Leitsatz (amtlich)
›Zur Frage der Nichtzulassung von neuem Vorbringen in der Berufungsbegründung, auf das der Beklagte die Erweiterung seiner in der ersten Instanz abgewiesenen Widerklage stützt.‹
Verfahrensgang
LG Düsseldorf |
OLG Düsseldorf |
Tatbestand
Die Klägerin war alleinige Kommanditistin der Firma B. & W.-GmbH & Co. KG und - neben ihrem Sohn - Mehrheitsgesellschafterin und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH. Nach Maßgabe des privatschriftlichen Vertrags vom 6. März 1981 (künftig: Vertrag) und der Vertragsergänzung vom selben Tage veräußerte sie 90 % ihrer Kommanditbeteiligung mit einem Nennwert von 180.000,-- DM zum Preis von 225.000,-- DM an den Beklagten. Außerdem erwarb der Beklagte zu notarieller Urkunde vom 26. Mai 1981 sämtliche Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH zum Preis von 5.000,-- DM, von denen 4.750,-- DM auf den Anteil der Klägerin entfielen. Die Fälligkeit des Kaufpreises für die Kommanditbeteiligung regelt Nr. II Abs. 4 des Vertrages in der Weise, daß ein Teilbetrag von 145.000,-- DM vier Wochen nach Vertragsschluß und der Restbetrag von 80.000,-- DM in zwei Raten von 40.000,-- DM am 31. Dezember 1981 und am 31. Dezember 1982 zu erbringen war. Der Beklagte zahlte den Teilbetrag von 145.000,-- DM und am 31. Dezember 1981 20.000,-- DM auf die an diesem Tage fällige Rate.
In Nr. VII des Vertrags wird bestimmt, daß die Klägerin sobald wie möglich aus ihren Bürgschaftsverpflichtungen, die sie gegenüber den Geschäftsbanken abgegeben hat, befreit werden solle. Sofern dieses Ziel nicht in absehbarer Zeit erreichbar sei, erkläre der Beklagte sich bereit, zugunsten der Klägerin eine Grundschuld in Höhe von 90 % des Bürgschaftsbetrags auf seinem Grundstück eintragen zu lassen. In der Vertragsergänzung ist zu Nr. VII vereinbart, daß die Klägerin sobald wie möglich, jedoch spätestens zum 30. Juni 1982, von ihren Bürgschaftsverpflichtungen gegenüber den Geschäftsbanken befreit werden solle.
Die Klägerin, die zum 31. Dezember 1983 als Kommanditistin ausgeschieden ist, hat im Urkundenprozeß die gemäß Nr. II des Vertrags fällig gewordenen Kaufpreisraten von je 40.000,-- DM - abzüglich gezahlter 20.000,-- DM - nebst den vertraglich vereinbarten Fälligkeitszinsen geltend gemacht. Das Landgericht hat den Beklagten durch Vorbehaltsurteil zur Zahlung von 69.484,11 DM verurteilt (60.000,-- DM zuzüglich 9.484,11 DM ausgerechnete Zinsen).
Im Nachverfahren verfolgt die Klägerin auch Ansprüche aus Nr. VII des Vertrags auf Freistellung von den von ihr übernommenen Bürgschaften gegenüber den Geschäftsbanken der Kommanditgesellschaft. Dieser nach der Vertragsergänzung spätestens bis zum 30. Juni 1982 zu erfüllenden Verpflichtung ist der Beklagte trotz wiederholter Aufforderungen nicht nachgekommen. Er hat der Klägerin durch Anwaltsschreiben vom 8. Juli 1983 mitteilen lassen, für Zahlungen und Freistellungen sei kein Raum. Die wirtschaftliche Situation der Firma habe sich verschlechtert. Es müsse ernsthaft erwogen werden, die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen. Die Klägerin hat als Bürgin an die Dresdner Bank daraufhin 71.005,29 DM gezahlt und wurde auf weitere 26.911,47 DM in Anspruch genommen. Auch die Deutsche Bank hatte die Inanspruchnahme der Klägerin mit rund 138.000,-- DM in Aussicht gestellt; die Klägerin hat während des Berufungsverfahrens an sie 138.028,87 DM gezahlt. Im Nachverfahren beantragte sie demgemäß, das Vorbehaltsurteil zu bestätigen und den Vorbehalt wegfallen zu lassen, sowie Verurteilung des Beklagten zur Zahlung an sie (nebst Zinsen) oder an die Banken entsprechend ihrer auf die Bürgschaftsverpflichtungen schon geleisteten Zahlungen oder ihrer in Aussicht gestellten Inanspruchnahme.
Der Beklagte hat beantragt, das Vorbehaltsurteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen. Außerdem hat er vor dem Landgericht Widerklage mit dem Antrag erhoben, die Klägerin zur Zahlung von 116.469,75 DM zu verurteilen. Zur Begründung hat er geltend gemacht, die nach Vertragsschluß aufgestellte Bilanz zum 31. Dezember 1980 habe nicht den unter Nr. III des Vertrags vom 6. März 1981 vereinbarten Grundsätzen entsprochen. Die Folge hiervon sei gewesen, daß in der Bilanz zum 31. Dezember 1981 Forderungsausbuchungen in Höhe von 205.493,18 DM hätten vorgenommen werden müssen, wie eine - von ihm mit Schriftsatz vom 16. März 1984 vorgelegte - Liste über "Forderungsverluste per 31. Dezember 1981" ergebe. Der Beklagte hat die Meinung vertreten, die Klägerin müsse seinen Verlust in Höhe von 90 % dieses Betrags ausgleichen (also 185.953,86 DM), so daß ihm nach Abzug des der Klägerin im Vorbehaltsurteil zugesprochenen Betrags ein Anspruch von 116.469,75 DM verbleibe.
Das Landgericht hat durch Schluß-Urteil das Vorbehaltsurteil bestätigt sowie den Beklagten zur Zahlung weiterer 71.005,29 DM an die Klägerin, darüber hinaus zur Zahlung von 26.911,47 DM an die Dresdner Bank und 138.736,16 DM an die Deutsche Bank verurteilt. Die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen.
Gegen das Schluß-Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er wirft der Klägerin nunmehr die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten vor. Hierzu behauptet er, die Klägerin habe ihm die Inanspruchnahme der Kommanditgesellschaft zur Zahlung von Winterbauumlage verschwiegen. Außerdem seien in der am 26. Februar 1981 fertiggestellten Saldenliste, die bei den Vertragsverhandlungen vorgelegen habe, die Kundenforderungen der Gesellschaft zum 31. Dezember 1980 unzutreffend mit 465.544,50 DM ausgewiesen worden; der Bestand sei wegen eines entsprechenden Wertberichtigungsbedarfs - nach Herausrechnung der Mehrwertsteuer - um 188.659,09 DM niedriger gewesen. Nach Meinung des Beklagten steht ihm unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß das Recht zu, sich vom Vertrag zu lösen und den bereits gezahlten Kaufpreis zurückzuverlangen. Demgemäß beantragt er Klagabweisung und im Wege der Widerklage Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 169.750,-- DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübertragung der von der Klägerin erworbenen Anteile. Hilfsweise beantragt er mit der Widerklage, die Klägerin zur Zahlung von 117.825,96 DM zu verurteilen. In dieser Höhe sei der von ihm bereits entrichtete Kaufpreis von 165.000,-- DM überzahlt. Bei Berücksichtigung der vertragswidrig nicht angesetzten Passivposten (Winterbauumlage, Wertberichtigung) habe der Sachwert des Gesellschaftsvermögens nur 2.415,60 DM betragen. Daraus folge, daß er für seinen 90 %-Anteil einschließlich des für die stillen Reserven geschätzten Betrags von 50.000,-- DM nur 47.174,04 DM als Kaufpreis geschuldet, also 117.825,96 DM zuviel gezahlt habe. In diesem Sinn müsse der Vertrag vom 6. März 1981 zumindest ergänzend ausgelegt werden.
Die Klägerin hat ihre Klaganträge in der Berufungsinstanz dem aktuellen stand ihrer Inanspruchnahme durch die Banken angepaßt.
Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Klägerin ist mit einem Teil ihres durch Anschlußberufung geltend gemachten Zinsanspruchs nicht durchgedrungen. Mit seiner Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seine Anträge auf Klagabweisung und aus der Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe
I. 1. Das Berufungsgericht führt zur Klage aus:
a) Der Beklagte habe auf die nach Nr. II des Vertrags vom 6. März 1981 zum 31. Dezember 1981 und 31. Dezember 1982 fällig gewesenen Teilbeträge von je 40.000,-- DM nur insgesamt 20.000,-- DM gezahlt. Er schulde daher Zahlung des Restkaufpreises von 60.000,-- DM nebst (ausgerechneten) Zinsen von 9.484,11 DM, deren Berechnung der Beklagte nicht mehr entgegengetreten sei.
Die Verpflichtungen des Beklagten aus dem Vertrag seien unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt weggefallen. Auf die Nichtigkeitsfolge wegen Anfechtung (§ 142 BGB) könne er sich schon deshalb nicht berufen, weil jedenfalls die Anfechtungsfristen (§§ 121, 124 BGB) nicht eingehalten worden seien. Schadensersatzansprüche wegen eines Rechtsmangels der von ihm erworbenen Beteiligungen schieden aus, weil die Klägerin nach §§ 440, 437 BGB nur für den Bestand und die rechtlichen Eigenschaften, nicht aber für den Wert der verkauften Anteile oder für Mängel des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens hafte. Der rechtliche Bestand der Beteiligungen würde indessen selbst durch Überschuldung der Gesellschaft nicht berührt werden. Auch bei einer - im Hinblick auf die Höhe der jeweils erworbenen Beteiligung - naheliegenden Behandlung des Erwerbs als Unternehmenskauf und Anwendung der Sachmängel-Vorschriften (§§ 459 ff BGB) könnte der Beklagte keine Gegenrechte geltend machen, denn die angeblich unrichtige Bewertung von Forderungen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft betreffe keinen Sachmangel. Selbst wenn Angaben über Jahresabschlüsse einer Zusicherung zugänglich seien, ließe sich jedenfalls nicht feststellen, daß die Klägerin eine entsprechende Zusicherung abgegeben habe. Das Entfallen einer Sachmängelhaftung lasse andererseits Raum für Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluß durch unterlassene Aufklärung, auf die sich der Beklagte insbesondere stütze.
Eine schuldhafte Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflichten ließe sich jedoch mit dem Vortrag des Beklagten nicht belegen, soweit diesem Vortrag nicht ohnehin die Zulassung gemäß § 528 Abs. 2 ZPO versagt werden müsse. Soweit der Beklagte seinen Vorwurf unterlassener Aufklärung über die wahren Vermögensverhältnisse der Gesellschaft auf deren Heranziehung zur Winterbauumlage für den Zeitraum Dezember 1975 bis Dezember 1979 in Höhe von 51.315,-- DM gemäß den Bescheiden vom 18. Dezember 1979 und 1. Dezember 1980 stützt, hält das Berufungsgericht dem im wesentlichen entgegen, daß diese Verbindlichkeit nach dem Vertrag vom 6. März 1981 zu Lasten der Klägerin gehen sollte und nicht ersichtlich sei, daß die Erfüllung einer etwaigen Forderung der Kommanditgesellschaft gegen die Klägerin auf Erstattung der Umlage gefährdet wäre. Da infolgedessen die Belastung mit der Umlage den Beklagten wirtschaftlich nicht habe treffen können, sei die Klägerin auch nicht zur Aufklärung verpflichtet gewesen. Auf das vom Beklagten für das Jahr 1980 behauptete zusätzliche Risiko einer Heranziehung zur Winterbauumlage in Höhe von etwa 10.000,-- DM brauche schon deshalb nicht eingegangen zu werden, weil die Klägerin diesen beweislosen Vortrag in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten habe. Soweit es darum gehe, ob und in welcher Höhe im Jahresabschluß 1980 der Kommanditgesellschaft eine Rückstellung wegen der Heranziehung zur Winterbauumlage hätte gebildet werden müssen, käme ohnehin nicht mehr eine für den Vertragsschluß ursächliche Verletzung der Aufklärungspflicht, sondern nur eine positive Vertragsverletzung in Betracht. Sie lasse jedoch das Festhalten am Vertrag nicht als unzumutbar erscheinen.
Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe ihn dadurch getäuscht, daß sie ihn nicht über den tatsächlichen Umfang an schon für das Jahr 1980 bestehendem Wertberichtigungsbedarf für Kundenforderungen unterrichtet habe, sei vom Landgericht zu Recht als nicht hin reichend substantiiert zurückgewiesen worden. Der erstinstanzliche Vortrag ließe ohne Ausforschung eine Beweiserhebung weder durch Zeugenvernehmung noch durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu. Die von dem Beklagten vorgelegte, erst im Jahre 1984 erstellte Liste der Forderungsverluste zum 31. Dezember 1981 habe auch unter Berücksichtigung seines ergänzenden Vortrags keinen Rückschluß auf die Bonität der Forderungen zum Jahresabschluß 1980 erlaubt. Dem auch schon erstinstanzlich vorgelegten Bericht zum Jahresabschluß 1981 sei nur die pauschale und deshalb nicht überprüfbare Aussage zu entnehmen, die im Vorjahr gebildeten Wertberichtigungen hätten der gegebenen Situation nicht hinreichend Rechnung getragen. Eines gerichtlichen Hinweises gemäß §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO an den Beklagten, seinen Vortrag zu ergänzen, habe es im Hinblick auf entsprechende Rügen der Klägerin nicht bedurft.
Das Berufungsgericht führt weiter aus, es habe sich nach § 528 Abs. 2 ZPO gehindert gesehen, das neue Vorbringen des Beklagten in der Berufungsinstanz zu diesem Fragenkreis zuzulassen. Der Beklagte habe seinen Vortrag entgegen § 282 Abs. 1 ZPO im ersten Rechtszug aus grober Nachlässigkeit nicht rechtzeitig vorgebracht. Die Zulassung des neuen Vorbringens würde die Erledigung des Rechtsstreits auch verzögern. Die Klägerin habe das Vorbringen des Beklagten im einzelnen bestritten. Es würden deshalb umfangreiche Beweiserhebungen über den bei Vertragsschluß erkennbaren Wertberichtigungsbedarf und die für die Kaufpreisbildung maßgeblichen Faktoren erforderlich werden. Angesichts des Umfangs dieser Beweisaufnahme habe eine Verzögerung nicht durch vorbereitende Maßnahmen des Gerichts (§§ 273, 358 a ZPO) aufgefangen werden können. Das Berufungsgericht legt im einzelnen seine Auffassung dar, wonach einer Anwendung von § 528 Abs. 2 ZPO auch nicht entgegenstehe, daß der Beklagte in der Berufungsinstanz die Widerklage im Hauptantrag auf Rückzahlung der gesamten von ihm an die Klägerin geleisteten Kaufpreisteile gegen Rückübertragung der Kommanditbeteiligung und des Geschäftsanteils der GmbH umgestellt habe (dazu unten II. 2 b).
b) Nach Nr. VII des Vertrags vom 6. März 1981 in Verbindung mit der Vertragsergänzung könne die Klägerin auch Erstattung der Beträge - nebst Zinsen - verlangen, die sie aufgrund ihrer Bürgschaftsverpflichtung an die Banken bereits gezahlt habe, und Zahlung an die Dresdner Bank, soweit sie darüber hinaus noch in Anspruch genommen werde. Hierbei handle es sich unstreitig um 71.005,29 DM, 138.028,87 DM und 23.974,47 DM. Die Pflicht des Beklagten zur Zahlung ergebe sich daraus, daß er mit seiner in Nr. VII des Vertrages übernommenen und in der Ergänzungsvereinbarung zeitlich konkretisierten Freistellungsverpflichtung in Verzug geraten sei.
2. Die Widerklage habe der Beklagte mit Haupt- und Hilfsantrag im Rahmen von § 264 Nr. 2 ZPO zulässig erweitert; es handle sich um keine Klageänderung. Nach dem zur Klage Ausgeführten sei die Widerklage jedoch unbegründet, weil dem Beklagten weder ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluß noch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrags oder auf Rückzahlung überzahlten Kaufpreises zustehe.
II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
Zutreffend und auch von der Revision nicht beanstandet ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des restlichen Kaufpreises für die Kommanditbeteiligung nicht durch Anfechtung des Vertrages oder aufgrund von Gewährleistungsrechten entfallen ist. Seine Auffassung, daß dem Beklagten keine Ansprüche aus Verschulden bei den Vertragsverhandlungen zustehen, wird indessen von den Urteilsgründen nicht getragen.
1. Auf keine Bedenken stößt allerdings seine auch von der Revision hingenommene Ansicht, daß der Beklagte wegen der Heranziehung der Kommanditgesellschaft zur Winterbauumlage weder Einwendungen gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 6. März 1981 erheben noch Gegenansprüche geltend machen kann. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind insoweit bestehende Verpflichtungen der Gesellschaft von der Klägerin zu tragen, die dazu wirtschaftlich auch in der Lage sei.
Dann ist nicht ersichtlich, in welcher Weise dem Beklagten hier ein Schaden entstehen kann oder woraus seine Berechtigung folgen sollte, sich vom Vertrag zu lösen.
2. a) Der Beklagte hatte schon in der ersten Instanz (Schriftsatz vom 16. März 1984) eine "Liste über die von der Klägerin unter Verletzung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung zum Zwecke der Täuschung des Beklagten bilanziell ausgewiesenen angeblichen Außenstände" vorgelegt. Das Landgericht hat diesen Vortrag in seinem Schluß-Urteil als nicht ausreichend und nachvollziehbar bezeichnet. Denn der Beklagte habe in keiner Weise dargetan, aus welchen Gründen die von ihm genannten Positionen fehlerhaft bilanziert worden seien. Insbesondere habe er nicht ausgeführt, weshalb sich aus den genannten Forderungen der auf den 31. Dezember 1980 zu verlagernde Wertberichtigungsbedarf ergeben solle. Das Berufungsgericht hat sich dieser zutreffenden Auffassung mit Recht angeschlossen. Die von der Revision erhobene Rüge, aus der Liste habe sich jedenfalls für eine Reihe von Forderungen ergeben, daß sie nicht bestünden, weil sie doppelt gebucht waren oder weil Skontoabzüge oder Nachlässe nicht gebucht waren, greift beliebige Einzelpunkte heraus, die für die Substantiierung nicht ausreichen. Worum es ging, wird erst aus der Berufungsbegründung deutlich, in der auf nahezu 30 Seiten die angeblichen Forderungsmängel unter spezifiziertem Beweisantritt dargelegt werden.
b) Das Berufungsgericht hat den Vortrag in der Berufungsbegründung nicht zugelassen. Zu dem darin im einzelnen behaupteten Wertberichtigungsbedarf hat der Beklagte zusammenfassend vorgetragen, es seien teils vorsätzlich, teils fahrlässig Forderungen in die am 26. Februar 1981 fertiggestellte und bei Vertragsschluß vorliegende Saldenliste aufgenommen worden, die entweder wegen Uneinbringlichkeit storniert oder wegen Gewährleistungsansprüchen des Kunden oder ungenügender Bonität des Schuldners hätten wertberichtigt werden müssen. Die Klägerin habe mithin schuldhaft falsche Angaben über den Bestand an Kundenforderungen gemacht und dadurch ihre vorvertragliche Aufklärungspflicht gegenüber dem Beklagten verletzt.
Die Nichtzulassung des Vortrags beruht auf dem - von der Revision mit Recht gerügten - Verstoß gegen § 528 Abs. 2 ZPO. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Beklagte im Fall der Berücksichtigung dieses Prozeßstoffs materiell-rechtlich unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen mit seiner Einwendung durchdringt, er könne sich vom Vertrag lösen (vgl. BGHZ 69, 53, 57 f.; Senatsurteil vom 2. Juni 1980 - VIII ZR 64/79, WM 1980, 1006 = BB 1980, 1392 m. Anm. Müller). Auf den vom Beklagten zur Widerklage gestellten Hilfsantrag (mit niedrigerer Klagsumme) kommt es demgegenüber jedenfalls beim bisherigen Prozeßstand nicht an.
aa) § 528 Abs. 2 ZPO erfaßt nur Angriffs- und Verteidigungsmittel (vgl. . Senatsurteil vom 24. Oktober 1984 - VIII ZR 140/83, WM 1985, 144 unter II. 2 m.w.N.). Dazu gehören weder die Klageänderung noch die Klageerweiterung, die den Angriff selbst darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1955 - I ZR 119/53, LM ZPO § 264 Nr. 6 und vom 25. Juni 1956 - II ZR 78/55, LM ZPO § 322 Nr. 21); für die Änderung oder Erweiterung der Widerklage kann nichts anderes gelten. Die zuletzt erwähnten Urteile sind allerdings zu §§ 279, 529 ZPO in der Fassung vor der Vereinfachungsnovelle von 1976 ergangen, durch die der Beschleunigungs- und Konzentrationsgrundsatz erheblich verschärft worden ist. Trotzdem bestehen keine Bedenken, sie weiterhin als maßgeblich anzusehen; es ist nicht zu erkennen, daß die Novelle eine abweichende Unterscheidung zwischen Angriff und Angriffsmittel gebiete.
Das Berufungsgericht hat in dem erweiterten und auf neuen Sachvortrag gestützten Widerklageantrag zu Recht keine Klageänderung gesehen (§ 264 Nr. 1, 2 ZPO), die nach §§ 523, 263; 530 ZPO nur zulässig wäre, wenn der (Wider)beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet. Entgegen seiner Ansicht läßt sich jedoch daraus, daß die Klageerweiterung nicht von besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen abhängt, kein Argument für die Beantwortung der Frage herleiten, ob der zur Begründung der Klageerweiterung neu vorgetragene Tatsachenstoff nach § 528 Abs. 2 ZPO unter den dort geregelten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist. Es sei - so meint das Berufungsgericht im Ergebnis kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, denjenigen zu bevorzugen, der - auf der Grundlage desselben Streitstoffs - seinen verspätet ergänzten Vortrag mit einer Antragserweiterung begleite (ebenso Schneider, MDR 1982, 626, 628 unter II. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 44. Aufl., § 528 Anm. 2 A a.E.; vgl. auch Hermisson, NJW 1983, 2229, 2232 unter IV. 4; offengelassen BGH, Urteil vom 16. Dezember 1981 - IVa ZR 282/80, LM ZPO § 296 Nr. 13 letzter Absatz = NJW 1982, 1533, 1534 f.). Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es indessen nicht, den Anwendungsbereich des Novenrechts im Weg der Rechtsfortbildung auszudehnen. Bereits im Urteil vom 24. Oktober 1984 (aaO.) hat der erkennende Senat ausgesprochen, es spiele keine Rolle, daß die Vorschriften über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens anwendbar gewesen wären, wenn der Beklagte es bei der bisherigen Verteidigung (im damals entschiedenen Fall, der Aufrechnung) belassen und Widerklage nicht erhoben hätte. Ausgangspunkt muß sein, daß die Klageerweiterung als solche nicht zurückgewiesen werden kann; eine verschärfende analoge Anwendung des Novenrechts scheidet aus (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 1981 - VII ZR 112/80, LM ZPO § 528 Nr. 19 unter II. 3 = NJW 1981, 1217). In bezug auf den neuen Angriff kann der diesen tragende Tatsachenvortrag schon begrifflich nicht verspätet sein (vgl. BGHZ 83, 371, 377). Außerdem kann die vom Berufungsgericht als wesentlich angesehene Gegenüberstellung von Klageänderung und Klageerweiterung nicht auf die Erwägung beschränkt werden, daß jene nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig ist und im Fall der Unzulässigkeit zugleich der Prozeßstoff ausgeschlossen wird, auf den sich die geänderte Klage stützt. Zu bedenken sind auch die unterschiedlichen Rechtsfolgen: Die Entscheidung, daß eine Klageänderung unzulässig ist, schafft keine Rechtskraft in der Sache. Hingegen erstreckt sich die Rechtskraftwirkung auf das wegen Verspätung zurückgewiesene Vorbringen (Stein/Jonas/Leipold, aaO., § 296 Rdn. 125).
bb) Ist der in der Berufungsbegründung enthaltene neue Vortrag des Beklagten zur Entscheidung über die Erweiterung der Widerklage zu berücksichtigen, so ist auch für die Zurückweisung in bezug auf den ursprünglichen Widerklageantrag und den Klagabweisungsantrag kein Raum. Es konnte nicht durch Teilurteil nur über den erweiterten Widerklageantrag eine Entscheidung unter Einbeziehung des neuen Vorbringens ergehen. Dies gilt um so mehr, als sich das vorbringen zur Widerklage mit demjenigen zur Verteidigung gegen die Klage deckt (vgl. Senatsurteil vom 24. Oktober 1984, aaO.; s. auch Kallweit, Die Prozeßförderungspflicht der Parteien und Präklusion verspäteten Vorbringens im Zivilprozeß nach der Vereinfachungsnovelle vom 31.12.1976, S. 62 bis 65). Eine andere Beurteilung käme möglicherweise in Betracht, wenn die Erweiterung der Widerklage rechtsmißbräuchlich wäre, insbesondere nur den Sinn haben könnte, den Verspätungsfolgen zu entgehen (vgl. allgemein hierzu Prütting/Weth, ZZP 98 - 1985 -, 131 ff.; M. Wolf, ZZP 94 - 1981 -, 310, 321 f.). Dafür ergibt der Prozeßstoff jedoch keinen Anhaltspunkt.
c) Wenn sich der Beklagte vom Vertrag lösen kann und gelöst hat, was nach dem zuvor Ausgeführten vom Berufungsgericht unter Berücksichtigung des neuen Vortrags in der Berufungsbegründung zu prüfen ist, entfällt auch eine im Vertrag begründete Verpflichtung, die Klägerin von ihren Bürgschaftsverpflichtungen freizustellen oder die von ihr als Bürge geleisteten Zahlungen zu erstatten. Daher muß die angefochtene Entscheidung auch insoweit aufgehoben werden, als der Beklagte auf dieser Grundlage verurteilt worden ist. Die im übrigen gegen die Verurteilung gerichteten Angriffe der Revision sind unbegründet. Die Beanstandung, das Berufungsgericht habe eine Auslegung der vertraglichen Grundlagen unterlassen, trifft nicht zu. Es durfte auf die Ausführungen im landgerichtlichen Schluß-Urteil Bezug nehmen (§ 543 Abs. 1 ZPO), die keinen Rechtsfehler erkennen lassen. Das Landgericht hat eingehend begründet, daß der Klägerin gemäß den Vereinbarungen vom 6. März 1981 ein vertraglicher (aber nicht auf dem Ausscheiden als Gesellschafter beruhender) Freistellungsanspruch zustehe, der im Hinblick auf den Verzug des Beklagten, seine schlechte finanzielle Lage und die von der Klägerin schon geleistete Zahlung auch das Begehren decke, Zahlungen an die Klägerin und die Banken zu leisten. Die Möglichkeit, den Anspruch der Klägerin durch Bestellung einer Grundschuld zu erfüllen, habe der Beklagte entsprechend der Vertragsergänzung nur bis zum 30. Juni 1982 gehabt. Diese Ausführungen werden von der Revision nicht substantiiert angegriffen. Sie kann für ihren Standpunkt auch nichts daraus herleiten, daß das Berufungsgericht im Zuge seiner Argumentation hinsichtlich der Winterbauumlage annimmt, es bestünde eine echte Forderung der Kommanditgesellschaft gegen die Klägerin auf Ersatz für diese Inanspruchnahme. Das rechtfertigt nicht die Schlußfolgerung, die Gesellschaft müsse ihrerseits die Klägerin von den Bürgschaftsverpflichtungen befreien und der Beklagte sei nur verpflichtet, für den Fall, daß die Klägerin bis zum 30. Juni 1982 nicht freigestellt sei, eine Grundschuld zu bestellen. Damit fehlt es auch an einem einleuchtenden Grund für die Annahme, die Bestimmung in Nr. VII des Vertrags über die Bestellung einer "Grundschuld in Höhe von 90 % des Bürgschaftsvertrages" besage etwas über die Höhe der Freistellungsverpflichtung des Beklagten.
Nach alledem war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Ihm war auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen, die vom endgültigen Ausgang des Rechtsstreits abhängt.
Fundstellen
Haufe-Index 2992849 |
NJW 1986, 2257 |
MDR 1986, 843 |