Leitsatz (amtlich)
Wegen des von einer Straße ausgehenden Lärms kann ein Ausgleichsanspruch gegeben sein, wenn
a) der Lärm die ortsübliche Benutzung der straßenwärts gelegenen Wohnräume eines Hauses in ganz besonders starkem, zur Herbeiführung von Gesundheitsstörungen geeignetem Maße beeinträchtigt,
b) die objektiven Gegebenheiten des Hauses ein Ausweichen der Bewohner in straßenabgewandte Räume nicht gestatten und
c) zur Beseitigung oder nennenswerten Herabsetzung der Beeinträchtigung bei objektiver Betrachtung Aufwendungen in einer Höhe nötig sind, die sowohl an sich als auch im Verhältnis zum Wert des Grundstücks ganz erheblich ins Gewicht fällt.
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 11.05.1966) |
LG Mannheim |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11. Mai 1966 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer und Bewohner eines jahrzehntealten, an der Bundesstraße 3 liegenden Hausgrundstücks in H. (Be.straße). Er hat sein Haus 1961 mit rund 10.000 DM Aufwendungen aufgestockt, um auf der dem Straßenlärm abgewandten Rückseite Schlafzimmer für sich sowie Sohn und Schwiegertochter zu schaffen.
Mit der Klage verlangt er von der beklagten Bundesrepublik 5.000 DM nebst Zinsen als Ausgleich. Die Beklagte erhob negative Feststellungswiderklage dahin, daß dem Kläger auch über die begehrten 5.000 DM hinaus keinerlei Entschädigungsansprüche wegen des Straßenlärms zustehen.
Das Landgericht gab der Klage voll statt. Die Widerklage wies es bis zu einem Betrag von 6.000 DM als unbegründet ab; im Übrigen gab es auch der Widerklage statt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage als unbegründet abgewiesen und die Widerklage voll zugesprochen.
Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger Wiederherstellung des, landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Unangefochten ist der Feststellungsausspruch des Landgerichts, daß ein 6.000 DM übersteigender Entschädigungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht besteht. In die Rechtsmittelinstanzen erwachsen sind die Zahlungsklage auf 5.000 DM nebst Zinsen in vollem Umfang und die Feststellungswiderklage hinsichtlich eines darüber hinaus bis zu 6.000 DM reichenden Entschädigungsanspruchs, also hinsichtlich weiterer 1.000 DM.
Im Umfang dieser insgesamt 6.000 DM hat das Oberlandesgericht einen Entschädigungsanspruch des Klägers verneint. Die Angriffe der Revision hiergegen haben Erfolg.
I.
Der ordentliche Rechtsweg ist zulässig (Art. 14 Abs. 3 GG; vgl. BGHZ 7, 296, 298/99).
Hierfür spielt es keine Rolle, ob der eingeklagte Anspruch dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht angehört. Der Kläger erstrebt keine Aufhebung oder Änderung von hoheitlichen Maßnahmen der Beklagten (vgl. Senatsurteil BGHZ 41, 264), sondern legt gerade umgekehrt den rechtswirksamen Fortbestand ihrer Maßnahmen zu Grunde.
II.
Die Klaggrundlage ist bisher von Parteien und Vorinstanzen privatrechtlich, nämlich im Ausgleichsanspruch des bürgerlichen Nachbarrechts gesehen worden (§ 906 BGB). wägbar ist allerdings auch ein öffentlich-rechtlicher Ausgleichsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs (früher sogenannter Aufopferungsanspruch; vgl. zur Verwandtschaft der beiden Ansprüche Kleindienst, Der privatrechtliche Immissionsschutz nach § 906 BGB, 1964, S. 45). Welche von beiden Klaggrundlagen in Betracht kommt, hängt nach der Rechtsprechung des III. Zivilsenats (BGHZ 48, 98) davon ab, ob die Beeinträchtigung im Rahmen privatwirtschaftlicher Grundstücksbenutzung oder durch Eingriffe von hoher Hand herbeigeführt wird; doch hat der im letzteren Fall in Rede stehende öffentlich rechtliche Ausgleichsanspruch bei nachbarlichen Beeinträchtigungen durch Lärm und dergl. im wesentlichen dieselben Voraussetzungen wie ein privatrechtlicher. In Fällen von Lärm- und ähnlichen Beeinträchtigungen ist dann, wenn sie nicht unmittelbar durch Eingriffe von hoher Hand ausgelöst waren, eine Herbeiführung durch hoheitliche Maßnahmen verneint worden und die daraus abgeleiteten Ansprüche sind dem privaten Nachbarrecht unterstellt worden (§§ 906, 1004 BGB; vgl. die Senatsurteile vom 18. Februar 1959 - ZR 11/57, BGHZ 29, 314 - Autobahn -, vom 28. April 1967, V ZR 216/64 - Moselstaustufe -, vom 17. November 1967 - V ZR 143/66 - Fontänenanlage - und vom 21. November 1967 - V ZR 196/65 - Sandabschwemmungen von Truppenübungsplatz -; vgl. schon RGZ 159, 129, 140/41; BGHZ 48, 65 läßt offen). Hieran wird auch für den vorliegenden Fall festgehalten.
III.
a)
Maßgebend ist deshalb § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in der seit 1. Juni 1960 geltenden Fassung. Danach kann ein Grundstückseigentümer (Betroffener) von einem anderen (Störer) einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn
1.
vom Grundstück des Störers auf sein Grundstück Geräusch zugeführt oder in ähnlicher Weise eingewirkt wird (Immission),
2.
dadurch eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks des Betroffenen herbeigeführt wird (Wesentlichkeit),
3.
die Benutzung des Grundstücks des Störers ortsüblich ist (Ortsüblichkeit),
4.
die Beeinträchtigung nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind (Unvermeidlichkeit),
5.
die Beeinträchtigung entweder der ortsüblichen Benutzung des Grundstücks des Betroffenen oder des Ertrags seines Grundstücks über das zumutbare Maß hinausgeht (Unzumutbarkeit).
Daß durch den Kraftfahrzeugverkehr beim Haus des Klägers ortsübliche Geräuscheinwirkungen auf dieses Haus stattgefunden haben (Voraussetzung 1, 3), hat der Tatrichter ohne Rechtsirrtum festgestellt. Dies wird nicht angegriffen.
Daß dadurch die Benutzung des Hauses des Klägers wesentlich beeinträchtigt wurde (Voraussetzung oben 2), wird im Berufungsurteil nicht ausdrücklich festgestellt (vgl. S. 8 Mitte); im Revisionsrechtszug ist es jedenfalls zugunsten des Klägers zu unterstellen. Ebenso ist zu unterstellen, daß Quelle der wesentlichen Beeinträchtigung der Verkehr auf der Bundesstraße 3 selbst ist und nicht etwa nur ein Verkehr auf einmündenden Nebenstraßen, für die andere Körperschaften als die Beklagte als Haftungsschuldner in Betracht kämen; infolgedessen ist nach der rechtsirrtumsfreien Auffassung des Berufungsgerichts die Beklagte als Störer für den Klaganspruch passiv legitimiert.
Das Berufungsurteil bejaht weiter die Unvermeidlichkeit der Beeinträchtigungen (Voraussetzung oben 4). Hierdurch ist der Revisionskläger nicht beschwert, da dies gerade eine der Voraussetzungen für den erhobenen Geldausgleichsanspruch ist. Infolgedessen sind die Revisionsrügen zu diesem Punkt gegenstandslos.
b)
Die noch verbleibende Anspruchsvoraussetzung der Unzumutbarkeit (oben 5) hat das Berufungsurteil (S. 9-11) mit folgender Begründung verneint: Im allgemeinen müßten die Anlieger von altersher angelegter Straßen, wie hier, die wesentlichen Beeinträchtigungen des gesteigerten Straßenverkehrslärms ohne Ausgleich dulden. Das Haus des Klägers habe zwar Besonderheiten gehabt (Lage am Steilhang, keine Ausweichmöglichkeit in straßenabgewandte Räume); aber das sei eine dem Grundstück von vornherein anhängende Beschaffenheit, die in die Sphäre des Klägers falle; dieser Mangel sei unter dem Gedanken der mitwirkenden Kausalität zu berücksichtigen, der Kläger könne daher von vornherein höchstens Ausgleich für einen Teil, nämlich die Hälfte seiner Aufwendungen verlangen. Den danach verbleibenden Aufwand von rund 5.000 DM zu tragen, sei dem Kläger zumutbar; durch die Beeinträchtigungen sei weder seine Existenz vernichtet oder gefährdet noch sein wirtschaftliches Fortkommen - schwer beeinträchtigt worden; es komme, nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des einzelnen Betroffenen an, sondern auf die objektive Zumutbarkeit für einen Durchschnittsbenutzer; Aufwendungen von 5.000 DM würden heute von Hausbesitzern vielfach gemacht, um ihr Anwesen den modernen technischen Verhältnissen anzupassen oder es vor den daraus entspringenden Belästigungen zu schützen. Daß sich der Kläger überhaupt zum Umbau entschlossen habe, zeige, daß der Betrag auch im Verhältnis zum Grundstückswert stehe. Wo der Störer ohne unmittelbaren eigenen Nutzen enorme öffentliche Mittel zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe aufwenden müsse, wie hier, müsse die Grenze des Zumutbaren weiter gezogen werden als bei einer Störung durch einen auf Gewinnerzielung angelegten Industrie- oder Gewerbebetrieb.
Die Rügen der Revision hiergegen sind teilweise begründet.
IV.
a)
Rechtsirrtumsfrei ist die Annahme des Berufungsgerichts, daß jedenfalls bei von altersher angelegten Straßen mit Durchgangsverkehr in Ortsmitte die Anlieger auch für wesentliche Beeinträchtigungen durch den gesteigerten Straßenverkehrslärm in aller Regel keinen Geldausgleich beanspruchen können. Das hat seinen Grund darin, daß dort in der Regel von vornherein mit Steigerungen des Verkehrs und mit verstärkten unvermeidlichen Beeinträchtigungen gerechnet werden muß und daß diese Steigerungen mit der technischen Entwicklung in modernen Staaten zwangsläufig verbunden sind und der Bevölkerung, darunter auch den Anliegern, neben Nachteilen auch Vorteile bringen, denen die Gleichwertigkeit nicht ohne weiteres abgesprochen werden kann; die in dieser Hinsicht vom Reichsgericht für die Autobahn entwickelten Gedankengänge (RGZ 159, 129, 139/141) können in ihrem sachlichen Kern auch heute noch in mindestens gleichem Maß für Straßen im allgemeinen Geltung beanspruchen.
Zu Unrecht sieht die Revision in dieser Beachtung der geschichtlichen Weiterentwicklung des Verkehrs einen Widerspruch dazu, daß für die Frage der Ortsüblichkeit der jetzige Zustand als maßgebend angesehen wird und nicht die zeitliche Entwicklung in dem Sinn, daß es darauf ankäme, ob die Benutzungsart des einen oder des anderen Grundstücks die ältere ist (Senatsurteil BGHZ 15, 146, 148). Einmal ist hiermit schon bei dem Tatbestand der Ortsüblichkeit eine Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung nicht schlechthin ausgeschlossen. Und zum anderen führt auch bei dem hier erörterten Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit die Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung zur Maßgeblichkeit gerade nicht von früheren Verhältnissen, sondern des jetzigen Zustands.
b)
Infolgedessen fordert das Berufungsgericht mit Recht besondere beim Haus des Klägers vorliegende Umstände, die entgegen der Regel die Beeinträchtigung ausnahmsweise unzumutbar machen.
An diesen Ausnahme tat bestand sind strenge Anforderungen zu stellen. In Fällen wie dem vorliegenden kann das zumutbare Maß der Beeinträchtigung überschritten sein, wenn der Verkehrslärm die ortsübliche Benutzung der straßenwärts gelegenen Wohnräume eines Hauses in ganz besonders starkem, zur Herbeiführung von Gesundheitsstörungen geeignetem Maße beeinträchtigt, die objektiven Gegebenenheiten des Hauses ein Ausweichen der Bewohner in straßenabgewandte Räume nicht gestatten und zur Beseitigung oder nennenswerten Herabsetzung der Beeinträchtigung bei objektiver Betrachtung Aufwendungen in einer Höhe nötig sind, die sowohl an sich als auch im Verhältnis zum Wert des Grundstücks ganz erheblich ins Gewicht fällt.
Auch Gesundheitsstörungen werden allerdings nur dann berücksichtigt werden können, wenn sie über das hinausgehen, was den heutigen Bewohnern moderner Staaten im allgemeinen durch die Auswirkungen des Straßenverkehrs auf seine Umgebung (Lärm, Abgase, Erschütterungen) unvermeidbar auferlegt wird.
Von diesem Rechtsstandpunkt aus ist zu den Urteilsausführungen wie zu den gegen sie gerichteten Revisionsrügen folgendes zu bemerken:
1)
Der Kläger hebt auf die Besonderheit ab, daß sein Hausgrundstück im Gegensatz zu den ebenfalls von den Einwirkungen des Verkehrs auf der Bundesstraße 3 betroffenen Nachbargrundstücken rückwärts durch eine besonders weit vorspringende Bergnase eingeengt sei und das Haus deshalb bei seiner bisherigen Höhe auf der Rückfront keine Fenster und infolgedessen keine Aufenthaltsräume gehabt habe, so daß die Bewohner nicht nur zum Aufenthalt tagsüber, sondern auch zum nächtlichen Schlafen auf die an der Straße liegenden vorderen Räume angewiesen gewesen seien und gerade durch diese Unmöglichkeit einer wenigstens zeitweiligen Lärmbefreiung von einiger Dauer gesundheitliche Störungen erlitten hätten.
Das Oberlandesgericht läßt offen, ob die gesundheitlichen Störungen durch den Straßenverkehr verursacht wurden, und hält die genannten Umstände insgesamt deshalb für ungeeignet, einen Ausgleichsanspruch zu rechtfertigen, weil sie in die Sphäre des Klägers fielen und nicht der Allgemeinheit angelastet werden könnten.
Dem kann der erkennende Senat in dieser Allgemeinheit nicht folgen.
Für die Unzumutbarkeit des Beeinträchtigungsumfangs im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB kann allerdings auch die Frage eine Rolle spielen, ob die zugrundeliegenden Besonderheiten zur Sphäre des Störers oder des Betroffenen gehören. Alleinentscheidend ist sie jedoch nicht. Es handelt sich hier ähnlich wie bei § 242 BGB um einen Interessenausgleich unter Billigkeitsgesichtspunkten, bei dem alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Daß der besondere Beeinträchtigungsumfang eine Ursache in der Sphäre des Betroffenen hat, muß einem Ausgleichsanspruch etwa dann nicht entgegenstehen, wenn die besondere Beeinträchtigung einerseits bei Schaffung der besonderen Verhältnisse auf selten des Betroffenen (hier: Errichtung und Erwerb des Hauses) noch in keiner Weise voraussehbar war und andererseits einen ungewöhnlich hohen Grad erreicht hat.
Ausnahmefälle, die einen Ausgleichsanspruch rechtfertigen, sind in der Rechtsprechung schon unter der alten Fassung des § 906 BGB seit langem nicht nur dann angenommen worden, wenn dem betroffenen Grundstückseigentümer die Existenzvernichtung drohte, sondern auch bei schwerer Beeinträchtigung seines wirtschaftlichen Fortkommens (Senatsurteile vom 15. April 1959 - V ZR 3/58, BGHZ 30, 273, 280/81 und vom 28. September 1962 - V ZR 233/60, BGHZ 38, 61, 64; vgl. BGHZ 41, 157, 163). Es kann offen bleiben, ob der vom Kläger behauptete Sachverhalt bereits eine drohende Existenzvernichtung oder eine schwere Beeinträchtigung seines wirtschaftlichen Fortkommens ergibt. Denn neuerdings hat der Senat den Ausgleichsanspruch nicht mehr von diesen besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht (Urteil vom 19. Oktober 1965 V ZR 171/63, WM 1966, 33, 35), und dies entspricht auch der nunmehr geltenden gesetzlichen Regelung. Daß in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht auf gesundheitliche Beeinträchtigungen abgehoben worden ist, schließt ihre Berücksichtigung nicht aus.
2)
Unbegründet ist der Angriff der Revision gegen die Erwägung des Berufungsgerichts, die Beklagte erfülle mit der Ermöglichung des Straßenverkehrs eine öffentliche Aufgabe, die mit enormen Kosten verbunden sei und keinen unmittelbaren Gewinn abwerfe, eine Beeinträchtigung durch diesen Straßenverkehr sei daher einem Betroffenen in höherem Maße zuzumuten als eine Beeinträchtigung durch Industrie- oder Gewerbebetriebe, die aus ihrer störenden Betätigung Gewinn zögen. Daß die Beklagte, worauf die Revision abhebt, erhebliche (weitere) Kosten erspart hat, indem sie die Bundesstraße weiter durch den Ort führte, statt eine Umgehungsstraße zu bauen, bringt ihr noch keinen Gewinn derart, daß er in diesem Zusammenhang ihre Gleichstellung mit einem Gewerbebetrieb fordern würde. Infolgedessen bedeutet jene Erwägung des Berufungsurteils keine sachfremde Unterscheidung oder eine ungleiche Behandlung von Gleichartigem, sondern eine sachgerechte Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles.
3)
Wiederum mit Grund bemängelt die Revision in methodischer Hinsicht, daß das Oberlandesgericht die eine Hälfte der für einen Ausgleich in Betracht kommenden Aufwendungen vorweg deshalb ausscheidet, weil die besondere Gestaltung des Hauses in die Sphäre des Klägers falle, und nur hinsichtlich der verbleibenden Hälfte einen Ausgleich erwägt, aber wegen der verhältnismäßig unbedeutenden Höhe verneint. Ein derartiges Vorgehen ist dann zulässig, wenn, wie im Falle eines regulären Schadensersatzanspruchs, grundsätzlich der volle Ausgleich zu gewähren und hiervon bei mitwirkenden anderen Ursachen (§ 254 BGB) ein Abstrich zu machen ist. Kommt es jedoch, wie bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, für die Frage, ob und in welcher Höhe ein Ausgleich geschuldet wird, von vornherein auf eine Abwägung aller Umstände an, so kann diese Abwägung nur einheitlich im Zusammenhang erfolgen und nicht in stufenweise Prüfungen aufgeteilt werden, wie es das Oberlandesgericht tut. Der für die Zumutbarkeitsfrage maßgebende Umfang der Aufwendungen, die zur Behebung der Beeinträchtigung erforderlich sind, beträgt nach dem in diesem Zusammenhang als richtig zu unterstellenden Sachvortrag des Klägers 10.000 DM, nicht 5.000 DM. Für den Gesamtbetrag von 10.000 DM ist die Frage zu stellen, ob er das näher gekennzeichnete zumutbare Maß übersteigt. Wird die Frage bejaht, so ist ein Ausgleichsanspruch dem Grunde nach zu bejahen. Über dessen Höhe ist wiederum unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden, und zwar in Anlehnung an die Grundsätze der Enteignungsentschädigung (Kleindienst a.a.O. S. 51 ff; Palandt/Degenhart BGB 27. Aufl. § 906 Anm. 6 a; vgl. auch Baur bei Soergel/Siebert BGB 10. Aufl. § 906 Rdn. 73).
V.
Hiernach war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu weiterer tatsächlicher Feststellung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; ihm war auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018633 |
BGHZ 49, 148 - 155 |
BGHZ, 148 |
DB 1968, 167-168 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1968, 1953-1954 (Urteilsbesprechung von RA Dr. Bernhard Kleindienst) |
NJW 1968, 549 |
NJW 1968, 549-551 (Volltext mit amtl. LS) |
DÖV 1968, 364 (amtl. Leitsatz) |
DVBl 1968, 301-303 (Volltext mit amtl. LS) |
JZ 1968, 269-271 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.) |
MDR 1968, 312 |
MDR 1968, 312-313 (Volltext mit amtl. LS) |