Leitsatz (amtlich)

a) Auch eine Versorgungsrente, die einem Vorstandsmitglied im Rahmen einer Vereinbarung über sein Ausscheiden als Abfindung versprochen worden ist, kann nach billigem Ermessen an die gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen sein.

b) Als Ausgangsbasis für die Anpassung kommen nach Lage des Falles auch die Preisverhältnisse im Zeitpunkt einer vor dem Eintritt des Pensionsfalles getroffenen Versorgungsabrede in Betracht.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 08.01.1976)

LG Hannover

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. Januar 1976 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der am 6. August 1897 geborene Kläger war Vorstandsmitglied der M. werke U. AG; aus deren Diensten schied er im beiderseitigen Einverständnis am 31. Dezember 1953 aus. Er war dann bis zu seiner Pensionierung am 1. September 1962 für die St. GmbH tätig.

Die zwischen dem Kläger und den M. werken U. AG am 19. Dezember 1953 abgeschlossene Vereinbarung bestimmt zu 3 folgendes:

„Herr Dr. G. (Kläger) erhält hierdurch folgende Versorgungszusage:

Die Gesellschaft gewährt Herrn Dr. G. ein monatlich im voraus zahlbares Ruhegehalt

  1. bei Vollendung des 65. Lebensjahres, und zwar ab 1.1.1962
  2. bei Dienstunfähigkeit, und zwar ab Feststellung.

Das Ruhegehalt beträgt

DM

750, –

monatlich,falls der Versorgungsfall im Jahre 1955 eintritt,

DM

786, –

monatlich,falls der Versorgungsfall im Jahre 1956 eintritt,

DM

822, –

monatlich,falls der Versorgungsfall im Jahre 1957 eintritt,

DM

858, –

monatlich,falls der Versorgungsfall im Jahre 1958 eintritt,

DM

894, –

monatlich,falls der Versorgungsfall im Jahre 1959 eintritt,

DM

930, –

monatlich,falls der Versorgungsfall im Jahre 1960 eintritt,

DM

966, –

monatlich,falls der Versorgungsfall im Jahre 1961 eintritt,

DM

1000, –

monatlich,falls der Versorgungsfall am 1.1.1962 eintritt.

Im Falle des Todes von Herrn Dr. G. erhält seine Witwe als Witwengeld 60 % der oben angegebenen Ruhegehaltssätze …

Bezüge aus Bundes- oder Staatskassen oder aus der Unterstützungskasse der Metallwerke Unterweser AG werden auf die von der Gesellschaft gewährten Versorgungsbezüge angerechnet

Die Gewährung des Ruhegehaltes und des Witwengeldes unterbleibt oder wird eingestellt, wenn ein wichtiger Grund hierzu vorliegt. Als ein wichtiger Grund ist insbesondere anzusehen, wenn Herr Dr. G. oder seine Hinterbliebenen sich einer Handlung schuldig machen, die die Interessen der Gesellschaft schädigt.”

Aufgrund dieser Vereinbarung zahlte die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Metallwerke Unterweser AG dem Kläger von Januar 1962 an monatlich 1.000 DM. Außerdem erhielt der Kläger seit September 1962 von der St. S. GmbH ein Ruhegeld von monatlich 500 DM.

Am 20. Dezember 1964 trat der Kläger vergeblich wegen einer Erhöhung seines Ruhegehalts an die Beklagte heran. Im Juli 1973 verlangte er abermals eine Anpassung des Ruhegeldes an die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Diesmal erklärte sich die Beklagte durch Schreiben vom 12. November 1973 bereit, dem Kläger für 1973 eine einmalige Beihilfe von 1.000 DM und vom 1. Januar 1974 an ein Ruhegeld von monatlich 1.362 DM zu zahlen. Den zusätzlichen Betrag von 362 DM begründete sie damit, daß seit 1962 der Lebenshaltungskostenindex um 45,3 Punkte gestiegen sei, so daß der volle Geldentwertungsausgleich 453 DM betragen würde; in Anbetracht der außerordentlich angespannten wirtschaftlichen Situation, in der sich der Konzern befinde, habe sie jedoch bei der Anpassung generell einen Abschlag von 20 % vorgenommen. Diese Kürzung hat die Beklagte mit Wirkung vom 1. Oktober 1974 an fallen lassen, weil sich die Lage des Konzerns inzwischen gebessert habe. Seitdem zahlt sie an den Kläger monatlich 1.453 DM.

Der Kläger hat geltend gemacht, damit sei das Ausmaß der Geldentwertung noch nicht ausreichend berücksichtigt, die sich ergebe, wenn man, wie es richtig sei, vom Preisstand bei Abschluß der Ruhegeldvereinbarung vom 19. Dezember 1953 ausgehe. Danach sei das Ruhegeld vom 1. Januar 1974 an auf 1.775 DM zu erhöhen gewesen. Der Kläger hat demgemäß unter Anrechnung der von der Beklagten bereits vorgenommenen Erhöhung beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.361 DM sowie vom 1. Dezember 1974 an auf Lebenszeit einen zusätzlichen Ruhegehaltsbetrag von monatlich 322 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat erwidert, die dem Kläger zugebilligte Rente sei gar keine Versorgungsrente, sondern nur eine verrentete Abfindung. Betrachte man sie aber als echtes Ruhegeld, so komme eine Anpassung allenfalls an die seit dem 1. Januar 1962 eingetretene Teuerung in Betracht.

Das Landgericht ist der letzteren Auffassung gefolgt und hat unter Abweisung der weitergehenden Klage die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.204 DM und vom 1. Dezember 1974 an über die bereits gezahlten 1.453 DM hinaus einen Mehrbetrag von monatlich 35 DM zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers die Beklagte verurteilt, 8.225 DM sowie vom 1. Dezember 1975 an auf Lebenszeit zusätzlich 322 DM monatlich zu zahlen. Mit der Revision, die der Kläger zurückzuweisen beantragt, möchte die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

 

Entscheidungsgründe

1. Soweit der Kläger die Erhöhung der ihm durch Vertrag vom 19. Dezember 1953 versprochenen Bezüge für die Zeit vom 1. Januar 1974 bis zum Inkrafttreten des § 16 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) vom 19. Dezember 1974 (BGBl I 3610) am 22. Dezember 1974 (§ 32 Abs. 1 BetrAVG) verlangt, ist noch nach den Grundsätzen zu entscheiden, die der Senat in seinem Urteil BGHZ 61, 31 im Anschluß an die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anpassung vertraglicher Versorgungsbezüge an die gestiegenen Lebenshaltungskosten aufgestellt hat (Urt. d. Sen. v. 4.11.76 – II ZR 148/75, WM 1977, 53 zu 2; BAG, Urt. v. 1.7.76 – 3 AZR 37/76, BB 1976, 1129 und v. 16.12.76 – 3 AZR 795/75, NJW 1977, 828). Das setzt allerdings voraus, daß es sich bei den Bezügen um eine Versorgungsleistung handelt.

Dazu stellt das Berufungsgericht fest, der Kläger habe nach jenem Vertrag Anspruch auf ein echtes Ruhegehalt und nicht lediglich, wie die Beklagte meint, auf einen in Raten zahlbaren Kapitalbetrag. Dafür spreche nicht nur das im Vertrag gebrauchte Wort „Versorgungszusage”, sondern auch der Inhalt dieser Zusage. So seien bestimmte Bezüge aus anderen Kassen anzurechnen; nach dem Tode des Klägers sei nur noch eine verminderte Rente als Witwengeld zu zahlen, und auch das nur zu Lebzeiten oder bis zu einer erneuten Heirat der Witwe; schließlich könne die Zahlung aus wichtigem Grund unterbleiben oder eingestellt werden. Bei verständiger Würdigung ergebe sich als Ziel aller dieser Regelungen, die Altersversorgung des Klägers, der seine bisherige Stellung aufgegeben habe, und die seiner Ehefrau zu sichern. Dem stehe nicht entgegen, daß die Vertragsparteien nach der Darstellung der Beklagten davon ausgegangen seien, dem Kläger sollten insgesamt etwa 100.000 DM zufließen. Dieser Betrag sei lediglich ein rechnerisches Hilfsmittel gewesen, um die Höhe der monatlich zu entrichtenden Beträge zu bestimmen. Das werde durch die Staffelung des Ruhegelds auf versicherungsmathematischer Grundlage (für den Fall vorzeitiger Pensionierung) noch unterstrichen.

Diese vom Gesamtinhalt und Zusammenhang der Vertragsbestimmungen getragene Auslegung kann die Revision nicht durch eine abweichende Sicht ersetzen. Ihre Rüge, das Berufungsgericht habe fehlerhaft das Beweisangebot der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Oktober 1975 (S. 4) übergangen, greift nicht durch. Das dort unter Beweis gestellte Vorbringen, die Vertragsparteien hätten eine Abfindung von rund 100.000 DM in Aussicht genommen, sich aber auf Wunsch des Klägers aus steuerlichen Gründen für eine als Ruhegehalt bezeichnete Rente entschieden, steht dem – ursprünglich auch von der Beklagten eingeräumten (Schriftsatz v. 2.12.74 S. 3, 4) – Versorgungscharakter dieser Rente nicht entgegen. Denn als Abfindung anläßlich der einverständlichen Aufläsung des Dienstverhältnisses kann auch eine Altersversorgung vereinbart werden. Eine Abfindung wegen Aufhebung des Dienstvertrags vereinigt im allgemeinen mehrere Elemente in sich: Neben der Entschädigung für entgangene Arbeitsvergütung und der Abgeltung sozialer Besitzstände kommt vielfach auch eine Pauschalabfindung für den etwaigen Verlust einer – bereits erworbenen oder bei Fortdauer des Dienstverhältnisses zu erwartenden – Ruhegeldanwartschaft in Betracht (vgl. BVerfGE 42, 176, 183 f = NJW 1976, 2117). Es steht den Vertragsparteien frei, von diesen möglichen Zweckbestimmungen durch eine Ruhegeldabrede die Versorgung des ausscheidenden Betriebsangehörigen im Alter oder bei vorzeitiger Arbeitsunfähigkeit in den Vordergrund zu stellen, wie es hier nach den fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts geschehen ist. Die Wahl dieser aus damaliger Sicht für den Kläger steuerlich günstigsten rechtlichen Gestaltung läßt auch nicht, wie die Revision meint, auf ein nur zum Schein abgeschlossenes Rechtsgeschäft schließen. Ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) liegt nur vor, wenn den Vertragschließenden der Wille fehlt, die erklärte Rechtsfolge wirklich herbeizuführen. Hier zeigt aber schon die langjährige tatsächliche Durchführung des Vertrags, daß die vereinbarte Pensionsregelung so, wie sie lautet, ernstlich gewollt war.

Die dem Kläger versprochene Rente gehört demnach zu den Bezügen, die nach der Rechtsprechung des Senats schon vor dem Inkrafttreten des BetrAVG bei einer bestimmten Teuerungsrate angemessen zu erhöhen waren. Denn der tragende Grund für diese Rechtsprechung liegt darin, daß ein Ruhegehalt dem Berechtigten bei Eintritt des Versorgungsfalles allein oder zusammen mit anderen Bezügen eine angemessene Lebenshaltung sichern soll (BGHZ 61, 31, 36). Eine solche vertragliche Zweckbestimmung hat das Berufungsgericht auch hier festgestellt. Dabei kommt es, wie schon angedeutet, entgegen der Auffassung der Revision weder auf Anlaß und Zeitpunkt der Vereinbarung noch darauf an, ob der Dienstherr den ausschlaggebenden Grund für Erteilung und Höhe seiner Pensionszusage in seiner Fürsorgepflicht und der Bedürftigkeit des Empfängers sieht. Gerade auch bei Pensionsverträgen mit Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern spielt die Höhe des an Art und Dauer der aktiven Dienstleistungen ausgerichteten Gehalts meist eine wesentliche Rolle, ohne daß hierdurch der Versorgungszweck der Leistung in Frage gestellt wird. Daß die Parteien für die Leistungen der Beklagten einen bestimmten Kapitalwert eingesetzt und nach ihm die vereinbarte Staffelung der Beträge nach dem Zeitpunkt des Zahlungsbeginns errechnet haben sollen, nimmt diesen Leistungen ebenfalls nicht die Eigenschaft eines Ruhegeldes, als das sie im Vertrag ausdrücklich bezeichnet sind. Das Berufungsgericht hat hierin rechtlich fehlerfrei nur einen rechnerischen Anhaltspunkt für die Ermittlung der einzelnen Rentenbeträge, aber keinen den Charakter der Leistung bestimmenden Vertragsbestandteil gesehen. Für die Richtigkeit dieser Beurteilung spricht schon der von ihm zutreffend hervorgehobene Umstand, daß die Ansprüche aus dem Vertrag nicht vererblich, sondern von der Lebensdauer der Berechtigten abhängig sind, die Summe der tatsächlichen Leistungen also sowohl höher als auch niedriger als 100.000 DM sein kann.

Allerdings ist bei der vorliegenden Ruhegeldvereinbarung der Gedanke, die Betriebstreue des Dienstverpflichteten zu stärken oder zu belohnen, nicht so deutlich hervorgetreten, wie es bei typischen Pensionszusagen sonst vielfach der Fall ist. Aber der Entgeltcharakter des Ruhegehalts in Verbindung mit den in der Vergangenheit für das Unternehmen geleisteten Diensten, der neben dem Versorgungszweck die Notwendigkeit einer Anpassung wegen Geldentwertung begründet (BGHZ 61, 31, 36), ist auch hier unverkennbar gegeben.

2. Eine Teuerung von solchem Ausmaß, wie sie vor Inkrafttreten des BetrAVG Voraussetzung für eine vertraglich nicht geregelte Pensionsanpassung war, liegt hier zum 1. Januar 1974 eindeutig vor, gleichviel, ob man vom Zeitpunkt des Pensionsversprechens (19. Dezember 1953) oder vom Eintritt des Versorgungsfalles (1. Januar 1962) ausgeht. Das würde selbst dann gelten, wenn man entgegen der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 4.11.76 a.a.O.) die „Stillhaltegrenze” nicht bei 33 1/3 %, sondern mit dem Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 16.12.76 a.a.O.) erst bei 40 % ansetzen wollte (vgl. Preisindex für die Lebenshaltung in langjähriger Übersicht, Stat. Jahrb. f. d. Bundesrepublik Deutschland, 1974 S. 455). Da die Beklagte eine Erhöhung des Ruhegeldes über die von ihr seit dem 1. Januar 1974 gezahlten monatlichen Zusatzbeträge hinaus ablehnt und der Kläger die Billigkeit dieser Bestimmung bezweifelt, haben sich die Vorinstanzen mit Recht zu einer Entscheidung nach § 315 BGB für befugt angesehen.

3. Als Maßstab für die Höhe der Anpassung kommt nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts in erster Linie die Preisentwicklung in Betracht, und zwar nach Lage des Falles nicht erst seit Eintritt des Klägers in den Ruhestand, sondern bereits von der Ruhegeldzusage an. Schon in seinem Urteil BGHZ 61, 31 (39) hat der Senat in einem Fall, in dem vor Eintritt des Pensionsfalles ein von einem festen Betrag zu berechnendes Ruhegeld vereinbart worden und danach eine verbindliche Neufestsetzung nicht mehr erfolgt war, einen vor der Pensionierung liegenden Zeitpunkt als Ausgangsbasis für einen Kaufkraftvergleich genommen. Dies beruht auf der Erwägung, daß sich nur auf der Grundlage der letzten Pensionsvereinbarung beurteilen läßt, inwieweit das versprochene Ruhegeld durch den Kaufkraftschwund so stark entwertet ist, daß es seine vertragliche Versorgungsaufgabe in der vorgesehenen Höhe nicht mehr erfüllen kann, und welcher Betrag unter den heutigen Preisverhältnissen wertmäßig dem entspricht, was sich die Vertragsparteien bei jener Vereinbarung aufgrund der damaligen Verhältnisse als eine nach den Umständen, insbesondere auch nach dem Wert der Dienstleistungen, angemessene Voll- oder Teilversorgung vorgestellt haben. Dazu ist es notwendig, die gesamte Preisentwicklung seit der zuletzt für die Pensionshöhe maßgebenden Abrede zu berücksichtigen. Denn die Entwertung der vereinbarten Leistung, die deren Anpassung erforderlich macht, damit ihr Versorgungszweck und das vertragliche Gleichgewicht gewahrt bleiben, hat nicht erst mit der Pensionierung, sondern schon mit jener Abrede begonnen. Sowohl für die Frage, ob die „Stillhaltegrenze” von 33 1/3 % überschritten ist, als auch für die Höhe des danach einsetzenden Teuerungsausgleichs ist daher grundsätzlich an den Preisstand im Zeitpunkt der letzten verbindlichen Pensionsregelung anzuknüpfen. Mit Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß ein Abstellen auf den Zeitpunkt der Pensionierung vor allem diejenigen Ruhegeldempfänger unbillig benachteiligen würde, deren Pensionsanspruch auf einer schon viele Jahre früher erteilten und seitdem unverändert gebliebenen Zusage beruht (vgl. auch Hilger, BetrAV 1973, 140, 144; Thomas, BetrAV 1974, 34, 35 f; a.M. Höfer/Kemper, DB 1973, 1347, 1349 und DB 1974, 1573, 1574; Höhne/Heubeck, Anpassung betrieblicher Ruhegelder, 2. Aufl. S. 67 m.w.N.).

Anders kann es sich verhalten, wenn Gegenstand der Pensionszusage eine „halbdynamisierte” Rente ist, deren Höhe sich nach dem bei Eintritt des Versorgungsfalles bezogenen Gehalt richtet. In einem solchen – hier nicht vorliegenden – Fall wird vielfach davon auszugehen sein, daß die Geldentwertung bereits in laufenden Gehaltserhöhungen und damit auch in der nach dem letzten Gehalt zu berechnenden Pension ihren Niederschlag gefunden hat oder zumindest hätte finden können. So hat das Bundesarbeitsgericht in einem Fall, in dem als Ruhegeld bestimmte Prozentsätze des anrechnungsfähigen Gehalts vereinbart waren, eine Berücksichtigung der bis zur Pensionierung eingetretenen Teuerung ungeachtet der Tatsache abgelehnt, daß in den letzten Jahren das Gehalt nicht mehr erhöht worden war (Urt. v. 1.7.76 – 3 AZR 791/75, NJW 1976, 1861 – DB 1976, 1435).

In einem weiteren Urteil vom selben Tag (3 AZR 37/76, BB 1976, 1129) hat das Bundesarbeitsgericht allerdings auch in einem Fall, in dem ein fester Pensionsbetrag versprochen war, den Standpunkt vertreten, daß grundsätzlich nur die seit der Pensionierung eingetretene Teuerung zu berücksichtigen sei. Dies wird mit dem Gedanken begründet, daß der Betriebspensionär nach Eintritt in den Ruhestand schutzlos der Entwertung seiner Versorgungsbezüge ausgeliefert sei, weil er nichts mehr einzusetzen habe, um deren Verbesserung zu erreichen. Das Urteil geht also davon aus, daß es einem noch tätigen Arbeitnehmer eher als einem Pensionär möglich ist, bei seinem Arbeitgeber eine Anhebung der versprochenen Versorgungsbezüge durchzusetzen oder sich wenigstans auf andere Weise einen Ausgleich zu verschaffen (vgl. auch BAG, Urt. v. 30.3.73 – 3 AZR 34/76, AP § 242 BGB Ruhegehalt – Geldentwertung – Nr. 5 zu C II 5 a). Eine solche Möglichkeit mag bei Arbeitsverhältnissen bestehen, vor allem, wo Pensionsansprüche durch Betriebsvereinbarung geregelt sind, über einen vergleichbaren Sachverhalt ist hier aber nicht zu entscheiden, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat. Denn anders als bei den Tatbeständen, auf die sich das genannte Urteil des Bundesarbeitsgerichts bezieht, hatte hier der Kläger gar keine Gelegenheit mehr, unter Ausspielen seiner Arbeitskraft über eine Angleichung seiner Ruhegeldbezüge an eine zwischenzeitlich eingetretene Geldentwertung zu verhandeln, weil der Abschluß des Pensionsvertrags und sein Ausscheiden aus den Diensten der Pensionsschuldnerin zeitlich fest zusammenfielen. Auch sind die ihm zugesagten Beträge nicht so hoch, daß die Vertragsparteien ohne weiteres hätten davon ausgehen können, es handle sich um eine Vollversorgung und der damals 56jährige Kläger werde deshalb nicht um eine anderweitige Ergänzung bemüht sein müssen. Infolgedessen kann in der zusätzlichen Pension von monatlich 500 DM, die sich der Kläger durch seine spätere Tätigkeit erworben hat, auch nicht einfach ein Teuerungsausgleich gesehen werden.

Eine Beschränkung der Anpassung auf die von der Pensionierung bis zur Gegenwart eingetretene Teuerung läßt sich schließlich auch nicht mit der Revision daraus herleiten, daß die im Pensionsvertrag des Klägers festgelegten Monatsraten um so höher ausfielen, je später der Pensionstatbestand eintrat. Denn für diese Regelung sind andere Gründe als der Gedanke maßgebend gewesen, eine im voraus erwartete Geldentwertung bis zum Tag der Pensionierung auszugleichen; dazu kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden. Das nach dem Zeitpunkt des Versorgungsfalles gestaffelte Ruhegeld ist daher nicht mit einer halbdynamischen Rente vergleichbar, bei der die Bindung an das Gehalt wenigstens mittelbar eine Anpassung an Preissteigerungen bis zur Pensionierung ermöglicht. Bei einem Vertrag, wie er hier vorliegt, kann die vereinbarte Staffelung freilich dazu führen, daß bei späterer Pensionierung die Summe der Pensionsleistungen, obwohl diese erst entsprechend später einsetzen, gerade auch infolge ihrer Anpassung an die Geldentwertung höher ausfällt, als wenn der Pensionsfall schon früher eingetreten wäre. Das ist aber eine unvermeidbare Folge davon, daß die Vertragschließenden die Pensionshöhe an den Zeitpunkt der Pensionierung gekoppelt haben. Dieser Folge darf hier auch nicht, wie die Revision es möchte, in der Weise ausgewichen werden, daß man den Anpassungsbetrag nicht nach einer Ausgangspension von monatlich 1.000 DM errechnet, wie sie der Kläger tatsächlich erworben hat, sondern nach dem geringsten Ruhegeld von 750 DM, wie er es bei Eintritt des Versorgungsfalles schon im Jahr 1955 bezogen hätte. Denn damit erhielte der Kläger heute wertmäßig weniger als diejenige Versorgung, die er nach den an den Preisverhältnissen von 1953 ausgerichteten Parteivorstellungen erhalten sollte, wenn er erst am 1. Januar 1962 in den Ruhestand trat.

4. Auf seiner hiernach zutreffenden Ausgangsbasis hat das Berufungsgericht die Lebenshaltungskosten für Ende 1962 mit 100 Punkten, zum 1. Januar 1954 mit 84,5 und zum 31. Dezember 1973 mit 148,8 Punkten angesetzt, woraus sich eine Preissteigerung von 76,095 % und somit vom 1. Januar 1974 an ein monatliches Ruhegeld von 1.760,95 DM ergibt. Es hat dem Kläger jedoch den von ihm geforderten höheren Betrag von 1.775 DM aus der Erwägung zugebilligt, daß die Teuerung nach dem 31. Dezember 1973 noch erheblich weiter fortgeschritten sei.

a) Gegen diese Berechnungen erhebt die Revision zunächst ein grundsätzliches Bedenken. Sie meint, die Anpassung dürfe sich nicht allein am Preisindex für die Lebenshaltung ausrichten, sondern müsse insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers einerseits und die wirtschaftliche Lage des verpflichteten Unternehmens andererseits in die Prüfung einbeziehen. Dieser in § 16 BetrAVG ausdrücklich aufgestellte Grundsatz findet sich im Kern bereits in der bisherigen Anpassungsrechtsprechung und kann daher auch für deren Anwendung von Bedeutung sein (vgl. insbes. BAG, Urt. v. 30.3.73 – 3 AZR 34/72, AP § 242 BGB Ruhegehalt – Geldentwertung – Nr. 5 zu C IV 3, V). Aber schon in seinen früheren Anpassungsurteilen ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Bundesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß der amtliche Preisindex für 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalte mit mittlerem Einkommen einen brauchbaren Anpassungsmaßstab bildet und es Sache der Parteien ist, besondere Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen, die eine nach oben oder unten abweichende Festsetzung rechtfertigen (Urt. d. Sen. v. 4.11.76 a.a.O. m. w. N; vgl. auch BAG, Urt. v. 16.12.76 a.a.O.). Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Zwar hatte die Beklagte im ersten Rechtszug geltend gemacht, sie habe sich in den Jahren 1972 und 1973 in einer außerordentlich schwierigen wirtschaftlichen Lage befunden, in der die Auswirkungen einer Anpassung der Ruhegehälter in voller Höhe der Teuerungsrate nicht ohne Gefährdung ihres Unternehmens möglich sei (Schriftsätze v. 31.10.74 S. 6 u. v. 2.12.74 S. 3, 4). Hierauf hatte der Kläger aber unter Hinweis auf eine Presseveröffentlichung erwidert, die Beklagte wolle nach einer Äußerung ihres Vorstandsvorsitzenden, wonach sich eine positive Entwicklung – bereits Ende 1973 deutlich – fortgesetzt habe, für 1974 wieder eine Dividende zahlen (Schriftsatz v. 12.11.74 S. 4). Das Landgericht hat alsdann in seinem Urteil ausgeführt, es sei nicht dargetan, daß eine volle Anpassung des Ruhegelds an die Preissteigerungsrate die Beklagte in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen werde und daß weitere pensionierte Vorstandsmitglieder Forderungen an sie stellen würden. Daraufhin ist die Beklagte auf ihren Einwand, aus dem sie Folgerungen ohnehin nur für die Zeit bis September 1974 gezogen hat, in der Berufungsinstanz nicht mehr zurückgekommen.

b) Rechnerisch kommt die Revision aus mehreren Gründen zu einem anderen Ergebnis als das Berufungsgericht: Zunächst verwendet sie den neueren Preisindex mit dem Basisjahr 1970 (1970 = 100), während das Berufungsgericht noch mit dem alten Index (1962 = 100) gearbeitet hat; das wirkt sich aber im Ergebnis sogar noch zugunsten der Beklagten aus, wie sich ergibt, wenn man anhand der amtlich veröffentlichten Zahlen die auf der Basis 1962 = 100 ermittelte Preissteigerung von 1953 bis 1974 auf den Index 1970 = 100 umrechnet (vgl. Preisindex für die Lebenshaltung im langfristigen Vergleich, BAnz. 1975 Nr. 41 v. 28.2.1975 S. 7). Ferner ist die vom Berufungsgericht genannte Indexzahl von 84,5 zum 1. Januar 1954 nicht näher belegt (amtl. Index für 1953 auf der Basis 1962 = 100: 85,1; auf der Basis 1970 = 100: 69,8, wie von der Revision angegeben). Sie ist aber von beiden Parteien übereinstimmend vorgetragen worden (Klageschrift S. 5, Klageerwiderung S. 2). Die Revision meint zwar, es sei nicht der Preisindex für 1953, sondern der um 1, 2 Punkte höher liegende Index für 1952 zugrunde zu legen; Ausgangspunkt müsse der höchste Indexstand nach der Währungsreform sein. Eine an den Lebenshaltungskosten ausgerichtete Pensionsanpassung muß aber schon zur Erleichterung der praktischen Handhabung nach Möglichkeit von festen Maßstäben, insbesondere auch von einem bestimmten Ausgangs- und Endjahr, ausgehen und darf dabei im Rahmen billigen Ermessens (§ 315 BGB) kleinere Schwankungen in einer langfristigen Preisentwicklung vernachlässigen.

Soweit das Berufungsgericht als Endpunkt den Preisstand von Dezember 1973 und nicht, wie die Revision, den Index des ganzen Jahres 1973 herangezogen hat, ist seine Berechnung genauer als die der Revision. Schließlich hat das Berufungsgericht durch die Einbeziehung der für 1974 zu erwartenden weiteren Teuerung die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten, zumal sich der Preisanstieg, wie zur Zeit der letzten Tatsachenverhandlung (25.11.1975) bereits erkennbar war, im Jahre 1974 in der Tat besonders stark beschleunigt hatte (vgl. BAnz. 1975 Nr. 41 v. 28.2.1975 S. 8).

5. Der mithin rechtlich fehlerfrei vom Berufungsgericht ermittelte Steigerungsbetrag von monatlich 775 DM seit Januar 1974 liegt so beträchtlich über den zusätzlichen Zahlungen der Beklagten von zunächst 362 DM und später 453 DM, daß die Voraussetzungen des § 315 Abs. 3 BGB für eine Bestimmung durch Urteil erfüllt sind.

6. Vom 22. Dezember 1974 an richtet sich die Anpassung von Versorgungsbezügen nach § 16 BetrAVG, der nach § 17 Abs. 1 Satz 2 für vertragliche Versorgungsansprüche von Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, und damit auch für Mitglieder von Gesellschaftsorganen entsprechend gilt. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Sachverhalt in den Vorinstanzen mit den Parteien nicht erörtert worden. Gleichwohl kann der Senat auch insoweit abschließend entscheiden, und zwar ebenfalls auf Zurückweisung der Revision. Dabei braucht er nicht darauf einzugehen, nach welchen Maßstäben eine Anpassung nach § 16 BetrAVG im einzelnen zu erfolgen hat und ob sich diese Maßstäbe von denen unterscheiden, die bislang in der Rechtsprechung aufgestellt worden sind.

Die richterliche Bestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB bezieht sich hier auf einen Zeitraum, der bereits vor dem Inkrafttreten des BetrAVG begonnen hat. Durch sie ist der Kläger so zu stellen, wie wenn die Beklagte ihrer Verpflichtung genügt hätte, nach Verhandlungen mit dem Kläger dessen Bezüge nach billigem Ermessen anzupassen. Hätte sie dies getan, so hätte sie dem Kläger mindestens vom 1. Januar 1974 an denjenigen Betrag zubilligen müssen, den ihm jetzt das Berufungsgericht zuerkannt hat. In diesem Fall hätte der Kläger nach § 16 BetrAVG verlangen können, daß die Beklagte erneut eine Anpassung seiner Ruhegeldbezüge zum 1. Januar 1975 prüfte (BAG, Urt. v. 1.7.76 – 3 AZR 791/75, a.a.O.). Ob diese Prüfung zu einer anderweitigen Festsetzung des Ruhegelds hätte führen müssen, ist hier nicht zu entscheiden, da ein solches Verlangen nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist. Weder hat der Kläger eine weitere Anpassung gefordert noch die Beklagte eine solche von sich aus angeboten. Ein Prüfungsverfahren nach § 16 BetrAVG ist daher überhaupt noch nicht in Gang gekommen. Infolgedessen fehlt insoweit auch die Grundlage für eine gerichtliche Bestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB, so daß vorerst die zum 1. Januar 1974 geschuldete Rente weiterzuzahlen ist.

Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis mit Recht dem Kläger den errechneten Mehrbetrag auch für die Zeit nach dem 22. Dezember 1974 zugesprochen.

 

Unterschriften

Stimpel, Fleck, Dr. Bauer, Bundschuh, Dr. Skibbe

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502403

NJW 1977, 1536

Nachschlagewerk BGH

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