Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bestellung des Geschäftsführers genügt ein mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßter Gesellschafterbeschluß auch dann, wenn die GmbH noch nicht im Handelsregister eingetragen ist.
2. Die Nichtigkeit eintragungspflichtiger Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH kann in entsprechender Anwendung des AktG § 242 Abs 2 S 1 nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Eintragung ins Handelsregister drei Jahre verstrichen sind (Abweichung BGH, 1953-12-16, II ZR 167/62, BGHZ, 11, 231).
Tatbestand
Die Parteien sind zu gleichen Teilen die Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft P.-Zement S. & Söhne und jeder allein zur Vertretung und Geschäftsführung berechtigt. Der Kläger hält sich vorwiegend in Brasilien auf und hat deshalb dem Beklagten, der die Geschäftsführung allein ausübt, ab 15. Juni 1964 eine Generalvollmacht erteilt.
Nachdem es infolge Arbeitskämpfen zu einer zeitweisen Betriebsstillegung gekommen war, gründete der Beklagte eine Kommanditgesellschaft, deren persönlich haftender Gesellschafter zunächst er und später statt seiner eine am 28. August 1975 gegründete GmbH wurde. Beide Gesellschaftsverträge hatte der Beklagte im eigenen Namen und aufgrund der Generalvollmacht zugleich im Namen des Klägers geschlossen. In gleicher Weise faßte er in Verbindung mit der Beurkundung des GmbH-Vertrages einen Gesellschafterbeschluß, durch den er sich zum einzigen Geschäftsführer der GmbH bestellte. Die Kommanditgesellschaft übernahm anstelle der offenen Handelsgesellschaft die Herstellung und den Vertrieb von Zement, die offene Handelsgesellschaft blieb Besitzgesellschaft. Der Kläger billigt die Gründung der Gesellschaften. Er hat auch zunächst die Bestellung des Beklagten zum Geschäftsführer der GmbH gebilligt, jedoch im zweiten Rechtszuge den Standpunkt vertreten, daß sie unwirksam sei, und deshalb hilfsweise eine dahingehende Feststellung beantragt. Mit dem Hauptantrage begehrt er die Verurteilung des Beklagten, in seine, des Klägers, Bestellung zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH einzuwilligen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Abweisung bestätigt, aber aufgrund des Hilfsantrages festgestellt, daß die Bestellung des Beklagten unwirksam ist. Mit der Revision verfolgt der Beklagte den Antrag auf Klageabweisung, mit der Anschlußrevision der Kläger seinen Hauptantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Anschlußrevision (I.) ist unbegründet, die Revision (II.) hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat eine Verurteilung des Beklagten nach dem Hauptantrage, in die Bestellung des Klägers zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer einzuwilligen, im Ergebnis zutreffend abgelehnt. Zwar sind die Parteien an der offenen Handelsgesellschaft, aus der die beiden neuen Gesellschaften hervorgegangen sind, mit gleichen Rechten und Pflichten beteiligt. Das spricht dafür, daß der Beklagte, als er in Ausnutzung seiner Generalvollmacht die beiden Gesellschaften aus der offenen Handelsgesellschaft ausgliederte, grundsätzlich darauf bedacht sein mußte, die bis dahin bestehende Parität auch in diesen Gesellschaften aufrechtzuerhalten. Ein daraus abzuleitendes Recht des Klägers, auch in der GmbH gleichberechtigt mit dem Beklagten zum Geschäftsführer bestellt zu werden, setzt aber voraus, daß er bereit und imstande ist, diese Rechtsstellung im Interesse der Gesellschaften auch wirklich auszuüben und die auf ihr beruhenden Pflichten zu erfüllen. Das ist unstreitig nicht der Fall. So ist der Kläger zwar geschäftsführender Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft. Tatsächlich hat er jedoch deren Geschäfte nicht geführt und beabsichtigt dies auch in Zukunft nicht. Er hält sich überwiegend in Brasilien auf und leitet dort eigene Unternehmen. Soweit der Beklagte bei der Führung des Unternehmens die Zustimmung des Klägers benötigt, macht er von der ihm am 15. Juni 1964 erteilten Generalvollmacht Gebrauch. Unter diesen Umständen hätte eine Bestellung des Klägers zum Mitgeschäftsführer in der GmbH keine sachliche Grundlage. Auf eine nur formale, tatsächlich durch den Beklagten mit wahrzunehmende Organstellung hat der Kläger aber keinen Anspruch, da die vertragliche Gleichbehandlung der beiden Gesellschafter Rechte und Pflichten umfaßt. Sie widerspräche auch dem gesetzlichen Bild des Geschäftsführers einer GmbH, der nicht allein der Gesellschaft gegenüber gehalten ist, deren Angelegenheiten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu besorgen (§ 43 Abs 1 GmbHG), sondern zugleich öffentliche, vor allem der Sicherung des Stammkapitals dienende Pflichten hat, auf deren Erfüllung Gesellschaft oder Gesellschafter nicht verzichten können (vgl zB §§ 7ff, 30ff, 41, § 43 Abs 3, § 49 Abs 3, §§ 64, 78ff GmbHG nF).
Die Geschäftsführungsbefugnis, die der Kläger in der offenen Handelsgesellschaft lange Jahre nur noch der Form nach innegehalten hat, bildet daher auch unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treuepflicht keinen ausreichenden Grund mehr für das Verlangen des Klägers, ihm in der GmbH ebenfalls Vertretungsmacht einzuräumen, solange er nicht willens und von Brasilien aus auch kaum in der Lage ist, die Pflichten und die Verantwortung eines Geschäftsführers tatsächlich mit zu übernehmen.
II. Der Hilfsantrag des Klägers ist ebenfalls unbegründet. Das Berufungsgericht hat dem Antrage, die Unwirksamkeit der Bestellung festzustellen, mit der Begründung stattgegeben, die bei der Beschlußfassung vom Beklagten im Namen des Klägers abgegebene Stimme sei unwirksam gewesen, weil die Generalvollmacht den Beklagten nicht legitimiert habe, die bis dahin bestehende Gleichberechtigung der Parteien als Gesellschafter zu beseitigen. Gegen diese Feststellung wendet sich die Revision mit Recht.
Der Geschäftsführer einer GmbH wird gemäß § 6 Abs 2 Satz 2 GmbHG entweder im Gesellschaftsvertrage oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts des Gesetzes, also der §§ 46 Nr 5, 47ff GmbHG, bestimmt. Der Beklagte hat den zweiten Weg beschritten; er hat die Gesellschafterversammlung beschließen lassen. Inwieweit Beschlüsse, die vor Eintragung der GmbH ins Handelsregister ergehen und nicht die Znderung des Gesellschaftsvertrages betreffen (zu diesem Fall vgl BGHZ 21, 242, 246), mehrheitlich gefaßt werden können, ist umstritten. Für die Bestellung von Geschäftsführern, um die es hier allein geht, ist die Frage dahin zu beantworten, daß ein Mehrheitsbeschluß genügt (ebenso Hachenburg/Ulmer, 7. Aufl, § 11 Anm 39; Scholz/Winter, GmbHG 6. Aufl § 11 Anm 14; Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S 343; Bayer, JZ 1952, 551, 553). Das folgt zwar nicht schon aus § 6 Abs 3 Satz 2 GmbHG nF (= § 6 Abs 2 Satz 2 aF), da die dort ausgesprochene Verweisung auf die Vorschriften des dritten Abschnitts nichts darüber besagen, inwieweit sie und insbesondere der Mehrheitsgrundsatz des § 47 Abs 1 GmbHG bereits im Gründungsstadium gelten. Es ergibt sich aber daraus, daß die Gründungsgesellschaft als notwendige Vorstufe zur juristischen Person dem Recht der eingetragenen GmbH schon insoweit untersteht, als es mit ihrem besonderen Zweck vereinbar ist und nicht die Rechtsfähigkeit voraussetzt (BGHZ 51, 30, 32; 21, 242, 246). Darunter fällt auch § 46 Nr 5 iVm § 47 Abs 1 GmbHG. Denn schon vor Eintragung der Gesellschaft muß zwingend mindestens ein Geschäftsführer vorhanden sein, weil nur er die Eintragung herbeiführen kann (§§ 7, 78 GmbHG). Seine Bestellung gehört daher, sofern sie nicht mit einer vorzeitigen Erweiterung der Vertretungsmacht über das nach Gesetz und Satzung gebotene Maß hinaus verbunden ist (vgl dazu Urt d Sen v 9.3.81 – II ZR 54/80, zur Veröffentl vorgesehen), zu den Maßnahmen, die durch den Zweck der Vorgesellschaft bedingt sind und sich in dem durch ihn bestimmten Rahmen halten. Solche Maßnahmen schon dem Mehrheitsprinzip des § 47 Abs 1 GmbHG zu unterwerfen, erscheint nicht nur unbedenklich, da Gefahren für Gesellschafter, Gläubiger oder die Allgemeinheit hiervon nicht zu befürchten sind, sondern auch allein sachgerecht. Denn es ermöglicht einen zügigen Fortgang der Gesellschaftsgründung und erspart den Gesellschaftern den umständlichen Weg einer Ergänzung des Gesellschaftsvertrags in der Form des § 2 GmbHG, wie er im Schrifttum zum Teil für notwendig gehalten wird, falls die Bestellung, wie hier, nicht von vornherein im Gesellschaftsvertrag enthalten ist (so aber Scholz/Fischer, GmbHG, 8. Aufl, § 6 Anm 3, § 47 Anm 2).
Auch das Berufungsgericht bejaht offensichtlich die Zulässigkeit einer Mehrheitsentscheidung; nur hat es eine solche zu Unrecht vermißt, als es – ausgehend von der Überlegung, der Beklagte habe für sich 100 gültige und für den Kläger 100 ungültige Stimmen abgegeben – keine Mehrheit festzustellen vermochte. Wenn § 47 Abs 1 GmbHG von der Mehrheit der abgegebenen Stimmen spricht, so ist damit selbstverständlich die Mehrheit der gültigen Stimmen gemeint (BGHZ 76, 154). Unterstellt man die Ansicht des Berufungsgerichts als richtig, daß die für den Kläger abgegebenen Stimmen ungültig waren, so hat der Beklagte sich allein mit seinen eigenen Stimmen wirksam zum Geschäftsführer bestellt.
Ob außerdem Nichtigkeitsgründe – etwa wegen fehlender Ladung des Klägers – vorlagen, kann dahingestellt bleiben. Nach Ablauf von drei Jahren seit Eintragung des Beschlusses ins Handelsregister kann der Kläger in entsprechender Anwendung des § 242 Abs 2 Satz 1 AktG die Nichtigkeit nicht mehr geltend machen. Der Senat hat zwar bisher die starre aktienrechtliche Dreijahresfrist nicht ohne weiteres ins GmbH-Recht übernommen, vielmehr eine Klageerhebung in angemessener Frist genügen lassen (vgl BGHZ 11, 231, 239ff) und eine kürzere Frist als drei Jahre von vornherein ausgeschlossen (vgl Urt v 19.1.78 – II ZR 133/77, WM 1978, 551, 552). Er hält nunmehr aber auch bei der GmbH die Wahrung einer festen Frist aus Gründen der Rechtssicherheit für geboten. Gerade bei den eintragungspflichtigen Beschlüssen, um die es in diesem Zusammenhang allein geht, muß von einem bestimmten Zeitpunkt ab feststehen, ob sie mit der Nichtigkeitsklage noch angegriffen werden können oder nunmehr – wenn auch nicht im Verhältnis zum Registergericht, so doch im übrigen – als geheilt anzusehen sind. Eine dahingehende Feststellung läßt sich nur nach objektiven Kriterien, dem Zeitpunkt der Eintragung ins Handelsregister und dem Ausbleiben einer Nichtigkeitsklage vor Ablauf der Dreijahresfrist, treffen. Liefe für jeden Gesellschafter eine durch dessen persönliche und damit nur ihm bekannten Verhältnisse bestimmte angemessene Frist, wäre immer offen, ob nicht in der Person eines Gesellschafters besondere Umstände vorliegen, die diesem die Erhebung der Nichtigkeitsklage noch erlauben. Damit bliebe aber die Heilung des Beschlusses in der Schwebe, was aus Gründen der Rechtssicherheit um so weniger zu vertreten ist, als sich auf einen Nichtigkeitsgrund bis zur Heilung jedermann berufen kann.
Die feste Begrenzung auf eine Frist, die mit drei Jahren allgemein zumutbar ist, liegt nicht nur im Interesse der bisherigen und künftigen Gesellschafter; je nach den Umständen, beispielsweise bei einer Kapitalerhöhung, sind auch die Gläubiger daran interessiert, ab einem bestimmten Zeitpunkt von der Gültigkeit eines Beschlusses ausgehen zu können (vgl Hueck, Festschr f Molitor, S 401). Demgegenüber tritt, worauf der Senat bisher abgestellt hat, die Erwägung in ihrer Bedeutung zurück, daß bei einer GmbH mit einem kleinen, leicht überschaubaren Kreis von Gesellschaftern die Breitenwirkung von Gesellschafterbeschlüssen regelmäßig geringer und das Gewicht individueller Interessen entsprechend größer ist als bei einer Aktiengesellschaft und die vielfach engeren persönlichen Beziehungen der Gesellschafter zueinander auch die Neigung verstärken, die Nichtigkeitsklage erst zu erheben, wenn alle Möglichkeiten einer gütlichen Einigung ausgeschöpft sind. Solche Umstände mögen – worüber hier nicht zu entscheiden ist – für die Anfechtung von Beschlüssen eine Rolle spielen, bei deren zeitlicher Begrenzung, anders als bei der Heilung nichtiger Beschlüsse, der Rechtsverlust für den einzelnen Anfechtungsberechtigten im Vordergrund steht und eine strikte Anwendung der mit einem Monat sehr kurz bemessenen aktienrechtlichen Anfechtungsfrist den besonderen Gegebenheiten in einer GmbH vielleicht nicht immer gerecht würde. Für die Frage einer Übernahme der weit längeren Frist des § 242 Abs 2 AktG haben sie keine entscheidende Bedeutung. Denn auch in der persönlich geprägten GmbH wird ein Gesellschafter in aller Regel innerhalb von drei Jahren in der Lage sein, etwaige Verständigungsmöglichkeiten zu nutzen und, wenn sie nicht mehr gegeben sind, seine Rechte noch beizeiten im Wege einer Nichtigkeitsklage zu wahren. Hier muß das im Einzelfall vielleicht einmal vorhandene Interesse eines Gesellschafters, die Nichtigkeit noch nach Ablauf von drei Jahren geltend machen zu können, gegenüber dem Gebot der Rechtssicherheit zurücktreten (Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG 6. Aufl § 45 Anm 67, 89).
Die GmbH ist spätestens am 2. Januar 1976 ins Handelsregister eingetragen worden. Eine Nichtigkeitsklage hat der Kläger nicht erhoben. Den Feststellungsantrag hat er in diesen Prozeß erstmals am 11. Juni 1979 eingeführt, so daß die Dreijahresfrist in jedem Falle verstrichen ist.
Fundstellen
BGHZ, 212 |
NJW 1981, 2125 |
DNotZ 1982, 171 |