Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 25.04.1985) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 25. April 1985 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten im Revisionsrechtszug entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I. Das Landgericht hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf freigesprochen, sie hätten sich durch drei selbständige Handlungen schuldig gemacht
- der Beihilfe zum Betrug und zur Lohnsteuerhinterziehung, indem sie in der Zeit vom 4. Mai 1979 bis zum 29. September 1981 Arbeitnehmer von Firmen entliehen hätten, die unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung betrieben;
- des Betrugs, indem sie als Arbeitgeberkraft gesetzlicher Fiktion (Art. 1 § 10 AÜG) ihren Meldepflichten nach § 317 RVO gegenüber der A. nicht nachgekommen seien und dadurch die Sozialversicherungsträger um 98.843,36 DM geschädigt hätten;
- der Umsatzsteuerhinterziehung, indem sie 67.869,67 DM Vorsteuern für Leistungen geltend gemacht hätten, die in den Rechnungen der illegalen Verleiher nach Aufmaß berechnet, in Wirklichkeit aber nach Stunden bezahlt worden seien.
Mit der Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts.
Entscheidungsgründe
II. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Angeklagten der ihnen zur Last gelegten Vergehen zur inneren Tatseite nicht für überführt erachtet. Dagegen ist aus Rechtsgründen im Ergebnis nichts zu erinnern. Durchgreifende Rechtsfehler, welche die Revision im Beihilfefall (a) und im Betrugsfall (b) in der Beweiswürdigung sowie im Umsatzsteuerfall (c) sieht, liegen nicht vor.
1. Im Beihilfe- und im Betrugsfall ist die von der Revision beanstandete Erwägung nicht denkfehlerhaft, der einzig erkennbare Grund der „Leistungsumschreibung” habe darin bestehen können, die Leistung der Verleiher nach außen hin nicht als Arbeitnehmerüberlassung erscheinen zu lassen, weil hierzu keine behördliche Erlaubnis vorgelegen habe (UA S. 17). Das Landgericht stützt sich an der genannten Urteilsstelle auf diese Erwägung, um die Einlassung der Angeklagten zu widerlegen, sie hätten nicht gewußt, daß die Verleiher keine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung gehabt hätten. Soweit es die Erwägung nach einer umfassenden Beweiswürdigung (UA S. 17 bis 26) auch zur Begründung seiner Zweifel am Gehilfenvorsatz der zur Tatzeit geschäftlich noch unerfahrenen Angeklagten heranzieht (UA S. 26), bringt es damit zum Ausdruck, aus deren Sicht sei es den Verleihern lediglich darum gegangen, mit den unzutreffenden Angaben in den Rechnungen nach außen den Charakter der Tätigkeit als Arbeitnehmerüberlassung zu verschleiern. Diese Würdigung des Sachverhalts liegt auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist möglich und vom Revisionsgericht hinzunehmen. Sie ist entgegen der Auffassung der Revision nicht widersprüchlich. Das Landgericht war rechtlich nicht gehalten, aus dem als belastend erkannten Wissen der Angeklagten um das Unerlaubte der Verleihtätigkeit ihrer Geschäftspartner den von der Staatsanwaltschaft angestrebten Schluß zu ziehen, sie hätten bewußt und gewollt einen Betrug gegenüber den Sozialversicherungsträgern und eine Lohnsteuerhinterziehung unterstützt, derer-sich die Verleiher schuldig gemacht haben können (vgl. BGHSt 32, 236; BGH, Beschluß vom 2. Mai 1984 – 3 StR 159/84).
Es trifft nicht zu, daß das Landgericht bei der Beweiswürdigung von einem unrichtigen Erfahrungssatz des Inhalts ausgegangen wäre, Lohnzusatzkosten für den Arbeitgeber seien nur die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Das Landgericht hat den Begriff „Lohnzusatzkosten” im Urteil nicht gebraucht. Es hat geprüft, ob sich den Angeklagten aus ihrer damaligen Sicht auf Grund einer Preiskalkulation hätte aufdrängen müssen, daß die Verleiher ihren Pflichten gegenüber der Finanzbehörde und der ALB nicht oder nicht ausreichend nachkämen (UA S. 19 bis 23). Es hat die Frage verneint. Wenn es in diesem Zusammenhang erwogen hat, den Verleihern sei nach Abzug der Bruttolöhne und der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung von dem Entgelt vor Abzug weiterer Betriebskosten ein „Unternehmerzuschlag” von knapp 5 DM für jede geleistete Arbeitsstunde geblieben, so ist darin ein Rechtsfehler nicht zu sehen.
Eine Verurteilung der Angeklagten wegen Betrugs (b) scheitert im übrigen schon daran, daß sie nach ihrer unwiderlegten Einlassung nicht gewußt haben, Arbeitgeber der entliehenen Arbeiter gewesen zu sein (UA S. 27).
2. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Angeklagten aus subjektiven Gründen auch von dem Vorwurf der Umsatzsteuerhinterziehung freigesprochen.
a) Allerdings waren die förmlichen Rechnungen im Sinne des § 14 Abs. 1 UStG 1980, welche zum Vorsteuerabzug verwendet wurden (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980), inhaltlich teilweise unrichtig, weil sie die Menge und die handelsübliche Bezeichnung des Gegenstands der Lieferung oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung falsch auswiesen. Statt der Arbeitnehmerüberlassung, die nach Stunden abgerechnet wurde, wurden bestimmte Werkleistungen nach Gewerken in Rechnung gestellt. Nach den Feststellungen braucht der Senat jedoch nicht die in der Rechtsprechung der Finanzgerichte umstrittene Frage zu entscheiden, ob in einem solchen Fall die bezeichnete Unrichtigkeit der Rechnungen die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ausschließt (vgl. FG Düsseldorf EFG 1984 Nr. 157; FG Münster EFG 1985 Nr. 242; Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 6. Dezember 1985 DB 1985, 2654) oder sie unberührt lassen kann, (vgl. FG Düsseldorf EFG 1984 Nr. 504; FG München EFG 1985 Nr. 364; FG Rheinland-Pfalz EFG 1985 Nr. 655; zum UStG 1973 BGH, Urteil vom 22. November 1985 – 2 StR 64/85). Er hat – selbst wenn in absehbarer Zeit mit einer Klärung der steuerrechtlichen Frage durch den Bundesfinanzhof zu rechnen sein mag (vgl. BFH DB 1985, 1676; Hinweis in DB 1985, 2537) – auch keinen Anlaß, näher zu prüfen, ob eine Aussetzung des Revisionsverfahrens nach § 396 AO möglich wäre (vgl. Hübner in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO 8. Aufl. § 396 Rdn. 18). Denn die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten sich bei der Tat (wenigstens) in einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum befunden (UA S. 29), begegnet unter den besonderen Umständen des Falles keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 1986 – 2 StR 666/85; ferner BGHSt 5, 90, 92). Die Angeklagten haben sich damit verteidigt, sie seien zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen, weil „die Leistungen” erbracht worden seien und Mehrwertsteuer auch in entsprechender Höhe angefallen sei (UA S. 28). Es steht fest, daß es sich um Leistungen für den Betrieb der Angeklagten handelte und das geschuldete Entgelt für die Stundenleistungen „nur umgerechnet” wurde, „wobei der Gewerkepreis bis auf allenfalls kleine rechnerische Differenzen dem Stundenpreis entsprach. Hinzugesetzt wurde noch die gesondert ausgewiesene Mehrwertsteuer” (UA S. 13). Wenn es das Landgericht auf dieser Grundlage für unwiderlegt erachtet hat, die Angeklagten hätten sich über die Berechtigung zum Vorsteuerabzug geirrt (UA S. 29), so ist damit ausreichend dargetan, daß sie sich einer Steuerverkürzung nicht bewußt waren. Die Beschwerdeführerin ersetzt die tatrichterliche Würdigung des Sachverhalts durch eine eigene, wenn sie demgegenüber behauptet, die Angeklagten hätten nach der Parallelwertung in der Laiensphäre erfaßt, daß die Rechnungen mit falschen Leistungsbezeichnungen nicht dazu berechtigten, die in diesen Rechnungen ausgewiesenen Mehrwertsteuerbeträge als Vorsteuer von der Zahllast abzuziehen. Mit dieser Behauptung kann sie im Revisionsrechtszug nicht gehört werden.
b) Auf tatsächlichem Gebiet liegen auch die Angriffe, mit denen die Beschwerdeführerin dartun will, daß sich die Angeklagten wenigstens einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) schuldig gemacht hätten. Das Landgericht war rechtlich nicht gehindert, den Vorwurf der Leichtfertigkeit ihnen gegenüber für nicht erwiesen zu halten im Hinblick darauf, daß sie keine Fachleute auf dem Gebiet des Steuerrechts seien, sie keine kaufmännische Ausbildung erfahren hätten und es sich trotz der „Umschreibung der Rechnungen” um betriebsbezogene Leistungen handelte, die zudem in dem genannten Umfang auch wirtschaftlich angefallen seien (UA S. 30).
Unterschriften
Ruß, Gribbohm, Zschockelt, Kutzer, Detter
Fundstellen