichtigten Bebauung ihres Grundstücks erforderlichen Leitungen verlegen.
Die Grundstücke der Parteien bildeten früher ein Grundstück, das im Eigentum von Dr. P. stand. Nach Aufteilung der Grundstücke erwarben die Kläger 1983 das hintere Grundstück (Flur Nr. 3604/1), dessen Zuweg durch die Grunddienstbarkeit auf Flur Nr. 3604/2 gesichert wurde. Die an der Straße liegenden Grundstücke (Flur Nrn. 3604/1 und 3604/2) veräußerte Dr. P. an die Beklagte und ihren Ehemann.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Benutzung ihres Grundstücks Flur Nr. 3604/2 insoweit zu dulden, als es zur Herstellung und Unterhaltung sämtlicher Leitungsanschlüsse notwendig ist, um das Nachbargrundstück Flur Nr. 3604/1 mit einem zulässigen Gebäude zu bebauen.
Land- und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Der Rechtsstreit ist unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Duldungsanspruch aus der Grunddienstbarkeit, weil diese das Recht zur Verlegung und Unterhaltung von Leitungen nicht umfasse. Es bejaht jedoch einen solchen Anspruch nach § 7 e Bad. Württ. NRG. Voraussetzung hierfür sei, daß die Inanspruchnahme des fremden Grundstücks "zur ordnungsgemäßen Benutzung des verbindungslosen Grundstücks erforderlich" sei (Hinweis auf § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zwar sei dieses Merkmal dem Wortlaut des § 7 e NRG nicht zu entnehmen. Diese Bestimmung sei aber wegen ihres erheblichen Eingriffs in fremdes Eigentum eng auszulegen, womit sich eine Ausübung des Leitungsrechts zum Zwecke einer unbefugten Nutzung verbiete. Die von den Klägern beabsichtigte Bebauung des Grundstücks stelle aber eine ordnungsgemäße Benutzung dar. Dabei bedürfe die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit keiner endgültigen Klärung; insbesondere könne nicht verlangt werden, daß schon eine Baugenehmigung vorliege. Die grundsätzliche Bebaubarkeit des Grundstücks sei durch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim vom 27. Februar 1980 sowie dadurch hinreichend dargetan, daß bereits eine Baugenehmigung erteilt gewesen sei und keine Gründe ersichtlich seien, die einer erneuten Erteilung entgegenstünden. Soweit die Beklagte darauf abstelle, daß die Baugenehmigung eine gesicherte Erschließung voraussetze und für das Grundstück der Kläger gerade ein Anschluß an das Versorgungsnetz nicht gewährleistet sei, diene der geltend gemachte Anspruch dieser Erschließung. Selbst wenn die Zulässigkeit des Bauvorhabens insofern noch zweifelhaft wäre, könne dies dem Duldungsanspruch nicht entgegenstehen (Hinweis auf das Urteil des BVerwG NJW 1976, 1987, 1989).
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand.
1.
Ist der Anschluß eines Grundstücks an eine Versorgungsleitung, eine Abwasserleitung oder einen Vorfluter ohne Benutzung eines fremden Grundstücks nicht (oder nur unter erheblichen besonderen Aufwendungen oder nur in technisch unvollkommener Weise) möglich, so hat der Eigentümer des fremden Grundstücks die Benutzung seines Grundstücks, insoweit als es zur Herstellung und Unterhaltung des Anschlusses notwendig ist, zu dulden und entgegenstehende Nutzungsarten zu unterlassen (§ 7 e Abs. 1 Satz 1 Bad. Württ. NRG, im folgenden nur: NRG). Sind auf dem fremden Grundstück Versorgungs- oder Abwasserleitungen bereits vorhanden, so kann der Eigentümer gegen Erstattung der anteilmäßigen Herstellungskosten den Anschluß an diese Leitungen verlangen, wenn dies technisch möglich und zweckmäßig ist (§ 7 e Abs. 1 Satz 3 NRG). Diese Anspruchsgrundlagen kommen hier in Betracht, was auch die Revision nicht in Zweifel zieht. Es handelt sich um eine auf der Grundlage von Art. 124 EGBGB ergangene landesrechtliche Bestimmung (vgl. auch Staudinger/Beutler, BGB 12. Aufl. § 917 Rdn. 46; Palandt/Bassenge, BGB 49. Aufl. § 917 Anm. 1 und Art. 124 EGBGB Anm. 3). Zwar ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt, daß sich ein solches Leitungsrecht auch aus einer entsprechenden Anwendung von § 917 BGB ergeben kann (vgl. z.B. Senatsurteile v. 15. April 1964, V ZR 134/62, NJW 1964, 1321 und v. 30. Januar 1981, V ZR 6/80, NJW 1981, 1036, 1037 m.N.). Diese Rechtsprechung dient im Wege analoger Rechtsfortbildung aber nur zur Lückenfüllung insoweit, als entsprechende landesrechtliche Regelungen fehlen. In Baden-Württemberg besteht ein Bedürfnis für eine solche analoge Anwendung von § 917 BGB seit Inkrafttreten von § 7 e NRG (1. Januar 1965) nicht mehr, vielmehr regelt nun das Landesrecht die Voraussetzungen des Notleitungsrechts entsprechend dem Vorbehalt in Art. 124 EGBGB in eigenständiger Weise (vgl. auch Staudinger/Kriegbaum, EGBGB 12. Aufl. Art. 124 Rdn. 5). Ein Rückgriff auf die Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB - wie er im Berufungsurteil anklingt - ist grundsätzlich nicht veranlaßt. Auch die Kompetenz des Landesgesetzgebers kann nicht in Zweifel gezogen werden (a.A. offenbar MünchKomm/Säcker 2. Aufl. § 917 Rdn. 37), denn bundesrechtlich geregelt ist nur ein Notwegrecht, nicht ein Notleitungsrecht. Demgemäß hatte der Senat schon im Urteil vom 30. Januar 1981 (aaO) keine Bedenken dagegen, daß § 7 e NRG (wie auch andere Landesrechte, vgl. § 30 Abs. 1 NRG Hessen; § 26 Abs. 1 NRG RhPf; § 27 Abs. 1 NRG Saarland) die Voraussetzungen des Leitungsrechts anders regelt und zum Teil geringere Anforderungen stellt als § 917 BGB.
2.
a)
Das Berufungsgericht stellt für den Duldungsanspruch im Ansatz zu Recht hier darauf ab, ob das Grundstück der Kläger bebaut werden darf. Dabei kann offenbleiben, ob § 7 e NRG immer die Bebaubarkeit des verbindungslosen Grundstücks voraussetzt oder ob nicht auch Fälle denkbar sind, in denen sich die Notwendigkeit einer entsprechenden Ver- oder Entsorgungsleitung unter dem Gesichtspunkt anderweitiger Grundstücksnutzung ergibt. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks muß nur notwendige Leitungen dulden. Das ergibt sich auch schon aus dem Sinn und Zweck eines Notleitungsrechts. Daraus folgt, daß ein Leitungsrecht für die unbefugte Nutzung eines Grundstücks nicht entsteht. Die Kläger selbst wollen das Wegegrundstück nur in Anspruch nehmen zur Herstellung und Unterhaltung sämtlicher Leitungsanschlüsse, die notwendig sind, um ihr Grundstück mit einem "zulässigen Gebäude" zu bebauen. Sie begründen die Erforderlichkeit also allein mit der beabsichtigten Bebauung, nicht aber mit einer sonstigen Nutzung. Auch die Revisionserwiderung geht demgemäß davon aus, daß das Leitungsrecht nur besteht, wenn das Grundstück der Kläger bebaubar ist.
Entgegen der Auffassung der Revision setzt ein Leitungsrecht nach § 7 e NRG nicht eine rechtswirksame und bestandskräftige Baugenehmigung voraus, sondern es genügt, daß das Grundstück nach dem einschlägigen materiellen Baurecht bebaut werden darf. Die Befugnis, ein Grundstück zu bebauen, ist Ausfluß des Eigentums am Grundstück (Grundsatz der Baufreiheit). Dementsprechend soll, soweit das Bauen nach den einschlägigen baurechtlichen Vorschriften ohne besondere Erlaubnis verboten ist, dieses Verbot nicht dazu dienen, das Bauen überhaupt zu unterbinden, sondern es hat ausschließlich präventiven Charakter und soll lediglich bewirken, daß das an eine Erlaubnis gebundene Bauen einer vorherigen Kontrolle durch die zuständigen Behörden unterstellt wird (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Demgemäß schafft die Baugenehmigung auch nicht ein subjektives öffentliches Recht für den Bauherrn, sondern stellt die Erklärung der zuständigen Behörde dar, daß das Bauvorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht, und hebt damit zugleich die vorläufige Sperre auf, die der Ausführung des Vorhabens zunächst gesetzt ist (vgl. BGHZ 60, 112, 115 ff). Erfüllt das Vorhaben die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen, hat der Bauherr einen Anspruch darauf, daß ihm die Genehmigung erteilt wird (BGHZ 60, 112/116). Aus dieser Sicht bestehen keine Bedenken dagegen, daß der Bauherr zunächst ein benötigtes Leitungsrecht erstreitet, bevor er mit erheblichem Kostenaufwand (Notwendigkeit eines Bauplans) das Baugenehmigungsverfahren betreibt.
b)
Daß Bauvorhaben nur zulässig sind, wenn "die Erschließung gesichert ist" (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB), bedeutet entgegen dem Standpunkt der Revision nicht, daß ein Leitungsrecht der Kläger erst entsteht, wenn vorher die Erschließung "dinglich gesichert" ist, also auch für das Leitungsrecht eine "unantastbare Rechtsposition" vorliegt, die die Revision mit einem Leitungsrecht nach § 7 e NRG nicht als gegeben ansieht. Der Revision ist zuzugeben, daß nach der Rechtsprechung des Senats ein Notwegrecht mit der beabsichtigten zukünftigen Bebauung solange nicht begründet werden kann, als die Bebauung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht möglich ist. Setzt das Bauvorhaben einen eigenen oder einen öffentlich-rechtlich gesicherten fremden Zugang zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche voraus (vgl. auch § 4 Abs. 1 LBO BaWü), dann wird mit einem nach § 917 BGB beanspruchten Notweg diese Voraussetzung nicht erfüllt (vgl. Senatsurteile v. 26. Mai 1978, V ZR 72/77, LM BGB § 917 Nr. 14 und v. 10. Oktober 1986, V ZR 115/85, Umdruck S. 5; BVerwG NJW 1976, 1987, 1989, Erman/Hagen, BGB 8. Aufl. § 917 Rdn. 2; Lutz/Bergemann, LBO BaWü § 4 S. 10; Schlotterbeck/von Arnim, LBO BaWü 3. Aufl. § 4 Rdn. 6). Ob dieser Grundsatz auch für ein auf § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB analog gestütztes Notleitungsrecht gelten würde, mag offenbleiben. Ein Leitungsrecht nach § 7 e NRG hängt jedenfalls nicht davon ab, daß die leitungsmäßige Erschließung des verbindungslosen Grundstücks vorher und in anderer Weise sichergestellt ist. Könnte der Eigentümer eines sog. Hinterliegergrundstücks auf eine anderweitige Sicherung (z.B. Grunddienstbarkeit) abstellen, so wäre er auf das gesetzliche Leitungsrecht nicht angewiesen. Würde das mit einer beabsichtigten Bebauung begründete Leitungsrecht nach § 7 e NRG gegen den Wortlaut dieser Vorschrift nur in den Fällen bestehen, in denen das Leitungsrecht bereits anderweitig gesichert ist, dann verlöre diese Bestimmung nahezu jede Bedeutung. Mit Recht weist deshalb das Berufungsgericht darauf hin, daß der vorliegend geltend gemachte Anspruch gerade dazu dient, den leitungsmäßigen Anschluß an das Versorgungsnetz zu gewährleisten. Diese Gesetzesauslegung folgt auch zwingend aus der Entstehungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien. § 7 e NRG wurde mit Erlaß der Landesbauordnung Baden-Württemberg 1964 in das NRG eingefügt (§ 114 LBO BaWü 1964, GBl 1964, 151 ff). Diese Vorschrift beruht auf einer im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens von Anfang an gleichbleibenden Fassung des Regierungsentwurfs, die ausdrücklich damit begründet wurde, daß "dem Bauenden" in gewissen Fällen die Anschlüsse an die Versorgungs- oder Abwasserleitungen über fremde Grundstücke ermöglicht werden solle, weil ein auf § 917 BGB gestütztes Notleitungsrecht nicht ausreiche und das Bundesbaugesetz die in seinem Entwurf vorgesehenen nachbarrechtlichen Bestimmungen nicht übernommen habe (vgl. Verhandlungen des Landtags Baden-Württemberg 3. Wahlperiode Beilage 3300 Seite 6607). § 4 Abs. 2 Nr. 3 der entsprechenden Landesbauordnung 1964 sah ausdrücklich vor, daß Gebäude nur errichtet werden dürfen, wenn "gesichert ist, daß bei der Schlußabnahme... die Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen in dem erforderlichen Umfang benutzbar sind". Auch nach § 34 BBauG in der 1964 geltenden Fassung waren Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile nur zulässig, die nach der vorhandenen Bebauung und Erschließung unbedenklich waren.
Vor diesem Hintergrund wäre unverständlich, daß der Landesgesetzgeber einerseits die Zulässigkeit von Gebäuden an benutzbare Versorgungs- und Abwasseranlagen binden, andererseits aber das gleichzeitig eingeführte Leitungsrecht für eben diese Anlagen von einer "anderweitigen" Sicherung dieser Leitungsrechte abhängig machen wollte. Wie die Gesetzesbegründung zeigt, sollte gerade den bauwilligen Eigentümern von verbindungslosen Grundstücken ein eigenständiges Leitungsrecht eingeräumt werden. Mit der von der Revision angestrebten Gesetzesauslegung würde es in diesem Hauptanwendungsfall wieder genommen. Das kann nicht richtig sein.
Im Rahmen von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB herrscht Übereinstimmung darüber, daß die Erschließung "gesichert" ist, wenn damit gerechnet werden kann, daß sie bis zur Herstellung des Bauwerks (spätestens bis zur Gebrauchsabnahme) funktionsfähig angelegt ist, und wenn damit zu rechnen ist, daß sie auf Dauer zur Verfügung stehen wird (vgl. BVer DVBl 1986, 186, 187; Battis/Krautzberger, BauGB 2. Aufl. § 34 Rdn. 22; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB § 34 Rdn. 70; Schlichter/Stich, Berliner Kommentar zum BauGB § 34 Rdn. 42). Es muß deshalb jedenfalls genügen, wenn die Kläger vor ihrem Antrag auf Baugenehmigung ein Leitungsrecht erstritten haben.
c)
Soweit das Berufungsgericht ausführt, die Frage der "bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit" bedürfe "keiner endgültigen Klärung", ist zweifelhaft, was damit gemeint sein soll. Ob das Grundstück der Kläger überhaupt bebaubar ist, durfte nach den obigen Ausführungen nicht offenbleiben. Das Berufungsgericht verweist aber gleichzeitig auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim vom 27. Februar 1980 (das ein Einfamilienhaus auf dem Grundstück der Kläger für zulässig hält) sowie auf die früher erteilte Baugenehmigung und meint, es seien keine Gründe ersichtlich, die einer erneuten Erteilung entgegenstünden. Daraus muß möglicherweise entnommen werden, daß es nicht die Frage offenlassen wollte, ob generell ein Bauvorhaben auf dem Grundstück der Kläger zulässig sei, sondern nur, wie dieses Bauvorhaben im einzelnen ausgeführt werden dürfe.
Gleichwohl läßt sich das Berufungsurteil mit der gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten. Früher erteilte Baugenehmigungen oder Bauvorbescheide sind unstreitig erloschen (vgl. § 54 Abs. 1, § 62 Abs. 1 LBO BaWü), da auch die Kläger nicht geltend machen, diese Genehmigungen seien verlängert worden (§ 54 Abs. 2, § 62 Abs. 2 LBO BaWü). Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim vom 27. Februar 1980 befaßt sich auf der Grundlage des früheren Rechts in der Hauptsache damit, daß sich die Bebauung mit einem Einfamilienhaus im Sinne von § 34 Abs. 1 BBauG/1976 in die Umgebung einfüge und bejaht die Frage, ob über das Grundstück Flur Nr. 3604/2 auch die wegemäßige Erschließung für dieses Wohnhaus gesichert sei. Insoweit gilt aber nunmehr § 4 Abs. 1 LBO in der Fassung vom 28. November 1983 (GBl 1983, 770 ff), wonach Gebäude nur errichtet werden dürfen, "wenn das Grundstück eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat". Da im vorliegenden Fall ein Bebauungsplan nicht vorhanden ist (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB), die bestehende Grunddienstbarkeit als lediglich privatrechtliche Sicherung der Zuwegung nicht ausreicht, kommt nur eine Absicherung durch Baulast in Betracht, weil bislang auch nicht festgestellt ist, daß die Befreiungsvoraussetzungen des § 57 Abs. 4 LBO BaWü vorliegen (vgl. Schlotterbeck/von Arnim, LBO BaWü 3. Aufl. § 4 Rdn. 6; Lutz/Bergemann, LBO BaWü § 4 S. 9/10). Die Kläger behaupten selbst nicht, es bestehe eine Baulast im notwendigen Umfang (§§ 70, 71 LBO BaWü).
Das Berufungsgericht wird bei der erneuten Prüfung jedoch berücksichtigen müssen, daß die Kläger unter Umständen gegen die Beklagte aus dem durch die Grunddienstbarkeit begründeten Schuldverhältnis einen Anspruch auf Übernahme einer deckungsgleichen Baulast haben können (vgl. BGHZ 106, 348, 350 ff; Senatsurt. v. 6. Oktober 1989, V ZR 127/88, WM 1990, 321 ff). Wäre die Beklagte verpflichtet, eine entsprechende Baulasterklärung abzugeben, könnte sie sich auch im vorliegenden Rechtsstreit nicht damit verteidigen (sie hat es bislang auch nicht getan), dem Grundstück der Kläger fehle die für eine Bebaubarkeit erforderliche öffentlichrechtliche Sicherung des Zuwegs und es sei aus diesem Grunde nicht bebaubar (§ 242 BGB).
Das Berufungsgericht wird nunmehr unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze prüfen müssen, ob das Grundstück der Kläger - gegebenenfalls nach Einräumung einer entsprechenden Baulast zur Sicherung des Zuwegs - bebaubar ist.
III.
Für die weitere Verhandlung und Entscheidung wird noch auf folgendes hingewiesen:
1.
Das Berufungsgericht bejaht ein Leitungsrecht der Kläger gerade über das Wegegrundstück (Flur Nr. 3604/2) und scheidet andere mögliche Verbindungen zum öffentlichen Leitungsnetz über nicht im Eigentum der Beklagten stehende Grundstücke aus, indem es den Rechtsgedanken von § 918 Abs. 2 BGB entsprechend auch auf das Leitungsrecht nach § 7 e NRG anwendet. Dies ist nicht zu beanstanden und wird von der Revision, auch hinsichtlich der einschlägigen tatsächlichen Feststellungen, nicht angegriffen.
2.
Soweit die Revision unter Hinweis auf ein vorgelegtes Sachverständigengutachten vom 5. Januar 1989 (Dr. B.) geltend macht, das Berufungsgericht sei dem Sachvortrag der Beklagten über die Gefahren des Rückstaus und die Notwendigkeit der Installation einer Hebeanlage nicht nachgegangen, ergibt sich aus dem Klageantrag seinem Wortlaut nach bislang nicht eindeutig, daß die Kläger Duldung eines Anschlusses an die auf dem Grundstück der Beklagten bereits vorhandenen Abwasserleitungen (§ 7 e Abs. 1 Satz 3 NRG) geltend machen. Um den Einwänden der Beklagten zu den technischen Schwierigkeiten eines Anschlusses an vorhandene Abwasserleitungen Rechnung zu tragen, können die Kläger für sich auch eine völlig neue Leitung bauen (§ 7 e Abs. 1 Satz 1 NRG). Es ist jedoch erforderlich, daß sie insoweit in ihrem Antrag klarstellen, von welcher Möglichkeit sie Gebrauch machen wollen. Die Ansprüche nach § 7 e Abs. 1 Satz 1 und § 7 e Abs. 1 Satz 3 NRG sind in ihren Voraussetzungen und Folgen (zu letzteren vgl. auch § 7 e Abs. 5 NRG) verschieden.
Soweit die Beklagte auf eintretende Nachteile beim Bau der Leitungen verweist, stellt das Berufungsgericht zunächst darauf ab, daß die Kläger gehalten sind, das Eigentum der Beklagten an dem Wegegrundstück, insbesondere den vorhandenen Birkenbestand am Rande, tunlichst zu schonen (vgl. Pelka, Nachbarrecht in Baden-Württemberg 12. Aufl. S. 86). Insoweit kann auf den Rechtsgedanken von § 1020 Satz 1 BGB zurückgegriffen werden. Im übrigen müssen die Kläger der Beklagten den durch den Bau der Leitung etwa entstehenden Schaden ersetzen (§ 7 e Abs. 3 NRG). Der Beklagten steht es frei, eine entsprechende Sicherheitsleistung zu verlangen (§ 7 e Abs. 3 Satz 2 NRG).
Verfehlt ist allerdings die Überlegung des Berufungsgerichts, die Beklagte könne auch nach der Verurteilung noch im Vollstreckungsverfahren zur Sicherung ihrer Birkenallee den Klägern eine andere, gleichwertige Leitungstrasse anbieten und dies könne "möglicherweise" der Vollstreckung des Duldungsanspruchs entgegenstehen. Die Kläger verlangen ausdrücklich ein Leitungsrecht nur über das Wegegrundstück (Flur Nr. 3604/2). Würde die Beklagte antragsgemäß verurteilt, so wären die Kläger nicht verpflichtet, eine andere Leitungsführung zu akzeptieren. § 7 e Abs. 2 NRG bezieht sich nur auf Beeinträchtigungen "nach Verlegung der Leitung". Wäre aber eine Leitungstrasse, die nicht nur über das Wegegrundstück, sondern allein oder auch über das der Beklagten gehörende Grundstück Flur Nr. 3604 verläuft, die schonendere Ausübung des Leitungsrechts (§ 1020 Satz 1 BGB analog), so müßten die Kläger diesen Weg wählen. Im Rahmen der ohnehin gebotenen neuen Verhandlung wird die Beklagte Gelegenheit haben, insoweit auf das Gutachten von Dr. B. zurückzukommen. Den Klägern bleibt es unbenommen, entsprechende Hilfsanträge zu stellen. Falls das Berufungsgericht erneut einen Leitungsanspruch bejaht, wird es zu prüfen haben, ob nicht - auch wenn nur das Wegegrundstück in Anspruch genommen wird - zur Vermeidung künftiger Streitigkeiten eine nähere Konkretisierung (Art der Leitungen, genaue Lage) erforderlich ist (§ 917 Abs. 1 Satz 2 BGB analog).
Fundstellen
Haufe-Index 1456606 |
NJW 1991, 176 |