Leitsatz (amtlich)
Freiwillige Leistungen des Unternehmers für die Altersversorgung des Handelsvertreters sind mangels entsprechender Vereinbarung jedenfalls dann nicht auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen, wenn der Versorgungsanspruch erst 21 Jahre nach dem Ende des Handelsvertreterverhältnisses fällig wird (Fortentwicklung von BGHZ 45, 268 und 55, 45, 58).
Normenkette
HGB § 89b Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 12.02.1993) |
LG Wuppertal |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Februar 1993 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin war seit 1980 für die Beklagte als Handelsvertreterin für Haushalts-Raumpflegegeräte tätig. Mit Schreiben vom 29. August 1988 kündigte die damals 39-jährige Klägerin den zuletzt am 11. April 1988 neu gefaßten Handelsvertretervertrag aus gesundheitlichen Gründen zum 31. Dezember 1988. Während der Laufzeit des Vertrages zahlte die Beklagte der Klägerin aufgrund einer Vereinbarung über freiwillige Zuschüsse zur Alterssicherung 12.871,60 DM, einen Teil der von der Klägerin aufgewendeten Beiträge zu einer bei Vollendung des 60. Lebensjahres fällig werdenden Kapital-Lebensversicherung.
Mit der Klage machte die Klägerin einen auf § 89 b HGB gestützten Ausgleichsanspruch in Höhe von 46.302,43 DM zzgl. 5 % Zinsen hieraus seit 1. Januar 1989 geltend, den das Landgericht in Höhe von 7.540,87 DM zzgl. der beantragten Zinsen für begründet erachtete. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen verurteilt, an die Klägerin 3.725 DM nebst 5 % Zinsen hieraus seit 1. Januar 1989 zu zahlen. Es hat dabei von der Anrechnung der von der Beklagten erstatteten Zuschüsse zur Alterssicherung der Klägerin abgesehen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Bereits das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens) die Überzeugung gewonnen, daß die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, die Tätigkeit einer Handelsvertreterin für die Beklagte auszuüben. Dem ist die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr entgegengetreten.
Das Berufungsgericht hat den demnach gemäß § 89 b Abs. 3 Satz 1 HGB durch die Eigenkündigung nicht ausgeschlossenen Ausgleichsanspruch der Klägerin mit 3.725 DM errechnet. Es hat dabei diejenigen Provisionen der Klägerin aus dem letzten Vertragsjahr als Bemessungsgrundlage herangezogen, die aus Umsätzen mit Stammkunden der Beklagten erzielt wurden. Diese sog. „Sockelprovision” von 2.790,55 DM hat das Berufungsgericht, da es sich bei den Produkten der Klägerin (im wesentlichen Staubsauger) um langlebige Wirtschaftsgüter handelt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25. Oktober 1984 – I ZR 104/82 = NJW 1985, 859), auf fünf Jahre hochgerechnet, hierbei eine Abwanderungsquote der Stammkunden von 38 % pro Jahr angenommen und den sich daraus ergebenden Betrag von 4.135,87 DM mit 10 % abgezinst. Dies hält sich im Rahmen vertretbarer tatrichterlicher Würdigung und wird auch von der Revision hingenommen.
II. 1. Das Berufungsgericht lehnt eine Anrechnung der von der Beklagten erbrachten freiwilligen Zuschüsse zu der Kapital-Lebensversicherung der Klägerin ab. Zwar sei, so das Berufungsgericht, in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, daß eine von dem Unternehmer finanzierte Altersversorgung des Handelsvertreters sich auf dessen Ausgleichsanspruch auswirken könne. Dies leuchte aber, da mit dem Ausgleichsanspruch insgesamt eine Vorteilsausgleichung bezweckt werde, nur unter der Voraussetzung ein, daß die Altersversorgung infolge der Beendigung des Handelsvertretervertrages fällig werde. Dies sei im allgemeinen nur dann der Fall, wenn die Beendigung des Handelsvertretervertrages mit dem Erreichen der Altersgrenze und dem Ausscheiden des Handelsvertreters aus dem Berufsleben zusammenfalle. Soweit der Bundesgerichtshof eine Anrechnung auch für einen Sachverhalt bejaht habe, in dem zwischen Ende des Handelsvertretervertrages und Fälligkeit des Versorgungsanspruchs 24 Jahre lagen, könne dem aus grundsätzlichen Erwägungen nicht gefolgt werden. Bei einer derart langen Zeitspanne könne von einem unbilligen „doppelten Vorteil” des Handelsvertreters in Gestalt eines Ausgleichsanspruchs und einer von dem Unternehmer (mit-)finanzierten Altersversorgung nicht mehr gesprochen werden. Die Ersatzfunktion der Altersversorgung für einen entsprechend zu kürzenden oder ganz entfallenden Ausgleichsanspruch sei dann nicht mehr gegeben. Auch der – wie hier – durch die Aufwendungen des Unternehmers bereits vorzeitig höhere Rückkaufswert einer Lebensversicherung rechtfertige keine andere Beurteilung, denn Zweck einer Alterssicherung sei nicht deren vorzeitige Kapitalisierung, sondern die Sicherung einer ausreichenden Lebensgrundlage im Alter. Auch daß der Handelsvertreter nach Ende des Handelsvertretervertrages selbst geringere Aufwendungen tätigen müsse, um eine gleich hohe Altersversorgung zu erreichen, könne nicht entscheidend ins Gewicht fallen, da die Anrechenbarkeit der Altersversorgung sich grundsätzlich nicht nach den Aufwendungen, sondern lediglich nach der durch die Aufwendungen bewirkten Verbesserung der Altersversorgung richten könne.
2. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß nach der Rechtsprechung des I. und VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs eine vom Unternehmer finanzierte Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch angerechnet werden kann, wenn und soweit die ungekürzte Zuerkennung des Ausgleichsanspruchs im Hinblick auf § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unbillig wäre (BGHZ 45, 268; 55, 45, 58). Dies ist mit der „funktionellen Verwandtschaft” zwischen Ausgleichsanspruch und Altersversorgung sowie damit begründet worden, daß die Altersversorgung den „praktischen Zweck” einer Ausgleichszahlung übernehme (BGHZ 45, 268, 272 f). Hiervon kann jedenfalls dann nicht die Rede sein, wenn – wie hier – die Lebensversicherung erst 21 Jahre nach Ende des Handelsvertretervertrages fällig wird.
Die Erwägungen des Berufungsgerichts stehen auch nicht In Widerspruch zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. November 1983 (I ZR 139/81 = WM 1984, 212). Zwar hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung ausgesprochen, daß eine Anrechnung auch dann in Betracht kommen kann, wenn zwischen Ende des Handelsvertretervertrages und Fälligkeit des Versorgungsanspruchs mehr als 20 Jahre liegen. Der damalige Fall ist jedoch in einem wesentlichen Punkt nicht mit dem hier zu entscheidenden Sachverhalt vergleichbar. Zwischen den damaligen Parteien bestand eine vertragliche Vereinbarung, daß vom Unternehmer finanzierte Versorgungsleistungen auf einen etwaigen Ausgleichsanspruch angerechnet werden (BGH a.a.O., S. 213 unter 2). Dem Handelsvertreter stand es frei, das Angebot des Unternehmers auf eine von diesem finanzierte, möglicherweise erst Jahre nach Ende des Handelsvertretervertrages fällig werdende Rente anzunehmen und damit eine Kürzung seines Ausgleichsanspruchs bewußt in Kauf zu nehmen. Daran fehlt es hier.
Unterschriften
Dr. Zülch, Dr. Paulusch, Groß, Dr. Hübsch, Wiechers
Fundstellen
BB 1994, 1590 |
BB 1994, 594 |
NJW 1994, 1350 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1994, 454 |