Leitsatz (amtlich)
Der Auskunftsanspruch nach § 19 MarkenG kann, soweit der zur Auskunft Verpflichtete seinen Lieferanten anhand seiner Unterlagen nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen kann, im Einzelfall auch eine Pflicht begründen, diese Zweifel durch Nachfrage bei den in Betracht kommenden Lieferanten aufzuklären. Dagegen ist der Auskunftsschuldner nicht gehalten, Nachforschungen bei seinen Lieferanten vorzunehmen, um unbekannte Vorlieferanten und den Hersteller erst zu ermitteln.
Normenkette
MarkenG § 19 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Dezember 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der im Berufungsrechtszug gestellte Klageantrag zu b) abgewiesen worden ist.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Februar 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird weiter verurteilt, zu dem unter I 1 abgebildeten Ring die Auftragsbestätigung, die Rechnung und den Lieferschein im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihrer Lieferantin vorzulegen.
3. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.
4. Das Versäumnisurteil zu 2 und der Kostenausspruch sind vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Inhaberin der nachfolgend abgebildeten international registrierten Bildmarke Nr. 437 262, die am 30. März 1978 u.a. für „objets en métaux précieux” und „joaillerie” eingetragen worden ist:
Die Beklagte befaßt sich mit dem Import und Export u.a. von Schmuck. Sie kaufte von der in Istanbul ansässigen Firma K. einen Ring, den sie an ein Auktionshaus weitergab, bei dem ein Testkäufer der Klägerin den Ring erwarb.
Die Klägerin hat in dem Vertrieb des nicht aus ihrer Herstellung stammenden Rings eine Verletzung ihres Markenrechts gesehen und deshalb u.a. Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung geltend gemacht.
Die Beklagte ist dem Auskunftsbegehren der Klägerin entgegengetreten. Sie hat die Lieferantin des Rings angegeben und geltend gemacht, der Hersteller und andere Vorbesitzer des Rings seien ihr nicht bekannt. Zur Vorlage von Belegen sei sie nicht verpflichtet.
Das Landgericht hat die Beklagte – soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung – verurteilt, der Klägerin über den Einkaufs- und Verkaufspreis sowie weitere Gestehungs- und Vertriebskosten, aufgeschlüsselt nach einzelnen Kostenfaktoren, betreffend den streitgegenständlichen Ring Auskunft zu erteilen. Einen weitergehenden, auf Ermittlung des Herstellers oder der Vorbesitzer gerichteten Auskunftsanspruch und einen Anspruch auf Vorlage von Belegen hat es verneint.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und beantragt,
die Beklagte bezüglich des im landgerichtlichen Urteil abgebildeten Rings zu verurteilen,
Auskunft über den Hersteller und sonstige Vorbesitzer (vor der Firma K. ) zu erteilen
und/oder
- die Auftragsbestätigung, die Rechnung und den Lieferschein im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihrem Lieferanten vorzulegen.
Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.
Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihre im Berufungsrechtszug gestellten Anträge weiter. Die Beklagte war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat teilweise Erfolg. Über den Antrag zu b) ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 331, 557 ZPO a.F.).
I. Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, daß die von der Klägerin in der Berufungsinstanz weiterverfolgten Klageansprüche auf Auskunftserteilung und Belegvorlage unbegründet seien. Die Beklagte habe der Klägerin die in diesem Zusammenhang erforderliche Auskunft erteilt. Sie habe den Lieferanten des Rings benannt und erklärt, den Hersteller und weitere Vorbesitzer nicht zu kennen. Nach diesen Personen zu forschen, sei die Beklagte nicht verpflichtet.
Der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf Vorlage der Belege zu. Die Auskunftspflicht nach § 19 MarkenG und § 242 BGB umfasse eine Belegvorlage nicht. Eine extensive Auslegung des § 19 MarkenG sei nicht geboten. Der Auskunftsanspruch nach dieser Vorschrift diene nicht dazu, dem Rechtsinhaber das Material für Folgeprozesse in allen Einzelheiten zu beschaffen. Aus § 242 BGB sei ebenfalls keine Pflicht zur Vorlage von Belegen abzuleiten. Dieser Auskunftsanspruch sei unselbständig und solle nur die Berechnung von Ersatzansprüchen ermöglichen. Hierzu reiche die Kenntnis der wirtschaftlichen Eckdaten aus.
II. 1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht den Auskunftsanspruch nach dem im Berufungsverfahren gestellten Klageantrag zu a) verneint hat. Die Beklagte hat das Auskunftsbegehren der Klägerin nach § 14 Abs. 2 Nr. 1, § 19 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG durch die Angabe ihres Lieferanten und dessen Anschrift sowie die Erklärung erfüllt, andere Vorbesitzer und der Hersteller des Rings seien ihr nicht bekannt. Anhaltspunkte dafür, daß diese Auskunft unglaubhaft oder unvollständig ist, bestehen im Streitfall nicht. Zu der mit dem Klageantrag zu a) begehrten Auskunft wäre die Beklagte daher nur verpflichtet, wenn sie – wie die Revision geltend macht – Nachforschungen nach (etwaigen) weiteren Vorbesitzern und dem Hersteller des Rings durch Rückfrage bei ihrer Lieferantin anstellen müßte. Eine entsprechende Verpflichtung hat das Berufungsgericht zu Recht verneint.
Die Auskunft nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG ist ebenso wie die nach § 242 BGB eine Wissenserklärung, die gegebenenfalls auch durch die negative Erklärung, den Hersteller und weitere Vorbesitzer nicht zu kennen, erfüllt werden kann (vgl. BGHZ 125, 322, 326 – Cartier-Armreif; 148, 26, 36 – Entfernung der Herstellungsnummer II). Die Auskunftspflicht beschränkt sich allerdings nicht auf das präsente Wissen des Verpflichteten. Vielmehr ist dieser gehalten, seine Geschäftsunterlagen durchzusehen und alle ihm zugänglichen Informationen aus seinem Unternehmensbereich zur Erteilung einer vollständigen Auskunft heranzuziehen (vgl. BGHZ 128, 220, 227 – Kleiderbügel; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 19 Rdn. 16; Cremer, Mitt. 1992, 153, 157; Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl., § 14a Rdn. 29). Der Auskunftsanspruch nach § 19 MarkenG kann, soweit der zur Auskunft Verpflichtete seinen Lieferanten anhand seiner Unterlagen nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen kann, im Einzelfall auch eine Pflicht begründen, diese Zweifel durch Nachfrage bei den in Betracht kommenden Lieferanten aufzuklären (vgl. hierzu OLG Köln GRUR 1999, 337, 339). Dagegen umfaßt der Auskunftsanspruch grundsätzlich nicht die Verpflichtung des Auskunftsschuldners, Nachforschungen bei Dritten vorzunehmen, um unbekannte Vorlieferanten und den Hersteller erst zu ermitteln (vgl. auch BGHZ 125, 322, 326 – Cartier-Armreif). Eine solche Ermittlungspflicht wäre mit der Rechtsnatur der Auskunft als Wissenserklärung und dem Erfordernis, die Drittauskunft nach § 19 MarkenG unverzüglich zu erteilen, nicht zu vereinbaren.
2. Der Klägerin steht entgegen der Annahme des Berufungsgerichts der mit dem Klageantrag zu b) verfolgte Anspruch auf Vorlage der Auftragsbestätigung, der Rechnung und des Lieferscheins aus der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und ihrer Lieferantin zu. Der Bundesgerichtshof hat in der nach dem Berufungsurteil ergangenen Entscheidung „Entfernung der Herstellungsnummer III” eine Verpflichtung zur Vorlage von Belegen im Rahmen des Anspruchs auf Drittauskunft im allgemeinen als gegeben erachtet (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2002 – I ZR 140/99, GRUR 2002, 709, 712 = WRP 2002, 947). Maßgeblich hierfür ist, daß der Auskunftsschuldner nach § 19 Abs. 2 MarkenG verpflichtet ist, die Namen der Lieferanten und gewerblichen Abnehmer zu offenbaren, und daß das sonst einer Vorlage von Belegen entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse hinter einer wirksamen Bekämpfung von Schutzrechtsverletzungen zurückstehen muß. Zudem erhält der Gläubiger erst durch die Vorlage der Belege die Möglichkeit, die Verläßlichkeit der Auskunft zu überprüfen und sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob ein Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung besteht. Besonderheiten, die im Streitfall einem Anspruch der Klägerin auf Belegvorlage entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Soweit die Belege Daten enthalten, auf die sich die geschuldete Auskunft nicht bezieht und hinsichtlich deren ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, ist dem dadurch Rechnung zu tragen, daß Kopien vorgelegt werden, bei denen die entsprechenden Daten abgedeckt oder geschwärzt sind.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Ullmann, Starck, Bornkamm, Büscher, Schaffert
Fundstellen
Haufe-Index 915187 |
BGHR 2003, 619 |
BGHR |
NJW-RR 2003, 910 |
EWiR 2003, 881 |
GRUR 2003, 433 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2003, 945 |
WRP 2003, 653 |
MarkenR 2003, 154 |
Mitt. 2003, 216 |