Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des nichtehelichen Sohnes auf vorzeitigen Erbausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Anspruchs des nichtehelichen Kindes auf vorzeitigen Erbausgleich gegen seinen Vater (§ 1934 d Abs. 1 BGB) greifen nicht durch.
  2. Der Vater kann seinen nichtehelichen Abkömmling von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen. Dieser erhält dann den Pflichtteil. Der Vater kann den Pflichtteil aber unter den Voraussetzungen der §§ 2333, 2336 BGB entziehen.
  3. Der Vater braucht seinem nichtehelichen Kind vorzeitigen Erbausgleich nicht zu leisten, wenn er dem Kind den Pflichtteil entziehen kann.
  4. Zu den Voraussetzungen der Entziehung des Pflichtteils wegen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandels des nichtehelichen Abkömmlings wider den Willen des Erblassers.
 

Normenkette

BGB §§ 1934d, 2333 Nr. 5

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 17. Mai 1978 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der am 22. November 1954 geborene Kläger ist der nichteheliche Sohn des Beklagten. Er nimmt den Beklagten auf vorzeitigen Erbausgleich nach § 1934 d BGB in Anspruch. Der Beklagte verweigert den Ausgleich, weil der Kläger sich als erbunwürdig erwiesen habe. Der Kläger ist wegen eines am 9. Oktober 1974 begangenen Mordes an dem Oberwachtmeister O. zu sechs Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt worden; mit der Ehefrau des Getöteten hatte der Kläger seit Anfang 1974 geschlechtliche Beziehungen unterhalten.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

In dem zur mündlichen Verhandlung über die Revision anberaumten Termin vom 14. November 1979 ist der Beklagte nicht vertreten gewesen. Der Kläger bittet, durch Versäumnisurteil zu entscheiden.

 

Entscheidungsgründe

Die zugelassene und auch sonst förmlich nicht zu beanstandende Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, und zwar durch Versäumnisurteil (§§ 331, 557 ZPO).

I.

Das Oberlandesgericht führt in seiner Entscheidung aus, der nichteheliche Vater könne den vorzeitigen Erbausgleich verweigern, wenn die Voraussetzungen des § 2333 Nr. 5 BGB vorlägen. Auch das nichteheliche Kind sei Abkömmling seines Vaters im Sinne von § 2333 BGB. Diese Gleichstellung und die gebotene Gleichbehandlung der ehelichen und der nichtehelichen Kinder habe den Gesetzgeber veranlassen müssen, § 2333 BGB auch im Rahmen von § 1934 d BGB für anwendbar zu erklären. Es sei kein zwingender Grund ersichtlich, das Gestaltungsrecht des Vaters in Bezug auf nichteheliche Abkömmlinge einzuschränken. Die insoweit bestehende Gesetzeslücke sei sinnvoll durch eine analoge Anwendung von § 2333 BGB zu schließen. Der Ausschluß von § 2333 BGB in § 1934 b Abs. 2 BGB zwinge nicht dazu, gleiches für den Anspruch auf vorzeitigen Erbausgleich anzunehmen. Die Rechtsstellung des nichtehelichen Kindes werde in § 1934 a BGB für den Fall des Zusammentreffens mit ehelichen Kindern bereits erheblich eingeschränkt. Den dann an die Stelle eines gesetzlichen Erbrechts tretenden Erbersatzanspruch (§ 1934 b BGB) habe der Gesetzgeber nicht noch weiter einschränken wollen. Diese Überlegungen dürften aber für die das nichteheliche Kind privilegierende Vorschrift des § 1934 d BGB nicht maßgebend sein.

Die Voraussetzungen von § 2333 Nr. 5 BGB seien erfüllt. Zwar reiche eine einmalige Verfehlung hierfür grundsätzlich nicht aus. Der vom Kläger begangene Mord dürfe aber nicht losgelöst bewertet werden. Er sei vielmehr der Abschluß eines langen und fortdauernden Eingriffs in die Sphäre des Getöteten und Ausdruck einer egoistischen und gewalttätigen Einstellung. Der Kläger habe geschlechtliche Beziehungen zu einer verheirateten Frau aufgenommen und auch gegen den Widerspruch ihres Mannes aufrechterhalten. Er habe zur Zerrüttung dieser Ehe zumindest mit beigetragen und habe auch die Belange der drei Kinder aus dieser Ehe beeinträchtigt, so daß sein Verhalten als ehrlos bezeichnet werden müsse. Die Einstellung des Klägers setze sich über alle Rechte und moralischen Bedenken hinweg; sein Verhalten sei als ehrloser Lebenswandel zu werten. Daß der Beklagte selbst vor 20 Jahren Ehebruch begangen habe, stehe nicht entgegen. Das Vorgehen des Klägers, das in der Tötung des ihm im Wege stehenden Ehemannes gipfelte, sei mit dem Verhalten des Beklagten nicht zu vergleichen.

Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.

II.

Mit Recht geht das Berufungsgericht von der Verfassungsmäßigkeit des § 1934 d BGB aus.

Gegen die Vereinbarkeit dieser Norm mit der Verfassung sind in Rechtsprechung und Schrifttum allerdings Bedenken geäußert worden (Vorlagebeschluß des LG Osnabrück FamRZ 1974, 262, durch Erledigung des Ausgangsverfahrens gegenstandslos geworden; Vorlagebeschlüsse des LG Dortmund vom 23. Mai 1977 - 1 S 341/75 - und des LG Köln vom 25. August 1978 - 14 O 341/77 -; Firsching, Rechtspfleger 1970, 48, 52). Die geäußerten Bedenken haben ihr Gewicht, vermögen den Senat aber nicht davon zu überzeugen, daß § 1934 d BGB verfassungswidrig und deshalb nichtig wäre.

1.

Das gewichtigste Bedenken geht dahin, § 1934 d BGB bevorzuge das nichteheliche Kind in unzulässiger Weise vor dem ehelichen Kind; hierin liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG. Der Senat vermag dem nicht zu folgen.

§ 1934 d BGB ist durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder (Nichtehelichengesetz; WEG) vom 19. August 1969 - BGBl 1979 I 1243 - in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden. Die Bevorzugung des nichtehelichen Kindes durch den Anspruch auf vorzeitigen Erbausgleich vor dem ehelichen Kind, dem dieser Anspruch nicht zukommt, ist im Gesetzgebungsverfahren klar erkannt worden und vom Gesetz gewollt. In der Begründung zu der vom Rechtsausschuß des Bundestages in das Gesetz eingefügten Vorschrift heißt es hierzu (Schriftlicher Bericht zu Bundestagsdrucksache V/4179 S. 6):

"Die Bevorzugung nichtehelicher Kinder gegenüber den ehelichen, die zu Lebzeiten ihres Vaters ohne dessen Einverständnis keinen Erbausgleich verlangen können, rechtfertigt sich dadurch, daß die nichtehelichen Kinder im allgemeinen in der väterlichen Familie nicht den Rückhalt haben, der ehelichen Kindern gewöhnlich zukommt."

Mit dieser Begründung läßt sich die unterschiedliche Behandlung nach der Auffassung des Senats vertreten.

Das Nichtehelichengesetz geht zurück auf den in Art. 6 Abs. 5 GG niedergelegten Verfassungsauftrag, der es dem Gesetzgeber zur Pflicht macht, den unehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und für ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. Diesem Verfassungsauftrag liegt die Erkenntnis zugrunde, daß die unehelichen Kinder herkömmlich ungünstigere Lebensbedingungen vorfinden als die ehelichen Kinder (BVerfGE 17, 280, 283). Art. 6 Abs. 5 GG verfolgt das Ziel, diesem Zustand ein Ende zu setzen und für die unehelichen Kinder in Zukunft "die gleichen Bedingungen" zu schaffen, wie eheliche Kinder sie vorfinden (BVerfGE 8, 210, 215; 17, 280, 283; 22, 163, 173; 25, 167, 183). Damit ist nicht gesagt, daß eine schematische rechtliche Gleichstellung herbeigeführt werden müßte oder dürfte (BVerfGE 17, 280, 284). Die unterschiedliche Ausgangslage kann es vielmehr rechtfertigen oder sogar gebieten, das uneheliche Kind rechtlich anders oder sogar günstiger zu stellen als das eheliche Kind (BVerfGE 17, 280, 284; 25, 167, 183; 26, 44). Da Art. 6 Abs. 5 GG das Verhältnis zwischen der bürgerlich-rechtlichen Stellung der unehelichen Kinder und der ehelichen Kinder selbst bestimmt und insofern eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes darstellt, scheidet hier eine Prüfung am Maßstab der Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 sowie an Art. 6 Abs. 1 GG aus (BVerfGE 26, 44, 60 f.; 17, 280, 283). Der dem Gesetzgeber hier zukommende Spielraum endet vielmehr erst dort, wo - gemessen an dem verfassungsauftrag des Art. 6 Abs. 5 GG - ein einleuchtender Grund für die Regelung fehlt (BVerfGE 17, 280, 284). Dabei ist zu beachten, daß Art. 6 Abs. 5 GG auf die "gleichen" Lebensbedingungen der unehelichen Kinder im ganzen abzielt, innerhalb der mütterlichen und der väterlichen Familie kommt es nicht etwa allein auf die familienrechtliche und die erbrechtliche Behandlung des unehelichen Kindes an. In mindestens ebenso starkem Maße ist vielmehr auch auf die vielfältige materielle und immaterielle Förderung Bedacht zu nehmen, die ein eheliches Kind im allgemeinen während seines ganzen Lebens bis hin zu den Zuwendungen von Todes wegen von seiner Familie erfährt (BVerfGE 44, 1, 20).

Vor diesem Verfassungsauftrag vermag der Senat in § 1934 d BGB insoweit keinen Verstoß gegen das Grundgesetz zu erkennen. Dabei hat der Senat hier nicht zu prüfen, ob die durch das Nichtehelichengesetz erfolgte Anhebung der Lebensbedingungen der nichtehelichen Kinder dem Verfassungsauftrag des Art. 6 Abs. 5 GG genügt und ob das von der Verfassung vorgegebene Ziel (gleiche Lebensbedingungen für die unehelichen Kinder) inzwischen erreicht ist. Eine solche Feststellung ließe sich ohne (zur Zeit wohl noch verfrühte) eingehende Erhebungen nicht treffen. Immerhin hält Staudinger-Werner (12. Aufl. § 1934 d BGB Rdn. 2) dafür, daß das eheliche Kind trotz des das nichteheliche Kind bevorzugenden vorzeitigen Erbausgleichs nach wie vor der größte Nutznießer des väterlichen Vermögens geblieben ist. Keinesfalls kann umgekehrt festgestellt werden, daß die nichtehelichen Kinder inzwischen die ehelichen Kinder gewissermaßen überflügelt und nunmehr die "besseren" Lebensbedingungen hätten.

Allerdings ist es richtig, daß zahlreiche eheliche Kinder aus "kranken", gescheiterten oder geschiedenen Ehen unter Bedingungen leben, die nicht erheblich günstiger sind als diejenigen, die die nichtehelichen Kinder vor der Reform des Nichtehelichenrechts vorfanden (vgl. Lutter, Das Erbrecht des nichtehelichen Kindes, 2. Aufl. S. 71; Brüggemann, ZBlJR 1972, 244; Bosch, FamRZ 1970, 497, 503). Auch dieser Gesichtspunkt vermag ein verfassungsrechtliches Verdikt über § 1934 d BGB aber nicht zu tragen. Denn der Verfassungsauftrag des Art. 6 Abs. 5 GG, der die Anhebung der Lebensbedingungen der unehelichen Kinder auf die Stufe der ehelichen Kinder gebietet, hat nicht diejenigen ehelichen Kinder im Auge, die aus gescheiterten Ehen stammen und unter ähnlich ungünstigen Bedingungen leben wie die unehelichen Kinder. Damit wäre der verfassungsrechtliche Reformauftrag jeglicher Wirkung beraubt. Gemeint ist in Art. 6 Abs. 5 GG vielmehr der "Normalfall" des ehelichen Kindes, das in einer gesunden Ehe lebt und das unter ähnlichen Schwierigkeiten wie das uneheliche Kind gerade nicht zu leiden hat. Der Gesetzgeber wird vielmehr umgekehrt zu erwägen haben, ob nicht auch die mit den nichtehelichen Kindern vergleichbaren ehelichen Kinder ("Scheidungswaisen") eine Verbesserung ihrer Rechtsstellung erfahren sollen (Art. 3 Abs. 1 GG).

2.

Auch die weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 1934 d BGB nötigen nach Auffassung des Senats nicht dazu, die Vorschrift zu verwerfen.

Bereits im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erhob das Bundesjustizministerium verfassungsrechtliche Bedenken. Es führte hierzu sinngemäß aus, es sei mit dem durch Art. 14 GG i.V.m. Art. 6 GG gewährleisteten Gesamtbild der Familiengüterrechtsordnung unter Lebenden nicht vereinbar, wenn dem Vater auferlegt werde, zu Lebzeiten gegen seinen Willen gleichsam "beerbt" zu werden. Die Ausübung des Anspruchs durch das uneheliche Kind könne zudem bei vermögenslosen Vätern, also voraussichtlich in mehr als der Hälfte aller Fälle, zu einer mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbaren Gefährdung des Familienunterhalts führen (Anl. 1 zum Protokoll Nr. 26 des Unterausschusses "Unehelichenrecht" des Rechtsausschusses des Bundestages; vgl. auch Ehmke, Stenographischer Bericht über die 235. Sitzung der 5. Wahlperiode des Bundestages, Bundestagsprotokolle V 13005).

Der Bundesminister des Innern ist dieser Auffassung seinerzeit entgegengetreten. Bundestag und Bundesrat sind den Bedenken im Ergebnis nicht gefolgt. Auch der Senat hält sie nicht für zwingend.

Es spricht viel dafür, daß es mit der Gewährleistung des Erbrechts in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar wäre, den Erblasser von Gesetzes wegen dazu zu zwingen, sich seines Vermögens gegen seinen Willen zugunsten von Abkömmlingen bereits zu Lebzeiten zu entäußern ("Beerbung bei lebendigem Leibe"). Ein solcher Fall liegt hier aber schon deshalb nicht vor, weil der Geldanspruch aus § 1934 d BGB als solcher zwar formal im Erbrecht geregelt ist, nach seiner Funktion ("Starthilfe") und seiner Ausgestaltung aber eher einem familienrechtlichen Ausstattungsanspruch ähnelt (vgl. KG FamRZ 1973, 51 f.; Bundesminister des Innern, Anl. 2 zum Protokoll Nr. 26 des Unterausschusses des Bundestages "Unehelichenrecht").

Auch das zweite Bedenken des Bundesministeriums der Justiz greift nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht durch. Freilich sind Regelungen zugunsten des unehelichen Kindes, die zu einer Existenzgefährdung des Vaters führen oder die es ihm unmöglich machen, neben dem unehelichen Kind für seine Ehefrau und seine ehelichen Kinder zu sorgen, nicht durch den Verfassungsauftrag des Art. 6 Abs. 5 gedeckt. Auch ein derartiger Fall liegt aber hier nicht vor, weil der vermögenslose Vater bereits durch §§ 850 d, 850 c ZPO hinreichend geschützt ist (BVerfGE 26, 44, 65 f.). Überdies dürfte der vorzeitige Erbausgleich dem nichtehelichen Vater und seiner ehelichen Familie in einer Vielzahl von Fällen durchaus gelegen kommen, weil das nichteheliche Kind damit zugleich seine erbrechtliche Stellung gegenüber der väterlichen Familie verliert (§ 1934 e BGB).

Ob diese Regelung allerdings auch insoweit Bestand hat, als sie den nichtehelichen Vater (und dessen Verwandte) bei vorzeitigem Erbausgleich auch seinerseits von der Erbfolge nach dem nichtehelichen Kind ausschließt, ist hier nicht zu entscheiden.

Eine Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG kommt daher in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung (vgl. hierzu vornehmlich KG FamRZ 1973, 51; OLG Oldenburg, FamRZ 1973, 550; LG Waldshut-Tiengen FamRZ 1976, 372; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 2. Aufl., § 12 V 5 d; Staudinger/Werner, 12. Aufl. § 1934 d BGB Rdn. 2 m.w.N.) nicht in Betracht.

III.

Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Voraussetzungen des § 1934 d Abs. 1 BGB für den Klageanspruch hier erfüllt sind. Der Senat pflichtet dem Oberlandesgericht auch darin bei, daß der nichteheliche Vater einem Anspruch aus § 1934 d BGB gegebenenfalls mit Erfolg entgegenhalten kann, daß er dem Kind den Pflichtteil entziehen kann (§ 2333 BGB).

Entgegen den Ausführungen des angefochtenen Urteils kann der Vater sein nichteheliches Kind durch Verfügung von Todes wegen durchaus von der Erbfolge ausschließen. Das nichteheliche Kind verliert dann seinen gesetzlichen Erbteil oder seinen Erbersatzanspruch, erhält stattdessen aber grundsätzlich den Pflichtteil (§§ 2303, 2338 a BGB). Es kann dieses Pflichtteils unter den Voraussetzungen des § 2333 BGB aber auch verlustig gehen. Das steht zwar nicht - wie die Revision meint - ausdrücklich in § 1934 b Abs. 2 BGB, wird durch diese Vorschrift aber auch nicht ausgeschlossen, wie das Berufungsgericht annimmt. Entsprechendes gilt auch für den Anspruch aus § 1934 d BGB.

Der Anspruch auf vorzeitigen Erbausgleich setzt, wie die Wortwahl und der Zusammenhang mit § 1934 e BGB zeigen, voraus, daß das nichteheliche Kind ein "Erbe" von seinem Vater zu erwarten hat; er gibt dem Kind ein Recht darauf, dieses Erbe vor der Zeit, d.h. bereits vor dem Erbfall, ausgleichen zu lassen. Sofern und solange dem Kind aber jegliche Aussicht auf eine "Beteiligung" an dem Nachlaß fehlt, ist kein Raum für einen vorzeitigen Ausgleich eines zu erwartenden "Erbes". Der Senat trägt danach keine Bedenken, § 2333 BGB hier in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht und der ganz herrschenden Lehre zumindest analog anzuwenden (Johannes, WM 1970, Beilage 3 S. 12; Palandt/Keidel, BGB 37. Aufl. § 1934 d Anm. 7; Erman/Bartholomeyczik, BGB 6. Aufl. § 1934 d Rdn. 26; Soergel/Siebert, BGB 10. Aufl. Rdn. 21; Bosch in FamRZ 1972, 169 ff.; Odersky, NEhelG 4. Aufl. S. 501 Anm. IV 4 zu § 1934 d; a. A.: Körting, NJW 1970, 1526 und 1971, 22).

Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (RGRK-Kregel, § 1934 d Rdn. 5) bedarf es zur Abwehr des Anspruchs aus § 1934 d BGB in den Fällen des § 2333 BGB keiner ausdrücklichen Pflichtteilsentziehung in den Formen des § 2336 BGB. Würde man eine wirksame letztwillige Verfügung fordern, so wäre der Vater, der etwa sein notarielles Testament in besondere amtliche Verwahrung gegeben hat, gegebenenfalls genötigt, das Testament zum Nachweis der Pflichtteilsentziehung zurückzufordern und damit zugleich wirkungslos zu machen (§ 2256 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Einhaltung der Form einer letztwilligen Verfügung ist auch entbehrlich, weil der Vater noch lebt und weil es daher gerade nicht auf seinen letzten, sondern nur auf seinen "derzeitigen" Willen ankommen kann. Der "derzeitige" Wille kann aber Jederzeit, solange der Erblasser testierfähig ist, geäußert und auch geändert werden, ohne daß es der vornehmlich Beweiszwecken dienenden strengen Formen einer Verfügung von Todes wegen bedarf. Überdies wäre ein Bestehen auf diesen Formen auch deshalb nicht sinnvoll, weil der Erblasser die Pflichtteilsentziehung Jederzeit - auch nach Abwehr des vorzeitigen Erbausgleichs - wieder rückgängig machen könnte.

Ausreichend zur Abwehr des vorzeitigen Erbausgleichs ist vielmehr, wenn der Vater dem Ausgleich im Wege der Einrede (Staudinger/Werner, BGB 12. Aufl. § 1934 d Rdn. 11; Soergel/Schippel, BGB § 1934 d Rdn. 21; Odersky, NEG, 4. Aufl. § 1934 d Anm. IV 4 m.w.N.) entgegenhält, dem nichtehelichen Kind den Pflichtteil entziehen zu können. Das ist freilich nur möglich, wenn die Voraussetzungen der Pflichtteilsentziehung noch vorliegen. Maßgebender Zeitpunkt für das Vorlegen dieser Voraussetzungen ist - falls eine förmliche Pflichtteilsentziehung nicht ausgesprochen ist - die letzte mündliche Verhandlung.

Auch insoweit ist dem Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu folgen.

Gleichwohl kann die angefochtene Entscheidung nicht bei Bestand bleiben.

Voraussetzung für eine Entziehung des Pflichtteils gemäß § 2333 Nr. 5 BGB ist, daß der Abkömmling einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel wider den Willen des Erblassers führt. Hierzu fehlt es teilweise an den erforderlichen Feststellungen.

Zutreffend wertet das Berufungsgericht das Verhalten des Klägers, nämlich den Mord, den er begangen hat, und auch sein Eindringen in die Ehe des Opfers als ehrlos im Sinne von § 2333 Nr. 5 BGB. Es beurteilt dieses Gesamtverhalten als ehrlosen Lebenswandel im Sinne dieser Vorschrift, wicht geprüft hat das Oberlandesgericht aber, ob der Kläger durch sein verhalten in den Interessenkreis des Beklagten eingegriffen hat.

Der ehrlose und der unsittliche Lebenswandel des Abkömmlings besitzen nicht den gleichen Angriffscharakter gegen den Erblasser wie die übrigen Gründe, die diesen zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen (Lange/Kuchinke, Erbrecht, 2. Aufl. 1978 § 39 XII 2 a). Gleichwohl setzt auch § 2333 Nr. 5 BGB ein handeln gegen die Interessen des Erblassers voraus. Schutzgut ist insoweit, wie die Motive deutlich zeigen (Protokolle S. 7573 ff.), die Familienehre (vgl. RGRK-Kregel, § 2333 ZPO Rdn. 11). Der Zweck des Pflichtteilsentziehungsrechtes beschränkt sich hier nicht, wie das Berufungsgericht annimmt, auf eine Bestrafung des Abkömmlings wegen seines Verhaltens, sondern die gesetzliche Regelung zielt, wie aus § 2336 Abs. 2 und 4 BGB folgt, in mindestens gleichem Maße auch darauf ab, auf das Verhalten des Abkömmlings noch Einfluß zu nehmen und ihn zur "Umkehr" zu bewegen. Der nichteheliche Abkömmling, der heute in diese Regelung einbezogen ist, ist in vielen Fällen nicht im gleichen Maße in die Familie seines Vaters eingegliedert wie das eheliche Kind. Entsprechend geringer ist der Einfluß des Verhaltens des nichtehelichen Kindes auf diejenigen Interessen seines Vaters, die als Familienehre umschrieben worden sind. Umsomehr bedarf es hierzu tatsächlichen Parteivortrages und entsprechender tatrichterlicher Feststellungen, um ein Pflichtteilsentziehungsrecht annehmen zu können. Keinesfalls wäre eine Pflichtteilsentziehung möglich, wenn keinerlei Beziehungen zwischen den Parteien bestanden haben sollten und eine Beeinträchtigung der Familienehre durch das Verhalten des Klägers schon deshalb nicht in Betracht gekommen sein sollte.

Demnach ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Knüfer

Dehner

Blumenröhr

Dr. Schmidt-Kessel

 

Fundstellen

BGHZ, 109

NJW 1980, 936

JR 1980, 378

JZ 1980, 320

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