Leitsatz (amtlich)
Sind die Titel von Druckschriften identisch und ergibt das optische Erscheinungsbild keinen wesentlich anderen Gesamteindruck, müssen die weiter zu berücksichtigenden Umstände – insbesondere der Gegenstand der Druckschriften, ihre Untertitel und die Unterschiede bei den Vertriebsformen – deutlich hervortreten, um gleichwohl eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.
Normenkette
MarkenG § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 1-2, § 5 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf |
LG Düsseldorf |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Januar 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, die unter „FACTS GmbH” firmiert, gibt seit April 1993 ein Magazin für Bürokommunikation mit dem Titel „FACTS” und dem Untertitel „Test- und Wirtschaftsmagazin für die Büro- und Kommunikationswelt” (oder „Testmagazin für die Büro- und Kommunikationswelt”) heraus. Der obere Teil des Titelblatts hat – verkleinert – folgendes Aussehen:
Die Zeitschrift wird über Buchhandlungen an die Kunden direkt vertrieben.
Die seit April 1995 erscheinende Zeitschrift der Beklagten trägt ebenfalls den Titel „FACTS” und wird mit dem Untertitel „Das Schweizer Nachrichtenmagazin” vertrieben. Der Titel sieht – ebenfalls verkleinert – folgendermaßen aus:
Es handelt sich um ein allgemeines Nachrichtenmagazin mit einer Konzentration auf Schweizer Themen. Die Beklagte plant einen Vertrieb des bislang ebenfalls an Kiosken nicht erhältlichen Magazins über ausgewählte Verkaufsstellen an Bahnhöfen und Flughäfen, die internationale Magazine führen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei berechtigt, das für Zeitschriften und Computer unter Nr. 2052941 des Markenregisters des Deutschen Patent- und Markenamtes eingetragene Wort-/Bildzeichen „FACTS” zu benutzen. Die Firma I. Verlagsgesellschaft für Bürosysteme mbH, für die die Marke 1993 angemeldet und eingetragen worden sei, sei zwischenzeitlich mit ihr verschmolzen. Die Klägerin hält den Titel der Zeitschrift der Beklagten mit dem Titel ihres Magazins und dem eingetragenen Wort-/Bildzeichen für verwechslungsfähig.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in Deutschland im geschäftlichen Verkehr eine Zeitschrift unter der Bezeichnung „FACTS” anzubieten, zu vertreiben oder mit dieser Bezeichnung zu werben.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat sich unter anderem darauf berufen, sie habe 1995 über die Benutzung des Titels mit einer Firma in D., die seit Februar 1993 ein Magazin mit dem Titel „FACTS” herausgebe, das sich an Motorradfans wende, eine Lizenzvereinbarung getroffen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte war im Revisionsrechtszug nicht vertreten. Die Klägerin beantragt, durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung in die Berufungsinstanz.
I. Über den Revisionsantrag ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 331, 557 ZPO). Das Urteil beruht allerdings nicht auf der Säumnis. Es wäre nach dem der Revisionsentscheidung gemäß § 561 ZPO zugrundeliegenden Sach- und Streitstand inhaltlich ebenso ergangen, wenn die Beklagte nicht säumig gewesen wäre (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
II. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2, § 5 Abs. 3 MarkenG verneint und ausgeführt:
Eine Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Titel bestehe nicht. Zwar seien diese identisch. Auch das optische Erscheinungsbild ergebe keinen wesentlich anderen Gesamteindruck. Es komme aber nicht allein auf die Verwechslungsfähigkeit der Titel selbst, sondern auch auf die Marktverhältnisse, insbesondere auf Charakter und Erscheinungsbild der Zeitschriften an. Die Zeitschriften wiesen einen verschiedenen Gegenstand und sachlichen Inhalt auf, wenn sie sich auch in geringem Umfang ergänzten. Auf eine Überschneidung der Leserkreise komme es nicht an, zumal die nach dem Vortrag der Klägerin in Betracht kommenden Leserkreise gewohnt seien, auf die Unterschiede zu achten. Beide Zeitschriften gingen in ihren Untertiteln auf die verschiedenen Interessentenkreise deutlich ein. Der Zeitschriftentitel „FACTS” weise auch unter Berücksichtigung der besonderen Maßstäbe für derartige Titel nur eine geringe Kennzeichnungskraft auf. Bei einer so geringen Unterscheidungskraft gelte uneingeschränkt der Grundsatz, daß das Publikum auf dem Zeitungsmarkt an mehr oder weniger farblose Bezeichnungen gewöhnt sei und deshalb auf geringfügige Unterschiede achte.
Ob die Klägerin sich auch auf eine Marke „FACTS” berufen könne, bedürfe keiner Prüfung. Nach altem Recht habe der zeichenrechtliche Schutz nicht weiter gereicht als derjenige nach § 16 Abs. 1 UWG. Da die §§ 5, 15 MarkenG am Recht der geschäftlichen Bezeichnung in der Sache nichts geändert hätten, sei davon auch nach neuem Recht auszugehen.
III. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, kann die Klägerin für den Zeitschriftentitel „FACTS” grundsätzlich den kennzeichnungsrechtlichen Schutz des § 15 Abs. 1 und 2 und § 5 Abs. 3 MarkenG in Anspruch nehmen. An die Unterscheidungskraft von Zeitschriftentiteln werden nur geringe Anforderungen gestellt, weil auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt seit jeher Zeitungen und Zeitschriften unter mehr oder weniger farblosen Gattungsbezeichnungen angeboten werden (BGH, Urt. v. 16.7.1998 – I ZR 6/96, GRUR 1999, 235, 237 = WRP 1999, 186 – Wheels Magazine, m.w.N.; Urt. v. 29.4.1999 – I ZR 152/96, GRUR 2000, 70, 72 = WRP 1999, 1279 – SZENE). Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt der Titel „FACTS”. Es handelt sich um das englische Wort für Tatsachen. Dies stellt keinen reinen Gattungsbegriff für Zeitschriften dar. Vielmehr weist es ein Mindestmaß an Individualität auf, das dem Verkehr eine Unterscheidung von anderen Zeitschriften ermöglicht.
Zutreffend hat das Berufungsgericht dem Titel aber – von der Revision unbeanstandet – nur geringe Kennzeichnungskraft beigemessen. Als Titel weist „FACTS” keine eigenartige phantasievolle Bezeichnung auf und ist daher als Zeitschriftentitel nur in geringem Umfang zur Kennzeichnung geeignet.
2. Dagegen begegnen die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne verneint hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage der Verwechslungsgefahr danach zu bestimmen, welchen Gesamteindruck die beiderseitigen Bezeichnungen im Verkehr erwecken (BGH, Urt. v. 27.9.1990 – I ZR 87/89, GRUR 1991, 153, 154 f. = WRP 1991, 151 – Pizza & Pasta; GRUR 1999, 235, 237 – Wheels Magazine). Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen Zeitschriftentiteln ist aber auch auf die Marktverhältnisse und zwar insbesondere auf Charakter und Erscheinungsbild der Zeitschriften abzustellen; Gegenstand, Aufmachung, Erscheinungsweise und Vertriebsform haben Einfluß auf die Verwechslungsgefahr (BGH, Urt. v. 30.5.1975 – I ZR 37/74, GRUR 1975, 604, 605 = WRP 1976, 35 – Effecten-Spiegel; Urt. v. 27.2.1992 – I ZR 103/90, GRUR 1992, 547, 549 = WRP 1992, 759 – Morgenpost).
Zutreffend hat das Berufungsgericht festgestellt, daß die Titel der beiden Druckschriften identisch sind und das optische Erscheinungsbild keinen wesentlich anderen Gesamteindruck ergibt. Stimmen damit aber die wesentlichen den Gesamteindruck prägenden Bestandteile überein, so müssen die weiter zu berücksichtigenden Umstände deutlich hervortreten, um gleichwohl eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Insoweit reichen die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht aus.
Auf die Vertriebsform der Zeitschriften der Parteien – beide Zeitschriften sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Deutschland an Kiosken nicht erhältlich – kann vorliegend bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht zum Nachteil der Klägerin abgestellt werden. Beide Parteien planen nach ihrem Vortrag die Einführung des Vertriebs an Kiosken in Deutschland. Eine entsprechende künftige Entwicklung ist nicht auszuschließen; es ist daher die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß die Zeitschriften sich künftig auch an Verkaufsstellen in Deutschland begegnen.
Zur Verneinung der Verwechslungsgefahr hat das Berufungsgericht weiterhin entscheidend auf den unterschiedlichen Gegenstand der Zeitschriften der Parteien abgestellt. Während die Zeitschrift der Klägerin der Unterrichtung über Bürokommunikation dient, informiert diejenige der Beklagten über gesamtpolitische und wirtschaftliche Themen.
Zu Recht macht die Revision geltend, daß dieser unterschiedliche sachliche Inhalt der Zeitschriften nur dann berücksichtigt werden kann, wenn er wegen der identischen Titel und ihres optisch übereinstimmenden Gesamteindrucks in anderer Weise deutlich hervorgehoben wird. Das Berufungsgericht hat dies maßgebend (BU 7 und 8) aus den verschiedenen Untertiteln der Zeitschriften abgeleitet. Es hat jedoch keine näheren Feststellungen dazu getroffen, ob diese Untertitel nach ihrem optischen Eindruck in ausreichendem Maße geeignet sind, auf den unterschiedlichen sachlichen Inhalt der Zeitschriften der Parteien hinzuweisen und den aufgrund des identischen Zeitschriftentitels und des Erscheinungsbildes im wesentlichen übereinstimmenden Gesamteindruck der Werktitel entscheidend zurückzudrängen und ob die Untertitel vom Verkehr wegen geringerer Auffälligkeit nicht übersehen werden (vgl. BGH GRUR 1991, 153, 155 – Pizza & Pasta).
Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang gegebenenfalls auch zu prüfen haben, ob sich die Hinzufügung des Untertitels aus anderen Gründen als nicht geeignet erweist, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. In der Rechtsprechung ist bereits wiederholt ausgesprochen worden, daß der Verkehr erfahrungsgemäß dazu neigt, längere Bezeichnungen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen und daß schutzfähige Kennzeichnungen auch gegen die Gefahr zu schützen sind, daß diese abgekürzten Bezeichnungen mit ihnen verwechselt werden (BGH GRUR 1991, 153, 155 – Pizza & Pasta, m.w.N.). Für die Annahme einer sich hieraus ergebenden Verwechslungsgefahr genügt es, wenn die abgekürzte Bezeichnung für einen nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs naheliegt. Ein entsprechender Erfahrungssatz könnte auch hier in Betracht zu ziehen sein; denn es liegt nahe, daß das Publikum jedenfalls zu nicht ganz unerheblichen Teilen den kürzeren und griffigeren Haupttitel allein (verkürzt) behalten und gegebenenfalls verwenden wird und daß verlängernde Zusätze von geringerer Kennzeichnungskraft und Einprägsamkeit dabei leicht in Fortfall geraten werden (vgl. BGH GRUR 1991, 153, 155 – Pizza & Pasta).
Die danach erforderlichen weiteren Feststellungen wird der Tatrichter zu treffen haben.
3. Eine weitere Sachaufklärung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil – wie die Revision meint – im Streitfall jedenfalls eine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne anzunehmen sei, da der Verkehr aufgrund der identischen Kennzeichnungen wirtschaftliche oder organisatorische Beziehungen zwischen den Parteien vermute. Das Berufungsgericht hat insoweit – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen getroffen. Darauf kommt es im Streitfall aber auch nicht an.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dienen Werktitel i.S. des § 5 Abs. 3 MarkenG grundsätzlich (nur) der Unterscheidung eines Werkes von anderen, ohne einen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werkes und damit auf eine bestimmte betriebliche Herkunft zu enthalten. Sie sind daher in der Regel nur gegen eine unmittelbare Verwechslung im engeren Sinne geschützt. Allerdings kann der Verkehr unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Werktitel gleichzeitig auch die Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft verbinden, wie dies in der Rechtsprechung für bekannte Titel regelmäßig erscheinender periodischer Druckschriften bejaht worden ist. Denn die Bekanntheit eines solchen Titels und das regelmäßige Erscheinen im selben Verlag legen die Schlußfolgerung nahe, daß er im Verkehr jedenfalls teilweise auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft verstanden wird (vgl. BGH GRUR 1999, 235, 237 – Wheels Magazine; BGH, Urt. v. 12.11.1998 – I ZR 84/96, GRUR 1999, 581, 582 = WRP 1999, 519 – Max; BGH GRUR 2000, 70, 72 – SZENE, m.w.N.).
Zu einer derartigen Prüfung besteht im Streitfall indessen keine Veranlassung, weil die Klägerin schon nicht hinreichend dargetan hat, daß es sich bei ihrer Zeitschrift um einen bekannten Titel in dem genannten Sinne handelt. Dafür finden sich auch sonst keine Anhaltspunkte. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erscheint die Zeitschrift der Klägerin in einer Auflage von 40.000 Stück, die zum Teil kostenlos versandt wird. Damit befindet sich die Klägerin ersichtlich noch in einem Stadium, in dem sie ihr Magazin erst bekanntmachen will.
4. Das Berufungsgericht hat auch einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aufgrund der eingetragenen Wort-/Bildmarke „FACTS” mit der Begründung verneint, der markenrechtliche Schutz reiche auch unter der Geltung des Markengesetzes nicht weiter als das Recht der geschäftlichen Bezeichnung nach §§ 15, 5 MarkenG. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Unter der Geltung des Markengesetzes besteht ein Nebeneinander des Kennzeichenschutzes der Marke nach § 14 MarkenG und der geschäftlichen Bezeichnung nach §§ 15, 5 MarkenG (BGHZ 135, 278, 282 – PowerPoint; BGH, Urt. v. 24.4.1997 – I ZR 233/94, WRP 1997, 1181, 1183 – FTOS; Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., § 3 Rdn. 253). Während die Marke in erster Linie auf die betriebliche Herkunft hinweist, ist der Titel eher inhaltsbezogen (BGHZ 135, 278, 282 – PowerPoint; BGH WRP 1997, 1181, 1183 – FTOS) und dient grundsätzlich (nur) der Unterscheidung eines Werkes von einem anderen (BGH GRUR 1999, 581, 582 – Max, m.w.N.). In der unterschiedlichen Zielrichtung liegt auch ein Hinweis darauf, daß das Nebeneinander von Marken- und Titelschutz sinnvoll sein kann.
Danach kommt neben einem Titelschutz nach §§ 15, 5 MarkenG auch ein Anspruch der Klägerin aus § 14 Abs. 2 MarkenG in Betracht. Da das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig – noch keine Feststellungen zum Markeninhaber, zur konkreten Ausgestaltung der farbigen Wort-/Bildmarke und den weiteren Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs der Klägerin nach § 14 Abs. 2 MarkenG getroffen hat, ist dem Senat auch insoweit eine abschließende Sachentscheidung verwehrt.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant, Büscher
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.09.1999 durch Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556181 |
BGHR |
NJW-RR 2000, 1062 |
GRUR 2000, 504 |
Nachschlagewerk BGH |
AfP 2000, 277 |
WRP 2000, 533 |
MarkenR 2000, 172 |