Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
Hat sich der Veräußerer einer neu errichteten Eigentumswohnung gegenüber dem Erwerber unter Abtretung der ihm zustehenden Gewährleistungsansprüche gegen andere am Bau Beteiligte formularmäßig freigezeichnet und will der Erwerber diese Ansprüche gegen die am Bau beteiligten Handwerker geltend machen, muß der Veräußerer auch ohnebesonderes berechtigtes Interesse des Erwerbers die mit den Handwerkern vereinbarten Werkverträge und die Abnahmeprotokolle herausgeben (im Anschluß an Senatsurteil NJW 1984, 2094).
Normenkette
BGB §§ 633-635
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 28.07.1987; Aktenzeichen 13 U 3232/87) |
LG Traunstein (Urteil vom 20.03.1987; Aktenzeichen 5 O 2339/86) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. Juli 1987 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger erwarben mit „Kaufvertrag” vom 6. August 1984 von dem Beklagten eine Eigentumswohnung (mit Tiefgaragenstellplatz), die dieser – zusammen mit fünf anderen Wohnungen – in einer Wohnungseigentumsanlage errichtet hatte. In Abschnitt V des Vertrages ist unter anderem folgendes geregelt:
„Der Verkäufer verpflichtet sich, binnen angemessener Frist die anläßlich der Abnahme des Vertragsgegenstandes festgestellten Mängel zu beseitigen und fehlende Leistungen zu erbringen. Insoweit haftet der Verkäufer dem Käufer noch unmittelbar. Die Beteiligten vereinbaren hierzu, daß für die Regelung der Gewährleistungsansprüche zwischen dem Verkäufer und dem Käufer die Vorschriften der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB/B), insbesondere deren § 13 Anwendung finden. Der Wortlaut des § 13 VOB/B wurde dem Käufer bekannt gemacht. Der Text dieser Vorschrift ist dieser Urkunde als Anlage beigefügt.
Für die bei der Übergabe nicht feststellbaren Mängel am Bauwerk gilt folgende Gewährleistungsregelung: Der Verkäufer tritt mit Besitzübergabe alle ihm gegen die am Bau beteiligten Handwerker, Lieferanten und sonstigen Unternehmer zustehenden Gewährleistungs- und Erfüllungsansprüche an den Käufer ab, der diese Abtretung annimmt. Die Eigenhaftung des Verkäufers im Rahmen der Verdingungsordnung für Bauleistungen bleibt jedoch insoweit bestehen, als sich der Käufer aus den an ihn abgetretenen Ansprüchen gegen die am Bau beteiligten Handwerker, Lieferanten und sonstigen Unternehmer nicht schadlos halten kann. Diese subsidiäre Haftung des Verkäufers tritt bereits dann ein, wenn die Aufforderung des Käufers zur Mängelbeseitigung nach angemessener Fristsetzung erfolglos bleibt. Sollte der Verkäufer aufgrund dieser subsidiären Haftung vom Käufer in Anspruch genommen werden, ist Letzterer verpflichtet, die an ihn abgetretenen Gewährleistungsansprüche auf Verlangen auf den Verkäufer zurückzuübertragen. Der Verkäufer ist verpflichtet, den Käufer bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche unentgeltlich zu unterstützen. Er hat dem Käufer auf Verlangen eine Liste der am Bau beteiligten Handwerker, Lieferanten und sonstigen Unternehmer zu übergeben.
Der Verkäufer versichert, daß er mit den am Bau beteiligten Handwerkern, Lieferanten und sonstigen Unternehmern die Verdingungsordnung für Bauleistungen vereinbart hat.”
Nach Bezug der Wohnung durch die Kläger wurde am 14. Januar 1985 zwischen dem Kläger zu 1 und dem Beklagten ein Übergabeprotokoll aufgenommen, in dem – nach Auflistung verschiedener Mängel – folgendes vereinbart wurde:
„Die ausgeführten Mängel bzw. Nachholarbeiten werden durch die Verkäuferin behoben.
Nach Ausführung dieser Arbeiten ist jede weitere Haftung der Verkäuferin ausgeschlossen.
Gemäß VOB (Verdingungsordnung für Bauleistung) haften künftig die am Bau beteiligten Handwerker.
Eine Liste der am Bau beschäftigten Handwerker wurde bereits übergeben.”
In der „Liste der am Bau beteiligten Handwerker” sind – geordnet nach einzelnen Gewerken – die tätig gewordenen Unternehmer jeweils mit Name, Anschrift und Telefonnummer aufgeführt.
Im Februar 1986 stellte ein von dem Kläger zu 1 beauftragter Sachverständiger zahlreiche Mängel am Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentumsanlage fest. Die Kosten für die notwendigen Nachbesserungsarbeiten schätzte er auf 37.370,– DM zuzüglich 14 % Mehrwertsteuer, die Wertminderungen berechnete er mit 4.800,– DM. Die Kläger forderten daraufhin unter dem 14. April 1986 den Beklagten auf, die Mängel bis zum 15. Mai 1986 zu beseitigen, hilfsweise bis 25. April 1986 mitzuteilen, welche Baubeteiligten für welche Mängel verantwortlich sind, sowie die betreffenden Werkverträge und Abnahmeprotokolle zur Verfügung zu stellen. Der Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach. Die Kläger verlangen deshalb mit der Klage die Beseitigung der gerügten Mängel am Gemeinschaftseigentum und Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe von 3.546,77 DM nebst Zinsen.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der – angenommenen – Revision, die der Beklagte zurückzuweisen bittet, verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
1. Gestützt auf die Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeugen nimmt das Berufungsgericht an, die Kläger hätten am 14. Januar 1985 nicht nur das Sondereigentum, sondern auch das Gemeinschaftseigentum abgenommen. Auch geht es aufgrund der Zeugenaussagen davon aus, daß das Gemeinschaftseigentum zu diesem Zeitpunkt abnahmefähig gewesen sei.
Die von der Revision gegen diese Beweiswürdigung erhobenen Rügen von Verfahrensmängeln hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO). Insbesondere stellt es keinen Verfahrensfehler dar, daß das Berufungsgericht den vom Landgericht vernommenen Zeugen L. nicht erneut vernommen hat (vgl. BGH NJW 1986, 2885 m.N.).
2. Das Berufungsgericht führt weiter aus, den Klägern stünden keine Gewährleistungsansprüche gegen den Beklagten zu. Zwar sei die vertraglich vereinbarte Abtretung der Gewährleistungsansprüche des Beklagten gegenüber den am Bau beteiligten Handwerkern, Lieferanten und sonstigen Unternehmern auch dann wirksam, wenn es sich bei dem Erwerbsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen des Beklagten handle. Die vertragliche Regelung enthalte keinen völligen Ausschluß der Gewährleistungsansprüche, sondern bestätige für den Fall einer fehlgeschlagenen Schadloshaltung der Kläger bei den Handwerkern die Eigenhaftung des Beklagten. Diese subsidiäre Haftung sei aber nicht deshalb wieder aufgelebt, weil der Beklagte den Klägern nur eine Handwerkerliste übergeben und nicht zugleich die mit den Handwerkern geschlossenen Verträge und zugehörigen Abnahmeprotokolle überlassen habe. Der Beklagte sei zur Herausgabe dieser Unterlagen nur dann verpflichtet, wenn die Kläger wegen Einwendungen der Bauhandwerker gegen die Aufforderung zur Mängelbeseitigung ein berechtigtes Interesse geltend machen könnten. Ein solches Interesse hätten die Kläger nicht überzeugend nachgewiesen. Vielmehr hätten sie vom Beklagten die Herausgabe weiterer Unterlagen verlangt, ohne sich an die Handwerker gewandt und sie unter Fristsetzung vergeblich zur Nachbesserung aufgefordert zu haben.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die formularmäßige Frei Zeichnung des Veräußerers von seiner eigenen Gewährleistungspflicht gegenüber dem Erwerber von neu errichteten oder noch zu errichtenden Eigentumswohnungen und Häusern allenfalls bei gleichzeitiger Abtretung seiner Gewährleistungsansprüche gegen andere am Bau Beteiligte und auch dann nur insoweit möglich, als sich der Erwerber aus den abgetretenen Ansprüchen schadlos halten kann. Das Risiko, daß die Schadloshaltung fehl schlägt, trägt der Veräußerer; seine – aufschiebend bedingte – Gewährleistungshaftung lebt dann wieder auf (vgl. zuletzt Senatsurteil BGHZ 92, 123, 126/127 m.w.N.). Dabei ist ein solcher Fehlschlag nicht nur gegeben, wenn der zunächst Verantwortliche zur Mängelbeseitigung nicht mehr imstande ist. Die subsidiäre Eigenhaftung des Veräußerers tritt vielmehr bereits dann ein, wenn dieser den Erwerber bei der Durchsetzung der Ansprüche nicht hinreichend unterstützt (Senatsurteile NJW 1980, 282, 283; 1984, 2094, 2095, jeweils m.w.N.).
Den Veräußerer trifft somit – auch ohne ausdrückliche Aufnahme in die Freizeichnungsklausel – eine Mitwirkungs- und Unterstützungspflicht als vertragliche Nebenpflicht gemäß § 402 BGB (vgl. Senatsurteil BGHZ 70, 389, 391). Dieser Pflicht kommt er nicht schon dadurch nach, daß er dem Erwerber eine Handwerker liste übergibt, in der die am Bau Beteiligten mit den ausgeführten Arbeiten namentlich aufgeführt sind (vgl. Senatsurteil NJW 1984, 2094, 2095). Vielmehr muß er den Erwerber über den Inhalt der jeweiligen Verträge mit den Handwerkern, über den Zeitpunkt der Abnahme der Handwerkerleistungen und über den damit verbundenen Lauf der Verjährung unterrichten. Auch ist er gehalten, noch offene Restwerklohnforderungen und damit etwa zu erwartende Leistungsverweigerungen der Handwerker zu offenbaren. Nur dann kann der Erwerber abschätzen, welche Aussicht auf Erfolg ein gegenüber den Handwerkern gerichtetes Mängelbeseitigungsverlangen hat (Senatsurteile NJW 1984, 2094, 2095; vom 13. Januar 1975 – VII ZR 194/73 = BauR 1975, 206, 208 und vom 28. Juni 1979 – VII ZR 176/78 = BauR 1979, 514, 516 = ZfBR 1979, 235, 236).
b) Dieser ihm gegenüber den Klägern obliegenden Mitwirkungs- und Unterstützungspflicht kam der Beklagte nicht nach. Zwar überließ er den Klägern – wie in Abschnitt V des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrags vorgesehen – im Zusammenhang mit dem am 14. Januar 1985 aufgenommenen Übergabeprotokoll eine „Liste der am Bau beteiligten Handwerker”. Den Klägern war es jedoch nicht möglich, aufgrund der Angaben in dieser Liste erfolgversprechend gegen die am Bau der Wohnungseigentumsanlage tätig gewordenen Unternehmer vorzugehen. Die Liste enthält nur – zugeordnet nach einzelnen Gewerken – die Namen, Anschriften und Telefonnummern der Handwerker. Die für eine Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen notwendigen Einzelheiten der zwischen dem Beklagten und den Handwerkern abgeschlossenen Verträge, insbesondere etwa vereinbarte Gewährleistungsregelungen, konnten die Kläger daraus nicht entnehmen. Auch blieb ihnen der Zeitpunkt der jeweiligen Abnahme der Handwerkerleistungen und damit der Beginn der Verjährungsfristen unbekannt. Der Beklagte war deshalb aufgrund seiner Mitwirkungs- und Unterstützungspflicht gehalten, den Klägern weitere Auskünfte zu erteilen und Unterlagen auszuhändigen. Die Kläger konnten daher zu Recht – nachdem sie mit Schreiben vom 14. April 1986 gegenüber dem Beklagten die Mängel am Gemeinschaftseigentum im einzelnen gerügt hatten – von dem Beklagten verlangen, ihnen die für die einzelnen Mängel verantwortlichen Baubeteiligten zu benennen. Auch stand ihnen gemäß § 402 BGB gegen den Beklagten ein Anspruch auf Herausgabe der Werkverträge und Abnahmeprotokolle zu.
c) Einbesonderes berechtigtes Interesse an den Unterlagen brauchten die Kläger – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – bei Geltendmachung ihres Auskunftsanspruchs nicht nachzuweisen. Aus ihrem an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 14. April 1986 geht hervor, daß sie die einzelnen Baubeteiligten für die festgestellten Mängel zur Verantwortung ziehen wollten. Der Beklagte konnte somit erkennen, daß die Kläger – über die ihnen bereits überlassene Liste hinaus – für ihr weiteres Vorgehen die gewünschten Unterlagen benötigten. Aufgrund seiner Mitwirkungs- und Unterstützungspflicht war er deshalb gehalten, den Klägern die Werkverträge und Abnahmeprotokolle auch ohne Nachweis eines besonderen berechtigten Interesses zur Verfügung zu stellen.
d) Da der Beklagte seiner Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften und Herausgabe von Unterlagen nicht nachkam, konnten sich die Kläger aus den ihnen abgetretenen Gewährleistungsansprüchen gegen die am Bau beteiligten Handwerker und sonstigen Unternehmer nicht schadlos halten. Entsprechend der zwischen den Parteien in Abschnitt V des Vertrags getroffenen Vereinbarung ist deshalb die subsidiäre Haftung des Beklagten gegenüber den Klägern eingetreten. Den Klägern stehen somit wegen den von ihnen behaupteten Mängeln am Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentumsanlage Gewährleistungsansprüche gegen den Beklagten zu. Dabei richtet sich die Verpflichtung des Beklagten, etwaige Mängel zu beseitigen, nach § 633 Abs. 2 BGB, nicht nach § 13 Nr. 5 VOB/B. Denn die in Abschnitt V des Vertrags enthaltene „Regelung der Gewährleistungsansprüche” nach den Vorschriften der VOB/B, insbesondere des § 13 VOB/B, ist eine „isolierte” Vereinbarung der Gewährleistungsregelung der VOB/B, die sowohl in einem Formularvertrag als auch in einem einzelnen Erwerbsvertrag unwirksam ist, wenn sie – wie hier – auf eine vom Bauträger gestellte Vertragsbedingung zurückgeht (Senatsurteil NJW 1987, 2373 m.w.N., erst neuerdings wieder Urteil vom 24. November 1988 – VII ZR 222/87 – zur Veröffentlichung bestimmt).
3. Nach alledem kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben; es ist aufzuheben. Das Berufungsgericht hat über die von den Klägern behaupteten Mängel am Gemeinschaftseigentum keine Feststellungen getroffen. Der Senat ist daher nicht in der Lage, nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend zu entscheiden. Vielmehr ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
G, O, W, RiBGH Prof. Q ist im Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben. G, H
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.12.1988 durch Werner Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512622 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1989, 764 |