Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. November 2003 werden verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und die durch diese Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten.
Tatbestand
Den Angeklagten liegt zur Last, in der Zeit von Juni 1995 bis Oktober 2002 teilweise allein, überwiegend gemeinschaftlich und unter Drohung von Waffen Geldinstitute überfallen und dabei rund 1,8 Millionen Euro erbeutet zu haben. Bei den gemeinschaftlich begangenen Überfällen suchten sich die Angeklagten überwiegend ländliche Geldinstitute ohne Sicherheitsverglasung mit maximal vier bis sechs Angestellten sowie in Orten aus, in deren Nähe es keine Polizeidienststelle gibt. Der Angeklagte T. reiste eigens aus Griechenland zu den Überfällen an. Entsprechend ihrer Planung nutzten die Angeklagten das Überraschungsmoment aus, als einer von beiden die Angestellten oder Kunden mit einer ungeladenen Schreckschußwaffe bedrohte, während der andere sofort den Tresen überstieg, um das Auslösen der Alarmanlage zu verhindern. Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schweren Raubes in fünf Fällen und wegen schwerer räuberischer Erpressung in fünfzehn Fällen, davon in sieben Fällen begangen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Dem Angeklagten T. hat es die Fahrerlaubnis unter Anordnung einer Sperrfrist von drei Jahren entzogen und den Führerschein eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, ausweislich der Revisionsbegründung auf den Strafausspruch und die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Beschwerdeführerin erstrebt die Verhängung höherer Einzel- und Gesamtfreiheitsstrafen sowie die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
I.
Die Strafaussprüche sind rechtsfehlerfrei. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
1. Die Strafkammer durfte beim Angeklagten T. strafmildernd berücksichtigen, daß er von seinem Mittäter in die Taten hineingezogen wurde. Die ausländerrechtlichen Folgen der Verurteilung T.s, die in der Regel kein bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt sind, waren erkennbar kein gewichtiger Milderungsgrund.
2. Auch die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe des Angeklagten B. weist keinen Rechtsfehler auf. Die von der Strafkammer angenommene Einsicht und Reue dieses Angeklagten ist noch tragfähig begründet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung hält rechtlicher Überprüfung stand.
1. Die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB sind hier gegeben.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat bei beiden Angeklagten zutreffend einen Hang i. S. d. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB bejaht. Das versteht sich bei der hier vorliegenden Tatserie von selbst.
3. Die Strafkammer hat für beide Angeklagten, bezogen auf den Urteilszeitpunkt, angenommen, von ihnen seien keine weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten zu erwarten, so daß sie für die Allgemeinheit nicht gefährlich seien (UA S. 33/34). Bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB darf der Tatrichter dem Alter des Angeklagten und den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs Bedeutung beimessen, wenn sie – nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung – eine Haltungsänderung des Angeklagten erwarten lassen (vgl. BGH, Urt. vom 18. Oktober 1994 – 1 StR 576/94; BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6).
Dies hat die Strafkammer bedacht. Die Erwägung der Strafkammer, die Angeklagten würden aufgrund ihrer Intelligenz „bei künftiger Risikoabwägung hinsichtlich neuer autonomer Tatentschlüsse unter dem Eindruck des Verfahrens erkennen, daß gleichartige oder ähnliche Taten in der Zukunft unweigerlich auf sie weisen und wegen der bei der Polizei gespeicherten Daten leichter zu beweisen sein werden, daß sie damit praktisch kaum mehr eine Chance haben werden, unentdeckt zu bleiben” ist in diesem Zusammenhang allerdings mißverständlich. Darauf hat die Beschwerdeführerin zu Recht hingewiesen.
Die Strafkammer hat aber weiter – und ersichtlich tragend – darauf abgestellt, daß die beiden Angeklagten nicht nur bei der Polizei, sondern auch in der Hauptverhandlung ein umfassendes Geständnis abgegeben haben, in dem sie der Strafkammer ihre Distanzierung von ihrem bisher durch die Straftaten bestimmten Lebensstil und ihre Umkehr glaubhaft versichert haben. Dies ist ein rechtlich zutreffender Ansatz. Die Strafkammer hat sich bei ihrer Überzeugungsbildung nicht nur auf eine „bloße Hoffnung” sich künftig ändernder Lebensumstände gestützt. Sie hat vor dem Hintergrund der Herkunft beider Angeklagten, ihrer bisherigen persönlichen Entwicklung und der durch die Festnahme bewirkten Beendigung der Tatserie abgegebenen glaubhaften, mit den polizeilichen Ermittlungen übereinstimmenden Geständnisse eine einschneidende Änderung in den persönlichen Lebensbereichen der Angeklagten zwischen Tatbegehung und dem für die Prognose maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung angenommen. Auch sind beide Angeklagten vor ihren Taten noch nicht – der Angeklagte T. – oder jedenfalls nicht einschlägig bestraft worden – so der Angeklagte B. – und haben beide noch keine Freiheitsstrafen verbüßt.
Vor dem Hintergrund dieser vom Tatrichter als ernsthaft angesehenen Distanzierung von einer Tatserie und dem bekundeten ernsthaften Umkehrwillen stellt es hier keinen Rechtsfehler dar, daß die Strafkammer allein die langjährigen Freiheitsstrafen verhängt hat. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll der Tatrichter die Möglichkeit haben, sich auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, daß sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen läßt. Damit kann der Tatrichter dem Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 66 Abs. 2 StGB Rechnung tragen, der sich daraus ergibt, daß Absatz 2 – im Gegensatz zu Absatz 1 – eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt (vgl. Hanack in LK StGB 12. Aufl. § 66 Rdn. 173, 50 ff. unter Hinweis auf die Berichte des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform). Die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs sowie die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen sind dabei wichtige Kriterien, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen dieser Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind (BGH NStZ 1984, 309; 1996, 331; BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 1). Die Strafkammer hat im einzelnen dargelegt, sie habe sich deshalb mit den Wirkungen der verhängten Freiheitsstrafen und den Auswirkungen des Strafvollzugs auf die Angeklagten auseinandergesetzt, weil sie hohe Freiheitsstrafen verhängt habe. Die Angeklagten würden nach Verbüßung von zwei Dritteln frühestens in rund achteinhalb Jahren wieder in Freiheit sein, die lange Verbüßungsdauer bringe Entwöhnung vom bisherigen Lebensstil und von der bisherigen Anspruchshaltung und sie rücke bei beiden Angeklagten andere Werte wie Freiheit und Kontakt mit der Familie in den Vordergrund.
Diese Entscheidung des Tatrichters ist (wie jede Prognose) vom Revisionsgericht nur in begrenztem Umfang nachprüfbar (BGH StV 2002, 479) und vom Senat hinzunehmen.
III.
Mit der Möglichkeit der Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nach § 66a StGB setzt sich das angefochtene Urteil zu Recht nicht auseinander. Darin liegt kein Rechtsfehler. Die am 28. August 2002 (BGBl. I S. 3344) in Kraft getretene Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn zum einen ein Hang im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB festgestellt ist und wenn zum anderen eine erhebliche, naheliegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß der Täter für die Allgemeinheit im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB gefährlich ist und dies auch zum Zeitpunkt einer möglichen Entlassung aus dem Strafvollzug sein wird. Diese zweite Voraussetzung liegt hier nicht vor.
Unterschriften
Nack, Wahl, Boetticher, Hebenstreit, Graf
Fundstellen
Haufe-Index 2557503 |
NStZ 2005, 211 |
StV 2005, 129 |