Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 16. März 1999 dahin abgeändert, daß er wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schweren Bandendiebstahls in vier Fällen, gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in drei Fällen, Unterschlagung in vier Fällen und Betruges in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat zur Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt wird. Die angeordnete Maßregel bleibt bestehen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen, gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in drei Fällen, Unterschlagung in vier Fällen sowie Betruges in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat zu einer Jugendstrafe von drei Jahren sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Außerdem hat es eine Maßregel nach den §§ 69, 69 a StGB angeordnet.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er lediglich den Strafausspruch bezüglich der Jugendstrafe angreift. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
1. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist nur insoweit wirksam, als der Schuldspruch nicht angefochten ist.
a) Im Jugendstrafverfahren ist bei der Aburteilung mehrerer selbständiger Straftaten zwar eine beschränkte Anfechtung des Schuldspruchs möglich (vgl. BGH GA 1953, 83, 84 f.; NStZ 1992, 589; Brunner/Dölling JGG 10. Aufl. § 55 Rdn. 6 f.; s. auch § 56 Abs. 1 Satz 1 JGG); jedoch wird von der – auch nur teilweisen – Anfechtung des Schuldspruchs oder des Strafausspruchs regelmäßig der gesamte Strafausspruch erfaßt. Dies gilt jedenfalls bei der Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe (vgl. Brunner/Dölling aaO; Ostendorf JGG 4. Aufl. § 32 Rdn. 19) und dann, wenn – wie hier – die Frage, ob für die Straftaten eines Angeklagten, die er teils als Heranwachsender und teils als Erwachsener begangen hat, Jugendstrafrecht oder allgemeines Strafrecht anzuwenden ist, nur einheitlich entschieden werden darf (§ 32 JGG). Angefochten ist daher der gesamte Strafausspruch.
b) Dem steht das in BGHSt 10, 100 ff. abgedruckte Urteil des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 29. Februar 1956 - 2 StR 25/56 - nicht entgegen. Dort wurde eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Heranwachsenden-Tat (insgesamt) in einem Fall für zulässig erachtet, in dem der Angeklagte wegen zweier Taten, die er teils als Heranwachsender, teils als Erwachsener begangen hatte, verurteilt worden war, und die Revision mit einer Verfahrensrüge geltend gemacht hatte, die erkennende große Strafkammer habe im Hinblick auf die Heranwachsenden-Tat ihre sachliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen. Anders als in dem hier zu entscheidenden Fall war dort – wie es sachlich-rechtlich geboten war – vom Landgericht eine einheitliche Rechtsfolgenentscheidung (nämlich die Verurteilung zu einer Gesamtgefängnisstrafe) getroffen worden. Dort war das Verfahren fehlerhaft. Ob in einem solchen Fall – trotz der Möglichkeit dann divergierender Rechtsfolgenentscheidungen (aaO S.103) – eine Rechtsmittelbeschränkung möglich ist, kann dahinstehen.
2. Die Verfahrensrügen genügen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind damit nicht in zulässiger Form erhoben.
3. Der Strafausspruch des Landgerichts muß abgeändert werden; denn die gleichzeitige Verurteilung teils zu Jugend- und teils zu Erwachsenenstrafe verstößt gegen § 32 JGG. Danach ist es nicht zulässig, bei gleichzeitiger Aburteilung von Taten, auf die teils Jugendstrafrecht, teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, sowohl auf Jugendstrafe als auch auf Erwachsenenstrafe zu erkennen (vgl. BGHSt 29, 67; 36, 294, 295); vielmehr ist entsprechend dem Schwergewicht der Taten entweder nur nach Jugendstrafrecht oder nur nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen (vgl. BGHSt 37, 34, 36; 40, 1, 2; BGHR JGG § 32 Schwergewicht 3, 4, 5; BGH, Urteil vom 31. August 1999 - 1 StR 268/99).
4. Das Landgericht hat im Hinblick auf die ersten zwölf der insgesamt dreizehn Taten des Angeklagten „der Empfehlung der Jugendgerichtshilfe folgend” rechtsfehlerfrei (vgl. BGH NStZ 1986, 219; BGH bei Böhm NStZ-RR 1999, 290) einheitlich Jugendstrafrecht angewendet. Es hat im einzelnen ausgeführt, daß die nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG vorzunehmende Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten ergebe, daß dieser „zur Tatzeit” nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichgestanden habe. Unter Hinweis auf § 32 JGG kam es zu dem Schluß, daß der Angeklagte den schwergewichtigen Teil der Taten als Heranwachsender begangen habe und die „Wurzeln der Tat” im Heranwachsenden-Alter gelegt worden seien; die späteren Taten im Erwachsenen-Alter seien „reine Folgetaten” (UA 10/11).
Danach kann der Senat sicher ausschließen, daß die Jugendkammer ihre Schwergewichts-Entscheidung nach § 32 JGG bei der gesetzlich geforderten Berücksichtigung auch der zuletzt begangenen, nach Erwachsenenstrafrecht abgeurteilten Tat (unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge), mit deren Ausführung der Angeklagte bereits während der letzten nach Jugendstrafrecht beurteilten Taten begonnen hatte, anders getroffen und sie insgesamt Erwachsenen-Strafrecht angewendet hätte. Bei der Verhängung der Jugendstrafe von drei Jahren – unter Einbeziehung der Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Wegfall der Freiheitsstrafe – hat es hier sein Bewenden: Eine mildere Jugendstrafe scheidet aus, weil das Landgericht eine solche mit rechtsfehlerfreier Begründung („unter Beachtung des Erziehungsgedankens”) für erforderlich gehalten hat; einer Erhöhung dieser Jugendstrafe von drei Jahren steht – abgesehen davon, daß nach den Urteilsgründen (UA 11) eine höhere Strafe erzieherisch nicht geboten ist – das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO entgegen (vgl. BGHSt 29, 269 ff.; Brunner/Dölling aaO § 55 Rdn. 28, 31, 39).
5. Der Maßregelausspruch ist nicht angegriffen; er bleibt neben der Jugendstrafe bestehen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 74, 109 Abs. 2 JGG, 473 Abs. 4 StPO: dem Angeklagten sind die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen, denn die Revision hat ihr Hauptziel (Ermäßigung der Jugendstrafe) nicht erreicht. Zu einer Kostenfreistellung nach § 74 JGG besteht kein Anlaß.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute]
Fundstellen
Haufe-Index 540836 |
NStZ 2000, 483 |