Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 01.06.2001) |
Tenor
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 1. Juni 2001 werden auf Kosten der Staatskasse, die auch die notwendigen Auslagen der Angeklagten zu tragen hat, mit der Maßgabe verworfen, daß hinsichtlich des Angeklagten B die Strafausssetzung zur Bewährung entfällt.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten B wegen unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Im übrigen hat es ihn sowie die beiden Mitangeklagten D und S von weiteren Vorwürfen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die unbeschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft sind – abgesehen von der zu korrigierenden Aussetzungsentscheidung – unbegründet.
I.
Den Angeklagten wird die Begehung mehrerer Straftaten zur Last gelegt.
1. Der Angeklagte S, der als Geschäftsführer der I (I …) ein Interesse daran gehabt habe, in Leipzig Messehallen an Gewerbetreibende zu vermieten, namentlich auch an solche, die in Leipzig Räume im A -M -C und im A -M gemietet hatten, soll die Angeklagten B und D damit beauftragt haben, den Pkw des Betreibers des A -M -C in Brand zu setzen und den A M niederzubrennen. Auftragsgemäß sollen die Angeklagten B und D das Fahrzeug angezündet und zerstört haben, ferner zweimal den A -M angezündet haben, der beim ersten Mal beschädigt, beim zweiten Mal vollständig niedergebrannt sei.
Das Landgericht hat sich von einer Tatbeteiligung der Angeklagten nicht zu überzeugen vermocht. Objektive Gesichtspunkte für eine Täterschaft der Angeklagten hat der Tatrichter nicht festgestellt. Die Anklage beruht in erster Linie auf Angaben eines Zeugen vom Hörensagen zu Gesprächen mit dem Angeklagten B. Vor dem Hintergrund, daß die Brände ein viel diskutiertes Thema gewesen seien, hält das Landgericht es für möglich, daß der Angeklagte B mit seinen Äußerungen nur prahlen wollte.
Hinsichtlich des Brandes des Pkw seien die vor dem Brand gemachten Angaben des Angeklagten B sehr pauschal und ohne Nennung von Einzelheiten gewesen, das Gespräch nach dem Brand habe in wesentlichen Details unzutreffende Tatsachenangaben enthalten. Auch hinsichtlich der Brände im A -M habe B vor dem Hintergrund zahlloser Spekulationen divergierende Tatschilderungen abgegeben, die mit dem objektiven Beweisergebnis nicht in Einklang gestanden hätten.
2. Soweit dem Angeklagten B zur Last lag, eine funktionsfähige Handgranate besessen und an den Angeklagten D weitergegeben zu haben, hat das Landgericht keine sicheren Feststellungen dahin treffen können, daß es sich um eine echte Handgranate und nicht nur um eine Attrappe gehandelt hat, und deshalb insoweit freigesprochen. Eine Verurteilung wegen eines versuchten Verbrechens gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz hat es abgelehnt, weil nicht nachzuweisen sei, daß der Angeklagte B … von der Echtheit der Handgranate ausgegangen sei.
3. Soweit B in weiteren als den beiden abgeurteilten Fällen strafrechtlicher Umgang mit Betäubungsmitteln zur Last lag, hat das Landgericht den Angeklagten mangels möglicher konkreter Feststellungen freigesprochen.
4. Soweit B schließlich eine schwere räuberische Erpressung zur Last lag, waren die allein belastenden früheren Angaben des Geschädigten, der in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden konnte, widersprüchlich und reichten zur Verurteilung nicht aus.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die sich im wesentlichen gegen die Freisprüche von den Brandstiftungsvorwürfen wenden und vom Generalbundesanwalt weitgehend vertreten werden, bleiben ohne Erfolg.
1. Die auf einen Verstoß gegen §§ 244 Abs. 2, 251 Abs. 2 StPO gestützte Rüge ist schon nicht in zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), überdies auch unbegründet. Die Beschwerdeführerin hat überflüssigerweise der Begründung ihrer Verfahrensrügen seitenlange Urteilsablichtungen beigefügt, obwohl die schriftlichen Urteilsgründe dem Revisionsgericht aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge zugänglich sind. Hingegen hat sie es unterlassen, die verlesene Vernehmungsniederschrift des als unerreichbar angesehenen Zeugen, deren vollständige Kenntnis zur Beurteilung der Annahme seiner Unerreichbarkeit unerläßlich war, vorzulegen. Abgesehen davon war die Entscheidung des Landgerichts zur Verlesung der Niederschrift über die polizeiliche Zeugenvernehmung offensichtlich zutreffend.
2. Mit der weiteren als Verfahrensrüge bezeichneten Beanstandung wird tatsächlich nicht anders als mit der allgemeinen Sachrüge die Beweiswürdigung des Landgerichts sachlichrechtlich beanstandet. Indes hält die sorgfältige Beweiswürdigung der Strafkammer sachlichrechtlicher Nachprüfung stand.
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist auf das Vorliegen von Rechtsfehlern beschränkt (§ 337 StPO). Deshalb hat es das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Sachlichrechtliche Fehler können indessen vorliegen, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist. Insbesondere muß die Beweiswürdigung erschöpfend sein: Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist fehlerhaft. Schließlich dürfen die Anforderungen an eine Verurteilung nicht überspannt werden. Dabei ist zu beachten, daß eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewißheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zuläßt. Der Zweifelssatz darf schließlich erst nach einer solchen erschöpfenden Würdigung des gesamten Beweisergebnisses zur Anwendung kommen (st. Rspr.; vgl. BGH StV 2001, 440; BGHR StPO § 261 Einlassung 5; Beweiswürdigung 16; BGH, Urt. vom 16. Mai 2002 – 1 StR 40/02, jeweils m. w. N.; siehe auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 261 Rdn. 26).
b) Den danach an die Beweiswürdigung zu stellenden Anforderungen ist das Landgericht gerecht geworden. Seine Ausführungen begründen nach der Gesamtheit ihres Inhalts auch nicht die Besorgnis, das Landgericht könne die Anforderungen an seine Überzeugungsbildung überspannt haben. Die Beweiswürdigung leidet schließlich nicht unter einem durchgreifenden Erörterungsmangel.
Die Strafkammer hat unter Berücksichtigung der für eine Täterschaft bzw. Teilnahme der Angeklagten sprechenden Tatsachen vornehmlich die Gründe für ihre Zweifel daran dargestellt. Sie hat sodann in einer Gesamtschau festgestellt, daß zwar durchaus gewichtige Beweisanzeichen für die Täterschaft bzw. Teilnahme der Angeklagten hinsichtlich des Brandes am 4. November 1999 vorhanden sind. Die Indizienkette sei aber nicht lückenlos und es blieben erhebliche Zweifel an der Täterschaft der Angeklagten. Die Strafkammer konnte sich auch bei Betrachtung aller Brandgeschehen und der sie betreffenden Beweisanzeichen nicht von der Schuld der Angeklagten überzeugen.
Die Strafkammer ist dabei auch den Angaben des Zeugen vom Hörensagen, den sie für glaubwürdig gehalten hat, zum Inhalt der mit dem Angeklagten B geführten Gespräche im wesentlichen gefolgt. Sie hat sich nur nicht von der Richtigkeit der Äußerungen des Angeklagten überzeugen können. Soweit es im Urteil für möglich gehalten wird, daß der Zeuge – nicht näher konkretisierte – Details verwechselt und mit allgemeinen Gerüchten und Spekulationen zusammengefügt habe, hat das Landgericht lediglich plausible Gründe für die Annahme der Unsicherheit von Angaben vom Hörensagen aufgezeigt und nicht etwa den Zeugen widersprüchlich doch als unglaubwürdig erachtet. Vielmehr wird die Überzeugung der Strafkammer hervorgehoben, daß der Zeuge nicht bewußt falsch ausgesagt habe.
Mit den durch die Vernehmung zweier Polizeibeamter in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben einer Vertrauensperson brauchte sich das Landgericht nicht eingehender als geschehen auseinanderzusetzen. Die teilweise offensichtlich haltlosen, teilweise in der Hauptverhandlung nicht zu untermauernden Bekundungen der Vertrauensperson beruhten auf vagen Grundlagen vom Hörensagen in einer Zeit allgemeiner Spekulationen und Verdächtigungen.
Schließlich läßt sich der Inhalt der Aussage, die der Angeklagte B vor dem Ermittlungsrichter gemacht hat und die durch dessen Vernehmung in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch ausreichend entnehmen; auch hieraus ließ sich danach ein Tatnachweis nicht führen.
Sämtliche anderen Freisprüche sind im Ergebnis vom Tatrichter tragfähig begründet worden.
3. Das Urteil weist jedoch – was gemäß § 301 StPO zu prüfen war – zu Lasten des Angeklagten B einen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Die vom Landgericht ausgesprochene Strafaussetzung zur Bewährung kann keinen Bestand haben, weil der Angeklagte sich für längere Zeit in Untersuchungshaft befunden hat, als er an Freiheitsstrafe zu verbüßen hätte. Das Landgericht hat von der Möglichkeit, gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB Untersuchungshaft nicht anzurechnen, keinen Gebrauch gemacht. Ist aber die Strafe – wie hier – infolge der Anrechnung bereits voll verbüßt, scheidet eine Strafaussetzung begrifflich aus (BGHSt 31, 25, 27 ff.; BGH wistra 2002, 260, 261). Mit dem Wegfall der Strafaussetzung zur Bewährung sind etwaige Bewährungsauflagen und Weisungen gegenstandslos.
Unterschriften
Basdorf, Häger, Raum, Brause, Schaal
Fundstellen