Leitsatz (amtlich)
Liegt es nahe, aus mehreren unstreitigen Tatsachen eine bestimmte ehrverletzende Schlussfolgerung zu ziehen, so ist eine bewusst unvollständige Berichterstattung rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, wenn die Schlussfolgerung bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsache weniger nahe liegend erscheint und deshalb durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Eindruck entstehen kann.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1-2, § 1004; StGB § 186
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des OLG Köln v. 1.7.2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger, ein katholisches Erzbistum, dessen Kardinal und ein Prälat, nehmen den Beklagten, einen Journalisten, auf Unterlassung wörtlicher oder sinngemäßer Tatsachenbehauptungen dahingehend in Anspruch, den Klägern sei es auf Grund eines an sie gerichteten Briefes einer Frau D. v. 18.9.1996 möglich gewesen, den Schwangerschaftsabbruch einer angeblich von einem Pfarrer geschwängerten Minderjährigen zu verhindern, außerdem hätten sie den Pfarrer, der die angebliche Sexualbeziehung zu der Minderjährigen erpresst habe, aus seinem Amt entfernen können. Sie behaupten, der Beklagte habe diese Tatsachenbehauptungen versteckt in zwei Zeitungsartikeln und einem Rundfunkbeitrag, die alle Ende 1996 erschienen sind, aufgestellt.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Das in NJW-RR 1998, 1175 veröffentlichte Berufungsurteil (OLG Köln, Urt. v. 27.1.1998 - 15 U 126/97, OLGReport Köln 1998, 167 = NJW-RR 1998, 1175), mit dem die Berufung des Beklagten nur hinsichtlich des Klägers zu 3) wegen fehlender Aktivlegitimation erfolgreich gewesen, im Übrigen jedoch zurückgewiesen worden war, ist vom BVerfG (BVerfG v. 19.2.2004 - 1 BvR 417/98, NJW 2004, 1942) wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen worden. Die Kläger haben den Beklagten nunmehr auf Unterlassung verschiedener Äußerungen in Anspruch genommen, aus denen sie die versteckten Aussagen im Sinne des ursprünglichen Antrages herleiten. Die Berufung ist weitgehend ohne Erfolg geblieben; das Berufungsgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben mit der Einschränkung, dass dem Beklagten die Verbreitung der beanstandeten verdeckten Tatsachenbehauptungen, wie in den zwei 1996 erschienenen Artikeln und dem am 24.11.1996 gesendeten Rundfunkbeitrag geschehen, verboten werde ohne den klarstellenden Zusatz, dass den Klägern weder der Name des betroffenen Mädchens noch der des Pfarrers bekannt gewesen, weil von Frau D. nicht mitgeteilt worden sei. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Klageabweisung auch ggü. den Klägern zu 1), 2) und 4).
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 BGB, § 186 StGB, da der Beklagte in den zwei 1996 veröffentlichten Artikeln und dem am 24.11.1996 ausgestrahlten Rundfunkbeitrag in verdeckter Form unrichtige Tatsachenbehauptungen aufgestellt habe, welche geeignet seien, das Ansehen der Kläger in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen.
So habe der Kläger im Radiobeitrag die verdeckten und unrichtigen Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die Kläger hätten auf Grund eines Schreibens von Frau D. v. 18.9.1996, in dem diese das Bistum darüber informierte, dass eine Jugendliche auf Grund einer erpressten Sexualbeziehung zu einem katholischen Pfarrer schwanger geworden sei und nach Beratung diese Schwangerschaft in den nächsten Tagen abbrechen werde, die Möglichkeit gehabt, unmittelbar Kontakt mit der Betroffenen aufzunehmen und den Schwangerschaftsabbruch zu verhindern, sowie, den Klägern sei der Name des beschuldigten Pfarrers bekannt gewesen, so dass sie ihn aus dem Amt hätten entfernen können.
In dem Artikel für die Zeitschrift "Die Woche" seien die beiden verdeckten Behauptungen ebenfalls aufgestellt worden, während im Artikel in der Zeitschrift "Kirche intern" nur die erste (bezüglich der Kontaktaufnahmemöglichkeit) aufgestellt worden sei.
Der Beklagte habe dabei verschwiegen, dass der Kläger zu 4) unstreitig in einem dem Schreiben vorangegangenen Telefonat mit Frau D. nach dem Namen des Pfarrers und der betroffenen Minderjährigen gefragt und keine Antwort erhalten hatte und dass der Brief diese Informationen unstreitig ebenfalls nicht enthielt. Das Verschweigen wesentlicher Umstände und damit die unvollständige Darstellung des Sachverhalts begründe eine verdeckte Tatsachenbehauptung, die dadurch unrichtig sei.
II.
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Den Klägern steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 BGB, § 186 StGB mit der im Tenor des Berufungsgerichts erfolgten Einschränkung zu.
1. Die Revision rügt erfolglos die Aktivlegitimation des Klägers zu 2) (Erzbistum K.).
a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie das klagende Bistum zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen können, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird. Zwar haben sie weder eine "persönliche" Ehre noch können sie wie eine natürliche Person Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein; sie genießen jedoch, wie § 194 Abs. 3 StGB zeigt, im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben - hier im Bereich der Seelsorge und der Verbreitung und Vertretung von Glaubensinhalten - strafrechtlichen Ehrenschutz, der über §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen kann (BGH, Urt. v. 22.6.1982 - VI ZR 251/80, MDR 1983, 43 = NJW 1982, 2246; Urt. v. 16.11.1982 - VI ZR 122/80, MDR 1983, 300 = NJW 1983, 1183, jeweils m.w.N.; BVerfG v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92, 1 BvR 221/92, BVerfGE 93, 266 [291] = MDR 1996, 82).
b) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist weiterhin die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Kläger zu 2) durch die Berichterstattung selbst betroffen ist.
Wenn die Revision meint, dass nur Mitarbeiter einer juristischen Person von einer Äußerung betroffen sein könnten, trifft dies für den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Auch wenn die juristische Person durch ihre Mitarbeiter bzw. gesetzlichen Vertreter handelt, kann sie doch - wie soeben ausgeführt - selbst Rechtsträger sein und deshalb Unterlassungsansprüche geltend machen, wenn sie in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt wird. Dies gilt im vorliegenden Fall bereits deshalb, weil das Erzbistum als Institution mehrfach direkt benannt bzw. angesprochen ist.
Soweit die Revision mit der Unterscheidung zwischen Erzbistum und Erzdiözese in Zweifel zieht, ob das Erzbistum eine juristische Person sei, kann zur Beseitigung dieser Zweifel auf BGH v. 24.11.1993 - XII ZR 51/92, BGHZ 124, 173 [174 f.] = MDR 1994, 1155 verwiesen werden, wonach im Bereich der katholischen Kirche dem Bistum als der maßgeblichen Territorialgliederung die grundgesetzlich geschützte Rechtsstellung (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV) als Körperschaft öffentlichen Rechts zukommt (vgl. auch Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., Art. 140, Rz. 12).
2. Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht bei Ermittlung des Aussagegehalts der drei Presseberichte deren Gesamtzusammenhang außer Acht gelassen und deshalb ihren Sinn nicht zutreffend erfasst habe.
a) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (BGH, Urt. v. 8.7.1980 - VI ZR 159/78, BGHZ 78, 9 [16] = MDR 1981, 40; v. 30.1.1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13 [21] = MDR 1996, 586; Urt. v. 7.12.1999 - VI ZR 51/99, VersR 2000, 327 [330]; Urt. v. 30.5.2000 - VI ZR 276/99, MDR 2000, 1316 = VersR 2000, 1162 [1163]; Urt. v. 25.11.2003 - VI ZR 226/02, BGHReport 2004, 470 = MDR 2004, 393 = VersR 2004, 343 [344]). Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind. Hingegen wird die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (BVerfG v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92, 1 BvR 221/92, BVerfGE 93, 266 [295] = MDR 1996, 82; BGH, Urt. v. 25.3.1997 - VI ZR 102/96, MDR 1997, 643 = VersR 1997, 842 [843], m.w.N.; Urt. v. 25.11.2003 - VI ZR 226/02, BGHReport 2004, 470 = MDR 2004, 393 = VersR 2004, 343 [344]).
b) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist diese revisionsrechtliche Überprüfung auch im Streitfall vorzunehmen und nicht etwa durch das BVerfG (BVerfG v. 19.2.2004 - 1 BvR 417/98, NJW 2004, 1942) abschließend erfolgt. Vielmehr erstreckt sich die Bindungswirkung des Beschlusses des BVerfG nur auf den Umfang der Feststellung nach § 95 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 S. 1 BVerfGG. Feststellung im Sinne dieser Vorschriften ist jedenfalls die Entscheidungsformel, nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ergänzt um die tragenden Gründe der Entscheidung (BVerfGE 1, 14 [37]; BVerfGE 19, 377 [392]; BVerfGE 20, 56 [87]; BVerfGE 40, 88 [93]; BVerfG v. 12.11.1997 - 1 BvR 479/92, 307/94, BVerfGE 96, 375 [404]; v. 22.11.2001 - 2 BvE 6/99, BVerfGE 104, 151 [197]; Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl., § 31 Rz. 58). Jedoch erfasst die Bindungswirkung nur die Auslegung der Verfassung, nicht die einfachrechtlicher Normen (Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl., § 31 Rz. 60). Hierzu ist dem Beschluss des BVerfG lediglich zu entnehmen, dass die Rechtsprechung der Fachgerichte, wonach bei der Annahme von verdeckten Aussagen eine besondere Zurückhaltung geboten sei und deshalb die dem Leser nahe gelegte Schlussfolgerung unabweislich sein müsse, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei.
c) Mit Recht hat sich das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Aussagegehalts nicht auf "offene" Behauptungen beschränkt, sondern die Prüfung auf ehrenkränkende Beschuldigungen erstreckt, die im Gesamtzusammenhang der offenen Einzelaussagen "versteckt" bzw. "zwischen den Zeilen" stehen könnten (BGH, Urt. v. 8.7.1980 - VI ZR 159/78, BGHZ 78, 9 [14] = MDR 1981, 40; Urt. v. 28.6.1994 - VI ZR 273/93, MDR 1994, 989 = VersR 1994, 1123 [1124]; Urt. v. 25.11.2003 - VI ZR 226/02, BGHReport 2004, 470 = MDR 2004, 393 = VersR 2004, 343 [344]). Das Berufungsgericht gibt auch die Grundsätze zur Nachprüfung solcher verdeckter Aussagen zutreffend wieder.
Danach ist bei der Ermittlung sog. verdeckter Aussagen zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich "verdeckten" Aussage, mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legt. Unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die "verdeckte" Aussage einer "offenen" Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm "offen" mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist (BGH, Urt. v. 28.6.1994 - VI ZR 273/93, MDR 1994, 989 = VersR 1994, 1123 [1124]; Urt. v. 25.11.2003 - VI ZR 226/02, BGHReport 2004, 470 = MDR 2004, 393 = VersR 2004, 343 [344]).
d) Ob das Berufungsgericht im Streitfall mit Recht die dem Leser nahe gelegten Schlussfolgerungen für so unabweislich gehalten hat, dass sie eine verdeckte Äußerung beinhalten, kann letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls liegt eine bewusst unvollständige Berichterstattung vor, die ebenfalls unzulässig ist. Wenn nämlich - wie die Revision geltend macht - dem Leser Tatsachen mitgeteilt worden sind, aus denen er erkennbar eigene Schlussfolgerungen ziehen soll, so durften hierbei keine wesentlichen Tatsachen verschwiegen werden, die dem Vorgang ein anderes Gewicht geben könnten (BVerfGE 12, 113 [130]; BGH, Urt., BGHZ 31, 308 [318]; Urt. v. 26.10.1999 - VI ZR 322/98, MDR 2000, 273 = VersR 2000, 193) und deren Kenntnis für den Leser unerlässlich ist, der sich im Kernpunkt ein zutreffendes Urteil bilden will (BGH, Urt. v. 20.6.1961 - VI ZR 222/60, VersR 1961, 980 [982]; Urt. v. 9.11.1965 - VI ZR 276/64, VersR 1966, 85 [87]; Urt. v. 30.1.1979 - VI ZR 163/77, VersR 1979, 520 [521]; Urt. v. 26.10.1999 - VI ZR 322/98, MDR 2000, 273 = VersR 2000, 193; ebenso Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rz. 16.44b; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5, Rz. 81). Liegt es - wie im Streitfall auch von der Revision nicht in Abrede gestellt - nahe, aus mehreren unstreitigen Tatsachen eine bestimmte (ehrverletzende) Schlussfolgerung zu ziehen, so ist jedenfalls eine bewusst unvollständige Berichterstattung rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, wenn die Schlussfolgerung bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsache weniger nahe liegend erscheint und deshalb durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Eindruck entstehen kann (BGH, Urt. v. 26.10.1999 - VI ZR 322/98, MDR 2000, 273 = VersR 2000, 193). Eine Tatsachenbehauptung, die nur Teilwahrheiten vermittelt und dadurch beim Adressaten der Äußerung zu einer Fehleinschätzung des Angegriffenen führt, ist schon aus diesem Grund rechtswidrig (BGH, Urt., BGHZ 31, 308 [316]; Urt. v. 18.6.1974 - VI ZR 16/73, NJW 1974, 1762 [1763]; Urt. v. 26.10.1999 - VI ZR 322/98, MDR 2000, 273 = VersR 2000, 193 [195], m.w.N.). Es dürfen also nicht solche Fakten verschwiegen werden, deren Mitteilung beim Adressaten zu einer dem Betroffenen günstigeren Beurteilung des Gesamtvorgangs hätte führen können (BGH, Urt. v. 25.11.2003 - VI ZR 226/02, BGHReport 2004, 470 = MDR 2004, 393 = VersR 2004, 343 [344]).
Insoweit gelten für die Vollständigkeit einer solchen Berichterstattung die gleichen Grundsätze wie für die Verdachtsberichterstattung. Auch hier ist nämlich eine vollständige Berichterstattung erforderlich, so dass dem Leser auch die entlastenden Umstände mitgeteilt werden müssen (BGH, Urt. v. 26.11.1996 - VI ZR 323/95, VersR 1997, 325 [327]). So darf bei einem Bericht, der sich mit einer namentlich genannten Person besonders beschäftigt, die Kürzung des mitgeteilten Sachverhalts nicht so weit gehen, dass der Zuschauer oder Leser ein nach der negativen Seite entstelltes Bild dieser Person erhält, weil ihm nur einseitige Ausschnitte mitgeteilt werden (BGH, Urt., BGHZ 31, 308 [316]; Urt. v. 26.10.1999 - VI ZR 322/98, MDR 2000, 273 = VersR 2000, 193 [195]).
e) Um solche Umstände handelt es sich hier. Es liegt auf der Hand, dass die Tatsache, dass den Klägern weder der Name des Mädchens noch der Name des Pfarrers mitgeteilt worden waren, geeignet ist, die mitgeteilten Vorgänge und insb. den Vorwurf verspäteten Handelns bzw. der Untätigkeit in den Augen des unbefangenen Durchschnittslesers in einem anderen, den Klägern günstigeren Licht erscheinen zu lassen. Denn während es bei Bekanntheit der Personalien aller an dem Vorfall beteiligten Personen beim Durchschnittsleser auf Unverständnis stoßen dürfte, dass weder der Minderjährigen umgehend Hilfe angeboten noch gegen den Pfarrer vorgegangen wurde, erscheint eine entsprechende Schlussfolgerung bei Wissen darum, dass die Namen und Personalien der Beteiligten den Klägern nicht bekannt waren, wesentlich ferner liegend. Deshalb durften hier diese Umstände, die eine Entlastung bewirken konnten, im Rahmen der konkreten Berichterstattung nicht verschwiegen werden.
Unstreitig sind den Klägern weder durch den Brief noch durch das vorausgegangene Telefonat die Namen des betroffenen Mädchens und des Pfarrers mitgeteilt worden. Das reicht unter den gegebenen Umständen für die Annahme einer bewusst unvollständigen Berichterstattung aus, weil der Beklagte nach den tatrichterlichen Feststellungen keinen Anhaltspunkt für eine Kenntnis der Kläger hatte, die unstreitig auch nicht vorhanden war.
f) Ist mithin diese bewusst unvollständige Berichterstattung der Verbreitung einer unwahren Tatsachenbehauptung gleichzustellen, greift der Grundsatz ein, dass an solchen Äußerungen kein berechtigtes Interesse besteht (BVerfG v. 22.6.1982 - 1 BvR 1376/79, BVerfGE 61, 1 [8 f.]; BVerfG v. 9.10.1991 - 1 BvR 1555/88, BVerfGE 85, 1 [15] = MDR 1992, 526); der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB steht dem Beklagten nicht zur Seite. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob der Beklagte bei seinen Recherchen hinsichtlich der Frage der nachfolgenden Informationsmöglichkeiten der Kläger über Frau D. die publizistische Sorgfalt gewahrt hat oder nicht. Dem durch Art. 5 GG geschützten Anliegen des Beklagten, durch seine Berichterstattung aufzuzeigen, dass die Kläger von sich aus keinen Versuch unternommen hätten, mit dem betroffenen Mädchen in Kontakt zu treten oder die Identität des Pfarrers in Erfahrung zu bringen, wird durch die jetzige Tenorierung des Berufungsurteils ausreichend Rechnung getragen, die auch im Übrigen nicht zu beanstanden ist.
Fundstellen