Entscheidungsstichwort (Thema)
Europäisches Patent. Verletzungsprozess. Notwendige vollständige Erklärung der Parteien zum Tatsachenvortrag. Beiziehung eines Sachverständigen wegen eigenverantwortlicher Prüfung durch das Verletzungsgericht. Rechtmäßigkeitskontrolle durch das Revisionsgericht. Vortrag über konkrete Abweichungen vom Patentanspruch. Hinweispflicht des Tatsachengerichts auf sacdienliche Anträge
Leitsatz (amtlich)
a) Fehlt im Verletzungsprozess Parteivortrag zu unmittelbaren Tatumständen, die Anhaltspunkte beispielsweise dafür zu geben vermögen, welche technischen Zusammenhänge für das Verständnis der unter Schutz gestellten Lehre bedeutsam sein könnten, wer als Durchschnittsfachmann in Betracht zu ziehen sein und welche Ausbildung seine Sicht bestimmen könnte (z.B. zum technischen Gebiet, auf dem die Erfindung liegt, zu den auf diesem Gebiet tätigen Unternehmen, der Ausbildung von deren Mitarbeitern bzw. zum Vorhandensein eigener Entwicklungsabteilungen), hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass die Parteien sich dazu vollständig erklären.
b) Selbst wenn solche dem unmittelbaren Beweis zugängliche Tatsachen zwischen den Parteien unstreitig sind, kann die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten sein, wenn die Kenntnis dieser Tatsachen allein je nach Fall nicht ausreicht, um auf die ihrerseits dem unmittelbaren Beweise nicht zugängliche Sicht des Fachmanns zu schließen oder die technischen Zusammenhänge zuverlässig zu bewerten. Das Verletzungsgericht prüft in jedem Einzelfall eigenverantwortlich, ob es aus diesem Grund einen Sachverständigen hinzuzieht.
c) Der Entschluss des Verletzungsgerichts, die Patentansprüche auszulegen, ohne im Hinblick auf für die Auslegung maßgebliche, dem unmittelbaren Beweis nicht zugängliche Gesichtspunkte einen Sachverständigen hinzuziehen, unterliegt der uneingeschränkten Rechtmäßigkeitskontrolle durch das Revisionsgericht.
d) Wird die Verurteilung wegen Verletzung des Klagepatents in von dessen Wortsinn abweichender Form erstrebt, muss sich aus dem Klageantrag ergeben, in welchen tatsächlichen Gestaltungen sich die Abweichung von den Vorgaben des Patentanspruchs verkörpert.
e) Ergibt sich aus dem klägerischen Sachvortrag, dass (auch) eine Verletzung des Klagepatents in vom Wortsinn abweichender Form geltend gemacht werden soll, ohne dass dies in den Anträgen einen Niederschlag gefunden hat, hat das Tatsachengericht dies im Rahmen der ihm obliegenden Verpflichtung, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken, zu erörtern.
Normenkette
EPÜ Art. 69; PatG § 14; ZPO § 139 Abs. 1 S. 2, § 144 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das am 20.3.2008 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des OLG München aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten, inzwischen wegen Ablaufs der Schutzdauer erloschenen europäischen Patents 313 345 (Klagepatents), dessen Anspruch 1 in der Verfahrenssprache lautet:
"A multistage sprocket assembly for a bicycle comprising at least one larger diameter sprocket (1), at least one smaller diameter sprocket (2) and a drive chain (3), and the or each larger diameter sprocket (1) having at its outer periphery a given number of teeth which are spaced at intervals corresponding to the pitch of the chain (3) and the or each smaller diameter sprocket (2) having at its outer periphery teeth which are smaller in number than the teeth of said larger diameter sprocket (1) and are spaced at intervals corresponding to the pitch of the chain (3), said sprockets (1) and (2) being assembled so that the centre (O2) between a pair of adjacent teeth of said larger diameter sprocket (1) is positioned on a tangent extending form the centre (O1) between a pair of adjacent teeth of said smaller diameter sprocket, said tangent extending along the path of travel of the driving chain (3) in engagement with said smaller diameter sprocket (2) when said chain (3) shifted therefrom into engagement with said larger diameter sprocket (1), the distance between said centres (O1, O2) being at least substantially an integer multiple of the chain pitch, characterised in that said larger diameter sprocket (1) is provided with a chain guide surface (4) on the inside surface of the sprocket (1) facing the smaller diameter sprocket (2) and at a position on said larger diameter sprocket (1) which corresponds to the path of travel between said centres (O1, O2) between adjacent teeth of the sprocket where the chain makes contact with the larger diameter sprocket (1), said chain guide surface (4) having such a shape and size as to receive an entire link plate of a link of said chain and to cause the link to be biased towards the larger diameter sprocket (1) as the chain leaves the smaller diameter sprocket and starts to engage with a tooth of the larger diameter sprocket (1), said tooth being the tooth behind said centre (O2) between adjacent teeth of the larger diameter sprocket in the direction of drive rotation."
Rz. 2
In der Klagepatentschrift ist dieser Anspruch wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt:
"Mehrstufige Kettenradanordnung für ein Fahrrad, enthaltend mindestens ein Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser, mindestens ein Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser und eine Antriebskette (3), wobei das Kettenrad (1) oder jedes der Kettenräder (1) mit einem größeren Durchmesser an seinem Außenumfang eine gegebene Anzahl an Zähnen aufweist, die in Abständen voneinander angeordnet sind, die dem Lochabstand der Kette (3) entsprechen, sowie das Kettenrad (2) oder jedes der Kettenräder (2) mit einem kleineren Durchmesser an seinem Außenumfang Zähne aufweist, deren Anzahl kleiner als die Anzahl der Zähne des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser ist und die in Abständen voneinander angeordnet sind, die dem Lochabstand der Kette (3) entsprechen, und wobei die Kettenräder (1) und (2) derart angeordnet sind, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser sich auf einer Tangente befindet, die sich von der Mitte (O1) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des Kettenrads mit einem kleineren Durchmesser aus entlang des Laufwegs der Antriebskette (3) im Eingriff mit dem Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser erstreckt, wenn die Kette (3) von dort in Eingriff mit dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser versetzt wird, wobei die Entfernung zwischen den genannten Mitten (O1, O2) mindestens im Wesentlichen ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstandes der Kette ist, dadurch gekennzeichnet, dass das genannte Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser an seiner Innenoberfläche mit einer Kettenführungsoberfläche (4) versehen ist, die dem Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser zugewandt ist, und auf dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser an einer Position, die im Laufweg zwischen den genannten Mitten (O1, O2) zwischen benachbarten Zähnen der Kettenräder, wo die Kette mit dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser in Kontakt kommt, wobei die Kettenführungsoberfläche (4) eine derartige Gestalt und Größe aufweist, dass sie eine ganze Gliedplatte eines Gliedes der Kette aufnimmt und bewirkt, dass das Glied in Richtung auf das Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser vorgespannt wird, wenn die Kette das Kettenrad mit einem kleineren Durchmesser verlässt und beginnt, mit einem Zahn des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser in Eingriff zu kommen, wobei dieser Zahn der Zahn hinter der Mitte (O2) zwischen benachbarten Zähnen des Kettenrads mit einem größeren Durchmesser in der Antriebsdrehrichtung ist."
Rz. 3
Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) war, und die Beklagte zu 3) vertreiben in der Bundesrepublik Deutschland unter den Bezeichnungen "S. 5.0" und "S. 7.0" Zahnkränze (Kassetten) für Fahrräder, wegen deren Ausgestaltung auf die Abbildungen im Tatbestand des in derselben Sache ergangenen Senatsurteils vom 13.2.2007 (BGHZ 171, 120 - Kettenradanordnung I) verwiesen wird. Die Klägerin sieht das Klagepatent durch diese Erzeugnisse verletzt und nimmt die Beklagten deswegen auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch und begehrt des Weiteren die Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz.
Rz. 4
Das LG hat, sachverständig beraten, im Wesentlichen antragsgemäß erkannt. Das Berufungsgericht hat die Klage nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens abgewiesen. Diese Entscheidung hat der Senat durch sein vorgenanntes Urteil vom 13.2.2007 aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das die Klage abermals abgewiesen hat. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 6
I. Das Klagepatent betrifft eine mehrstufige Kettenradanordnung für ein Fahrrad mit Kettenrädern (Ritzeln) unterschiedlicher Durchmesser, zwischen denen zum Gangwechsel die Antriebskette versetzt wird.
Rz. 7
Der Klagepatentschrift zufolge war im Stand der Technik bekannt, Kettenräder mit kleinerem und solche mit (nächst)größerem Durchmesser so anzuordnen, dass sich die Mitte zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads auf einer Tangente befindet, die sich von der Mitte zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erstreckt, und dass die Entfernung zwischen diesen Mittelpunkten ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstands (der Teilung) der Kette beträgt. Diese Anordnung soll ermöglichen, dass beim Schalten vom kleineren auf das größere Kettenrad durch Schrägstellen ("biase") der Antriebskette ein in Antriebsdrehrichtung hinter der genannten Mitte angeordneter erster Zahn des größeren Kettenrads leicht in Eingriff mit der Kette gebracht wird. Die Kette passt dabei besonders gut auf den "ersten Zahn", wenn das betreffende Glied der Kette, die abwechselnd aus Paaren innerer und äußerer Gliedplatten besteht, ein Kettenglied mit äußeren Gliedplatten ist.
Rz. 8
Die Klagepatentschrift bemängelt, dass selbst wenn ein solches Kettenglied mit dem "ersten Zahn" korrespondiert, die Endfläche des Kettenstifts und die äußere Oberfläche der äußeren Gliedplatte an der inneren Oberfläche des größeren Kettenrads störend angreifen, so dass die Kette nicht weiter in Richtung auf dieses hin transportiert wird und infolgedessen den ersten Zahn nicht zuverlässig ergreifen kann. Als ähnlich problematisch wird der Schaltvorgang für den Fall geschildert, dass ein Kettenglied mit inneren Gliedplatten mit dem "ersten Zahn" korrespondiert. Unter Berücksichtigung dieser geschilderten Schwierigkeiten soll das technische Problem gelöst werden, die Zuverlässigkeit des Schaltvorgangs weiter zu verbessern.
Rz. 9
Erfindungsgemäß soll dies durch eine mehrstufige Kettenradanordnung erreicht werden, die nach Maßgabe der nachfolgenden Merkmalsgliederung
a) zumindest ein Kettenrad mit größerem Durchmesser, b) zumindest ein Kettenrad mit kleinerem Durchmesser und c) eine Antriebskette umfasst, wobei d) jedes Kettenrad an seinem Umfang eine gegebene Anzahl von Zähnen aufweist, deren Abstand voneinander der Teilung der Antriebskette entspricht, e) die Anzahl der Zähne des Kettenrads mit kleinerem Durchmesser geringer als die Anzahl der Zähne des Kettenrads mit größerem Durchmesser ist, f) die Kettenräder so angeordnet sind, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads sich auf einer Tangente befindet, die sich f1) von der Mitte (O1) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads ("extending from the centre ...") aus, f2) entlang des Laufwegs der Antriebskette im Eingriff mit dem kleineren Kettenrad erstreckt, wenn die Kette von dort in Eingriff mit dem größeren Kettenrad versetzt wird, f3) wobei der Abstand zwischen den Mittelpunkten (O1, O2) jedenfalls im Wesentlichen ("at least substantially") ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung ist, und wobei g) das größere Kettenrad mit einer Kettenführungsfläche versehen ist, die g1) an der inneren Oberfläche dieses Kettenrads dem kleineren Kettenrad zugewandt ist und g2) sich dort befindet, wo die Kette auf dem Laufweg zwischen den Mittelpunkten (O1, O2) mit dem größeren Kettenrad in Berührung kommt, und wobei h) die Kettenführungsfläche eine derartige Gestalt und Größe aufweist, dass sie h1) eine ganze Gliedplatte eines Kettengliedes aufnimmt ("to receive an entire link plate of a link ...") und h2) bewirkt, dass das Kettenglied in Richtung auf das größere Kettenrad schräggestellt wird ("to cause the link to be biased towards the larger diameter sprocket"), wenn die Kette das kleinere Kettenrad verlässt und der Eingriff mit einem Zahn des größeren Kettenrads beginnt, h3) wobei der betreffende Zahn in Antriebsdrehrichtung hinter der Mitte (O2) liegt.
Rz. 10
Wegen der Auslegung der Merkmale f, f1 und f2 durch den Senat wird auf die Rz. 21 ff. des Urteils vom 13.2.2007 Bezug genommen. Die Verwirklichung dieser Merkmale durch die angegriffenen Ausführungsformen ist danach unstreitig geworden.
Rz. 11
II. Das Berufungsgericht hat angenommen, für die Auslegung des Merkmalselements "jedenfalls im Wesentlichen" sei maßgeblich, dass die Zusammenwirkensfunktion des Merkmals f3 mit den anderen, der verbesserten Schalttechnik dienenden Merkmalen für den Fachmann noch erkennbar gegeben sei, wobei er reine Fertigungstoleranzen als von diesem Begriff selbstverständlich umfasst ansehe. Es hat des Weiteren gemeint, der tatsächliche Vortrag der Klägerin sei nicht geeignet, eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals f3 - dessen Benutzung mit abgewandelten Mitteln die Klägerin nicht geltend mache - durch die angegriffenen Ausführungsformen zu belegen. Die von der Klägerin vorgetragenen Messwerte offenbarten ausnahmslos Abweichungen vom ganzzahligen Vielfachen der Kettenteilung oberhalb der vom Sachverständigen als zulässig erachteten Fertigungs- bzw. Messtoleranzen von 0,2 mm.
Rz. 12
Es sei damit zu prüfen, ob die von der Klägerin gemessenen Abweichungen zu Funktionsabweichungen hinsichtlich der Lehre des Klagepatents führten. Die von der Klägerin angewandte Messmethode habe faktisch zur Folge, dass als Bezugspunkt der Punkte O1 und O2 die Rollenmitte anzusetzen sei. Diese Festlegung sei jedoch nicht zwingend. Ausweislich der Beschreibung (Übersetzung S. 11, 3. Abs.) seien die Punkte O1 und O2 im Sinne der technischen Lehre des Klagepatents zwar nicht bestimmt, wohl aber bestimmbar. Diese Lehre beschränke sich insoweit auf die Angabe eines Verhältnisses der Punkte O1 und O2 zueinander und lege deren Lage nur insoweit fest, als sie im Zusammenspiel mit den anderen Merkmalen ihre Funktion noch ausüben könnten. Die im Kettenverlauf angelegte Gerade könne, da sie nach der Auslegung durch den BGH keine Tangenteneigenschaft im mathematischen Sinn aufweisen müsse, in ihrer Lage variieren, denn der Berührpunkt zu den Kettenrädern verändere sich zwangsläufig, je nachdem, wo die Berührung an der Oberfläche des Zahns beginne. Dementsprechend seien die Punkte O1 und O2 in ihrer Lage auf den Mittellinien in bestimmten Grenzen variabel, und, wann ein ganzzahliges Vielfaches bei einer angegriffenen Ausführungsform mit den nach dem Klagepatent erwünschten technischen Wirkungen vorliege, müsse im Einzelfall nach der Verhältnisangabe im Merkmal f3 geklärt werden.
Rz. 13
Es sei Sache der Klägerin, die zwar nicht bestimmten, aber bestimmbaren Punkte O1 und O2 entsprechend der Verhältnisangabe nach der Lehre des Klagepatents bei den angegriffenen Ausführungsformen festzulegen. Die von der Klägerin ermittelten tatsächlichen Abweichungen bei den angegriffenen Ausführungsformen seien ohne exakte Bestimmung der Lage der Punkte O1 und O2 dort nach der Lehre des Klagepatents gemessen worden und deshalb nicht aussagekräftig, denn die Messmethode gehe in diesem Fall mit den Rollenmitten von zwei Punkten aus, deren technische Unabdingbarkeit nicht festliege, und die daher eine andere Bestimmungsmethode als die angewandte erfordere.
Rz. 14
III. Die Ausführungen des Berufungsgerichts bieten keine tragfähige Grundlage für die ausgesprochene Klageabweisung.
Rz. 15
1. Weiteren Vortrags der Klägerin zur Position der Mitten O1 und O2, bei den angegriffenen Ausführungsformen bedurfte es entgegen der Ansicht des OLG nicht. Es hätte vielmehr zu prüfen gehabt, ob die Klägerin die Positionen der Mitten O1 und O2 in einer Weise bestimmt und ihren Messungen zugrunde gelegt hat, die der Auslegung der Merkmale f, f1 und f2 durch den Senat entsprach. An diese Auslegung war das Berufungsgericht auch bei Auslegung des Merkmals f3 gebunden (§ 563 Abs. 2 ZPO), weil die Position der Punkte O1 und O2 auf der Winkelhalbierenden in Merkmal f3 nicht neu und anders als in den Merkmalen f, f1 und f2 bestimmt, sondern damit identisch ist. Der eigenständige Sinngehalt des Merkmals f3 beschränkt sich auf die Vorgaben für die Bemessung des Abstands O1 - O2.
Rz. 16
a) Das Klagepatent bestimmt die Position der Punkte O1 und O2 anhand zweier Parameter. Es legt sie zum einen in die "Mitte" ("the centre") zwischen zwei Zähnen des größeren (O2) bzw. des kleineren (O1) Kettenrads (Merkmale f und f1) und ordnet zum anderen an, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads sich auf einer Geraden (Tangente) befindet, die sich von der Mitte (O1) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads aus entlang des Laufwegs der Antriebskette im Eingriff mit dem kleineren Kettenrad erstreckt. Der Senat hat das Klagepatent im Urteil vom 13.2.2007 insoweit dahin ausgelegt, dass sich die Lage der Punkte O1 und O2 aus den Schnittpunkten der Mittellinie zwischen den zwei Zahnpaaren mit einer in Übereinstimmung mit dem Kettenverlauf angelegten Geraden ergebe (a.a.O. Tz. 23).
Rz. 17
Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass die Antriebskette realiter keine ideal reduzierte Linie darstellt, sondern einen dreidimensionalen körperlichen Gegenstand mit bestimmten Abmessungen bildet. Als ein solches körperliches Gebilde kann die Kette die besagte Mittellinie dementsprechend an verschiedenen Stellen schneiden, was sich wiederum auf die Länge der Strecke O1-O2 auswirken kann, je nachdem, wie der Schnittpunkt bestimmt wird. Hinzu kommt, dass die Kette nicht bei jedem Schaltvorgang zwangsläufig immer in gleicher Position vom kleinen Zahnrad abläuft, was wiederum den Verlauf und die Länge der Strecke O1-O2 beeinflussen kann. Patentanspruch 1 des Klagepatents trifft keine konkreteren Anweisungen zur Lokalisierung der Punkte O1-O2 und legt es damit in die Hände des Fachmanns, die Position der beiden Punkte zu bestimmen.
Rz. 18
b) Dass der Anspruch in diesem Punkt offen formuliert ist, wird den Fachmann aus technischen Gründen nicht überraschen. Denn die in der Merkmalsgruppe f zusammengefassten Merkmale gehören - bis auf die Relativierung des Abstands O1-O2 als ein "jedenfalls im Wesentlichen ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung" - nicht zum kennzeichnenden Teil des Klagepatents, sondern stellen dem Fachmann vertrauten Stand der Kettenschaltungstechnik dar. Die Klagepatentschrift spricht davon, dass die Kettenräder "herkömmlicherweise" so angeordnet werden, dass der Abstand O1-O2 ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung beträgt.
Rz. 19
c) Bei Festlegung der Bezugspositionen für die Punkte O1-O2, für die aus fachmännischer Sicht eine gewisse Bandbreite von radialen Positionen der Punkte O1-O2 in Betracht kommt (vorstehend III 1a), wird der Fachmann einen standardisierten Mittelwert anstreben, der Gewähr dafür bietet, dass das mit der Auslegung des Abstands der beiden Punkte verfolgte Ziel möglichst oft erreicht wird. Dieses besteht darin, dass der erste Zahn hinter dem Punkt O1 des größeren Kettenrades beim Gangwechsel zum Kettenrad mit dem größeren Durchmesser leicht in Eingriff mit der Antriebskette gebracht wird (Beschr. Sp. 1 Z. 11-30 [Übers. S. 1, 2. Abs.]). Aus fachmännischer Sicht wird es naheliegen, die radialen Positionen der Punkte O1 und O2 so festzulegen, dass sie auf der Mitte zwischen zwei Zähnen des größeren und des kleineren Kettenrads (den Winkelhalbierenden) liegen, und zwar in der Höhe, die bei mittig auf den Zahnfußausrundungen aufliegender Kette dem Kreismittelpunkt der Kettenrolle entspricht.
Rz. 20
2. Das Klagepatent sieht für die Einstellung des Abstands O1-O2 im Unterschied zum Stand der Technik gewisse Abweichungen vom exakten ganzzahligen Vielfachen der Kettenteilung vor, deren zulässige Größenordnung es durch die Angabe "jedenfalls im Wesentlichen" ("at least substantially") umschreibt. Das Berufungsgericht hat diese Anweisung nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe dahin ausgelegt, dass diese Abweichungen die Fertigungstoleranzen, die es im Anschluss an die Erläuterungen des Sachverständigen auf 0,2 mm bemessen hat, nicht überschreiten. Dagegen wendet die Revision sich ebenfalls zu Recht.
Rz. 21
a) Das vom Berufungsgericht gefundene Auslegungsergebnis, dass die gemäß Merkmal f3 möglichen Abweichungen auf Fertigungstoleranzen begrenzt sein sollen, findet in der Klagepatentschrift keinen Rückhalt. Es sind vielmehr die Ausführungen in der Beschreibung zu dem Problem, dass der Durchmesser der Zahnfußausrundungen größer sein kann, als der Durchmesser der Kettenrollen (elliptische oder Langlochform; vgl. dazu Sp. 7 Z. 46 ff. [Übers. S. 11, 2. vollständiger Abs.]), die Hinweise auf die Größenordnung der Abweichungen geben, die das Klagepatent aus technischen Gründen im Auge hat. Wenn die Kette bei solchen Ausgestaltungen vom kleineren auf das größere Kettenrad versetzt wird, stößt die Rolle am kleineren Kettenrad an der rückwärtigen Oberfläche eines Zahns vor der Rolle in Antriebsdrehrichtung dieses Kettenrads an. Die Rolle, die sich in Richtung zum größeren Kettenrad hin bewegt, soll an der vorderen Oberfläche des ersten Zahns (11) in Antriebsdrehrichtung dieses Kettenrads anstoßen, um von deren Zahn gefangen zu werden. Damit das trotz des durch die vergrößerten Zahnfußausrundungen verlängerten Laufwegs der Kette reibungslos gelingt, werden beide Kettenräder so ausgerichtet, dass der Abstand L etwas kleiner als ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstands der Kette (Kettenteilung) ist, (vgl. Sp. 7 Z. 46 ff. [Übers. S. 11, 2. vollständiger Abs.]).
Rz. 22
Ersichtlich geht es dem Klagepatent mit der Relativierung "jedenfalls im Wesentlichen" also darum, die durch die unterschiedlich weiten Ausformungen der Zahnfußausrundungen auftretenden Differenzen bei der Positionierung der Ritzel durch eine gewisse Abweichung vom exakten Vielfachen der korrespondierenden Zähne zueinander auszugleichen. Außerdem ist aus fachmännischer Sicht zu bedenken, dass die Schaltungstechnik als solche durch einen vergleichsweise groben mechanischen Ablauf - die Kette wird beim Schalten vom kleineren Kettenrad durch mechanische Krafteinwirkung schräg gestellt, bis sie auf dem größeren Ritzel aufliegt - gekennzeichnet ist, der ebenfalls spürbare Abweichungen vom exakten ganzzahligen Vielfachen der Kettenteilung als angemessen erscheinen lassen kann.
Rz. 23
b) Das Berufungsgericht wird das Merkmal f3 unter Berücksichtigung dieser Vorgaben erneut auszulegen haben. Bei Würdigung des zur Verletzung vorgetragenen Sachverhalts wird das Berufungsgericht zu beachten haben, ob die Positionierung der Punkte O1-O2, die diesem Vorbringen zugrunde liegt, im Bereich der nach fachmännischem Verständnis (oben III 1c) dafür in Betracht kommenden Festlegungen liegt, und die - an sich dem Stand der Technik entnommene und lediglich um die Relativierung "...jedenfalls im Wesentlichen..." ergänzte Merkmalsgruppe f verwirklicht ist, um sich ggf. dann der Prüfung der Merkmalsgruppe h zuzuwenden.
Rz. 24
IV. Das Berufungsgericht hat zu der Frage, wann im Patentverletzungsprozess ein Sachverständiger einzuschalten sei, erwogen, ob es, wenn das Patent aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns ausgelegt werde, prozessual erforderlich sei, dass zu den Grundlagen des Verständnisses des Durchschnittsfachmanns, etwa zu seiner Ausbildung und seiner Fachkunde am Prioritätszeitpunkt, von den Parteien vorgetragen werde. Die Instanzentscheidungen in Verletzungsverfahren enthielten regelmäßig keine Feststellungen zu den tatsächlichen Grundlagen, die den (fiktiven) Durchschnittsfachmann in die Lage versetzten, das eine oder andere Verständnis vom Patent und seinen Ansprüchen zu entwickeln. Ob das Verständnis des Durchschnittsfachmanns von einem nicht-technisch besetzten Gericht ohne technische Unterstützung beurteilt werden könne, insb. dann, wenn die als Beurteilungsgrundlage für das Verständnis des Schutzrechts erforderlichen Grundlagen von den Parteien nicht vorgetragen worden seien, sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Das Patent werde in solchen Fällen zwar aus Sicht des Durchschnittsfachmanns ausgelegt, warum dieser eine bestimmte Sicht habe, bleibe aber weitestgehend ungeklärt. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts geben zu den folgenden Ausführungen über die Grundlagen der Patentauslegung Gelegenheit.
Rz. 25
1. Patentansprüche haben nach der Rechtsprechung des Senats Rechtsnormcharakter (BGH, Beschl. v. 8.7.2008 - X ZB 13/06 Tz. 13, GRUR 2008, 887 - Momentanpol II; BGHZ 180, 215 Tz. 16 - Straßenbaumaschine). Deshalb ist es originär richterliche Aufgabe, den objektiven Sinngehalt der mit dem jeweiligen Schutzrecht unter Schutz gestellten Lehre eigenständig durch Auslegung der Patentansprüche - ggf. unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen - zu ermitteln. Darum hat der Senat es in der Vergangenheit beanstandet, wenn das Berufungsgericht sich die vom Sachverständigen "als Durchschnittsfachmann" vorgenommene Auslegung eines Klagepatents ohne erkennbar eigene Wertung zu eigen gemacht und seine Entscheidung darauf gestützt hat, anstatt das Klagepatent selbst auszulegen (BGHZ 164, 261 - Seitenspiegel; vgl. auch BGHZ 171, 120 - Kettenradanordnung I; BGH, Urt. v. 12.2.2008 - X ZR 153/05, GRUR 2008, 779 - Mehrgangnabe) oder wenn es sich nicht in der Lage gesehen hat, die Frage der Patentverletzung zu entscheiden, nachdem der gerichtliche Sachverständige erklärt hatte, ein Merkmal des Klagepatents nicht definieren zu können (BGHZ 180, 215 - Straßenbaumaschine).
Rz. 26
2. Soweit das Berufungsgericht im angefochtenen Urteil davon spricht, das Patent sei "aus der Sicht des (Durchschnitts-)Fachmanns auszulegen", besteht Anlass zu weiterer Klarstellung. Auch wenn das fachmännische Verständnis der im Patentanspruch verwendeten Begriffe und des Gesamtzusammenhangs des Patentanspruchs Grundlage der objektiven Patentauslegung ist (vgl. etwa Sen.Urt. GRUR 2008, 779 Tz. 31 f. - Mehrgangnabe), heißt das gerade nicht, dass das Gericht lediglich das Sprachrohr des vom Sachverständigen dargelegten fachmännischen Verständnisses ist. Aufgabe des vom Gericht ggf. zurate gezogenen Sachverständigen ist es vielmehr, wie der Senat vielfach ausgesprochen hat, lediglich, dem Gericht ggf. die für das Verstehen der unter Schutz gestellten Lehre erforderlichen technischen Zusammenhänge zu erläutern und den erforderlichen Einblick in die Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen der jeweils typischen, im Durchschnitt der beteiligten Kreise angesiedelten Vertreter der einschlägigen Fachwelt einschließlich ihrer methodischen Herangehensweise zu vermitteln. Die hierzu gemachten Angaben fließen in die gerichtliche Auslegung der Patentansprüche lediglich ein (vgl. BGHZ 171, 120 Tz. 18, - Kettenradanordnung I; Sen.Urt. GRUR 2008, 779 Tz. 31 f. - Mehrgangnabe; vgl. zur strukturell ähnlich gelagerten Frage, ob ein Sachverständiger auch dazu befragt werden kann, ob Schäden oder Mängel eines Gebäudes für dessen Eigentümer bzw. Bewohner erkennbar waren BGH, Beschl. v. 8.10.2009 - V ZB 84/09). Dagegen zielt die Hinzuziehung des Sachverständigen nicht auf die Beantwortung von Rechtsfragen, was unzulässig wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 8.10.2009 - V ZB 84/09 Tz. 10).
Rz. 27
3. Ob im Hinblick auf die vom Gericht vorzunehmende Auslegung der Patentansprüche ein Sachverständiger hinzugezogen werden muss, hängt zunächst davon ab, ob und ggf. welchen streitigen Vortrag die Parteien zu tatsächlichen Umständen gehalten haben, die des unmittelbaren Beweises mit zivilprozessual zulässigen Beweismitteln zugänglich sind und als solche für sich oder zusammen mit anderen derartigen Umständen Anhaltspunkte beispielsweise dafür zu geben vermögen, welche technischen Zusammenhänge bedeutsam sein könnten, wer als Durchschnittsfachmann in Betracht zu ziehen sein könnte, welche Ausbildung seine Sicht bestimmen könnte etc. Dies ist dem Beibringungsgrundsatz geschuldet, der im Patentverletzungsprozess beachtet werden muss, weil er als Zivilprozess geführt wird. Fehlt Vortrag der Parteien hierzu, obwohl Angaben zu solchen unmittelbaren Tatumständen erwartet werden können, oder erscheint der gehaltene Vortrag insoweit unvollständig, hat das Gericht außerdem § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu beachten. Es hat dann darauf hinzuwirken, dass die Parteien sich ausreichend erklären. So werden regelmäßig Angaben dazu verlangt werden können, auf welchem technischen Gebiet die Erfindung liegt, welche Unternehmen auf diesem Gebiet tätig sind, wie die beschäftigten Mitarbeiter ausgebildet sind bzw., ob sie eigene Entwicklungsabteilungen mit besonders geschultem oder erfahrenem Personal unterhalten.
Rz. 28
Selbst wenn diese oder andere dem unmittelbaren Beweis zugängliche Tatsachen zwischen den Parteien unstreitig sind, kann die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten sein, weil es Fälle geben kann, in denen die Kenntnis derartiger Tatsachen allein nicht ausreicht, um auf die ihrerseits dem unmittelbaren Beweise nicht zugängliche Sicht des Fachmanns zu schließen oder die technischen Zusammenhänge zuverlässig zu bewerten. Dies bedingt, dass das Verletzungsgericht in jedem Einzelfall eigenverantwortlich prüft, ob es aus diesem Grund einen Sachverständigen hinzuzieht. Die gesetzliche Handhabe hierzu bietet dem Tatrichter § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Rz. 29
Im Hinblick darauf, dass bereits die Antwort auf Fragen, welche technischen Zusammenhänge beachtlich sind, und welche fachmännische zugrunde zu legen ist, ihrerseits nur aufgrund einer Wertung zu finden ist, unterliegt der im Rahmen des § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO getroffene Entschluss des Verletzungsgerichts, die Patentansprüche auszulegen, ohne zuvor einen Sachverständigen hinzuzuziehen, jedoch nicht lediglich der Ermessenskontrolle, die bei § 144 Abs. 1 ZPO normaler Weise nur erfolgen darf. Denn als Wertung ist schon die die technischen Zusammenhänge und die Sicht des Fachmanns betreffende Würdigung Teil der die Patentauslegung ausmachenden Bestimmung, wie der betreffende Patentanspruch zu bewerten ist. Damit greift auch insoweit die ständige Rechtsprechung, wonach die Patentauslegung der uneingeschränkten Rechtmäßigkeitskontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt.
Rz. 30
V. Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin eine Verwirklichung der Merkmalsgruppe f in vom Wortsinn abweichender Form nicht geltend gemacht habe. Sie verweist dazu auf Schriftsätze der Klägerin in den Tatsacheninstanzen, in denen die Klägerin sich die Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Z. zu eigen gemacht habe, wonach die Merkmalsgruppe f in den angegriffenen Ausführungsformen jedenfalls als Ganzes äquivalent benutzt sein soll.
Rz. 31
Mit diesem Vorbringen allein wird der geltend gemachte Verfahrensverstoß des Berufungsgerichts nicht hinreichend dargelegt (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 lit. b ZPO). Ob der Kläger die Verurteilung (zumindest) wegen Verletzung des Klagepatents in vom Wortsinn abweichender Form begehrt, ist nicht allein eine Frage des Sachvortrags, sondern in erster Linie eine solche der entsprechenden Antragstellung. Aus dem Klageantrag muss sich ergeben, welche Ausführung der Kläger als Verletzungsform angreift. Die Ausführung ist im Hinblick auf die Vorgaben des Patentanspruchs zu beschreiben. Soll eine Ausführungsform als vom erteilten Klagepatent erfasst angegriffen werden, die nach Ansicht des Klägers eine vom Wortsinn abweichende Gestalt aufweist, muss sich aus dem Antrag ergeben, in welcher tatsächlichen Gestaltung sich die Abweichung von den Vorgaben des Patentanspruchs verkörpern soll. Dazu trägt die Revision nichts vor und die im angefochtenen Berufungsurteil enthaltenen Anträge haben in Bezug auf die Merkmalsgruppe f lediglich eine dem Wortsinn des Patentanspruchs entsprechende Verletzungsform zum Gegenstand.
Rz. 32
Ergibt sich aus dem klägerischen Sachvortrag, dass (auch) eine Verletzung des Klagepatents in vom Wortsinn abweichender Form geltend gemacht werden soll, ohne dass dies in den Klageanträgen einen Niederschlag gefunden hat, hat das Tatsachengericht dies im Rahmen der ihm obliegenden Verpflichtung, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO), zu erörtern.
Rz. 33
Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren bemerkt der Senat, dass die Frage einer möglichen Verletzung in vom Wortsinn abweichender Form sich, wenn bei der Auslegung des Merkmals f3 auf Funktions- und nicht lediglich auf Fertigungstoleranzen abgestellt wird, ggf. anders stellt, als bisher, insb. dann, wenn die Funktionstoleranzen erheblich größer zu bemessen sind, als die vom Berufungsgericht festgestellten Fertigungstoleranzen. Wenn schon die wortsinngemäße Verletzung eine deutliche Abweichung vom exakt Mehrfachen der Kettenteilung erfasst, bleibt für eine Verletzung unter Benutzung abgewandelter Mittel unter dem Gesichtspunkt zusätzlicher Streckentoleranzen möglicherweise nur noch enger Raum, was sich abschließend aber erst in einer Gesamtschau aller Merkmale beurteilen lässt.
Fundstellen
Haufe-Index 2299439 |
BGHZ 2010, 49 |